HANDBOUND AT THE L'NIVERSITY OF TORONTO PRESS ZEITSCHRIFT :^ Füll ETHNOLOGIE. Organ der Berliner Gesellschaft für Anthropologie, Etliiiologie und Urgeschichte. Redactious - Coniniissioii : M. Bartels, R. Virchow, A. Voss. Dreiunddreissigster Jahrgang 1901. Mit 9 Tafeln. BERLIN. Verlag von A. As her & Co. 1901. / Inhalt. Seite K. Th. Preuss, Kosmische Hieroglyphen der Mexikaner. (Mit 2(>i» Zinkographien im Text) ^ Julius V. Negclein, Die volksthümliche Bedeutung der weissen Farbe 5?. Ed. Seier, Die Cedrela-Holzplatten von Tikal im Museum zu Basel. (Mit 27 Zinko- graphien im Text) 1^^^ Otto Schötensack, Die Bedeutung Australiens für die Heranbildung des Menschen aus einer niederen Form. (Mit einem Situationsplau und 11 Zinkographien im Text) ^:l Heinrich Winkler, Das Finnenthum der Magyaren lo7 E. Huntington, Armenien: Weitere Berichte über Forschuugen in Armenien und Commagene. (Mit ^5 Antotypien). Uebersetzt von C. F. Lehmann Ho Besprechungen : Dr. Johann Jankö, Magyarische Typen. Erste Serie; Die Umgebung des Balaton. Budapest 1900. S. 48. — Prof. Dr. P. J. Meier, Die Bau- und Kunst-Denkmäler des Herzogthums Braunschweig. II. Band: Die Bau- und Kunst- Denkmäler des Kreises Braunschweig mit Ausschluss der Stadt Braunschweig. Wolfenbüttel li»00. S. 49. — Fr. S. Krau SS, Die Zeugung in Sitte, Brauch und Glauben der Süd-Slaven. Lieder. 1. Fortsetzung. Paris 1901. S. 50. — Jacob Heierli, Urgeschichte der Schweiz, Zürich 1901. S. 50. — N. P. Danilow, Zur Charakteristik der anthropologischen und physiologischen Merkmale der jetzigen Bevölkerung Persiens. (Ptussisch.) Moskau 1894. S. 51. — F. Frenkel, Die Lehre vom Skelet des Menschen unter besonderer Berück- sichtigung entwicklungsgeschichtlicher und vergleichend anatomischer Gesichtspunkte und der Erfordernisse des anthropologischen Unterrichts an höheren Lehranstalten. Jena 1900. S. 5'J. — Rudolf Martin, Anthropologie als Wissenschaft und Lehrfach. Eine akademische Antrittsrede. Jena 1901. S. 52. — Kämasütram (= „Leitfaden des Liebesgenusses"). Indische Original-Ausgabe. Bombay 1891. S. 86. — M. A. Rutot, Note sur la decouverte d'importants gisements de silex tailles dans les coUines de la Flandre occidentale. Bruxelles, Hayez 1900. S. 9G. F. W. Christian, The Caroline Islands. London 1899. S. 97. — A. Bastian, Die humanistischen Studien in ihrer Behandlungsweise nach comparativ- genetischer Methode auf naturwissenschaftlicher Unterlage. Prolegomena zu einer ethnischen Psychologie. Berlin 1901. S. 100. — A. Schliz, Das steinzeitliche Dorf Grossgartach, seine Cultur und die spätere vor- geschichtliche Besiedelung der Gegend. Stuttgart 1901. S. 155. — J. D. E. Schmeltz^ Ministerie van Binnenlandsche Zaken. Rijks Ethnographisch Museum te Leiden. 'sGravenhage 1900. S. 15G. — Wilh. Grube, Zur Pekinger Volkskunde. Berlin 1901. S. 171. — Rieh. Audree, Braunschweiger Volkskunde. Braunschweig 1901. S. 172. — IV Ernst Förstemanu, Counnentar zur Maya-Handsclirift der Königlichen öffentlichen Bibliothek zu Dresden. Dresden 1901. S. 210. — Albert Mayer, Die vorgeschicht- lichen Denkmäler zu Malta. München 1901. S. 211. — Giuseppe Bellucci, Amulcti Italini autichi e contcmporanei. Perugia 1900. S. 212. Vcrhaudlimgcii der IJerliuer Gesellschaft für Authropologie, Ethuologie und Urgeschichte mit besonderer Paglnirung. Ein chronologisches Inhalts-Vorzeiclmiss der Sitzungen sowie ein alphahctischcs Namen- und Sach-Picgister befinden sich am Schlüsse der Verhandlungen. Naelirichteu über deutsche Alterthumsfimde 1901 mit besonderer Paginii-ung und Register. '^ i Verzeichnisö der Tafeln. Tat'pl I. Aiuü-Typcu. (A.) VerhancU. S. 75. Graf Leo Tolstoi (zum Vergleich). Aino aus Yeso. Desgl. Aino-Frau aus Mororan (Yeso), Tätowirung uui den Mund und zwischen (U;n Augenbrauen. Aino-Frau aus Teneshikan (Sachalin), Augen etwas niongoloid. Tätowirung um den Mund. II. Karte der Polarströmung zwischen Japan und dem Festlando. Verhandl. S. 173. „ Iir. Aino-Friedhof bei Tsuishikari, Yeso. (A.) Verhandl. S. 180. Fig. 1. Anblick des Friedhofs; im Vordergrund der grosse geschnitzte Baum- stamm auf einem Grab. Fig. 2. Grab mit phallusartigem Baumstamm ; männliches Grab. Fig. 3. Weibliches Grab. „ IV. Ostasiatische Typen. Augenformen. (A.) Verhandl, S. IGll. Fig. 1. Koreo-Mandschure, kaukasoid. Fig. 2. Aino-Typus bei einem jungen Japaner. Fig. 3. Koreo-Mandschure (Japaner). Fig. 4. Mongolo-Malayische Typen. Fig. 5. Desgl. Fig. 6. Typische schiefe Mongolen -Augen (Gestalt eines Circonllex), beide Winkel spitz. Fig. 7. Kleinheit der Lidspalte beim Lachen. Innerer Winkel mehr rund (Knopflochauge). Fig. 8. Grosse runde Augen, in Nord-China und in der Mandschurei häufig. Einfluss von kaukasischem Blut (Turk-Blut?). Fig. 9. Feiner koreo-mandschurischer Typus: Pseudostrabismus. „ V. Blaue Mongolen -Flecke und Haarwirbel über der Wirbelsäule bei einem 7jährigen tuberculösen japanischen Mädchen. (Farbendruck.) Verhandl. S. 18S. VI. Die Inscliriften an der „oberen Höhle'- der Tigrisgrotte, (A.) Verhandl. S. 243. „ VII. Anachoreten-Schädel. (A.) ., VIII. Deformirter Schädel von Mioko, Duke of York-Inseln. IX. Anthropomorphe Todten-Urne aus Marakä (Z., 3 A.) Verhandl. S. 3«7. VI Verzeichniss der Zinkographien, Autotypien und Holzschnitte im Text. (A. = Autotypie, H. = Holzschnitt, Z. = Zinkographie.) 1. Zeitschrift für Ethnologie, 1901. Seite 4. Mexikanische Hieroglyphen. (31 Fig. Z.) 8. Desgl. (20 Fig. Z.) 11. Desgl. (10 Fig. Z.) ,. 13. Desgl. (20 Fig. Z.) „ 17. Desgl. (25 Fig. Z.) 20. Desgl. (5 Fig. Z.) „ 22. Desgl. (20 Fig. Z.) 28. Mexikanische Spinnwirtel aus Thon. (14 Fig. Z.) 30. Mexikanische Hieroglyphen. (16 Fig. Z.) 32. Mexikanische Spinnwirtel aus Thon. (18 Fig. Z.) ^ 3(i. Mexikanische Hieroglyphen. (29 Fig. Z.) , 42. Desgl. (4 Fig. Z.) ,. 102. Desgl. (Z.) , 103. Desgl. (Z.) „ 105. Desgl. (8 Fig. Z.) .. 106. Desgl. (Z.) „ 107. Desgl. (Z.) „ 109. Desgl. (2 Fig. Z.) „ 111. Desgl. (3 Fig. Z.) „ 112. Desgl. (3 Fig. Z.) „ 113. Desgl. (3 Fig. Z.) „ 114. Desgl. (Z.) „ 115. Desgl. (Z.) „ 116. Desgl. (2 Fig. Z.) „ 117. Desgl. (Z.) ,. 118. Desgl. (Z.) .. 120. Desgl. (Z.) .. 122. Desgl. (Z.) „ 123. Desgl. (Z.l „ 124. Desgl. (Z.) ,. 125. Desgl. (3 Fig. Z.) 130. Kartenskizze des indo-australischeu Archipels zur Pliocän-Zeit. (Z.) 139. Australische Wurfstöcke und paläolithische Bunieruugs von Ijaugerie hasse (8 Fig. Z.) 147. Kletternder Australier mittels des Kamin genannten Seiles. (Z.) .. 148. Finfaches Klettern eines Australiers. (Z.) 149. Australier, Kletterstufen mittels eines Steininstrumentes in einen Baum schla- gend. (Z.) „ 175. Die heissen Quellen bei Baghin, Armenien. (A.) „ 176. Kirche von Baghin mit Keil-Inschrift. (A) „ 176. Menuas-Stele mit chaldischer Keil-Inschrift in der Mauer der Kirclic von Baghin. (A.) „ 177. Chaldische Burg bei Baghin. (A.) ,. 179. Mauer der Burg von Baghin mit Fragment der Mcnuas-Stele. (A.) 179. Brücke über den Muzur zwischen Peri und Pertag. (A.) VII Seite 184. Bau des Kelek. (A.) „ 185. Desgl. (A.) .. 185. Das Kelek auf dem Murad-su. (A.) 186. Chaldische Burg im Murad-cai, (A.) ,, 187. Blick vou der chaldischen Felsiusel-Burg über den Murad-cai. (Z.) „ 188. Burg Pertag. (A.) „ 189. Desgl. (A.) „ 190. Euphrat bei Kjeban Maden. (A.) ., 191. Euphrat-Schlucht daselbst. (A.) „ 192. Einmündung eines Bergstroms in den Euphrat unterhalb Kjoban-Maden. (A.) ,, 193. Verwerfung der Schichten am westlichen Euphrat- Cfer. (A.) „ 194. Ein Kizil-bas auf einem Burguk über den Euphrat setzend. (A.) „ 194. Kizil-bas-Frauen am Euphrat waschend. (A.) „ 195. Storchnester in Ataf. (A.) „ 196. Zerstörte armenische Kirche auf dem Muser-dagh. (A.) „ 196. Blick Euphrat aufwärts nach Izoly. (A.) „ 197. Inschrift von Izoly. (A.) „ 198. Euphrat-Enge bei Kümür-Chan. (A.) „ 199. Desgl. (A.) „ 200. Zaza-Männer auf den Ruinen einer alten Kirche, Bizman hei Gerger. (A.) ,, 200. Zaza-Frauen in Bizman. (A.) ^ 201. Altes Minaret im Dorfe Gerger. (A.) „ 202. Armenier in Gerger, kurdisch gekleidet. (A.) „ 202. Gräco-hethitische Figur, nordwestliche Ecke der Burg zu Gerger. (A.) „ 203. Nordwestliche Ecke der Burg zu Gerger mit der gräco-hethitischcu Figur. (A.) „ 203. Grab bei Semsidi, unweit Gerger. (A.) 2. Yerhandlungen der Berliner Gi-esellscliaft für Anthropologie, Ethnologie und Urgeschichte, 1901. Seite 40. Slavisches Gefäss mit Leichenbrand von Lössnig bei Strehla. (A.) 41. Desgl. (Z.) „ 44. Bronzefibel aus einem Steinkistengrab in Albanien. (Z.) „ 45. Alterthumsfußde ebendaher. (6 Fig. Z.) 46. Desgl. (21 Fig. Z.) 47. Desgl. (4 Fig. Z.) „ 50. Urne und Bronzethierkopf ebendaher. (3 Fig. Z.) „ 52. Fibeln ebendaher. (3 Fig. Z.) 53. Gürtelbeschläge, Lampe, eisernes Messer und eisernes Beil, ebendaher. (5 Fig. Z.) „ 55. Tumulus vou Amatovo, Macedonien. (Z.) „ 56. Gefässscherben ebendaher. (16 Fig. Z.) „ 57. Thonwirtel und Thonperlen ebendaher. (2 Fig. Z.) „ 59. Situationsskizze des prähistorischen Wallis im Oberholz bei Ti'äna. (Z.) ,, 65. Skizze des Königsgrabes bei Seddin, Kreis Westpriegnitz. (Z.) 68. Thonurne uud Bronze-Gefäss mit Brandresten, ebendaher. (2 Fig. Z.) „ 71, Ein Theil des das Grab umgebenden Steinkranzes, ebendaher. (A.) „ 72. Grundi-iss der Kammer des Seddiner (^Irabes. (Z.) „ 73. Steinmörser aus Reichenhall. (5 Fig. Z.) 76. Tatarischer Webstuhl. (Z.) 77. Desgl. und Theile desselben. (3 Fig. Z.) 88. Alterthumsfunde aus einem Hügelgrab von Helenendorf, Gouvern. Elisabethpol. (3 Fig. Z.) „ 89. Skizze eines Hügelgrabes daher und Hängeschmuck aus demselben. (2 Fig. Z.) „ 90. Bronzeriuge und Bronzenadel von dort. (3 Fig. Z.; vin Seite 91. Incrustirte Urnen von dort. (2 Fig. Z.) 92. Desgl. (2 Fig. Z.) „ 90. Brouzedolcli, Obsidian-Pfeilspitze, Pfriemen und Nadel von Bronze, Ornament einer Urne von dort. (5 Fig. Z.) 94. Urne von dort. (2 Fig. Z.) „ 95. Skizze eines geöffneten Grabhügels von dort. (Z.) 96. Todteu- oder Phallus-Steiue von dort. (Z.) „ 97. Urne und Skizze eines geöffneten Grabes von dort. (2 Z.) 98. Desgl. (2Z.) „ 99. Schmucksachen von dort. (7 Fig. Z.) „ 100. Urne von dort. (Z.) „ 101. Thonkrug und Skizze eines geöffneten Grabes von dort. (2 Fig. Z.) ,, 102. Schädel mit Bronze-Stirnreif und 2 Bronze-Armringe von dort. (3 Fig. Z.) „ 104. Urnen von dort. (?> Fig. Z.) ,. 105. Desgl. (4 Fig. Z.) „ 106. Skizze eines geöffneten Grabes von dort. (Z.) „ 107. Situationsplan der Gräber, südöstl. von Helenendorf am sogenannten Thärie. (Z.) „ 108. Steinbeile von dort. (2 Fig. Z.) „ 109. Skizze der biosgelegten Plattengräber von dort. (Z.) „ HO. Skizze eines geöffneten Ausstich-Grabes von dort. (2 Fig. Z.) „ 111. Urnen von dort. (2 Fig. Z.) „ 112. Skizze eines mit Platten gedeckten Grabes von dort. (Z.) „ 115. Bronze-Schmucksachen von dort. (7 Fig. Z.) „ 116. Perlen von dort. (12 Fig. Z.) - 117. Urnen von dort. (2 Fig. Z.) „ 118. Urne und Skizze eines geöffneten Grabes von dort. (2 Fig. Z.) „ 119. Urne und Ornamente derselben von dort. (4 Fig. Z.) „ 12:5. Situationsplan der Gräber von Gül-Lik-Dagh bei Helenendorf. (Z.) „ 125. Urnen von dort. (3 Fig. Z.) „ 126. Situationsplan der Gräber hinter dem Piquet-Buckel bei Helenendorf. (Z.) ,. 127. Trichter-Brandgrab dort. (Z.) „ 128. Skizze der grossen Grabhügel dort, (Z.) „ 129, Durchschnitt und Grundriss eines Kurgans dort, (2 Fig. Z.) „ 130. Urne von dort. (,Z.) „ 132. Urnen von dort. (2 Fig. Z.) „ 135. Urne von dort. (Z.) ^ 136, Urne und Skizze eines geöffneten Grabes von dort. (3 Fig. Z.) „ 137. Steinerner Keulenkopf von dort. (Z.) „ 138. Situationsplan der Gräber südwestlich von Helenendorf. (Z.) ,. 140. Urne von dort. (Z.) „ 141. Urnen von dort. (2 Fig. Z.) „ 142. Desgl. und Ornamente derselben von dort. (4 Fig. Z.) „ 143. Skizze eines geöffneten Grabes von dort. (Z.) „ 144. Situationsplan der Grabhügel der Kärisgärten l)ei Helcneudorf. (Z.) ,, 147. Alterthumsfunde von dort. ^11 Fig. Z.) „ 150. Vorhistorische Thongefässe von Helenendorf. (A.) ,, 154. Thougefäss aus Ost-Turkistän, „ 162. Altbabylonischer Gazellenkopf aus Bronze. (A.) „ 163, Desgl. (A.) „ 169. Feiner mandschu-koreanischer Typus bei einem .Japaner: malayo-mongülisclicr Typus bei einer Japanerin. ((> Fig, Z.) ,. 170. Gesichts-Umrisse von Japanern. (3 Fig. Z.) „ 176. Profile von Japanern. (3 Fig. Z.) „ 182. Aino-Grabmäler. (3 Fig. Z.) y. 187, Augenfornien der Japaner. (6 Fig. Z.) IX Seite 1U4. Situationsskizze des liolieii Steius von Dobeu bei Grimma. (Z.) „ 195. Der hohe Stein von Döben bei (xiimma. (Ä.) „ 202. Japanischer Knabe mit Sclmürfurche. (A.) „ 217. Japanische Proiihiinrisse. (A.) , 218. Polymastie. (Z.) „ 219. Supra-Mamma-VVnlst der Venus von Melos. (Z.) „ 229. Tigris-Tunnel in Mesopotamien. [A). > 230. Desgl. (A.) „ 231. Desgl. (A.) „ 233. Desgl. (A.) „ 261. Marmorbüste des Königs Perseus von Macedonicu. (A.) „ 262. Mumien-Etiquetto desselben. (A.) „ 263. Mumien-Portrait der Königin Cleopatra Trypliäna. (A.) „ 264. Portrait der Königin Cleopatra nach einer silbernen Medaille. (A.) „ 275. Maya-Hierogljphen. (5 Fig. Z.) „ 278. Bronze-Gefäss und Thonnachbildung desselben. (2 Fig. A.) , 279. Desgl. (3 Fig. A.) „ 280. Desgl. (2 Fig. A.) „ 281. Desgl. (2 Fig. A.) „ 282. Desgl. (2 Fig. A.) „ 329. Marmor-Idol vom Thracischen Ohersones. (A.) ,, 331. Westafrikanische menschliche Figuren aus Talkschiefcr. 2 Fig. A.) „ 337. Eöntgen-Aufnahme der Hand eines Idioten. (A.) „ 338. Desgl. (2 Fig. A.) .. 339. Desgl. (3 Fig. A.) „ 340. Desgl. (2 Fig. A.) „ 341. Desgl. (4 Fig. A.) „ 342. Desgl. (A.) „ 343. Desgl. (4 Fig. A.) „ 840. Die sog. Aztekin Bartola. (A.) .. 350. Der sog. Aztek Maximo. (A.) .. 410. Plan des Walles im Oberholz bei Tliräna. (Z.) ., 424. Hausurnenähnliche Thongefässe aus Aegypten. (2 Fig. Z.) „ 425. Desgl. aus Dänemark. Burgkemnitz bei Bittcrfeld und Pollebeu, Mansfelder Seekreis. (3 Fig. Z.) .. 427. Frau mit Hypertrichosis lumbo-sacralis. (Z.) „ 450. Malereien aus einem sog. Königsgrab in Amasia (Klein -Asien). (4 Fig. Z.) „ 451. Desgl. (2 Fig. Z.) „ 451. Elfenbein-Würfel aus Amasia. (2 Fig. Z.) „ 453. Keilinscbrift von Hassankala (Pasiuler). (A.) , 454. Desgl. (Z.) „ 460. Hethitischer Siegel-Cylinder. (Z.) „ 461. Amassia vom Burgfelsen aus gesehen. (A.) „ 462. Der Burgfelsen von Amassia mit den Ruinen der ehemaligen (Utadelle. (A.) ,, 464. Königsfelsengrab am Burgfelsen von Amassia. (A.) „ 465. Desgl (Z.) „ 466. Desgl. (Z.) ,. 471. Der mittlere Felsentunnel der Burg von Amassia. (A.) „ 472. Felsentreppe im mittleren Tunnel der Burg von Amassia. (A.) „ 481. Reste der cyklopischen Burgmauer von Boyuk Kala. (A.) „ 483. Die Umrisse des grossen Tempels und Theil der Umfassungsm;iuern desselben in Boghazkoi. (2 A.) , 500. Grosser Topf aus Kleinasien. (Z.) „ 504. Hethitischer In.^chriftstein aus Ekrek bei Cäsarea. (Z.) „ 506. Zuckerhutähnliche Felsen in der Schlucht von Korämär. (A.) X Seite 507. Schema der Entstehung derselben. (2 Fig. Z.) „ 508. Desgl. (3 Fig. Z.) „ 509. Desgl. (Z.) „ 509. Zuckerhutähnliche Erosionsformen in ursprüngliclier Höhe mit erratiscliem Block auf der Spitze in der Nähe von Uergüb. (A.) „ 510. Zuckerhutähnliche Felsen mit Felswohnungen in der Korämär-Sclilucht. (A.) „ 514. Felsen-Wohnung bei Uergüb. (Z.) „ 515. Desgl. (Z.) „ 517. Desgl. in Meleköb. (Z.) ., 518. Desgl. und in Ine-i. (2 Fig. Z.) „ 519. Skelet eines liegenden Hockers von Remedelio-Sotto. (A.) „ 528. Gehirn aus einem Mound-Schädel. (2 Fig. A.) „ 529. Desgl. (3 Fig. Z.) „ 535. Frau mit Heterogenie der Behaarung. (Z.) 3. Nachrichten über deutsche Alterthumsfunde, 1901. Seite 14. Thougefässe aus den ßrandgräbern bei Wilhelmsau, Kr. Nicdcr-Barnim. (2 Fig. A.) „ 18. Skizze der Schwedenschanze auf der Klinke bei Riewend, Kr. Westhavelland. (Z.) 20. Alterthumsfunde daher. (10 Fig. A.) v/ 21. Urnen daher. (3 Fig. A.) „ 22. Gefässscherben daher. (11 Fig. A.) 23. Desgl. (12 Fig. A.) 24. Desgl. (14 Fig. A.) „ 30. Bronze-Depotfund von Angermüude, Uckermark. (13 Fig. A.) „ 35. Fingerspitzen-Eindrücke im Boden vorgeschichtlicher TJiongefässe. (Z.) „ 53. Bronzestier-Figur von Löckiiitz in Pommern. (2 Fig. Z.) „ 76. Spätkarolingisches Gefäss aus einer kistenartigen Steinpackung von Crieweu bei Schwedt au der Oder. (3 Fig. Z.) „ 79; Bronze-Depotfund von Arnimhain, Uckermark. 82. Der Depot-Fund von Watenstedt. (IG Fig. Z.) ,, 91. Eigenthümliche Thongeräthe aus der Provinz Sachsen. (8 Fig. Z.) „ 94. Funde aus einem bronzezeitlichen Begräbnissplatz zu Gross-Kühnau. (2 Fig. A.) I. Kosmische Hieroglyphen der Mexikaner. V.m Dr. K. TH. PREUSS. (Vorgelegt in der Sitzung der Berliner Anthropologischen Gesellschaft vom 21. Juli 1900.) Einige Symbole der Mexikaner finden sich zugleich in der Darstellung der Erde, des Himmels bezw. des Luftraums und der Unterwelt. IVIan könnte sie als kosmische Hieroglyphen bezeichnen, da sie gewissermaassen die Urbestandtheile des mexikanischen Kosmos zu vertreten scheinen. Ohne die Classe dieser Symbole erschöpfen zu wollen, seien hier nur 3 am häufigsten vorkommende namhaft gemacht und im Einzelnen behandelt. Es sind: der Schmetterling, dessen hauptsächlichste Erscheinungsform die Gestalt eines Halbmondes ist, ferner das Auge und die Schnecke. Eine vierte Hiero- glyphe, das Kreuz, gehört nicht ganz unter die aufgestellte Definition. Die religiöse Bilderschrift der Mexikaner spiegelt in der allgemeinen An- ordnung das grossartige astronomische System ihrer Zeitrechnung in augu- rischer Beleuchtung wieder, während in den Göttergestalten und einzelnen Symbolen u. a. das schwer zu erfassende Pantheon und der Wirkungskreis der göttlichen Thätigkeiten niedergelegt ist. Verfolgt man aber die Formen der Hieroglyphen, so findet man die überraschendsten Analogieen mit den künst- lerischen Darstellungen vieler Naturvölker und zwar in folgenden Punkten. Erstens kommen vollständig ausgeführte Figuren von Thieren u. dgl. m. neben rudimentären und „geometrischen" Formen desselben Urbildes dicht nebeneinander vor. Zweitens schrumpft dadurch die scheinbare Keichhaltig- keit der Symbole erheblich zusammen. Drittens beschränkt sich die künst- lerische Ausdrucksweise auf die Darstellung der am wichtigsten erscheinenden Theile eines Gegenstandes, die oft selbst dann auftreten, wenn sie in Wirklichkeit wegen Yerhüllung oder aus Gründen der Perspective nicht wahrgenommen werden könnten. Während aber bei den Naturvölkern der Sinn eines Ornaments häufig vergessen wird, darf man vermuthen, dass dies in den mexikanischen Bilderschriften und auch auf den Alter- thümern gewöhnlich nicht der Fall war. Bei der Zusammenstellung der zusammengehörigen und voneinander abgeleiteten Formen liegt nun hier wie dort die Gefahr nahe, dass man Formen verschiedenen Ursprungs, aber gleichen oder ähnlichen Aussehens aufeinander bezieht. Indessen lässt Zeitschrift für Ethnolo-'ie. .IiihrL'. 1901. 1 2 K. Th. Preuss. sich dieser Fehler bei einiger Vorsicht meist vermeiden, und die Be- deutung des Symbols im Zusammenhang, sowie literarische Nachrichten stecken schrankenloser Willkür in der Deutung der Figuren eine Grenze. Durch diese Betrachtungen ist zugleich die Methode der Forschung, auf der die nachfolgenden Untersuchungen beruhen, genügend gekennzeichnet. Der „Schmetterlings- Halbmond" und das „Auge". Im vorigen Bande dieser Zeitschrift, S. 118 f., ist darauf hingewiesen, dass die Erdgöttinnen und mit ihnen verwandte Grestalten den Schmetter- lino; in Form einer stufenförmio-en Platte oder eines Halbmondes als Schmuck in der Nasen-Scheidewand tragen. Ebenso seien u. a. die Häkchen oder kleinen Halbmonde, welche die Ackererde bezeichnen und den einen Be- standtheil des Symbols des Krieges atl tlachinolli ausmachen, auf Schmetter- linge zurückzuführen. Atl tlachinolli bedeute aber Wasser und von feuriger Masse durchzogene Erde, sodass der Schmetterling ein Symbol der feurigen, vulcanischen(?) Erde sei. Diese Kesultate werden im Folgenden eine Er- weiterung erfahren. Es muss also der Inhalt der Arbeit über das Symbol des Krieges atl tlachinolli für diese Auseinandersetzungen vorausgesetzt werden. Genau dieselben Schmetterlings -Häkchen wie in der Zeichnung des Ackers finden sich in der Darstellung des Nachthimmels (Fig. 1 der Text- Abbildungen) und des blauen Himmels^), des nächtlichen Dunkels^), des Erdinnern bezw. des Dunkels der Höhlen (Fig. 4) und der Unterwelt (? vgl. auch Fig. 2^). Au den meisten Stellen treten aie zusammen mit Augensternen auf. Cod. Borg. 37 und 38 sieht man sie zugleich mit mehreren voll ausgeführten Schmetterlingen. Diese Augen sind meist in Form zweier concentrischer Kreise ge- zeichnet, von denen gewöhnlich das obere Drittel oder die obere Hälfte bezw. das Ende, welches dem Innern des dunklen und zu erleuchtenden Gegen- standes zugekehrt ist, roth gemalt erscheint. Das menschliche und thierische Auge ist u. a. gewöhnlich in Form zweier concentrischer Halbkreise ge- zeichnet und zuweilen nach dem äusseren Augenwinkel zu, der roth gemalt ist, etwas spitzer ausgezogen (Fig. 5). Seltener kommen — meist bei Thieren und Todten-Schädeln — runde Augen vor, deren äussere Augen- w^inkel dann ebenfalls roth sind (Fig. 6). Im Cod. Borbonicus besonders giebt es aber auch runde Augen, z. B. im Gesicht Tlalocs und des Todes- gottes, deren obere Hälfte roth ist (Fig. 11). Dasselbe zeigen die aus den Höhlen herausgetriebenen Augen (Fig. 7). Manchmal tragen dieselben 1) Vgl. Cod. Vat. B. Nr. 3773 ed. Loubat 26, 56. Cod. Bologna ed. Loubat 5, 6. Cod. Borg. ed. Loubat 24.(?) 2) Vgl. Cod. Borg. '^9—32 usw. Cod. Bol. 12. Cod. Laud. 1. Cod. Mendoza 39, 6; 41, 7: Hieroglyphe der Stadt Yoalan. S) Cod. Borg. 28. Kosmische Hieroglyphen der Mexikaner. 3 CTottheiteii ohne ersichtlichen Grund bakl die eine, bakl die andere Form •«les Auges. Jedenfalls kann kein Zweifel besteken, dass die Augen, welche das Dunkel erhellen, thatsächlich Augen sind. Jedoch geht schon aus deni oben Gesagten hervor, dass sie keine Sterne oder wenigstens nicht immer Sterne vorstellen sollen. Sie kommen übrigens auch am blauen und wolkon- bedeckten Himmel vor') und mitunter auf hellem, rothem Grunde, der ■dem nächtlichen Dunkel entspricht^), während die Häkchen in dieser isolirten Form (s. weiter unten) sich sehr selten dort finden^). Augen und Schmetterlings-Häkchen sind im nächtlichen Dunkel sowohl zusammen vertreten, wie sie sich auch allein finden. Andererseits gehen sie aber auch eine Verbindung miteinander ein. Einmal steht das Auge in der Mitte des kreisförmig angeordneten Dunkels, dessen Rand häkchen- förmig gezackt ist (Fig. 8). Man darf vielleicht annehmen, dass diese Art und Anordnung der Häkchen, die sehr zahlreich im Godex Borbonicus auftritt, mit unseren Schmetterlings -Halbmonden hezw. -Häkchen in innigen Be- ziehungen steht. Auch das dunkle, wirre Haar der Todes -Gottheiten, welches mit Augen übersäet ist, ist in dem genannten Codex und bei den tzitzimitl-Rüstungen im Cod. Mendoza in derselben Weise am Rande ge- zackt (Fig. 0), und an manchen dieser Figuren erkennt man deutlicher, dass die Zacken unsere Schmetterlinge sind (Fig. 10). Eine weitere, aber selten vorkommende Verbindung zwischen beiden ist, dass Augen gleichsam aus den Halbkreisen am Rande des dunklen Haares herausquellen (Fig. 11), ähnlich wie die Augen heraustreten, die aus ihren Höhlen gerissen sind. In anderen Fällen entsprechen die ausgestrahlten Augen, welche gerade am Rande des dunklen Haares aufsitzen, den Höhlungen der Schmetter- lings-Halbmonde nicht ganz (Fig. 12). Dadurch kommen wir zu der Abart der vorigen Verbindung, dass die Augen ohne Stiel in den Halbmonden selbst darin sitzen. Dazu gehören zunächst die Gebilde auf den Köpfen Tlalocs, Nauieecatls, Quetzalcoatls, Xolotls, Macuilxochitls (Fig. 14) und mitunter des Tepeyollotl*), wo aus . — 5. Sonnengott. C. Borg. 66. — 6. Todosgott. C. Borg. 70. — 7. Ciiiapipiltin. C. Borg. 47. — 8. Auge mit Schmetterlings - Häkchen. C. Borb. 18. — 9. Tageszeichen miquiztli. C. Borb. 21. — 10. Todes-Gottheit, eine der dreizehn Gottheiten, die die Tageszeichen begleiten. C. Borb. 14. — 11. Todesgott. C. Borb. 11. — 12. Erdrachcn. C. Borb. IG. — 13. Nächtliches Dunkel. C. Vat. B. 3';>, — 14. Macuilxochitl. C. Borg. 15. — 1.5, 16, 19. Vom Fries in Mitla nach Seier, Mitla, Taf. I, Bruchstücke 11, 13, 1: Himmel. — 17. Quetzalcoatl. C. Borg. 45. — 18. Schmetterling von der Enagua der Teteoinnan. C. Borg. 68. — 2ü. Darstellung am Himmel. C. Land. 8. — 21, 22. Von einer „Einfassung". C. Borg 31, 33. — 2H, 24. Nacht- himmel. C. Borb. IG, 12. — 25. Darstellung am Himmel. Relief am Stein TiQocs, nach dem Abguss im Berliner Museum. — 26-28. Brustschmucke Tlauizcalpantecutlis. C. Vat. B. 80, 81, 82. — 29. Tepeyollotl. C. Borg. 14. — 30. Huehuecojotl. C. Borg 64. — 31. Xiuhcoatl, die Fenerschlange vom Rücken des Feuergottes im Sahagun Ms. Bibl. Nacionale Florenz nach Seier. Tonalamatl 8.596, Fig. 98. Kosmisclie Kioroglyplien der Mexikaner. 5 gekehrt^). An der Aussenseitc dos Schmetterlings- Hallinioiides l)ofindeii sich meist weitere 2 mid mehr Augen. ^ bezw. 4 solcher Schmetterlinge mit eingesetzten Augen, jedoch ohne Ausstrahlungen, sieht man auch auf dem Kopfe der (iötter, welche auf einem Fries zu Mitla vom Himmel herabschtiuen (Fig. lö, IC)). Die Augen erscheinen zwar etwas fremdartig. Am meisten entsprechen ihnen die Augen in dtmi nächtlichen Dunkel, Fig. 13. An einer Darstellung Quetzalcoatls, ('. Borg. 45, gehen von dem Schmetterling im Haar 8 andere, von einer Art von Augen erfüllte Schmetter- linge aus und dazwischen 2 gestielte, d. h. ausstrahlende Augen (Fig. 17). Der Gott erscheint hier in seinen Beziehungen zum Morgenstern, da er von Köpfen und üestalten Tlauizcalpautecutlis ringsum eingeschlossen ist. Fast dasselbe Gebilde sieht man auf der Brust der Gottheit des Morgen- sterns C. Fejervary 20. Dass die Figuren wirklich „Schmetterlings-Halb- monde" sind, erkennt man durch Yergleich mit Fig. 18, die eine häufig vorkommende Form des Schmetterlings auf dei- Kleidung der Teteoinnan wiedergiebt, und dem Nasenschmuck der Teteoinnan (Fig. 3). Die- selbe Verbindung zwischen Schmetterlingen und Augen, wie in dem Haar Quetzalcoatls (Fig. 17), findet sich nun auch in der Darstellung des Himmels. So auf einem Fries zu Mitla, wo von einem bekannten Schmetter- lingstypus-') 4 Schmetterlinge mit gestielten Augen darin und dazwischen 3 spitze Strahlen ausgehen (Fig. 19). An anderen Stellen sind die aus- strahlenden Schmetterlinge mit Ansätzen zum Auge und u. a. zugleich mit kleinen Häkchen (Fig. 21), ebenfalls Schmetterlingen, erfüllt oder mit einem Netzwerk von Linien (Fig. 22). Was in Fig. 21 die langen zangen- artigen Fortsätze bei a bedeuten, ist unklar. Der Lage nach müsste man an Schmetterlingsfühler denken. In Fig. 20 sind die ausgestrahlten Schmetter- linge schleifenartig verlängert, und Fig. 23, 24 hat statt der ausgestrahlten Schmetterlinge breite Fortsätze, zwischen denen 2 Schmetterlinge mit Augen darin auftreten. Aehnliche Fortsätze giebt es auch an den Ge- bilden, welche die Gottheiten des Morgensterns im Codex Vaticanus B, Nr. 3773, als Brustschmuck tragen (Fig. 2(3—28). Hier kann man er- kennen, dass diese Fortsätze auch Schmetterlinge vorstellen sollen. Auf dem Ticoc-Stein des Museo Nacional in Mexico endlich ist über der Darstellung, wie der König ülter verschiedene Städte triumphirt, am Himmel die F'ig. 2.") zu sehen, wo auch der innere Schmetterling kaum noch angedeutet ist. Ihre Bedeutung kann nur die des Gestirns Venus oder eines besonders hell leuchtenden Sterns im Allgemeinen sein. Man ist versucht, manchen Schmetterling mit eingesetztem Auge, wie Hr. Seier es thut, einfach als Augenbraue über einem Auge aufzufassen. In der That hat eine ähnliche Augenbraue der xiuhcoatl des Feuergottes in dem 1) lu allen Abbildungen ist die rothe Farbe diu'ch senkrechte SchrafüruDg aus- gedi-ückt. 2) Vgl. diese Zeitschrift XXXII, 1900, S. \\% Fig. 39. 6 K. Th. Preuss: Sahaguu-Manuscript der Biblioteea Naciouale in Florenz (Fig. 31), allein der Verfasser hat nur noch 3 Brauen der Art auffinden können^). Augenbrauen tragen überhaupt nur Thiere (Fig. 12, 30), Todtenköpfe (Fig. 6) und einige Gottheiten von thierischem Aussehen wie Tepeyollotl (Fig. 29) und Quetzalcoatl. In diesen Fällen entfernt sich aber die Augenbraue erheblich von unserem Schmetterling. Besonders sind die ausgestrahlten Schmetter- linge und die einzelnen „Hufeisen-Schmetterlinge" auf den Köpfen mancher Götter (Fig. 14, 16) durchaus anders. Es macht auch stutzig, dass gegebenen- falls die Augen am Himmel gewöhnlich in den Himmel hinein, nicht nach unten sehen würden, da ja doch die „Braue" unter ihnen angebracht wäre. Uebrigens kommen auch Augen mit Augenbrauen in freiem Gebrauch vor, wo es sich um die Darstellung von Feuerzungen bezw. Rauchwolken handelt (Fig. 44 unten links ^). Sie sind dann wie die Brauen an Todten- köpfen. Andererseits bildet Fig. 27 das einzige Beispiel, wo in unserer bekannten Verbindung zwischen Schmetterling und Auge die ümbiegung des Schmetterlings nur auf einer Seite ausgeführt ist, dieser also that- sächlich wie eine Braue aussieht. Vielleicht, dass der Mangel an Raum daran Schuld ist. So ist es nicht wahrscheinlich, dass die Braue vom Schmetterling abgeleitet oder der Schmetterling an den Himmelsaugen oder umfassender gesagt: „mit eingesetztem Auge" eine Braue ist. Man könnte allenfalls annehmen, dass die Künstler beim Zeichnen dieser Verbindung zwischen Auge und Schmetterling unwillkürlich an die figürlich und be- grifflich so naheliegende Augenbraue dachten und sich demgemäss in der Zeichnung dieser noch mehr näherten. Aber es giebt noch einen anderen Hinweis darauf, dass wir es in diesen Fällen mit Schmetterlingen zu thun haben, nehmlich eine sonst vorkommende Verbindung zwischen Schmetterling und Auge. Zunächst ist schon in einer anderen Arbeit darauf aufmerksam gemacht worden'), dass nicht nur kleine Schmetterlings -Häkchen allenthalben am dunklen Nachthimrael verstreut sind, sondern ein grosser Schmetterling den Mond vorstellt (Fig. 1). Wie wir sehen werden, gehen aber auch die Strahlen der Sonne auf Schmetterlinge und Augen zurück. ])as Sonnenbild (Fig. 33) von einem Fries zu Mitla, das innen stark verstümmelt ist, zeigt am Rande 4 Hauptstrahlen, die wie die Schmetterlinge nach aussen aufgerollt sind. Abgesehen davon, dass der Strahl nicht rund, sondern spitz ist, zeigt er überhaupt ganz die Schmetterlingsgestalt. Spitz sind nun häufig die Schmetterlings -Häkchen in der Zeichnung der Erde*), und der voll- ständio- ausu'eführte Schmetterling im Codex Borgia hat oft einen solchen 1 1) Seier, diese Zeitschr. XXIII, 1891, Vhdlg. S. 118, Fig. 3. C.\vote -Rüstung (Sähagun-Ms ). Cod. Mendoza, XI, 15 (Kopf des Windgottes). 2) Ferner Cod. Borg. Gl usw. 3) S. diese Zeitschr. XXXII, 1900, S. 126. 4) Vgl. a. a. 0. S. 121, Fig. 44. C. Borg. 50 ii. a. Kosmische Hieroglyplien der Mexikaner. 7 langen spitzen Leib (Fig. ^iH). An anderen Hounenbildorii sind die Strahlen länger und die Umbiegung ist fortgefallen (Fig. 32, 34), oder die Strahlen werden nur durch einfache dicke rothe Striche veranschaulicht (Fig. 35, 40). Letztere würden den breiten Bändern (Mitsprechen, die in Fig. 23 — 28 von dem Schmetterling ausstralilen und auch ihren Ursprung vom Schmetter- ling ableiten, wenn auch nichts mehr in ihrer Gestalt dafür spricht. Diese spitzen und stumpfen Schmetterlingsstrahlen sind übrigens aucli keines- weo-s gerade der Sonne eigenthümlich, sondern ebensogut, wenn auch seltener, dem Monde (Fig. 37, 41). In den zapotekischen Codices in Oxford sind oft Sonnen gezeichnet, deren oberer Theil wie die aufgerollten oberen Flügelenden der Schmetterlinge gestaltet ist (vgl. Fig. 43). sodass die Sonne im Ganzen als Schmetterling gedacht worden zu sein scheint. Unwillkürlich denkt man dabei an die Beschreibung, die Duran an mehreren Stellen seiner Historia (II Cap. 88, S. 156 usw.) von dem wie ein Schmetterling gestalteten Sonnenbilde giebt: „sobre un altar estava colgada en la pared una ymagen del sol pintada de pincel en una manta la quäl figura era de hechura de una mariposa con sus alas y a la redonda della un cerco de oro con muclios rayos y resplandores."- Freilich kommen in jenen Codices auch manche andere Thiere. aber nur deren Köpfe, in Verbindung mit der Sonne vor. Andererseits ist Dur an geneigt, auch einigen anderen Darstellungen Schnietterlingsgestalt zuzuerkennen, wie dem Zeichen olin und dem Brustschmuck Quetzalcoatls. was w^enigstens für letzteren Schmuck als ausgeschlossen gelten darf^). Zwischen den Strahlen der Sonne treten gewöhnlich gestielte Augen auf (Fig. 32 — 34), die manchmal ganz in der früher beschriebenen Weise nach innen zu ebenso wie theilweise der Stiel selbst roth sind, nach aussen zu weiss. Oft aber schiebt sich zwischen das Roth des Stiels und das Weiss des Auges ein schmales schwarzgestreiftes weisses Feld ein (Fig. 34). Auch wo Feuerzungen dargestellt werden, kommen die Augen in diesen beiden Arten vor (Fig. 3!), 44). Sehr schön sieht man die Rauchwolken und Flammen in einer Darstellung des Cod. Borgia beim Feuerbohren aufsteigen und in der Luft verwehen (Fig. 44). Hier kann man, wenn man will, Rauch und Feuer deutlich unterscheiden. Es könnte nun merkwürdig erscheinen, dass genau so, wie diese aus- gestrahlten Augen von dem Typus der Fig. 34, auch die. Nasenstäbe der männlichen Gottheiten gezeichnet sind, so dass der ganze Nasen- stab wie 2 mit den Stielen in eine Linie zusammengefügte Augen aus- sieht (Fig. 5). Dies würde eine Parallele dazu bieten, dass die weiblichen Gottheiten einen Schmetterling in der Nase tragen, und dass im Cod. Borg, bisweilen dem Feuergott (S. Gl u. a.), den die Erde repräsentirenden Hirschen (S. 22. 53) und dem Coyote des vierten Tageszeichens (S. 10), 1) Dur an, II. Cap. 88, S. 156. Fig. 32—4(5, 52. Auge und Schmetterling. 32. Sonne und Dunkelheit. C. Borb. 11. — 33. Sonne vom Fries zu Mitla nach Seier. Mitla, Taf. I, Bruchstück 5. — 34. Sonne. C. Borb. 16. — 3.3. Sonne am Kopf einer Gottheit mit 9 Sonnen. C. Borg. 40. — 3(i. Schmetterling. C. Borg. 36. — 37, 41. iMonde mit (Sonnen -Schm.ettcrlings-) Strahlen. C. Borg. 37, 59. — 38. Sonnen- (Schmetterlings-) Strahl als Ohrschmurk des Feuergöttes. C. Borg. 61. — 3i). Rauchender Spiegel Tepejollotls. C. Borb. 3. — 40. Hirsch mit Sonne. C. Borg. 33 (ergänzt nach Kingsborough 6). — 42. Sonne. C. Borg. 57. — 43. Sonne als Schmetterling. C. Bodleyl, 16 (die Zählung erfolgt nach der Reihenfolge der 3 zapotekischen Bodley-Codices bei Kings- borough 1). — 44. Feuerbohrung mit Feuer und Rauch. C. Borg. 51. — 45. Chalchiuiztli. C. Tell.-R , Bl. 8. — 46. Schmetterling auf einem Bündel Holz. Wiener Cod. I, 20. — 52. Feuerbohrung. C. Borg. 52. Fig. 47-51. Chalchiuitl. 47. Nach Selcr, Die Bilderschriften A. von Humboldt-s, 1893, S. 29, Fig. 37. — 48, 49. Hieroglyphen der Stadt Chalco Atenco und Chalco, C. Mend. 17, 21 und 3, 3. — .lO. Sonne vom Leib einer Xolotl-Gestalt(V) C. Borg. 43. — 51. Feuerbohrung. C. Borg. 46. Xosinisclio Hieroglyphen der Mexikaner. 9 iiri C. Lautl. "J Tlaloe (vgl. aucli ('. Land. 1) ein Scliiiietterlinnssti-ahl an einem Bande das Ohr .schmückt (Fig. 38). Allein wir .soluni allentliall)en die Enden von Bändern — besonders Ohrbänder, solclu', die vom Brusfschiniick herabhängen, am Fussgelenk n. dgl. m. — wie ausstrahlende Augen dar- gestellt. Man wird also jedes blanke, glänzende Endstück, jedes Steinchen, jede Goldscheibe, den Wassertropfen usw. als Auge gezeichnet haben, als ein passendes Symbol füi' »bis (Tlänzen(b.', ohne (hiss (hihinter eine besondere Be- deutung (U^s Auges steckt. So hat ein Interpret des TelL-Ilemensis (Bl. S) an eine ähnliche Augenchu'stellnng, welche den bekannten Maguey-Stach(d zum Auffangen des Kasteinngsblutes schmückt (Fig. 45), geschrieben: ,,chalc]iiuiztli, quiere dezir hi ])i(>dra preciosa de la penitencia o sacrifieio", was, in chalchiuh-uitztli (Mnendirt^), Dorn mit chalchiuitl (grüner Stein) heissen muss. wo1)ei der grüne Stein wohl die Vollendung - an (Mnem schlanken (legenstand 1)ezeichnen kann; bestehen doch auch die Zahlzeichen mitunter statt aus einem Kreise aus 2 concentrischen Kreisen. Im ülirigen erscheint das Auge, welches in der Darstellung des Feuers (Fig. 3*1. 44) klar genug als das Feurige, Leuchtende hervortritt, am Xacht- himnnd und am Himmel überhaupt als Stern; wenigstens liegt diese Er- klärung am nächsten, und die in den Sahagun-Alaiiuscripten in Madrid aufgeführten Sternbilder sind in der Tliat als Augen, als Reihen von je "J concentrischen Kreisen gezeichnet). Auch die Augenstrahlen des Mondes und der Sonne sind ohne weiteres verständlich. Augen dagegen als Com- plement des Dunkels überhaupt anzubringen, konmit uns als blosse Laune, als ästhetischer A'organg vor, oder wie die Erklärungen, die das „non liquet" in sich enthalten, lauten mögen. Etw^as Licht auf diese Frage zu werfen, ist vielleicht die Verwendung des Schmetterlings in Form eines Häkchens oder Halbmondes geeignet. Auch dieser kommt d;i vor, wo das Auge auftritt, soweit der Gebrauch des letzteren namhaft gemacht ist, nur nicht direct als Fenerflamme, ob- wohl der ausgeführte Schmetterling auf Holzbündeln im Cod. Viennensis wahrscheinlich die Feuerflammen symbolisiren soll") (Fig. 46). Dagegen dienten die S(dimetterlings-Häkchen ausserdem zur Bezeichnnng der Erde. Die Definition, dass sie die von feuriger (vnlcanisclier) Masse durch- drungene Erde vorstellen, würde sehr gut ihre nahen Beziehungen zu den „Augen" erklären. Dass sie sich aber als Mond, als Theile der Sonne, am Nachthimmel, in Höhlen usw. (vgl. auch die Hieroglyphe der Stadt Mictlan, Fig. 2) finden, zwingt der Betrachtung die an und für sich fern liegende Theorie auf, die Mexikaner hätten sich nicht nur die Erde, 1) Nach Seier, Tonalamatl S. 547. 2) Seier, Die Venusperiode. Zeitschr. f. Ethnol. XXX. Verhdlg. S. 348, Fig. 6— 1(). 3) Vgl. auch diese Zeitschr. XXXII, 1900, S. llOf. und Fig. 4. 5. ]() K. Tu. Predss: sondern nach Analogie derselben den ganzen Kosmos von Lichtkörperchen dnrohzogen gedacht, deren Concentration die sichtbaren Lichtquellen Sonne. Mond und Sterne bedeute. Dass übrigens die Sonne, so wie wir sie überall gezeichnet sehen, nicht nur einen Individualbegriff darstellt, sondern ge- legentlich auch einen Gattungsbegriff enthalten könnte — bei dem wir uns natürlich nichts anderes denken können als etwa „strahlendes Licht" — das sehen wir u. a. an der Figur mit dem Brustschmuck Quetzalcoatls Cod. Borgia 40, auf deren Gliedmaassen 9 Sonnen gezeichnet sind. 9 Quetzal- coatl- Gestalten öffnen mit einem Opfeimesser die 9 Sonnen, aus denen Blut herausfliesst, und reissen ihnen das Herz heraus. Freilich können die Sonnen auch als bestimmte Stellungen der Sonne oder bestimmte Quali- täten derselben angesehen werden. Auge und Schmetterling untersclieiden sich vielleicht dadurch etwas von einander, dass in der Verbindung zwischen beiden der letztere oft die Lichtquelle an sich, das erstere gewissermaassen nur die Darstellung des Lichts, die Ausstrahlung bedeutet. In der Tliat ist das Schmetter- lings-Häkchen im Dunkel der Nacht gleichfalls dunkel, das Auge leuchtend gezeichnet. Doch wird auch der Schmetterling manchmal als ausstrahlendes Licht gedacht; er strahlt aber, wenn wir von der Sonne absehen, stets von einem anderen Schmetterling aus und hat iiewöhnlich in sich 1 Auge. In den Schmetterlingsstrahlen der Sonne und des Mondes dagegen hat ein Auge nicht Platz. Da nun auch, wie erwähnt, in den zapotekischen Codices die Sonne als Ganzes als Schmetterling gezeichnet ist. so muss der Schmetterling als hervorragendste Lichtquelle angesehen werden. Bei der Sonne besteht der ausstralilende Kern, wie wenigstens- an einigen Dar- stellungen festgestellt werden kann, aus einem grünen Steine chalchinitl (Fig. 35, 40), an dem allerdings mit Ausnahme von Fig. .')0 die 4 ausge- strahlten Augen, die gewöhnlich beim chalchinitl auftreten (s. jedoch Fig. 48) weggefallen sind (Fig. 47, 49). Sonst wird der chalchinitl an der Sonne durch verschiedenfarbige oder ornamentirte Kreise ersetzt (Fig. 32, 34). Ja, während im Cod. Borgia 40 auf der Brust des Gottes eine Sonne gezeichnet ist, aus der Blut herausfliesst, hat in demselben Codex (31) eine Erd- oder Todesgöttin statt dessen einfach einen chalchinitl auf der Brust, dem das Blut entströmt. Bedenklich ist dabei nur, dass dieselben Chalchinitl - Scheiben o-elegentlich auch als Blüthen von Bäumen vor- kommen^), sodass ein klarerer Einblick erst durch genaue Vergleichung sämmtlicher Chalchinitl - Scheiben, die hier nicht angängig ist. erlangt werden kann. In der That scheint der Smaragd — oder was es sonst sei — etwas mit dem Feuer überhaupt zu thun zu haben. In 2 Darstellungen des Cod. Borgia (34, 46) dient als immittelbare Unterlage des Feuerbohrers r S. z. B. Cod. Borg. 49. Cod. Bol. 9. Kosmische Hieroglyphen der Mexikaner. n ein Smaragd (Fig. öl). hi einer anderen ist an die Stelle des Smaragds ein Opfermesser (tecpatl) getreten (Cod. Borg. 50), und derartige Messer sehen wir häufig wie Strahlen senkrecht vom Himmel abwärts gerichtet, vielleicht thatsächlich das durchdringende Licht repräsentirend. Aus dei- Thatsache, dass im Cod. Borgia 52 (Fig. 52) der Schmetterlings-Halbmond ebenfalls Unterlage des Feuerbohrers ist, dürfte man deshalb auch keine besonderen Schlüsse ziehen. Indessen steht er zur Feuerbohrung insofern in engen Beziehungen, als der Schmetterlings-Sonnenstrahl zur Bezeichnung des Jahres g'ebrauclit wird und sicli im Cod. Borgia, wie in den zapo- tekischen Codices, mit den 4 Jahreszeichen verbindet, d. h. den 4 Tagen des Tonalamatl. auf die stets die Anfänge der Jahre fielen (Fig. (58—65). Dadurch, dass im Codex Borgia Rauchwolken aus der Jahresbezeichnung emporsteigen, wird die Beziehung auf die Feuerbohrung noch deutlicher o-emacht (Fig. 64, 05). Tu den zapotekisch-mixtekischen Codices steht vielleicht an Stelle dessen das Auge (Fig. 63«, 6). Ja, man könnte auf den Fig. 53—57. Tageszeichen acat). .-.3, 54. 55, 57. C. Tell.-R., Blatt 1.'), 10. 31, 2b. — 5(;. C. A^at. A., Blatt 14. Fig. ."i8 — ()2. Tagcsz eichen tecpatl. .')8-61. C. Vat. A., Blatt :'.l, ^7,^19, 24. — (r2. r. Tell.-R., Blatt 31. (Tedanken kommen, dass in mauchen Codices acatl und tecpatl auch als- blosse Tageszeichen stets mit einem Schmetterlings-Halbmond unten ver- sehen seien; doch liefert die beifolgende Figurenreihe (53—62) den Beweis, dass man es in diesen Fällen theils mit einer Einfassung von Blättern, theils mit Wassergefässen oder dergl. m., wahrscheinlich aber nicht mit dem Schmetterlings-Halbmond zu thuu hat. Dagegen bildet bei der Dar- stellung des Feuerreibens (Fig. 52) sicher die Unterlage des Reibholzes, ein Halbmond, weil innerlialb und nicht ausserhalb desselben die Rauch- wolken emporsteigen. Yon dem Gange unserer Darstellung bringt ims die Untersuchung des in Fiff. 63a den Sonnenstrahl umschliessenden Ovals etwas ab, welches an manchen anderen Stellen durch ein Rechteck ersetzt wird (Fig. 636), und doch können wir diese nicht umgehen. Zu einer Deutung desselben fehlt uns vorläufig jeder Anhalt, da das Oval nicht die bei Sahagun (VH Cap. 1>) 12 K. Th. Preuss: beschriebene Jaliresbinduug des Zeitraums von Ö"J .Fahren, das toximmolpilia bezeichnen kann, sondern sich auf ein einzelnes Jahr beziehen muss. Ihm entspricht vielleicht im Cod. Borgia (Fig. (U, 65) die trapezartige Figur am Fusse oder in der Mitte der Jahresbezeichnungen, die aber, wie es scheint, hinter dem Schmetterlingsstrahl steht und ihn nicht umschliesst. wie in Fig. 63 o. 0. Dieses Trapez mit dem spitzen Strahl finden wir auch auf dem Kopf Tlalocs (Fig. (ji'») und — variirt, aber augenscheinlich dasselbe darstellend — sowohl auf dem Kopf des genannten Regengottes, wie einiger Erd- und ]\[aisgöttinnen (Fig. 67 — 69). Hier entspricht ein ein- facher Strahl dem an den Enden eingerollten Strahl der Jahresbezeich- nungen. Erdgöttin und Tlaloc tragen aber auch die Parallel-Pigur 70, 71 auf dem Kopf, deren Trapez an die Einschliessung des Sonnenstrahls in Fig. 6Sa, b erinnert. Im Wiener Codex ist ein vom Schmetterling aus- gehender bekannter breiter Strahl (Fig. '2'1 — "25) von einem spitzen Strahl desselben Ursprungs der Länge nach durchschnitten (Fig. 72). Vergleichen wir nun noch Fig. 73, ebenfalls vom Kopfe einer Tlalocgastalt, so darf man vielleicht schliessen. dass in allen diesen Fällen lediglich breite und spitze ..Strahlen" zur Darstellung;- gelangt sind, wenn zu diesem Schluss auch unser Ausgangspunkt (Fig. 63 d) nicht ganz stimmen will. Weshalb die beiden Strahlen so merkwürdig miteinander verflochten sind, ist überhaupt durch die Figurenreihe nicht aufgeklärt. Eine Er- weiterung erfährt dieser Kopfschmuck in Fig. 80, welche vom Kopf eines Steinbildes, v/ie es scheint, der Darstellung einer Göttin stammt. Hier sind 2 breite Strahlen in einander verstrickt, und an der Basis ist noch ein ganz kleiner spitzer Strahl vorhanden. Eng mit diesen Darstellungen verwandt ist das Schwanzende, bezw. der Leib der Feuerschlange, des xiuhcoatl. Augenscheinlich soll dadurch das Feurige, Leuchtende dieses mythischen Thieres zum Ausdruck gebracht werden, wie es an anderer Stelle durch Bauch und Feuerflammen geschieht. Gewöhnlich sind Leib und Schwanz nach Art des xiuhcoatl auf dem Bücken des Feuergottes (Fig. 79) dargestellt. In Fig. . — 119. Schild der Chicome coatl, Sahagun-Ms., Madrid, nach Seier, in Veröffentlichungen I, S. 131, Fig. 7. — 120. Schild einer Mais-Gottheit. C. Borb. 27. — 121. Schild des Feuer- gottes, Sahagun-Ms., Florenz, nach Penafiel, Monumentos I, Taf. 94, Fig. 3. — 122. Gottheit mit Todes-Emblemen beim Fest des neuen Feuers. C. Borb. 34. — 12:'>. Schild Macuilxochitls, Sahagun-Ms., Madrid, nach Seier, Veröffentlichungen I, S. 160, Fig. 29. — 124. Tzaputlatenan, ebenda I, S. 151, Fig. 19. — 125. Kopfputz Tlalocs. C. Borb. 26. — 126. Teteuitl, Papier vor dem Tempel Tlalocs. C. Borb. 32. — 127. Chachalmeca, Saha- gun-Ms., Madrid, nach Seier, Veröffentlichungen I, S. 131, Fig. 10. — 128. Teteoinnan. C. Borg. 72. — 129. Lichtdarstellung, in der Mitte der Feuergott, roth, grün, blau. gelb. C. Fejervary 44. Kosmische Hieroglyphen der Mexikaner. 23 gottes Opoclitli (Fig. IIG, 117), dos Macuilxocliitl (Fig. 123) iiud ktlilton'). Dadurch, dass Fig. 119 auch mit einem zweiten Namen tonatiuhchimalli genannt ist, wird die Beziehung zur Sonne noch deutlicher, und man kann „Schild mit dem AbhiM der Sonne"- oder besser „der Sonnenstrahhmg" übersetzen, indem man nicht, wie in anderen Verbindungen mit tonal . . ., an die Sonnenwärme denkt, sondern an die Ausdehnung nach den Welt- gegenden. Deshalb darf man aber auch weder bei dem Tonallo- Emblem der Chicomecoatl und des Opochtli, noch bei dem des Macuilxochitl und Ixtlilton, das auf die 4 Bohnen des Patolli- Spiels zurückgeht, an den Lauf der Sonne denken, sondern nur an das Ebenbild der Sonne, die 4 Strahlenrichtungen, die ein Symbol der Erde sind. Dabei ist es ganz gleichgültig, woher der Begriif der 4 Kichtungen ursprünglich stammt, ol) aus der Bewegung der Sonne, wie wahrscheinlich, oder sonstwoher. Diese Auffassung wird durch das Vorkommen des Kreuzes in über- raschender Weise bestätigt. Denn es ist fast ausschliesslich Emblem der Erdgöttinnen oder derjenigen Personen, die ihnen nahe stehen. Zunächst ist von den oben genannten Gottheiten mit tonallo-Emblem die Maisgöttin Chicomecoatl ohne Zweifel der Erde angehörig und ebenso Macuilxochitl, der dem Maisgott Cinteotl nahe steht ^). Deshalb ist auch sein Verwandter Ixtlilton dahin zu rechnen. Das Tonallo-Eml)lem des Macuilxochitl scheint ferner den Greifklaiien des Erddämons Itzpapalotl verwandt zu sein (s. diese Zeitschrift XXXll, S. i:V2, Anm. 3. Ethnol. Notizblatt II, 2, S. 74). Opochtli ist eine der Wasser- Gottheiten und führt das chicauaztli, den Rasselstab der Erd- und Frnchtgötter. Sein Sonnen -Emblem erinnert daran, dass nach der liistoria de los Mexicanos por sus pinturas (Gap. 2) der Gott des Wassers in 4 Gemächern wohnt. In der Mitte ist ein grosser Raum, in welchem sich 4 grosse Gefässe mit Wasser befinden, und Zwerge sind angestellt, es in Krügen auszugiessen, wenn es regnen soll. Ferner giebt es im Cod. Borgia (27, 28) Tlaloc-Figuren, welche die 4 Weltgegenden repräsentiren, und eine fünfte, die die Richtung nach unten darstellt. Entsprechend sind den Wasser- und Berg-Gottheiten Kreuze an ihrem Putz eigen, welche aus 2 dünnen, kurzen, sich kreuzenden Strichen bestehen. Zugleich bildet diese Art von Kreuzen eine von den 3 Classen, in die wir in der folgenden Besprechung die Kreuze der Uebersicht wegen theilen wollen. Die Wasser- und Berggötter tragen mit Kautschuk betropfte Papiere, auf denen in den Sahagun-Manuscripteu in Madrid die Tropfen in Form ist nicht mit Sicherheit zu entscheiden. Das letztere ist wahrscheinlicher, denn der Feuer- gott trägt im Sahagun-Ms. zu Florenz einen ebcnsolcheu Schild, der mit Smaragden incrustirt ist (chalchiuhtepachiuhqui, Fig. 121). Vgl. Seier, Veröffentlichungen I, S. 142, Fig. 11. 1) Seier, Veröffentlichungen I, 136, 144, 149, 164 2) Vgl. diese Zeitschrift XXXII, IDOO, S. Ulf. 24 K- Th. Preuss: kleiner Kreuze angeordnet sind (Fig. 1"24). Dabin gehören Yyauhqueme, Tomiauhtecutli, Napateciitli (vgl. auch Fig. 118) und die Tepictoton. ])azu kommen Uixtociuatl, die Göttin des Salzwassers, und Tzaputlatenan, die mehr als Erdgöttin angesehen werden muss (Fig. 124). In der Dar- stellung des ersten Jahresfestes Quauitl eua, das den Regeugöttern ge- widmet ist, sieht man deshalb diese Kreuze auf den Fahnen und in der Ausschmückung des Opfers. Aber sie sind auch bei dem dritten der Mais- göttin gefeierten Fest Uei toroztli im Gebrauch^). Dementsprechend finden wir, dass im Cod. Borbonicus augenscheinlich solche Kautschuktropfen neben ., 18. Woche usw.) tragen ebenfalls die Kreuze. Im Anschluss hieran sei gleich eine andere Art von Kreuzen erledigt, die man der Form nach als eine sui generis bezeichnen könnte (Fig. 122), und die im Codex Borbonicus (4, 5, 6, 7, 12, 13, 20) ebenfalls auf Kopal- beuteln. aber auch auf Räucherlöffeln und Raucher- bezw. änderen Gefässen vorkommt. Ebenso sind die Pfannen der thönernen Räucherlöffel, die sich ziemlich zahlreich in den Museen finden, mit Durchbrüchen in dieser Kreuz- form verziert"). Ausnahmsweise zeigt auch im Cod. Borb. 10, 20 und 34 das vom Kopfputz des Todesgottes hinten herabwallende Papier das Kreuz. Neben den Wasser-, Berg- und Frucht-Gottheiten ist das Kreuz vom Typus Nr. 1 (Fig. 124) besonders häufig auf dem Nackenpapier einiger Todes- götter unter den „9 Herren der Nacht" im Cod. Tell.-R. (Bl. 11, 13, 14 usw.) und im Cod. Yat. A ([18], [24] usw.). Es erscheint auf dem Erdrachen C. Vat. B 12, und auch der mit Todes-Emblemen ausgestattete Itztlacoliuhqui trägt an derselben Stelle seiner Kleidung 2 solcher Kreuze*). Ausserdem kommt öfters im Aubin'schen Tonalamatl eiu einziges Kreuz der Art auf jedem Fuss verschiedener Gottheiten vor und zwar der Chalchiuhtlicue, des Tlaloc, der Mayahuel, des Quetzalcoatl, Patecatl und Xolotl. Ebenda (3, 5) 1) Seier, Verötfeiitlichungen I, S. 151, Fig. 16, li), 21, 24, S. 16(>, Fig. 26, Fig. a, h, c,e. Sei er, Veröflentlichungen VI, S. 74, Fig. 6, S. 114, Fig. 33. 2) Tonalamatl Aubin 10. 3) Vgl. Fig. 7(i bei Seier, Veröffentlichungen VI, S. 161. 4) C. Tell.-R., Bi. 16. Kosinischo Hieroglyjdicii der Mexikaner. 2.') ist ein solches Kreuz einige Male auf der Backe des Feuergottes zu finden, wo er unter den „il Herren der Nacht" und den 18 die Tage begleitenden Gottheiten auftritt. Im Cod. Bologna, wo der Feuergott unter don 9 Herren der Nacht einige Male ein gelbes bezw. weisses Kreuz mit etwas breiteren Armen über dem Auge trägt, führt die Gottheit des Morgensterns das Kreuz im Schilde, und C. Vat. B SO ist eine Frau, die vom Speer des Morgensterns getroffen ist, mit Kreuzen auf der Backe dargestellt. Eine zweite Art des Kreuzes ist meist aufrecht, mit breiteren Armen als der vorige Typus, und oft von weisser Farbe bezw. durch Aussparung entstanden. Sie wird ebenfalls sowohl im Putz der Götter wie auf einigen Geräthen verwendet. Vor allem tragen es die Todesgötter auf ihren flatternden Fahnen pantoyaualli^) (Fig. 127) und im Haar'^). Bekanntlicli stehen diese den das Leben in ihrem Schoosse l)ergenden Erdgöttinnen sehr nahe, und es ist fraglich, ob man nicht manche von jenen weiblichen Gottheiten als Erdgöttinuen bezeichnen soll. Die alte Erdgöttin Ilamate- cutli hat Kreuze auf ihrer Enagua im Anhang zu Dur an, und ebenso eine Todesgöttin unter den lo Gottheiten der Wochentage im Cod. Borbonicus. Auch die Fahnen Xipes. dessen Erdqualität über allem Zweifel erhaben ist, haben dieselben Kreuze. Im Haar wiederum haben das Kreuz Macuil- xochitl und die uächtlichen Xolotl-Gestalten ^), die die Spindel der Erd- göttin Teteoinnan in ihrem Kopfputz tragen, aber auch infolge der Hand um ihren Mund Macuilxochitl nahe stehen und unter anderen Emblemen des Quetzalcoatl dessen charakteristischen Brustschmuck (eca-ilacatz-cozcatl) und sein Ohrgehänge (tzicoliuhqui ininacoch) führen. Bei Quetzalcoatl selbst findet sieh das Kreuz zuweilen auf seiner Mütze (Fig. 178) und auf seiner Schulterdecke (Cod. Yat A, Bl. i»), und in der Darstellung der .Tahresfeste im Anhang zu Duran einmal auch statt des „Windgeschmeides'% ecailacatzcozcatl, auf seinem Schilde. Ob hier in beiden Fällen das Symbol der 4 Kichtungen mit der Natur des Gottes als Windgott zusammenhängt, ist fraglich. Im letzteren Fall ist es wahrscheinlich, besonders wenn man an den Gott Nahuieecatl .,4 Wind" des Cod. Yaticanus A und des Cod. Telleriano-K. denkt, der die Attribute Tlalocs und des Windgottes vereinigt. Die Beziehung zu den -1 Welt- gegenden liegt schon im Namen. Die reichen Kaufleute des Quartiers Acxotlan feierten an diesem Tage „4 Wind" Feste und rühmten sich ihrer Reisen; aber man fürchtete aucli. in alle 4 Weltgegenden entrückt zu werden, schloss sich ein und fastete auf der Heise*). 1) Z. B. Sahagun-Ms., Madrid, bei Seier, Veröffentlichungen I. S. 131, Fig. 10. C. Borg. 29, 30, ol, 56. 2) Vgl. z. B. Cod. Borg. 43, 45. 3) Vgl. z. B. C. Borg. 49—52 unten links, 10, 42, 47, 72 usw. Seier, Tonalamatl 589. 4) Sahagun B 11, Cap. 19, B IV, Cap. 12. C. Tell-R., Blatt 13. 26 K. Th. Preuss: Es ist nicht unmöglich, dass auch das Tlachieloni, das Sehwerkzeug- des Tezcatlipoca und des Feuergottes, hierhinzurechnen ist, da der runde Mitteltheil ein Kreuz oder einen Stern enthält, der freilich ein paar Mal dreistrahlig ist. Als benaerkenswerthe Parallele zu dem Kreuz des „Sehwerk- zeugs" sei angeführt, dass die] mit Todes-Emhlemen versehenen Götter, welche das neue Feuer im Cod. Borb. (M) schüren, mit Kreuzen um die Augen ausgestattet sind (Fig. 122). Entweder sind dadurch die Augen wie das „Sehwerkzeug", als ein Mittel, nach allen 4 Richtungen zu sehen, hingestellt, oder, was weniger wahrscheinlich ist, als ein überall hin- leuchtendes Licht. Bekanntlich tragen in dem Manuscript der Bibl. Naz. in Florenz auch Macuilcuetzpalin und Ixtlilton^), die Verwandten Macuil- xochitls, das Tlachieloni. Wie der Feuergott nach allen Richtungen leuchtet oder sieht, haben wir schon in Fig. 12!) beobachtet. Endlich ist das Kreuz in der Mitte der Fellpauken, huehuetl, zu nennen, die in den Codices ausser Xipe fast allein dem Macuilxochitl. dem Gott des Spiels und Gesanges, zukommen. Auch existiren Dutzende von Thonfiguren im Berliner Museum, die die Fellpauke schlagen, und sämmtlich tragen sie Embleme Macuilxochitls^). In den wenigen Fällen aber, wo in den Codices andere Gottheiten die Pauke bearbeiten, sind es alte Götter, 2 mit der Meerschneckc an der Stirn wie der Mondgott, der dritte mit Tlaloc- Emblemen und der gewinkelten Cresichtslinie Quetzal- coatls, das Muschelhorn blasend^). Wie später ausgeführt werden soll, ist aber die Meeressclmecke das Symbol des Mutter- und Erdschoosses, sodass man auch bei diesen Pauken an das Erdinnere bezw. an die 4 Richtungen denken kann. Besonders bezeichnend ist das Vorkommen des dritten Kreuztypus, des breiten, liegenden Kreuzes, das zu gross ist. um als Emblem A'^er- wendung zu finden, sondern selbst etwas auf dem Kreuzuugspunkt trägt. Der Codex Borgia zeigt die meisten derartigen Kreuze. Die 4 Arme des Kreuzes weisen im Cod. Fejervary, Cod. Vatic. B und Cod. Land, meist 2 Farben auf, roth und schwarz, im Cod. Borgia 4: roth, blau, gelb, grün. Wahrscheinlich sollen dadurch die 4 Richtungen bezeichnet werden. 4 Streifen dieser Farbe sind auch im Cod. Borgia (65) unter dem Namen der Sonne „naui olin" angegeben. Wo überhaupt eine Beziehung fest- gestellt werden kann, kommt in erster Linie die Erdgöttin Teteoinnan in Betracht, die auf dem Kreuz sitzt*) (Fig. 128), ferner die ihr nahe- stehenden Ciuapipiltin"), die Todes-Grottheiteu'), die, wie erwähnt, häufig 1) Seier, Veröfientlicbuugen VI, S. 138, 153, Fig. .')2, 71. 2) Mexikanische Thonfiguren, Globus 79, S. 89 f. 3) C. Vat. B .'38. C. Laud. 84. C. Borg. '24. 4) Vgl. Cod. Borg. 14. C. Laud. lö. Vgl. C. Vat. B 22. 5) Vgl. Cod. Borg. 47. 6) Vgl. C. Borg. 14. C. Vat. B 21. Kosmische Hieroglyphen der Mexikaner. '27 mit den Erd,i,^öttinnen identisch sind, Macuilxoeliitl, Quetzalcoatl ;üs Skelet, also in seiner Bezielmng zu den Todos-Gottheiten^), und endlich Tezcatli- poca^). Yor diesem sitzt im C. Yat. B der Jai^niiir auf dem Kreuz, das Thier der Erde. An diese Art der Kreuze ist man vor allem geneigt sich zu erinnern^. wenn man die Erzählung der Historia de los Mexicanos por sus pinturas (Cap. 5) von der Wiederaufrichtung des Himmels liest, der am Ende der vierten Woltperiode eingestürzt war. Die 4 ürgötter legten zuerst durcli das Centrum der Erde 4 Wege an, um von ihnen aus den Himmel auf- richten zu können. Zu ihrer Hilfe schufen sie 4 Menschen, und Tezcatli- poca und Quetzalcoatl verwandelten sich in 2 grosse Bäume, in den „Spiegel- baum'' und die „grosse Quetzalblume", und mit den Menschen und Bäumen und Göttern richteten sie den Himmel mit deu Sternen auf, wie er jetzt ist. Hr. Seier glaubt mit Eeeht. dass man unter den beiden Bäumen eine Art Balken verstehen müsse, die, über Kreuz gelegt, von den 4 Menschen an den Enden emporgehoben wurden. Denn Tezcatlipoca und Quetzalcoatl repräseutireu ewiesen, dass die Symbole r Regent des ersten Tages- 1) Sahaguu B II: ,.de las fiestas movibles 60". 2) Tonalamatl .546. 3) Cod. Borg. 40, 42 usw. 4) Vgl. Seier, Tonalamatl 547. .-)) Cod. Tell.-R., Blatt 4. Vgl. Seier, Tonalamatl 609/610. Kosmi.sclie Hierdglvpheii der ^lexikauor. 41 Zeichens Tonacatecutli mit Eml)lemen (,Juetzalooatls auf. CJanz merk- würdig- ist aber die Angabe des C. Tell.-]{. (Bbitt 8): „Dieser Quetzal- coatl war der Gott, von dem man sagte, dass er die Welt schuf, und deshalb nennt man ihn Herrn des Windes, weil, wie man sagt, dieser Gott Tonacatecutli den Willen hatte, diesen Qnetzalcoatl durch seinen Hanch zu erzeugen (queste tonacatecotli a el le parecio soplo y engendro a este quepalcoatle). Xocli deutliclier ist der C. A'at. A (Blatt 14). welcher sagt: Tonacatecutli, der sich auch Citlalatonac nannt^e, erzeugte, wie man erzählt, als es ihm angebracht ers'chien, diesen Qnetzalcoatl nicht durch Beischlaf mit einer Frau, sondern nur durch seinen Hauch (fiato). indem er, wie wir oben erwähnt ha])en . seinen Gesandten zu jener Jungfrau von Tula schickte." Vielleicht steckt hierin der geheimnissvolle Zusammenhang zwischen den Eigenschaften als Windgott, als Genosse Tlalocs, und dem schöpferischen Prineip in Quetzalcoatl. Auch in den Anales de Qnauhtitlan wird er direct als Menschensehöpfer l)ezeichnet. Indessen ist damit das Wesen des (JJottes noch lange nicht erschö]>ft. Quetzalcoatl wird auch die Qnetzal-Federschlange genannt, mit der man ab(M' bis jetzt noch nichts hat anfangen können. Dass diese Schlange nicht nur den Namen mit dem Windgott gemein hat, sondern eine Yerkleidnng, ein nanalli desselben vorstellt, sehen wir an den Bildern, wo der Gott aus dem Rachen der Schlange heransschaut^). Federschlangen-Pfeiler kommen auch indem historischen Tollan vor. Desgleichen findet sich die Federschlange dort u. a. auf der Sandale eines der riesigen Beinpaare. Auf den Ruinen von Xochicalco giebt es zahlreiche mächtige Federschlangen als Friesverzierung (Fig. 207), auf deren Leib die Federn in zweierlei Ausführung dargestellt zu sein scheinen, einmal wie gewöhnlich an den Seiten und dem Schwanz- ende umgebogen und aufgerollt hervorstehend, und ferner an den Seiten und auf dem Leibe der Schlange wie selbständige Gebilde, die an Schnecken- Querschnitte (vgl. Fig. 176, 177) erinnern. Wie gesagt, kommen Federn in dieser Weise nirgends vor. Es ist auch auffällig, dass oben rechts in Fig. 207 4 Federn ganz allein für sich, und jede von der anderen getrennt, dargestellt sein sollten. Auf dem schon erwähnten Beinpaar von Tula sehen wir dieselben Schnecken, ähnlich wie in Fig. 207 oben rechts, ange- ordnet, aber nicht auf der Schlange selbst-). In Xochicalco sind sogar ganze Reihen von solchen einzelstehenden „Federn-' dargestellt. Nun sehen wir auf einer Steinkiste im Museo Xacional de Mexico, die aus dem Yalle de Mexico stammt^), auch eine Darstellung (Fig. 208«, />), in der die Wurzeln einer Blume (?) in 2 solchen „Federn'' endigen bezw. von ihnen ausgehen. Als Beweis dafür, dass es wahrscheinlich die AVurzeln einer 1) S. Hamy, Galerie americaine du Musee d'ethnographie du Trocadero I, PI. XII, X. i56. 2) Seier, Die Ruineu von Xochicalco, Zeitschr. f. Ethnol. XX. 1888, S. (1(»9}, Fig. 66. Penafiel, Monumentos I, Taf. 151, Fig. 2. 4-2 K. Th. Preuss: Blume sind, mög-e man die Darstellung des Malinallj- Krautes (Fig. "209) vergleichen. Ist Fig. 208 a aber keine Blume, so können doch andererseits die 4 Gebilde oben und unten auch keine Federn sein. Die xlehnlichkeit der „Federn"- mit Schuecken-diuerschnitten und die Deutung der Schnecke als Erd- oder Mutterschooss, die auf die (Tobilde an den Wurzeln der Blume sehr gut passen würde, lassen es daher als möglich erscheinen, dass die Federschlange in der That ausser mit Federn auch mit Schnecken bedeckt ist. Dadurch ^YÜrde die Federschlange und mit ilir der Gott Qnetzaleoatl in den Kreis der Symbole und Gottheiten treten, die etwas Fig. 207. Federschlange mit Schncckeu (?), von deu Ruinen von Xocliicalco, nach Pefiafiel^- Monumcntos ir, 183. — 208«. Blume mit Schnecken, von einem Steingefäss aus dem Valle de Mexico im Museo Nacioual de Mexico, nach Seier, in Zeitschr. f. Ethnol. XX, lb88, Yhdlgn. S. 109, Fig. 65 c. — 208 A. Detail davon oben links, nach einem Abguss im Berliner Museum. — "JOü. 3Ialinalli. C. Borg. 13. von dem AVesen der Erde an sich haben. Im Cod. Borgia (11, 52) und Cod. Yat. B (27, 30, 92) sind Foderschlangen dargestellt, aus deren Rachen ein Kaninchen hervorkommt. Früher durfte man diese Darstellungen mit ziemlicher Sicherheit als das Aufgehen des Mondes deuten, der aus dem Erdrachen heraussteigt, und der bekanntlich als Schmetterlings-Halbmond mit einem Kaninchen darin gemalt wird (Fig. 1). Im Aubin'schen Tonal- amatl (14) nehmlich giebt es eine Federschlange, die einen 3Ienschen ver- schluckt. Neben ihm steht das Zeichen der Sonne ,.naiii oliu", sodass man in diesem Bilde «las Untergehen der Sonne vermuthen inusste. In Kosmische Hieroglyphen der Mexikaner. 43 dem kürzlieh lierausgcgobeneu Codex Borbonicus ist an dcrscdbeu Stelle des Toiialaniatls (14. Woche) das nahui olin räumlich iu keine Beziehung- zu dem von der Federschlange verschluckton Menschen gesetzt, wodurch die Deutung der in Frage kommendem Darstellungen als untergehende Sonne wie als aufgehender Mond wieder unsicherer wirn Kosmische Hierogljiihen der Mexikaner. 47 Xaseii-Sc'limettorliug- , die dritte Periode von IQQQ — 700 V. Chr. — Dann folgt schon die Eisenzeit und zwar die Hallstatt-Cultur, welche vorherrschend durch die Grabhügel der Westschweiz vertreten ist, von 700—400 v. Chr.. und dann die Früh- und Mittel-Latene-Cultur, welche in der Schweiz bekanntlich so reich entwickelt i.st. Durch zahlreiche Illustrationen ist das Studium des Werkes, welches sich durch eine edle, klare Sprache auszeichnet, in angenehmer Weise erleichtert; auch verdient die ganze Ausstattunji: des Buches unsere volle Anerkennung. Lissauer. X.'J P. Daiiilow, Zur Charakteristik «1er anthropologischen und physiolo- gischen Merkmale der jetzigen Bevölkerimg Persiens. Moskau 18!;)4. (Russisch). D., 5 Jahre als Arzt bei der russischen Gesandtschaft in Teheran, hat diese Zeit zu anthropologischen Studien an der Bevölkerung benutzt. Er fasst diese unter dem Namen ,Iranier" zusammen, da nur die Eingeborenen von Farsistän sich Perser nennen, jeder Einwohner Persiens aber sich als Ahl-e-Irän und sein Land als Iran bezeichnet. Die persische Sju-ache ist zwar die des Umgangs, aber die Aserbeidschaner sprechen türkisch und die Kurden eine Sprache des iranischen Zweiges arischer Wurzel. Die eigenthüm- liche Oberflächenbildung des Landes: eine Hochebene, in der Mitte vertieft, im Norden von west-östlich, im Uebrigen von Nordwest nach Südost und von Südwest nach Nordost streichenden, bis zu 4C00 m ansteigenden Gebirgen umgeben, die dadurch bedingte Picgen- losigkeit und Bildung von Sand und Salzwüsteu, die geringe Zahl von Seen und voti Flüssen auf dem eigentlichen Hochland, haben die sesshafte Bevölkerung nach dem Norden und Süden des Landes gedrängt. Wachsthum kann meist nur durch künstliche Be- wässerung erzielt werden, und nur am Ufer dos Kaspischen Meeres in Gilän und j\Iasan- deran giebt es Wälder. Die Hochebene gehört den Nomaden. Das Klima, im Allgemeinen Continental, ist durch schroffe und bedeutende Temperatur-Schwankungen für den Tag wie fürs Jahr ausgezeichnet, und bei der grossen Ausdehnung von Norden nach Süden und den sehr mannigfaltigen Bodengestaltungen sehr verschieden. Dadurch ist nach D. auch die Mannigfaltigkeit des j>hysischen Typus der Iranier bedingt. Timann - Coblenz. xy Besprechungen. Frenkel, F., Die Lehre vom Ökelet des Mensclieii unter besonderer Be- rücksichtigung eutwickkmgsgeschichtlicher und vergleicliend anatomischer Gesichtspunkte mid der Erfordernisse des anthropologischen Unterrichtes ' an höheren Lehranstalten. Mit 81 Text-Figuren. Jena 1900. 8^ Yerlag von Gustav Fischer. Obgleich das vorliegende Werk hauptsächlich für Lehrer der Zoologie geschrieben ist, so verdient es doch auch allen Laien empfohlen zu werden, welche aus irgend einem Grunde sich für die physische Anthropologie interessircn. Der Verfasser, welcher be- sonders aus dem Lehrbuch der Anatomie des Menschen von Gegen bauer geschöpft hat. beherrscht den behandelten Stoff vollständig und weiss denselben anziehend darzustellen. Die Abbildungen illustriren den Text vortrefflich und ermöglichen das Studium bis zu einem gewissen Grade, ohne die Knochen selbst vor sich zu haben. Für die Einführung in die Anthropologie fehlt allerdings die Berücksichtigung gewisser osteologischer Merk- male, welche für das Studium der Rassenlehre nicht ohne Wichtigkeit sind, wie die Bildung des Stirnfortsatzes der Schläfenschuppe, die Persistenz der sutura transversa der Hinterhauptsschuppe, des Wangensbeins u. a. m., ein Mangel, dem hoffentlich in der nächsten Auflage, welche wir dem Werke wünschen, abgeholfen wird. Lissauer. Martin, Rudolf, Anthropologie als Wissenschaft und Lehrfach. Eine akademische Antrittsrede. Jena 1!)01. 8°. Gustav Fischer. Seitdem W aldey er 1899 die Forderung gestellt, dass die Anthropologie als Lehrfach an den Universitäten vertreten werde, ist bereits in Berlin, Breslau und Zürich dieses Verlangen erfüllt worden. In Zürich tritt der Verfasser der vorliegenden Abhandlung seine akademische Stellung mit einem vollständigen Programm an, in welchem der ganze Umfang und die Bedeutung der Anthropologie als Wissenschaft und Lehrfach entwickelt wird. Wenn er darin gegen das Spiel mit kraniologischcn Bezeichungcn protestirt,' wie es gerade von Dilettanten heute in ganz unwissenschaftlicher Weise getrieben wird, und eine scharfe Trennung von Ptasse und Volk verlangt, so befindet er sich gewiss in Uebereinstimmung mit allen Fachleuten. Auch vor der Ueberschätzung der Messungen wird mit PiCcht gewarnt. Lissauer. II. Die volksthümliche Bedeutung der weissen Farbe. Von JULIUS VON NEGELEIN zu Königsberg i. Pr. (Vorgelegt in der Sitzung der Berliner Anthropologischen Gesellschaft vom 15. December 1900.) Zu den entwicklungsgeschichtlich frühesten Momenten im Leben der Völker und Individuen gehört die Aufmerksamkeit, die man der Farbe zuwandte. Unsere Kinder gruppiren nach dem Princip der Farbengleich- heit die verschiedensten Dinge; ein bekanntes 8piel besteht darin, dass die Spielenden alles nennen sollen, was sie von gleichfarbigen Gegen- ständen gerade im Gedächtniss haben. Der Mythus kennt in der Midas- Sage einen ähnlichen Zug. Die Götter sind Repräsentanten verschiedener Farben: der altgermanische Thor ist der Herr des Eothkehlchens sowohl wie der rothen Ebereschenfrucht und des rothen Feuerstrahls, weshalb man annahm, dass Frucht und Thier die Entzündlichkeit des Feuers be- sässen. Weil der indische Siva blauhalsig ist, kann im Märchen ein Schakal, der in ein Indigofass gefallen war, sich als Incarnation des Gottes^) zum König der ThiQre macheu. Wenn auf mittelalterlichen Bildern zu Füssen der heiligen Maria ein Schaf spielt und eine Lilie in ihren Händen ist, verdanken Schaf und Lilie ihre hohe Stellung lediglich der Farbe der Unschuld, die das Gewand der Madonna Immaculata wiederspiegelt. Fragen wir aber, welche Bedeutung der weissen Farbe beim Menschen zukommt, so wird uns folgende Ueberlegung zu leiten haben. Reinhaltung des menschlichen Körpers ist Yorbedingung für sittliche Integrität und deshalb das feierlichste Gebot aller sog. Naturreligionen. Moralischer und physischer Schmutz kleben stets an den gleichen Individuen. Unter dem „W'eisswaschen" versteht unsere Yolkssprache doppelsinnig den Versuch, sich des einen wie des anderen zu entledigen. Pilatus wusch sich, um sich der Mordbefleckuug zu erwehren, die Hände. Ein alt- ägyptischer Papyrus enthält folgenden Passus: „Wenn ich diese Anklage gegen ihn aussage, so wird er sie weiss machen'^, im Sinne von „sich zu 1) Im späteren Sinne als Gesalbter des Gottes Brahman: Pancatantra 1, 10, cf. Hito- padei^a 3, 6; Pischel-Steuzler, Elementarbuch der Sanskrit-Sprache. Breslau 1892, S. 62. Zeitschrift für Ethnologie. Jahrg. 1901. 5 ^^ J. VON Negelein: rechtfertigen versuchen"^). Weiss ist die Farbe der Unschuld. Wir er- kennen aber alsbald, dass diese Idee nicht dem Germanenthum entwachsen, sondern vielmehr christlichen Einflüssen zu verdanken ist. Den Juden des alten Testaments waren Unschuld und Sieg synonyme Begriffe, deren Träffer er mit demselben Worte: Saküt, d. h. der „Keine. Gerechtfertigte, Unschuldige, Siegreiche" ausdrückte. Der Sieg gilt als Gottesurtheil. Das Gleiche findet sich in dem juristischen Leben der Hebräer. Im Civil- process ist.das Weiss die Farbe des Gewinners, im Criminalprocess die des Unschuldigen. Im alten Indien heisst derjenige, den wir „rein" im Sinne von „lauter'' nennen würden, einmal: „mit gereinigtem Körper ver- sehen" ^). Im modernen Indien spielt die Körperfarbe als Castenmerkmal eine ungeheure Rolle. „Er ist ganz dunkel; seht doch seine schwarze Haut" usw. sind Ausdrücke der Missachtung vor der socialen Stellung einer Person. Ein alter Yedatext bestimmt: „Der eine Hauptopferpriester (Hotar) muss weiss sein und dunkle Augen haben" ^). Die weisse Tracht beim Opfer schreibt Manu's geheiligtes Gesetz vor. Nur einmal im Leben, am Hochzeitstage, trägt bei uns das Mädchen ein weisses Seidengewand. Weisses Pelzwerk ist Reservatrecht der Krone. — Offenbar hat der physiolo- o-ische Reiz, den das alle Lichtstrahlen vereinigende Weiss auf das mensch- liehe Nervensystem ausübt, die Veranlassung zur besonderen Schätzung weissglänzender Gegenstände gegeben. Sehr früh muss der Dualismus zwischen Weiss und Schwarz, zwischen Nacht und Licht, die Brücke zur Ver- werthung des gleichen Licht-Phänomens auf mythischem Boden geschlagen haben. In der Furcht unserer Kinder vor der dunklen Kammer, in ihrer Freude über blitzende und glänzende Gegenstände erzeugen sich die alten Ideen stets von Neuem. Der Diamant ist der geschätzteste Stein, weil er alle Strahlen reflectirt. Die kostbaren Juwelen der Perle und des Opals stehen ihm in dieser Eigenschaft nahe. Vielfach begegnet uns in der Völkergeschichte die Bevorzugung des lichten Colorits bei Mensch, Thier und Pflanze ohne irgendwelche specielle mythologische Verwerthung. Das Weiss der Lilie, die schneeige Farbe des Schwanengefieders, der fleckenlos zarte Glanz der menschlichen Haut sind ewig vollgültige Ver- körperungen unvergleichlicher Schönheit. Die blosse Werthschätzung der weissen Farbe, wie sie die Vorbe- dingung ihrer normalen Verwendung war, verwandelt sich in abergläubische Furcht oder Vergöttlichung — diese Begriffe liegen nahe bei einander — wenn sie unerwartet, d. h. abnorm auftritt. Erscheint bei dem bräunlich gefärbten Südländer ausnahmsweise das schneeige Weiss, so wird es zum Erreger zahlreicher, völkerpsychologisch interessanter Empfindungen. Unter- 1) Pap. d'Orbiuey o, 4, nach einer gütigen Mittheilung von Seiten des Hrn. Professors Erman. '2) cutladehah (Mahäbhärata 3, 13 449). 3) Kausitakibiähmanam 25, 10. Die volksthümliche Bedeutung der weissen Farbe. 55 suchen wir diese uud die ihnen zu Grunde liegende Erscheinung zunächst genauer. Der Mangel an dem natürlichen Farbstoff, Pigment, kann bei Menschen, Thieren und Pflanzen eine eigenthümliche Erscheinung hervorrufen, die man als „Weisssucht", Albinismus, Leukopathie, Leukäthiopie, Leukoderma schon seit dem Alterthum kennt. Die sehr in die Augen fallenden Symptome bestehen beim Menschen in der "Weissfärbung der ganzen Körperoberfläche, der Haare und der im Normalzustände schwarz pigmentirten, hinter der Pupille befindlichen Haut des Auges, der Chorioides, die dann ihr ganzes Geäder zeigt, so dass die Pupille einen röthlicheu Glanz bekommt. Da die einfallenden Strahlen, unabgedämpft durch das schützende Pigment, direct auf die Netzhaut wirken, so ist dem Albino eine Lichtscheu eigen- thümlich. Er sieht besser bei Nacht als am Tage und wurde deshalb auch „Nachtmensch" genannt'). — Zeugnisse von Leukopathie im classischen Alterthum verdanken wir bereits dem Ktesias, wenn er sagt: „Die Inder sind von Natur schwarz, nicht etwa durch den Einfluss der Sonne. Indess sah ich 2 Frauen und 5 Männer, die ganz weiss waren." Plinius be- richtet: „In Albanien trifft man Individuen mit meerfarbenen Augen (meer- farben = röthlich, cf. „das weinfarbene Meer" des Homer), die von Geburt weissfarbig sind und besser Nachts als Tages sehen." (Albanien entspricht unserem Chirvän und Daghestän^). Das Zeugniss, welches wir aus dem Sanskrit besitzen, dürfte jünger, aber deshalb sehr wichtig sein, weil es beweist, dass die indische Medicin den Albinismus bereits als ein genau fixirtes Phänomen kannte^). In der neueren Zeit waren es die Portugiesen, die über Fälle von Albinismus unter den Negern von West- Africa zuerst Bericht erstatteten, bei denen sich das eigenthümliche Phä- nomen verhältnissmässig häufig zeigen soll*). Doch sind auch Fälle aus der Schweiz schon im vorigen Jahrhundert mehrfach bezeugt*). Ver- erblichkeit wird von zuständiger Seite, trotz einzelner entgegenstehender Fälle®), durchaus bestritten; jedenfalls handelt es sich bei der univer- ll Andere Bezeichnungen sind Albino, Kakerlake, Dondo, Leukäthiope. 2) Diese Citate nacli der „Grande Encyclopedie" unter „albinisme". 3) Das Petersburger Sanskrit-Wörterbuch belegt das Wort sita-asita-roga aus dem Verzeichiiiss der Sanskrit-Handschr. d. Berl. Biblioth. Nr. 934 uud übersetzt es zweifelnd mit: „Krankheit des Weissen und Schwarzen im Auge." Es ist hier aber jedenfalls eine Augenkrankheit gemeint, bei der das Schwarze weiss wird, also Leukopathie. 4) Cf. Encyclopaedia Britannica unter Albino, und Grande Encyclopedie a. a. 0. 5) Saussure, Voyages dans les Alpes 1787; cf. den Bericht Bourrit's über 2 im Chamounix-Thale vorgekommene Fälle. 6) Darwin, Variation of animals and plants erwähnt, unter Domestication (chap. 12) z. B.: „2 Brüder heiratheten 2 Schwestern, ihre Cousinen; keins von den 4 Individuen trug irgendwie Symptome des Albinismus. Aber die 7 Kinder, die aus der Doppelehe hervorgingen, waren alle perfecte Albinos." Hier läge Prädisposition durch Vererbung vor. Citat nach Encyclop. Bvit. a. a. 0.: cf. auch Eulenburg, Eealencyclop. d. gesammt. Heilkunde, unter Leucopathia. 56 J- VON Negelein: seilen Leukopathie stets um einen angeborenen Zustand^), niemals um einen erworbenen. — Neben dieser, der universellen, steht die bisweilen beobachtete partielle, auch Vitiligo genannt. Wenn ich mich nicht täusche, bringt das indische Alterthum für diese Erscheinung in der Sanskrit- Literatur Belege bei*). Die Behandlung der Albinos, ihre sociale Stellung, ist meist eine traurige. Wie die unglücklichen Wesen in Africa meist als Curiositäten von den Häuptlingen verkauft, von den Landesbewohnern misshandelt und verspottet werden, wie indische Stämme, die ja von der Hautfarbe auf die Castenzugehörigkeit schliesseu, die Leukopathen in Wäldern zu einem unsteten Heerdenleben verurtheilen, wie Livingstone ihre gleich nach der Geburt erfolgende Ermordung bei Betschuana- Stämmen als Sitte vor- fand'), so scheint unser Volk und meine Heimathstadt bis auf die neueste Zeit hin in diesen Monstren social minderwerthige Greschöpfe gesehen zu haben, so dass die Verheirathung eines männlichen Albino's noch vor 80 Jahren in Königsberg als ein Ereigniss galt, über das die dortige Be- völkerung (nach dem Ausdruck eines express zu dieser Gelegenheit ange- fertigten Gedichtes) allgemein „o Wunder'' schrie*). Während nun der partielle Albinismus als Syphilis-Symptom Ekel erregen konnte, wird die Scheu vor der angeborenen universellen Leukopathie nur unter der Vor- aussetzung abergläubischer Vorstellungen erklärlich, die wir hier mit umso 1) Euleiiburg a. a. 0. Ersch und Gruber, Realencykl. unter Albinos. 2) Ich erwähne Folgendes: ein Danava heisst sitake^a, d. h. -weisshaarig: Hariv. 12933; ein Wesen im Gefolge Sivas heisst sita-annana, d. h. weissgesichtig: ibid 14852. Das Wort rveta = weiss ist mehrfach angewandter Eigenname. Auch ein Volk heisst so: Varäh. Brähm. S. 16, 38 (nach dem Petersb. Sanskr. W.-B. unter cveta). Ebenso Qiva in einer seiner Incarnationen; dessen Sohn ^vetüsya oder Weissgesicht. Es ist wohl der vorer- wähnte Sitäunana. Offenbar wurde in ihm ein Fall von partiellem Albinismus göttlich verehrt und auf (^iva als den Träger einer Leucopathia universalis zurückgeführt. Sollte nicht ein irdisches, mit letztgenannter Krankheit behaftetes Individuum eben dieser Ab- normität wegen als Incarnation des Gottes angesehen worden sein und den Namen Qvetsb erhalten haben, wie die blaue Farbe den Schakal als Incarnation desselben Gottes er- scheinen liessl' Eigennamen wie „Weiss, Braun, Schwarz" usw. sind bei uns häufig: im Sanskrit kommt nur Qveta vor, was für unsere Hypothese günstig wäre. Arjuna, der Name eines hochberühmten Helden des Epos, ist nach dem Commentator zu Rgveda 1, 122, 5 (svacariragatatvagroga) die Bezeichnung einer bestimmten Hautkrankheit. Es kann also auch irgend eine Form des Aussatzes gemeint sein. Sicherlich wurden Hautkranke und Albinos oft mit einander verwechselt. Interessannt aber bleibt es, dass dieses selbe Wort zugleicli die Incarnation eines Gottes (Arjuna ist Sohn Indra's) und eine Haut-, wie Augen- krankheit (so nach Pet. Sansk. W.-B.) bezeichnet, 3) Diese Citate nach der , Grande Encyclopedie" unter „albinisme". 4) Ich beziehe mich auf die Broschüre: „Ein höchst sonderbares und sehr merk- würdiges Ereigniss in Königsberg; nehmlich die den SO'f" März 1821 in der polnischen Kirche vollzogene Trauung eines Nachtmenschen mit einer Köchin", Königsberger Königl. Bibliothek, Sign. P b 4007. — Der „Nachtmensch" mit den „sonderbar gestalten Augen, die auch so sonderbar zum Segen taugen" oder „der gute Mann, der besser Nachts als Tages sehen kann", wird übrigens auch zweimal „Albino" genannt, so dass über seine Identität kein Zweifel aufkommen kann. Die volksthümliche Bedeutung der weissen Farbe. 57 o-rösserer Wahrscheinlichkeit als obwaltend amiehineii dürfen, als der Abscheu ... . " . vor dieser Abnormität mit ihrer Vergöttlichung wechselt^), und in den Symptomen des Leidens kein Ekel erregendes Moment vorliegt. Sehr instructiv ist in dieser Hinsicht die in Firdausi's Schäh-Namä oder „Königs- buch" (einem ums Jahr 1000 in neupersischer Sprache abgefassten Werke) berichtete Episode von der Geburt des Säl^). Der Inhalt ist kurz fol- gender: dem greisen Helden Säni wird ein Sohn von grosser Schönheit geboren, der jedoch einen Fehler hat: weisses Haar. „Als er (der Vater) nun den weisshaarigen Knaben sah, verzweifelte er au der ganzen Welt. Er fürchtete Unbilden von Seiten seiner Krongrossen und kam vom Wege des Verstandes ab zu anderer Sinnesart. Zum Himmel empor richtete er das Haupt und rechtete mit dem Weltschöpfer: ,, . . . Wenn ich eine schwere Sünde gethan habe und die Religion des Ahriman auf mich nahm, so wird durch Reue vielleicht der Weltenschöpfer über mich Gnade er- gehen lassen ins Geheime hinein. Es . . . wallt in meinem Leibe das Blut warm auf, wenn ich daran denke, dass meine Grossen kommen und fragen werden und dass sie dann dies Kind von übler Art sehen. Was soll ich dann sagen? etwa dass dies das Kind eines Devs, ein scheckiger (zweifarbiger) Tiger oder gar eine Pen ist? Es werden über mich die Grossen des Weltreichs lachen. ... In Folge dieser Schande werde ich das Reich Iran verlieren. ..." So haderte er mit seinem Geschick und befahl, es (das Kind) weg — und aus diesem Land und Reich heraus- zuschafFen." Es wird alsbald auf dem unwirthlichen Elburs-Gebirge aus- gesetzt, um dort vom Geschick zu Grossem aufgespart zu werden. Der Albinismus erweist sich also als Gott - verliehener Adelsbrief; ursprüng- lich wurde er hingegen, wie wir sahen, als Kennzeichen der aus Ver- mischung von Menschen mit dämonischen Mächten oder Thieren (Perl, Dev oder Tiger) hervorgegangenen Bastarde angesehen. Die weite Ver- breitung dieser Anschauungen in Deutschland lehren die Hexenprocesse zur Genüge^) und bestätigt noch der heutige Volksglaube, der von „Hasen- scharten", „Wolfsrachen" usw. spricht. Nimmt doch selbst die Real- encyklopädie von Er seh und Grub er unter Albino noch i. J. 1819 (horri- bile dictu!) ein „Versehen" der Frauen, d. h. eine Art metaphysischer Conception durch den Blick des schwangeren Weibes, als ätiologisches Moment für Albinismus an. Diese Annahme von der Möglichkeit der wechselseitigen Begattung von Thier und Mensch — Quelle und Resultat der bei den Naturvölkern so verbreiteten Sodomie*) — erklärt zugleich 1) Gr. Encycl. a. a. 0. 2) S. Vullers, Chrestomathia Schahnamiana, S. 35, Vers 112ff.; vergl. auch Jules Mo hie, Uebers. von Firdausi's Schühnämä, und A. F. v. Schack, Heldensagen von Firdausi. 3) Cf. auch Höfel, Krankheits-Dämonen, im zweiten Bande des Archivs f. Eeligions- wissensch.: s. auch Grimm, Myth.^ unter Cap. ,,Hexen". 4) S. im Folgenden. 58 J. VON Negelein: den Abscheu vor den I^eukopathen als den vermeintlichen Producten von so scheusslichen Lasterhandlungen ^) wie auch ihre Yerehrune,- als Götter - entsprossener Wesen: denn zwischen Thieren, Thier - Dämonen und Teufeln besteht, wie abermals die Hexenprocesse lehren, keine Grenze. Die mit Leucopathia partialis behafteten Individuen werden bei den ^N^egern als Elster-Neger, Wegres mouchetes, negropies, bezeichnet, d. h. eine Kreuzung von Mensch und Vogel als möglich gedacht^), die ein Product von weiss und schwarz gesprenkelter Hautfarbe liefert, wie die Elster schwarzes Gefieder und weissen Bauch hat. Ein solcher Fall liegt bei dem Helden des persischen Epos vor: er ist du-räng, d. h. zweifarbig oder scheckig; die Yitiligo wird ja auch Scheckenbildung genannt. Höchst interessant ist es also, dass die abnorme Hautfärbung als Strafe Gottes angesehen wurde und dem Fürsten sein Reich wie dem Träger sein Leben kosten; andererseits, dass sie von der Vorsehung zur Auszeichnung ge- stempelt werden konnte. Das germanische Alterthum hat die Verehrung der weissen Farbe beim Menschen schwerlich gekannt. Oft werden dämonische oder mythische Elemente mit weissen Attributen ausgestattet gedacht: die Schwanen- Jungfrauen haben weisse Flügelhemden, die Xixen weisse Schleier, waschen weisse Wäsche, spinnen weisse Fäden; die Elfen, Alfen sind constante Träger dieser Farbe. Stets aber erklärt die natursymbolische Bedeutung dieser Wesen ihre Tracht; schwerlich giebt es irgendwo Mythenansätze, die von der Weissfärbung als solcher ausgehen. Wo sie auftritt, da ist sie entweder Attribut anthropomorphisirter Thierwesen oder Xaturerscheinungeu, denen das Weiss als wesentlich zukam; bei noch anderen, wie z. B. den Walkyren, die bald weisse, bald schwarze Gewänder^) haben, werden wir dieselben als gewisses, den Seelenwesen zugehöriges Attribut erkennen. Eine weit grössere und direct in die Volks -Ideen und den Volks -Mythus eingreifende Rolle hingegen spielt das Weiss als Attribut des Todes. Bereits die Erscheinung der Elfen als Krankheits- und Todes -Dämonen gehört hierhin, wenngleich die alte Erklärung, dass es sich dabei um giftige Wiesennebel und Aehnliches handle, vielleicht nicht ganz zu ver- werfen ist. Wir wissen aber, dass die Gestaltungen der Elfen bei den o-ermanischen Nordstämmen weit mehr heimisch waren als bei uns in Deutschland und dass die weit populäreren Zwerge sich bekanntlich ganz anderer Tracht bedienen. Der weissgestaltige Mahr bietet ein Beispiel 1) Das Wort Kakerlake ^ Albino entstamint der Identificirung der armen Wesen mit einer Sorte von Schaben, die durch ihre Ausdünstung einen eklen Geruch verbreiten (s. Er seh und Grub er, Albinos). 2) Ich vergleiche den volksthümlichen, im Veda aufbewahrten Spottvers: ^Dein Vater und deine Mutter schwingen sich zur Spitze eines Baumes empor." Taittirijasamhita 7, 4, 19, 3. Entweder siud sie als Affen oder als Vögel gedacht. 3) Cf. Flb. 1, 420 im Grundr. f. germ. Philol.-. 3, 270. Die volksthümliche Bedeutung der weissen Farbe. 59 für den Albinismus der Krankheits -Dämonen. Wir werden hierüber im weiteren Verlauf zu reden haben. Endlieh verdienen noch Einzelheiten, wie die Erscheinungen der mit lichten Strahleng-ewändern bekleideten Judidi (bestimmter Arten von Yilen des bulgarischen Volksglaubens^) und der Szepasszony, die, wie die ersteren, körperliche Schäden verursachen^), deshalb hier Erwähnung, weil beide Gruppen von Dämonen helle Gewänder tragen. Die Schwanen -Jungfrauen und Nymphen unserer Sagen gehören in diesen Mythenkreis. Wahrscheinlich hängt damit auch der eigeuthüm- liche Glaube der Steiermark zusammen, dass Hexen an ihrer weissen Leber erkannt werden, denn Hexen gehen vielfach auf heidnische Krankheits- Dämonen zurück'). — Unzweifelhaft wird bei den Bestattungs-Gebräuchen das Weiss des Todes reproducirt. Wird doch der Tod bei Horaz selbst „der Bleiche'^ pallida mors, genannt, wie er in altdeutschen Gedichten der bleiche Streckefuss heisst. Das Weiss als Todtentracht findet sich in altgermanischer Zeit kaum irgendwo genannt. In den Grabfunden aus der Bronze- und Eisenzeit, in denen uuverbrannte Leichen in Eichensärgen (in Dänemark oder Schleswig) vorkommen, hat sich bei den erhaltenen Kleiderresteu von weisser Farbe nichts gezeigt*). Die helle Farbe der Sterbegewänder, wie sie jetzt weit über Deutschlands Grenzen hinaus, z. B. auch bei Litauern und Kuren ^), in Frankreich^) usw. allgemein ist, ist also eine specifisch christliche Sitte. Da sie namentlich den Leichen von Kindern und Jungfrauen eignet und ethische Momente daran geknüpft werden, andererseits Weiss die Farbe der Unschuld ist, erscheint diese Auffassung gerechtfertigt. Namentlich letzterwähnte Idee findet zahlreiche Yariationen im Yölkerleben. Nach armenischem Glauben wirkt die Rein- heit und Weissheit des Leichentuchs auf die Reinheit und Weissheit der Seele. Daher begräbt man die Leiche nur in ein weisses Tuch gehüllt. Keine andere Farbe ist zulässig®). Auch deutsche Gegenden kennen die Meinung, dass sich das Leichenhemd je nach den Tugenden und Lastern der es tragenden Person verfärbe'), wie ja selbst der heilige Stein der Ka'ba zu Mekka ursprünglich weiss war, um erst allmählich durch die Sünden der Menschen schwarz gefärbt zu erscheinen. Der abergläubische Gebrauch bulgarischer Mütter, ihre Kleinen mit Mehl zu bestreuen, hat wahrscheinlich ebenfalls ursprünglich symbolische Bedeutung gehabt. Im Traume bedeutet das Weiss meist den Tod. So sagt man in Deutschland überall. Die Slovaken meinen, dass weisse Bretter und Balken 1) Strausz, Bulgaren 155. 2) ib. 153. 3) Zeitschr. f. Volksk. 7, 2.53. 4) Gütige Privatmittheilung von Hrn. Geh. Regierungsrath Prof. Dr. C. Weinhold, cf. Weinhold, Todten-Bestattung. 5) Privatinformation. 6) Abeghian, Armenisch. Volksgl. 21. 7) Cf. meine Anzeige von Abeghian's Volksgl. Globus, Jahrg. 1900, S. 291. 60 • J- VON Negelein: oder weisse Gestalten ein Sterben verkünden^). Die erstere Traumgruppe geht auf die vielfach aufti-etende Sitte der Weissfärbung von Särgen zurück. Sind doch auch unsere Zinksärge hell gefärbt. Weisse Kohlköpfe, im Traume gesehen, sollen den Tod bedeuten. Der Kohl-Kopf vertritt oft den menschlichen. Die Bulgaren meinen, wenn man von weissen Kleidern träumt, so bedeute dies eine Reise'''), d. h. wohl eine Entfernung in unbe- kannte Gregenden, den Tod. — Die Trauergewandung der Ueberlebenden zeigt, wie sämmtliche Trauer-Ceremonien, die Zugehörigkeit zu dem Todten als dem Verblichenen äusserlich an. Deshalb muss die Trauertracht eben- falls weiss sein. Der entgegengesetzte Farbencontrast ist zweifellos jün- geren Ursprungs, wie die Vorstellungen des bleichen Todes, des weissen Gespenstes spontaner und primitiver sind, als die des nächtlichen, schwarzen Erlöschers der Lebenslichter. Die erstere Vorstellungsreihe beruht auf blosser Wiedergabe eines selbsterschauten Geschehnisses, die letztere auf Reflexion. Zugleich aber greift noch eine verschieden geartete, höchst wichtige Ideenkette maassgebend ein: der uralte Gedanke von dem Kampf der dualistischen Mächte des Lichts und der Finsterniss. Der Veda kennt diese Gegenüberstellung genau so klar, genau so folgereich wie die Avesta- Texte, die sich ihrer Zusammenhänge mit dem Christenthum wegen freilich einer grösseren Popularität erfreuen als der erstere. Abgesehen von den asiatischen Völkern der Indogermanen hat sich der Lichtcult in seinen Folgeerscheinungen noch sehr deutlich bei den Slaven erhalten. Deshalb kennen diese auch noch die weisse Farbe bei der Trauertracht*) und kleiden ihre Todten in Weiss. Ich besinne mich aus dem Trauerjahr 1S88 auf die Zeitungsnachricht, dass Aehnliches bei uns in Deutschlan'd nicht unerhört war. Beim Tode des greisen Begründers des Deutschen Reiches legte die verwittwete Kaiserin August a schwarze Roben au, die in den ersten 14 Tagen weisse Spitzenbesätze und weisse Schleier trugen*). Im weiteren Verlauf der einjährigen Trauer wurden diese Zuthateu wieder entfernt. Dem entspricht es bei slavischen Stämmen, wenn z. B. in Sara- jevo die Weiber früher ihre Trauer dadurch bezeugten, dass sie den Kopf mit weisser Leinewand umwickelten. Im Leichenzuge gingen sie ge- wöhnlich in einer weissen Anterije umher. In Mostar und Gacko ist Trauerfarbe neben Schwarz auch Weiss*). Die muhammedani sehen Weiber Bosniens kleiden sich zur Trauer meist in Weiss ^;. Ist doch selbst die Trauerfarbe der meisten Negervölker eine weisse, mit der sich die Weiber 1) Ethnogr. Mitth. a. Ungarn 5, 3. 2) Strausz, Bulgaren 289. 3) Vernaleken sagt kategorisch: „Bei den slavischen Völkern ist weiss die Traiier- farbe." (Oesterreich 81 f.) 4) Die Königin- Wittwe hiess in Frankreich: la reine blanche. 5) Lilek, Ethnol. Mitth. a. Bosn. u. der Herceg. 8, 41?>. 6) Lilek, a. a. 0. 421. Dio volksthümliche Bedeutung der weissen Farbe. 61 bestreichen, um laut schreiend derartig den Todten zu bekhigen*). Dass die Gespenster in und ausserhalb Deutschlands meist in weissen Gewändern erscheinen, ist eine einfache Folge der Einhüllung ihrer Körper in die hellfarbigen Todtenlinnen^). Der Glaube an weisse Frauen als Todes-Gottheiten beschränkt sich dagegen zunächst wohl auf den slavischen Yölkerkreis, dem ja die Vor- stellung von der weiblichen Todes -Gottheit überall die unschönere von dem sensenschwingenden Schnitter Tod ersetzt. Die Mittagsfrau der Wenden, ein Krankheits-Dämon, sowie die weissen Frauen derselben haben ein schneeiges Gewand^). Bei den Slovaken wird der Tod als hohe, hagere Frauengestalt in weissen Gewändern dargestellt*); ebenso bei den übrigen slavischen Stämmen^}. Weiss ist auch alles, was sich auf die Farbe des slavischen Todtenmannes bezieht^); weiss sind die bulgarischen Gespenster^); ja selbst die unsere Zwerge vertretenden Wesen scheinen diese Farbe zu kennen: die Bulgaren glauben an ein männliches Wesen mit langem Bart oder eine weissgekleidete Greisin; beide sind Hausgeister*). Die Erscheinung der seligen Fräulein Tirols, welche ebenfalls schnee- weiss sind, gehört aber wohl nicht hierher. Diese Genien werden auch Thalgilgen ^), d. h. Thal -Lilien genannt^'*), sind also zunächst Blumen- N^ymphen, die von späteren Sagen zu seligen Geistern gemacht sind. — Ein Pendant zu dem Weiss der Todesfarbe bietet die schwarze Er- scheinung von Geister - Thieren; namentlich sind die schwarzen Pudel constant, die dadurch, dass das Christenthum sie als Transformationen menschlicher Wesen angeschwärzt hat — wie es sämmtliche Metamor- phosen als teuflisch verdammte — die ursprüngliche Schneefarbe der guten, sei es menschlichen, sei es thierischen Seelenwesen beweisen. Wir werden diese Aufstellung alsbald näher begründen. Noch verdient die Thatsache Erwähnung, dass den Krankheits-Dämonen weisse Opfergaben zukommen. Um eine Trude (ein Alpdruck-Gespenst) loszuwerden, muss man ihr 3 weisse Gegenstände zu geben versprechen: weisses Mehl, ein weisses Ei, weisses Salz^°). Die vorausgehende Untersuchung hat gelehrt, dass der Albinismus beim Menschen universellen Ideen zufolge als Symptom eines Productes thierisch-menschlicher Vermischung angesehen und als solches bald ver- 1) Sonntag, Todten-Bestattung. 2) Dass auch bei den Böhmen der Glaube an die weissen Gespenster zu Hause i;t, bezeugt u.a. Grohmann, Abergl. 196, cf. Anm. 7. 3) Schulenburg, wendische Sagen 89ff. 4) Ethnol. Mitth. a. Ungarn, 5, 9.3. 5) Cf. Hanns, Wissensch. d. slav. Myth. im Index unter „Lichtcult". 6) Vernaleken a.a.O. 81f. 7) Strausz a. a. 0. 456. 8) ib. 199. 9) Alpenburg, Mythen iind Sagen Tirols, z. B. S. 17 und S. 33. 10) Derselbe a. a. 0. 267. (52 J- VON Negelein: abscheut, bald vergöttlicht wurde; dass die Verhüllung in weisse Gewänder primitiven Vorstellungen gemäss entweder als Nachahmung der Todes- blässe anzusehen oder als Licht- Symbol zu erklären ist, welch letztere Erscheinung einen indischen oder parsistischen Dualismus voraussetzt, der im Slaventhum seine Ausläufer findet und durch das Christenthum conser- virt ist, das ja noch heute von dem Weiss der Unschuld und Tugend redet (s. im Vorausgeg.). Anhangsweise wurde auf ausserchristliche Vorstellungen des semitischen Orients hingewiesen, die den gleichen Dualismus, bereits nach der ethischen Seite gewandt, kannten und wahrscheinlich auf den vorislamischen, aber allgemein - semitischen Gestirncult zurückgehen. Im Folgenden sei es uns vergönnt, die gewonnenen Gesichtspunkte bei der Betrachtung des thierischen Albinismus wiederzufinden, zu ergänzen und zu vertiefen. Das edelste Hausthier der Germanen und der ihnen urverwandten Stämme in der Zeit des ehemaligen Gemeinschaftslebens war dass Ross. Wie es die Beherrschung der endlosen Steppen, auf denen sich vor Beginn der Aera der Ansässigkeit die Nomadenhorden tummelten, erst möglich machte, wie sein Fleisch als wichtigstes Nahrungsmittel galt, so setzte man sein Ebenbild an den Himmel als Sonne und Hess es als Sturmwind über die Erde reiten. Der Ocean, welcher erst später mit diesen Stämmen belebt wurde, musste die Schiffe der neuen Seefahrer als Rosse -Schaar tragen. Selbst der Tod, der so plötzlich den Menschen dahinrafft, schien ihn als Pferd in unbekannte Fernen zu entrücken. Wie allen Hausthieren, so war auch dem Rosse die Gabe der Prophetie eigen; ja seine heilige Nähe wirkte entsühnend und Heilung bringend. Dies zu beweisen, wird deshalb unsere nächste Aufgabe sein müssen, weil wir dabei festzustellen haben, wieweit die weisse Farbe des Thieres für die Verkörperung der genannten Eigenschaften als wesentlich in das Gewicht fällt. Dass man bereits in sehr früher Zeit auf die specifischen Eigenthüm- lichkeiten des Schimmels achten lernte, beweist eine interessante Veda- Stelle: ein vedischer Prosatext sagt, der Schimmel sei lichtscheu und durch Augenkrankheiten gefährdet. Die für die Leukopathie typische Er- scheinung starker Lichtempfindlichkeit ist also bereits im alten Indien bekannt gewesen^). 1) Ein Mythus soll diese Eigenthümlichkeit begründen: Nach gatapfithabrähmana 7, 3, 2, 14 hat nehmlich der in den Lotus geflüchtete Agni den ihm in Schimnielgestalt nach- setzenden Prajäpati am Gesicht verbrannt. Seitdem ist der Schimmel gewissermaassen am Gesicht verbrannt und in Gefahr, schlechte Augen zu bekommen. Eggeling in seiner üebersetzung dieses Textes und das Petersburger Sanskrit- Wörterbuch, die sich beide an die Erklärung des Commentators halten, haben die entscheidenden Worte nicht verstanden, (udustamukha übersetzt das Pet. AV.-B falsch mit: „ein röthliches Maul habend-^. — Unter den Krankheiten, die den Opfer -Schimmel bedrohen können, nennt Qat.-Br. 13, 3, 8, 4 auch Augenkrankheiten, und Apastamba^rautasütra 7, 18 die Blindheit. Die volksthümliche Bedeutung der weissen Farbe. g?, Bei der Persouificirimg von Wind und Wasser hat das Ross eine ausserordentliche, der Schimmel im speciellen indess, soweit mir bekannt, nur eine ganz verschwindende Rolle gespielt^). Hierher gehört mit an- nähernder Sicherheit nur die Thatsache, dass die Veneter dem Dionied. dessen fleischfressende Rosse sich schon durch eben diese Eigenthüm- lichkeit als zu dem Element des Wassers gehörig erweisen, ein weisses Pferd ^) opferten. Als Xerxes an den Strymon kam, schlachteten die Magier diesem Strome weisse Pferde^). Der gleiche Brauch scheint bis nach Japan zu gehen: der edle Mieou war bereit, sich der Drachin an- trauen zu lassen (d. h. sich dem Flusse zu opfern), und ritt mit einem Schimmel in den Strom"). Bei den Armeniern wird die im heutigen Volksglauben noch sehr populäre mythische Persönlichkeit des im Sturm dahinreitendeu Gottes Surb-Sargis als „Schimmel-beritten" angerufen®). Die weitestreichende mythische Bedeutung hatte das weisse Ross als Sonnen- Symbol. Man darf behaupten, dass den indogermanischen Licht- göttern nur weisse Pferde eigen waren. Oft wird im Veda der Schimmel mit dürren Worten ein Theriomorphismus der Sonne genannt^). Das Ross-Opfer, dessen Grundidee die war, dass man der als Pferd gedachten Sonne ein gleichartiges Thier zur Verherrlichung ihres Zeiten -setzenden Kreislaufes opferte, verlangte nach den übereinstimmenden Zeugnissen der Inder, Perser, Griechen, Slaven und Germanen ein weisses Ross. Bei der einzigartigen Wichtigkeit, die dieses Opfer in der Zeit des indogermanischen Gemeinschaftslebens gehabt haben muss, und der daraus sich ergebenden volksthümlichen Bedeutung seiner natursymbolischen Interpretation wollen wir die Grundidee etwas näher ins Aus-e fassen. 1) Die Eosse des Rhesos bei Homer, llias K 436f. sind weisser als der Schuee. Nun sind diese Thiere zwar (zumal da Rhesus selbst der Sohn des Strymon ist und durcli das Wasser des Skamander unbesieglich werden soll, d. h. ein Flussgott ist, cf. Lexicou Homericum ed. Ebeling) mythischen Ursprungs und ursprünglich also vielleicht Natur- Symbole gewesen, obwohl man auch liier mit der Möglichkeit rechnen muss, dass Homer die Thiere durch Einreihung in die Genealogie der Götterpferde nur als eines Helden würdig hinstellen wollte: doch ist es gewagt, ihre weisse Farbe mit ihrer so fern liegenden göttlichen Abkunft in Zusammenhang zu bringen. Aehnliches gilt von indischen Zeug- nissen: dem Väyu niyutvan, also einer bestimmten Manifestation des Windgottes, wird nach (^at.-Br. 6, 2, 2, Gf. ein weisser Ziegenbock geopfert, der ibid. 15 ausdrücklich als Sub- stitut für einen Schimmel bezeichnet wird. Der spielende Text scheint sich aber mehr aus Laune hier an die weissen Thiere zu halten. 2) Zeitschr. f. Ethnol. 1, 176. Grimm, Myth.\ -J, Öö3; Strabo 5, 1, 9. 3) Herodot 7, 113. 4) Zeitschr. f. Ethnol. 1, 368. 5) Abeghian, Armenisch. Volksgl. Diss. S. 99. S. die Erscheinung des wilden Jägers im Folgenden. Schwartz, Poetische Natur- Anschauungen 2, 68, bemerkt den Wind als Rappen in einem neuhochdeutschen Gedicht. 6) Die stehende Formel lautet: „Denn das weisse Pferd ist ja mit der Sonne iden- tisch", z. B. Q.-B. 2, 6, 3, 9: cf, auch A. Weber, Indische Studien 13, 247, Anm. 3: „Das weisse Ross erscheint in den Brähmaua als Stellvertreter der Sonne" und die dort ange- führten Stellen. 64 J- VON Negelein: Zunächst ist es bemerkenswerth, dass die Wagen der vedischen Liclit- (iottheiten meist von Schimmeln gezogen wurden, wie man ja überhaupt den Tag, die Morgensonne, als die glänzende Ausgeburt der schwarzen Nacht betrachtete und deshalb unter dem Bilde eines hellfarbigen Thieres darstellte*). Ton der Morgenröthe heisst es: „Sie ist das Auge der Götter; sie fährt daher, indem sie das weisse, hell sichtbare Ross lenkt" ^). Aehn- liches gilt von anderen Licht -Gottheiten, bei denen die natursymbolische Bedeutung nicht so klar auf der Hand liegt*). Zu Ehren des weissen Strahlen-Rosses muss beim Opfer ein Schimmel fallen. Dies schreiben vedische Texte auch ausdrücklich vor. Die Tradition kennt in alten, volksthümlichen Versen, von denen kümmerliche Ueberreste als Einschiebsel in den Veda uns zufällig erhalten sind, Beispiele der Opferung weisser Rosse*). Noch die heutigen Pandits Indiens schwärmen von einem riesigen Opfer der Vorzeit, bei dem 1000 fleckenlos weisse Thiere fielen^). Das Gros der uns erhaltenen altindischen Texte steht indess auf einem etwas veränderten Standpunkt. Da man nicht mehr die Sonne^als solche, sondern ihre Hauptbedeutung für das sociale Leben, durch Abgrenzung der Tages- und Jahres-Zeiten ein sittliche AVeltordnung zu schaffen, vergöttlichte, so legte man ihrer symbolischen Darstellung nicht mehr die leuchtende Scheibe, sondern den durch diese bedingten 24 -Stunden -Tag, resp.. die dunkle sammt der hellen Jahreshälfte (Sommer und Winter) zu Grunde und musste deshalb den durch diese Auffassung versöhnten Dualismus zwischen Tag und Nacht im Symbol zum Ausdruck bringen. So geschah es, dass man dem hellen Auge des Tages®) das dunkle Auge der Nacht'), dem leuchtenden Sonnenpferde das dunkle Nachtross nicht sowohl gegen- überstellte, als vielmehr harmonisch mit ihm zu einem Ganzen verschmolz*); dass man in dem Auge der verehrten Gottheit das Weisse und Schwarze unterschied*) und dem lichten Pferde eine dunkle Stirnfärbung oder einen 1) So sagt Atharvaveda 13, 3, 26: „Aus der schwarzen Nacht wurde als Sohn das glänzende .Junge geboren." 2) Rgveda 7, 77, 3. 3) Namentlich von Indra und den Ar-vin, s. im Folgenden. 4) In einer Gätha - Strophe wird berichtet, dass ein gewisser (^'atänika ein weisses Ross geopfert haben soll: Q.-B. 13, 5, 4, 22. 5) Privatinformation. , 6) Die Darstellung des Auges als Sonne ist universell. Sie beruht einfach auf der Unfähigkeit, zwisclien dem Licht als Natur-Phänomen und der Licht-Reaction der Netz- haut des menschlichen Auges zu unterscheiden. 7) Cf. z. B. Aesch. Pers. 428 bei Furtwängler, Idee des Todes 95, Anm. 20. Vergl. auch unsere modernen Dichter, z. B. Goethe: „wo Finsterniss aus dem Gesträuche mit hundert schwarzen Äugen sah"; oder Lenau: „Weil' auf mir, du dunkles Auge, übe deine ganze Macht . . . unergründlich tiefe Nacht." 8) Nach Hütten, Geschichte d. Pferd. 59 beschreibt Adrastus gesprenkelte Stuten mit den Worten: ..eqiiae noctemque diemque assimulant maculis internigricantibus albae." 9) Qat.-Br. führt einen Bhnllabeya als Autorität an und lässt ihn sagen: „Das Pferd (Opferross) soll zweifarbig sein, weiss und schwarz gefleckt, denn es entstand ja aus dem Die volksthümliche Bedeutung der weissen Farbe. 65 schwarzen Schweif gab, es auch wohl zum Schecken machte*). Erst die- jenigen Texte, die gar uiclit mehr wissen, worum es sich bei der Farbe des Opferrosses handelt, lassen dasselbe in allen Farben schillern^). Auch nach persischem Ritus muss, wie die Nachrichten griechischer Autoren uns schliessen lassen, das Opferross weiss gewesen sein. Grimm, der die Belege dafür giebt, vermuthet, dass auch der beim germanischen Opfer gebrauchte friscing fleckenlos weiss war^). Opferten doch die classischen Völker dem Helios nur weisse Thiere*). Das Gleiche be- haupten Kenner des slavischen Alterthums von den heidnischen Preussen^). Die sich an die Monderscheinung knüpfenden mythischen Bilder sind natursymbolisch schwerer erklärlich, als die im Vorigen erörterten. — Wenn die Leukippiden, Töchter des Weissrosses Leukippos, wirklich von der Sonne ihre Geburt herleiten®), sehen wir abermals in ihrem Vater das weisse Ross verehrt. Kastor und Folydeukes, die dergleichen Deutung unterzogen werden') identificirt man mit den vedischen Agvin, den ^Reitern", die durch die Dreitheiligkeit der ihre Wesenheit symbolisirenden Attribute sich als zeiteintheilende Gottheiten erweisen. Schliesslich sei an Auge des Prajäpati [das ist eine Spielerei, die zwischen den Vorstellungen von der Sonne als Auge und als Pferd zu vermitteln sucht!] und das Auge ist zweifarbig, nehmlich weiss und schwarz.« Q. B. 13, 4, 2, 3 f. 1) Als Beispiel für die Coufusion, die schon ein Zeitgenosse des eben genannten Bhallabeya, nehmlich Sätyayajnih machte, dient dessen Lehre (Q.-B. 13, 4, 2,4), dass das Pferd dreifarbig sein soll, seine vordere Seite schwarz, die hintere weiss, vorn aber ein heller Fleck, der die Pupille vertritt. Hier zeigt sich also abermals der Versuch, zwischen dem weiss-schwarzen Symbol des astronomischen Tages als Pferd einerseits und als Sonne andererseits zu vermitteln. Der zu Grunde liegende Dualismus tritt noch klar hervor. Das Gleiche gilt, wenn eine uns erhaltene Gätha-Strophe (Q.-B. 13, 5, 4, 2) von der Dar- briugung eines scheckigen, d. h. wohl weiss und schwarz gefleckten Eosses spricht. Nach der bei Gubernatis, Thiermythen 222 citirten Mahäbhiirata- Stelle hat das ludra-Ross UccailiQravas weisse Farbe, aber einen schwarzen Schwanz. 2) Nach ApastambaQrautasütra 2, 9 erwähnen die Priester als Farben des Opfer- rosses: schwarz, weiss, bräunlich, scheckig oder rothbraun. Die alten Ideen klingen also noch nach. Nach Qatapthabr. 13, 4, 2, 1 soll das Ross alle Farben haben, oder es ist gleichgiltig, welche Farben es hat (ib. 4). Auch nach (^ankhäyanac^rautas. 16, 1, 15 soll es allfarbig sein. 3) Grimm Myth.*, 1, 44; cf. Herodot 1, 189; 7, 40, Xenophon, Cyrop. 8, 3, llff. 4) s. Iwan von Müller, Alterthümer 102. 5) Hanns, Wissenschaft des slavischen Mythus 316 citirt Hartknoch: „Ueberdies pflogen auch die alten Preussen ihren Göttern nur weisse Pferde zu opfern." 6) Furtwängler, Idee des Todes 100 wollte in den Leukippiden den Mond sehen. Nach Maas und Wide (Roschers Lexicon unter Leukippos) symbolisirt der letztere vielmehr die Sonne. Er entspringe einem abgespaltenen Attribut des Helios, wozu nach Röscher die Namen der Leukippiden Hilaeira und Phoibe, die sich auch als Epitheta der mit Helios so oft gepaarten Selene nachweisen lassen, trefflich passen wüi'den. Nach Hütten, Gesch. d. Pferd. 59 führt Homer ein Pferd als von der sonderbarsten weissen, dem Vollmond ähnlichen Färbung an. (^vetavähana heisst im Sanskrit sowohl „mit Schimmeln versehen fahrend" als auch „der Mond". 7) Sie heissen nach der Zeitschr. f. Volksk, 7, 240 Igvxuzjioi hvxojioAoi. QQ J. VON NeGELEEN: das „R^uterleiir' als den bekannten Stern Alcor des grossen Bären er- innert. Bisweilen wird die Haut des Mensehen, das Fell des mit Albinismus behafteten Thieres, losgelöst von seinem Träger als Licht- resp. Sonnen- Symbol aufgefasst. Dass die Sonnenfarbe der Haut es ausschliesslich ge- wesen sei, die dem Albino seine Veneration verschafft habe, ist eine, wie wir bereits erkannt haben, zum mindesten einseitige Auffassung^). Immer- hin werden z. B. bei den Crows weisse Bison-Häute der Sonne geheiligt^), und bei den alten Indern rituelle Kämpfe um ein die Sonne darstellendes Fell zwischen Ariern und Nicht-Ariern aufgeführt^). Der Darstellung des Pferdes als Sonnen- resp. Licht- Symbol steht eine ganz conträre ethnische Erscheinungsgruppe gegenüber. Wie wir die weisse Farbe namentlich in slavischen Gegenden als dem Tode und seinem Reich zugehörig erkannt hatten, so spielt auch der Schimmel namentlich dort als Träger der Seelen Verstorbener ins Jenseits eine erhebliche Rolle. Im weiteren Verlaufe wird es sich ergeben, dass uralte Auffassungen von dem weissen Rosse als dem Entrückungsmittel heidnischer Gottheiten zu Grunde liegen. Zugleich kam die Fähigkeit, Menschen in die andere Welt hinüberzutragen, dem Schimmel nur als eine dem Pferde als solchem gegenüber potenzirte Eigenthümlichkeit zu. Mehrfach heisst es, dass gespenstige Schimraelreiter als Geister Er- trunkener den Fluten entstiegen. Ich will es unuutersucht lassen, ob in dem einzelnen Falle an das lichte Sonnen- und Wasserross*) oder an die Thiere gedacht ist, die bei Unglücksfällen zugleich mJt ihrem Herrn zu Grunde gingen, neige mich aber zu letzterer Anschauung, da die euro- päischen Indogermanen die Wasserkuh meist dem Wasserross substituirten. Bisweilen entscheidet namentlich in deutschen Sagen der Umstand, dass das des Lebens verlustig gegangene Wesen ohne Kopf gedacht wird. Wenn also z. B. in der Knesebecker Gegend ein Schimmel den kopflosen Reiter trägt"*), der mit ihm den Fluten entstiegen, so dürfen wir an- nehmen, dass das körperlich intacte Thier dem als Leiche gekennzeichneten Menschen gegenüber als lebend, d. h. als ein mythisches Wesen gedacht ist. Weit wichtiger und klarer sind parallele slavische Ideen. Xach böhmischem und mährischem Aberglauben zeigen sich die Seelen von Ver- storbenen als weisse Pferde, wie auch als kopflose Schafe, Katzen, Hasen oder weisse Hennen®). Die Identification dieser Thiere, die zunächst als Doppelgänger des Menschen gedacht werden, mit dem letzteren, ihr mythisches 1) Cf. aber Frobenius, Ursp. d. Ciilt. 1, 320, S. s. 82. 2) Zeitschr. f. Ethnol. 1, 160. 3) MaiträyaDi-Samhitä, s. Schröder, Indiens Literatur und Cult. 4) Diese beiden Gruppen gehen in einander über. 5) Zeitschr. f. Volksk. 7, 132: cf. z. B. auch Bartsch, Meklenburgische Sagen 1 178 und oft. 6) Grohmann, Abergl. a. Böhmen u. Mähren 197. i Die volksthümliche Bedeutung der -weissen Farbe. 67 Einswerden mit ihm, ist ganz secundär, eine Metamorphose bei sämmt- lichen aufgezählten Wesen absolut ausgeschlossen. Es handelt sich viel- mehr lediglieh darum, dass das Pferd als Seelenträger aufgefasst wird, wie dies so häufig der Fall ist^). Das gilt in vorliegendem Falle mithin speciell vom Schimmel. In slavischen Gegenden hält man auch seinen Angang für einen Vorboten des Todes ''). Wenn man eine Reise macht und es begegnet einem zuerst ein weisses Pferd, so wird man nicht mehr lange leben ^). Auch im Traume gesehen bringt er Unglück: wenn der Kranke träumt, dass er auf einem weissen Pferde geritten ist (also ganz deutlich Entrückung!), so muss er sich auf den Tod vorbereiten*). Wohl nur sporadisch findet sich in alten Traumbücherir unserer Gegenden Aehnliches^). Streng ist es der slovakischen Braut verpönt, bei Ueberfahrt des Bett- zeuges sich eines weissen Pferdes zu bedienen: sonst stirbt einer der Neu- vermählten"). Diese Auffassungsw^eise steht in schneidendem Contrast zu der deutschen, die das lichte Thier vielmehr zum glückverheissenden Omen für die Neuvermählten macht. Die Verwendung des Schimmels bei Hoch- zeiten ist altdeutsch. In Ostpreussen gilt der Traum von ihm als Vorzeichen baldiger Ehe''), und in Schottland gilt ein Schimmelreiter, der einem Hochzeitszuge begegnet, als besonders glücklicher Angang^). Schiller'» „Braut von Messina" soll auf einem Zelter, dessen Farbe „lichtweiss als wie des Sonnengottes Pferde" beschrieben wird, abgeholt werden. Offenbar hat lediglicli die Werthschätzung der weissen Farbe als solcher die Ver- wendung zu dem feierlichen Tage veranlasst. Dass auch die Vorstellung von der Potenzirung der geschlechtlichen Functionen durch Contact mit dem Rosse dabei eine Rolle gespielt hat, wird später wahrscheinlich gemacht werden. Die Verwendung der Schimmel als Seelenträger hat unter christlichem Einfluss eine Verminderung in jüngeren Sagenzügen gefunden und die Substituirung durch Rappen erleiden müssen. Diese Einzelheit erweist sich dadurch, dass sie auf das ursprünglich Heidnische der zu Grunde 1) In einem v. J. 1538 datirten Traumbuch (in einem Sammelbande der Königsberger Bibliothek ohne Verfassemamen, Signatur Cc 883, 4'') heisstes: „Pferde sehen oder reitten bedeyt ängstigung dess gemüts." Cf. meinen Aufsatz über „das Pferd im Seelenglauben und Todten-Cult" in der Zeitschr. f. Volksk., Jahrg. 1901. 2) Grohmann, a. a. 0. 53. 8) ib. 53. 4) ib. 187. 5) So sagt z.B. das bereits citirte Traumbuch vom J. 1538 (Anm. 71): „haben oder sitzen auff einem weissen pferdt bedeyt schaden." J^ach slavischen Begriffen bedeutet auch der Traum, dass ein Schimmel Dünger aus dem Hause führt, einen Todesfall: Grohmann 187. Die Entführung von nützlichen Dingen aus dem Elternhause ist immer ein gefährdendes Omen. — Dem Ross der Persephone wurde im alten Griechenland ebenfalls die weisse Farbe zuerkannt: Furtwängler a. a. 0. 84ff. 6) Ethnol. Älitth. a, Ungarn 5, SO. 7) Privatinformation. 8) Liebrecht, Volksk. 361. ßg J. VON Negelein: liegenden Idee hinweist, als wichtig. Denn die Schwarzfärbung hat die Thiere jener Sagen im Sinne der christlichen Priesterschaft als Teufels- Wesen gebrandmarkt. Tod und Teufel reiten deshalb auf Rappen, Ge- spenster jagen auf kohlschwarzen Pferden daher, dunkelfarbige Thiere ziehen Geisterkutschen und richten als verwandelte Zauberinnen Schaden an. Spuren des älteren Zustandes finden sich immerhin noch bisweilen. So droht z. B. Abraham a. S. Clara in einer Predigt: „Wer nicht ist wie der Himmel, den holt der Teufel auf dem Schimmel"^) In meklen- buraischen und anderen Sagen reitet der Teufel noch ein weisses Ross^). Yerstorbene eilen auf Schimmeln daher'). Eine Hexe verwandelt sich in einen solchen*). Gerade solche Verwandlungen wären für unsere Sagen- forschung wichtig, denn jene Schimmel -berittenen Hexen sind Walkyren"). Bekanntlich gehen die Letzteren in Seelen -entrückende Dämonen über. Auch das zur Pestzeit umgehende Boss der Hei ist hierher zu ziehen, wie das schwarz und weiss gezeichnete Pferd der 3 Schwestern (jeden- falls Nornen, also Todes -Gottheiten) oder der Schlüssel -Jungfrau. Das Boss, welches Dietrich von Bern abholt, ist kohlschwarz^). In zahlreichen Entrückungssagen tragen kohlschwarze Rosse, bei denen man die dunkle Färbung theilweise als christliche Anschwärzung deutlich erkennt, ihre Herren in das Todesdickicht, in Höhlen, zu schwarzen Geisterburgen '). Dem Todespferde wird dem alten Sprichwort nach ein Scheffel Hafer vor- gesetzt. Mit diesen Sagenreihen verwandt, und doch wieder zu ihnen in einem eigenthümlichen Gegensatz stehend, finden wir die Mythen, die das Pferd als Träger von Krankheits-Dämonen hinstellen. Denn wenngleich zwischen der mythischen Erscheinung des Todes und der Darstellung des Heeres der Krankheits-Dämouen kein principieller Unterschied besteht, vielmehr der Tod selbst nur ein specieller Dämon dieser Gruppe ist, so zeigt es sich dennoch, dass, während man diesen ausschliesslich fürchtet, man von jenen Heilung von Uebeln erwartet, die von dem erkrankten menschlichen Individuum auf den Rücken des Thieres übertragen werden sollen. — Wenn ein Kind zwei hinter einander reitende Personen sieht, soll es nach einer Lehre unserer Gegenden die es belästigende Warze von seinem Einger weg nach den Reitern zu bestreichen und sprechen: „Nimm den dritten mit, nimm den dritten mit." Der Warzen-Dämon wird dadurch auf das Pferd gesetzt. Ganz unbezweifelbar aber wäre es höchst einseitig, die ganze weit verbreitete Lehre von der Bekämpfung der Krankheits- 1) Bei Vernaleken a. a. 0. 73. 2) Z, B. bei Bartsch, a. a. 0. 1, 198; cf. Aura. 69. 3) Cf. a. a. 0. 1, 198. 4) ebenda 1, 132. 5) Cf. zu Anm. 71. 6) Simrock, Myth.«, 331. 7) ebenda 331 ff. Die volksthümliche Bedeutung der weissen Farbe. Ö9 Gottheiten durch Pferde und speciell durch Schimmel auf diese eine Idee zurückzuführen. Vielmehr spielte der Glaube, dass das dem Lichte zugehörige Thier die nächtlichen Unholde durch seine persönliche Nähe vertreibe, eine, wie wir alsbald erweisen werden, grosse Rolle. Meist erscheint, wie schon im Veda, deshalb der Schimmel „mit weihender und lustrirender Kraft" ausgestattet^). Eine interessante Sage berichtet von einem heiligen Pferde. „Wenn man ein krankes Pferd nur in die Nähe des Schimmels brachte, heilte jedes Uebel, und als das Thier, nachdem es viele Wunderkuren vollbracht, starb, bewahrte man zum Andenken eins seiner Hufeisen, welches auch lange noch an dem Kirchthurm angenagelt zu sehen war"'). Wie ich an anderer Stelle auf den italienischen Bericht von der Heilkraft des Schattens eines nur einer Statue zugehörigen Pferdes hinwies'), so sehen wir hier eine ähnliche Idee in Deutschland wirksam. Analogien finden sich in der mittelalterlichen Geschichte vielfach. Nach Gregor soll man den zuerst entgegenkommenden Schimmelreiter nach einem Mittel gegen den Keuch- husten fragen, den man sich zugezogen hat; giebt der Reiter ein Medi- cament an, so wird man durch dieses gesund*). Ebenso sollte einem Kinde der Bannüchi der erste Schimmelreiter das Heilmittel gegen die Bräune geben*). Durch Schlafen in Pferdeställen glaubt der Ostpreusse sich der Epilepsie zu entledigen. Wenn eine schwangere Frau eine Stute aus ihrer Schürze fressen lässt, so glaubt sie sich dadurch eine leichte Entbindung zu verschaffen^); hält man doch verschiedene Theile des Körpers eines Pferdes für Medicinen*) und meint in slavischen Gegenden, dass da, wo ein Schimmel im Stall steht, Segen im Haus') und Schutz vor der wilden Jagd sei^). Der letztere Zug ergänzt sich in der Vorstellung, dass der Hof, auf dem sich ein weisses Ross befindet, keinen Kobold beherberge *). Wir werden diesen uns zur Betrachtung der Kobold-Sagen hinüberleitenden Zug alsbald in anderem Zusammenhang verstehen lernen. Es findet sich öfter, z. B. in dänischen Sagen, der Glaube wieder, dass der Niss, ein nordischer Hausgeist, die weissen Pferde nicht besonders liebe. Er färbt sie sogar schwarz ^*). Sicherlich handelt es sich hier nicht um die gütigen 1) Weber, Indische Studien 13, 247 Anni. 3. 2) Petersen, Hufeisen 260; Mannhardt, Zeitschr. f. d. Myth. 4, 20. 3) In einem Aufsatz über „Bild, Schatten und Spiegel im Volksglauben", Ai-chiv f. Religi(»nswissensch., Jahrg. 1901. 4) Liebrecht, Volksk. 361. 5) Wuttke, Abergl. Reg., unter Pferd. — Vgl. S. 78, Anm. 6. 6) Vieles Material liefert hier das alte Lexicon universale, die grösste mir bekannte Encyklopädie, von der ein Exemplar der Lesesaal der Königl. Bibliothek zu Berlin auf- bewahrt. 7) Grohmann, a. a. 0. 53. 8) Wuttke, a.a.O. 121. Grohmann 75. 9) Lippert, Christenthum 663: Kuhn, Märkische Sagen 104. 10) Zeitschr. f. Volksk. 8, 13. Zeitschrift für Ethnologie. Jahrg. 1901. o 70 J- VON Negelein: Hauskobolde, sondern um nächtlich gefährdende Wesen. Denn die ersteren sind dem Pferde, als dem kostbarsten Eigenthum des Hauses, und mithin ganz vorzugsweise dem Schimmel, sehr gewogen. Oft hat man die Elfen, d. h. jene Ahnengeister, deren Yerweilen im Hause diesem Segen bringt, rufen hören: „Noch ne matten för'n witten" ^). Mit entzückender Naivetät drückt sich in den Worten dieser Genien, die ihrem geliebten Thiere gern ein Maass über die Tagesration zukommen lassen möchten, die vertraute Stellung unserer Vorfahren zu den Hausthieren und namentlich zu den Schimmeln aus, die als Heiligthum der Familie von den Ahnengeistern umschwebt werden. In genauer Analogie dazu treten die Zwerge in welschen Sagen als kleine Personen auf, die auf weissen Rossen, nicht grösser als Hunde, reiten''). In Fiuland soll der Mahr besonders die weissen Pferde bevorzugen und ihnen die schönen Weichselzöpfe (Wichtel- zöpfe, die überall auf Hausgeister zurückgeführte Verwirrung der Kamni- haare) flechten, die mau des Morgens bei ihnen findet'). Das nordische Sagengebiet, einmal erst erschlossen, würde uns zur Erforschung vater- ländischer Geschichte und vaterländischen Glaubens Unschätzbares leisten. Einstweilen finde die sich hier anschliessende Notiz noch Platz, dass eine weisse Stute im nördlichen Jütland besonders vom Niss, dem Hausgeiste, geliebt wurde*). Die entwickelten, einander so vielfach widerstreitenden Ideen von dem Schimmel als Freund der Haus- und Feind der Krankheits- Geister, die doch wieder als seine Reiter zu ihm in engster Beziehung stehen, finden eine merkwürdige Verdichtung in der wesentlich deutsch -mythologischen Figur des wilden Jägers. Die Grimm'sche Schule hat "ihn für eine aus der Persönlichkeit Wotans herausentwickelte Figur gehalten; Weinhold hat diese Aufstellung, meines Bedünkens mit vollem Recht, bestritten. Es handelt sich bei dem so viele Hypostasen in allen Gegenden Deutschlands erleidenden Gotte wohl vielmehr um einen Sturm-Dämon und Träger der Entrückuugsidee, wie ja die deutsche Sagenwelt mit Erzählungen von der Entführung durch Gewitter- Dämonen übersättigt ist. Der den Lebenden wie den Todten entführende Sturm trägt den Einen wie den Anderen in Schimmelgestalt zu unbekannten Fernen. Das weisse Ross, das wir als selenraubendes Wesen eben mythisch wirksam sahen, ersteht hier also als Wind -Symbol von Neuem. Erst secundär ist ihm der Reiter zu- gedichtet, der deshalb unzählige verschiedene Namen trägt, ohne den populären Zug des Albinismus des gerittenen Thieres verdrängen zu können. Deshalb sitzt nicht nur der wilde Jäger*), sondern auch der 1) Jahns, Ross und Reiter 1, 396. 2) Zeitschr. f. Ethnol, 1, 330, Anni 2; cf. die Sigynnen. 3) Privatinformation. 4) Zeitschr. f. Volksk. 8, 13. 5) Simrock, Myth'"', 197: „Ganz allgemein wird der wilde Jäger von seinem weissen Rosse der Schiramelreiter genannt" Cf. Grimm, Myth.*, 2, 770. Für die Die volksthümliche Bedeutung der weissen Farbe. 71 dänische Waldemar*) auf weissem Rosse. Das Clleicbe gilt von dem jüngeren Hackelbernd, Berhtolt"), und schliesslich aucli von dem diese Gruppe wenigstens streifenden irischen O'Donoghue'). Der mythischen Figur des später nach der Erscheinung des wilden Jägers genannten Schimmels ist am nächsten das weisse Ross verwandt, das den Helden -auf seinem Rücken in die andere Welt trägt. Wie von den Bergen, als den alten Windhäuptern, die Stürme erzeugt gedacht werden, wie man die Leichen der Helden auf Hügeln und in Hügeln barg und die Berghöhlen von Greistern belebt geglaubt werden — eine überall wiederkehrende Idee — , so meinte man die Helden, deren plötzliches Ab- leben den Postulaten der Vernunft widersprach, in Berghöhlen entrückt, die anfangs als traurige CTrabstätten, später, unter dem Einfluss der Be- kanntschaft mit dem Bergbau und der unter der Erde schlummernden Schätze, als Kiystallpaläste gedacht werden. Dort wohnt Hackelberg und bewacht Schätze, auf einem Schimmel sitzend und das Schwert in der Hand haltend*). Das Pferd, hier also das weisse Ross, ist dem Helden, dem Gotte, der mit diesem zusammengewachsen und vielfach als eine Person erscheint, ein unerlässliches Attribut. Höchst werthvolles, hierhin gehöriges Material birgt die noch unerforschte armenische Volkstraditiou. An Dietrich von Bern erinnerten wir schon. Bei den Sagen vom Schlummern berittener Helden in Bergen liegt nach meiner Auffassung meist die lediglich von der Phantasie ausgemalte Vorstellung der in ihren Grüften gebetteten Helden vor: es ist bekannt, dass man den Todten vielfach auf lebendem Pferde sitzend beerdigte. Das Pferd war immer die wichtigste Grabmitgabe. Karl der Grosse ritt als Hypostase des wilden Jägers ein weisses Ross im Zuge der Seelen^). Nicht sowohl die Identificirung des wilden Jägers mit dem alten Wotan der Germanen, die nach unserer Ansicht irrthümlich ist, als vielmehr slavische Mythenwelt erweist den gleichen Zug: Schul enburg, Wendische Sagen 137. Hochinteressant ist die Thatsache, dass alte Mythen sämmtliche Attribute des wilden Jägers weiss erscheinen lassen uud dass das Christenthum sie säramtlich schwarz an- tuschte. Hier ein Beispiel: Berchtold, d. h. der wilde Jäger, führt in Schwaben die wilde Jagd an. Er reitet ein weisses Ross und hat einen weissen Hund am Strick: Simrock, Myth.^, 197. — Nach Gesta Romanorum, Cap. 53, wird einem Ritter auf- gegeben, 4 schwarze Dinge zu bringen, die dieser wirklich aus einer schwarzen Burg holt: ein schwarzes Pferd, einen schwarzen Hund . .dt, Falken. . dt, Jagdhorn. Wir sehen hier einen alten Mythus, in dem von der Entleihung von Sturm- und Gewitter-Symbolen als Attributen des wilden Jägers die Rede ist, derartig umgestaltet, dass aus den lichten Erzeugern des Blitzes und Unwetters auf dem Wege ganz mechanischer Schwarzfärbung Teufelswerkzeuge gemacht sind. 1) Grimm, Myth.^ 2, 787. 2) Ibid. 782, 3) Ibid. 784. 4) Kuhn, Nordd. Sag. 182. Menzel, Odin 210. 5j Simrock, Myth.^ 197. 6* 72 J. VON Negelein: die Thatsache, dass in dem letzteren die Wesenselemente des Seelen- entrückers mit denen der Lieht-Gottlieit vereinigt sind, veranlasst uns, die Bezüge des Heidengottes zu dem weissen Rosse zu besprechen, nachdem wir jede dieser beiden Hauptgruppen gesondert behandelt hatten. Wotan war nach ausdrücklicher Angabe der Quellen auf einem Schimmel reitend gedacht^). Die Gestalt des alten Gottes auf weissem Ross ist der germanischen Sage in Nieder- Oesterreich noch geläufig^), und Anklänge finden sich ebenfalls in Deutschland wieder^). Verklingende Reste uralter Sagen würde das vorurtheilsfrei betriebene Studium der christlichen Legenden mit ihren Schimmel- berittenen Heiligen liefern. Dem weissen Rosse des Christkindes wurde ziu' Weihnacht Hafer vorgesetzt. Da die Bestimmuug, dass man den Pferden in der Weihnachts- und Neujahrsnacht Futter vor- setzen soll, und der Glaube, dass sie in jener Zeit die Gabe der Prophetie entwickeln, über ganz Deutschland gehen*) und sich z. B. auch in Nor- wegen finden^), d. h. urgermanisch sind, und da sich überall das Gefühl als obwaltend erweist, dass die Gottheit des Jahres leiblich die Pferde besuche®), so erscheint die Annahme gerechtfertigt, dass in dem slavischen Schimmel des Christkindes wie in dem (in slavischen Gegenden berittenen) Knecht Ruprecht sich eine Schimmel-berittene Heiden-Gottheit verbirgt. Diese Ansicht gewinnt durch das Auftreten des auf weissem Rosse sitzenden St. Nicolaus') und der auf hellfarbenem Thiere reitenden Gottesmutter, die wir selbst in Armenien antreffen^), an Wahrscheinlichkeit. Es kommt hinzu, dass man zur Zeit der Sonnenwende die wieder- kehrenden Strahlen des himmlischen Lichtes unter dem Symbol des Rosses verehrte und in dem Schimmel, d. h. in dem mythischen Thiere, nicht mehr als in seinem im Stalle wiehernden Stellvertreter, ein um jene Zeit vorbedeutendes, prophetisches Wesen sah, das man durch geeignete Opfer sich günstig zu stimmen versuchte. Gilt doch die Winter-Sonnenwende in allen für sie charakteristischen Gebräuchen als die Zeit des die Zukunft erschliessenden Zaubers. Was wäre in der That auch begreiflicher als die Sehnsucht des Menschen, an der Schwelle des neuen Jahres das Kommende vorauszusehen? So verstehen wir. was der österreichische 1) Grimm, Myth.*, 1, 129. Die graue Farbe des Sleipnir der nordischen Mjthe vertritt die weisse: Simrock, Myth.^, 58. 2) Vernaleken, a. a. ü. 25ff. 3) Cf. z.B. Wuttke, Aberglauben 9. Schwartz, Zeitschr. f. Volksk, Vir, 230ff. Petersen, Hufeisen 202. 4) Ich habe derartiges z. B. auf der Kurischen Nehrung wiedergefunden. 5) Cf. Liebrecht, Volksk., unter: Norwegischer Abergl. 6) Es ist deshalb verboten, an der Stallthür zu lauschen, da das Hören der Neujahrs- orakel und das Erschauen der Neujahrs-Mysterien nach einer Sage der Kurischen Nehrung z. B. einem Knecht eine so furchtbare Ohrfeige von Geisterhand eingetragen hat, dass derselbe nach 3 Tagen verstarb. 7) Simrock, Myth.% 564. Auch. St. Eligius reitet ein weisses Eoss. 8) Abeghian, a. a. 0. 121. Die volksthümliche Bedeutung der weissen Farbe. 73 Aberglaube sas-t: Zur Weihnachtszeit sieht man ein weisses Ross. Ver- möge desselben erschliesst sich die Zukunft^). — Wie sollten jene Tage der „Zwölften", die so vielfach dem Ahnencult Raum gewähren, d. h. die Verbindung zwischen Lebenden und Todten vermitteln, nicht dem weissen Rosse, das ohnehin schon als Seelen -entrückend gedacht wurde, die Gabe zuertheilen, über seinen Herrn das Todesloos zu sprechen? Zwischen dem Richter und Vollzieher kennt aber die Volksauffassung keinen Unter- schied. Nicht zum mindesten deshalb mag man sich gehütet haben, das prophetische Thier zu erzürnen; gerade deshalb mag man besorgt gewesen sein, es in der Neujahrs-Mitternacht zu füttern^); gerade deshalb galt das vorwitzige Belauschen seiner weissagenden Rede als todeswürdiges Ver- brechen. Die alten Entrückungssagen leben in jener Zeit wieder auf. Nach dem Bericht einer meklenburgischeu Sage macht ein Weber zur Neujahrsnacht auf einem sich um die Mitternachtsstunde ihm zeigenden Schimmel einen Gespensterritt. Plötzlich wird der Mann um die Zeit der herannahenden Zwölften krank; da kommt der Schimmel und holt ihn für immer ab^). Der rossgestaltige Teufel des a. S. Clara, der Schimmel- berittene Tod feiern in diesen Mythen ihre Auferstehung. Droht man doch auch unartigen Kindern, dass Knecht Ruprecht sie mitnehmen werde*). Wie Wotan in seiner Persönlichkeit nicht nur die Eigenschaften des Seelenführers und -Räubers verkörpert, sondern mit diesen die des wahr- sagenden Weisen und des zeitensetzenden Ordners der Natur vereinigt, so ist auch der Schimmel im deutschen Volksthum zum prophetischen Ordner des Jahreskreislaufs geworden. Während die das indische Ross- Opfer beschreibenden vedischen Texte mit völliger begrifflicher Klarheit das Opferpferd als das Symbol des Jahreskreislaufs der Sonne hinstellten, müssen wir bei dem Mangel ähnlich alter deutscher Literatur-Denkmäler die gleiche Idee — die Idee der Doppel -Identification von Schimmel, Sonne und Jahr — aus heutigen Volksgebräuchen zu erschliessen ver- suchen. Sie findet sich nun thatsächlich in diesen wieder, ungetrübt durch die kenntnisslose Zerstöruugswuth christlicher Eiferer. Eine im Aussterben begriffene Sitte Ostpreussens verlangt nehmlich, dass zur Weihnachtszeit ein Knecht aus Stroh und einem Besen eine 1) Vernalekeu, a. a. 0. 23. 2) Gebrauch der Kurischen Nehrung. Daselbst glaubt man, dass die Zwerge um Mitternacht in den Stall dringen und sich davon überzeugen, dass das Pferd gut gefüttert wird, weshalb man ihm vor 12 Uhr Nachts ein Bündel Heu hinlegt. Auch dieser Zug ist nordisch. 3) Bartsch, a. a. 0. 1, 200. 4) Ich entsinne mich eines Falles, in dem die Furcht vor dem Kinderraubenden Knecht Euprecht bei einem eingeschüchterten Knaben eine (angeblich sonst ätiologisch unerklärliche) tödtliche Erkrankung zur Folge hatte. Dem Knecht Ruprecht als Gaben- Austheiler und Seelenräuber sind in gewissem Sinne am nächsten die ebenfalls schiramel- berittenen Gestalten des h. Martin und des St. Georg verwandt: Simrock, Myth.«, 549; Kuhn, Nord. S. 402; Bi erlin gen, Volksk. a. Schwaben 1, 236. 74 J- VON Negelein: Figur darstellt, der man durch Bedecken mit weissen Tüchern das Aus- sehen eines Schimmels verleiht. Auf diesen Popanz setzt sich nun ein Mann und reitet von Haus zu Haus, während begleitende Personen Gedichte hersagen und Gaben dazu einfordern, die aus Speck, Brot usw. bestehen. Der Brauch fehlt in litauischen, lettischen (und streng katholischen) Gegenden Ostpreussens, scheint also auf die germanischen Provinztheile beschränkt und heidnischen Ursprungs. Er findet sich aber auch z. B. im Lüneburgischen. Dort wird aus einem mit Leinwand überzogenen Gerüst und einem natürlichen Pferdekopf ein Schimmel hergestellt, der den im Kreise ringsum versammelten Mädchen zur Weihnacht wahrsagt^). Auch folgende Variation ist bekannt geworden: einem Burschen wird ein Sieb an langer Stange vor die Brust gebunden, an der ein Pferdekopf befestigt ist. Das Ganze ist mit weissen Tüchern verhängt. Anders verfährt man dagegen in Siebenbürgen. Ein alter Backtrog wird umgekehrt und durch 2 Knaben, die ihn tragen, mit Füssen versehen, ein Pferdekopf davor ge- bunden und das Ganze weiss überzogen. Darauf setzt sich der Schimmel- reiter, der bald als Christmann, bald als Xeujahrsmann gedacht wird und sich zur Weihnachts- wie Fastnachts- und Pfingst-Zeit zeigt, aber auch unter dem Namen des Herbst-Pferdes in den Martins-Gebräuchen auftaucht^). Dem alten Brauch entspricht der Glaube, dass in Oesterreich der Sonnen- wend-Feuermann auf goldenem Rösslein den Kindern Gaben auf das Fenstergesims legt'). Deutlicher als irgendwo zeigt sich hier der auf seinem weissen oder goldenen Licht- und Strahlen -Rosse der Erde sich wieder nähernde und dadurch die Gabenfülle ausstreuende Strahlengott, dessen Erscheinen zur Zeit der grossen Wendepunkte des Jahres in der Art volksthümlicher Symbolik nachgeahmt und durch gesammelte und vereinigt dargebrachte Opfer (Speck, Brot) verherrlicht wurde. Dass der Reiter dem Ross gegenüber mythologisch nicht ins Gewicht fällt, dass nicht jenem, sondern diesem die Gabe der Prophetie und des Erweckeus segenspendenden Lichts und Lebens zugeschrieben wurde, liegt so klar auf der Hand, dass es der Ausführung nicht bedarf. Zweifellos war die rohe Idee, dass die Sonne ein Pferd sein müsse, weil sie über den ganzen Himmel laufen kann*), unendlich viel älter als der grossartige, im indischen Ross-Opfer seinen Höhepunkt findende A^'ersuch, die Wichtigkeit der Er- kenntniss des jährlichen Sonnenkreislaufs und seiner socialen Bedeutung in symbolisch-theatralischer Weise darzustellen. Erst jetzt, da wir die an den Schimmel sich knüpfenden Ideen der Lichtsymbolik und der Todesauffassung wie der Vergöttlichung des das 1) Menzel, Odin 174. 2) Simrock, Myth.^ 548. 3) ebenda 564. 4) So motivirt der Veda die Pferdegestalt der Sonne. Das Pferd wird das schnellste derThiere, und die Sonne. das schnellste der Dinge genannt. Daher der Theriomorphismus. Die volksthümliche Bedeutung der weissen Farbe 75 Leben ordueiiden Jahres untersucht haben, wenden wir uns zur Darstellung desselben Thieres als eines Theriomorphismus für den Blitz. Hier ist nach den genauen Beobachtungen von Schwartz und angesichts der Ueber- fülle des vorhandenen Stoffes eine möglichst grosse Kürze geboten. Der erwähnte Zug, dass Eiben oder Zwerge die Schimmel bisweilen hassen oder die letzteren die ersteren vertreiben, muss alt sein; denn der Schimmel dient hier als Substitut des Blitzstrahls, der die gleiche Wirkung auf die Nachtunholde ausübt. In der Edda wird davon berichtet, wie Thor mit dem Donnerkeil die Zwerge erschlägt, und dem Teufel der Kurischen Nehrung ist die Gewitterfurcht eigenthümlich, weshalb man Hunde herausjagt, von denen man nehmlich meint, sie seien incarnirte Teufel und zögen das Gewitter an. Viel klarer aber als in der nordischen Mythologie kommt in der altindischen die Idee zum Ausdruck, dass Blitz und Sonnenstrahl, die man einander gleichsetzt, gemeinschaftlich die Nacht- unholde (Raksasah) bekämpfen. An die Stelle des Thor kommt hier Gott Indra gegen sie zum Kampf. Als Waffe dient entweder der pferdegestaltige Blitz oder sein irdisches Prototyp, der Schimmel. Deshalb heisst es ein- nial — die Stelle wird verständlicher, wenn man die Eigenthümlichkeit des Veda kennt, Himmlisches und Irdisches, das Blitzfeuer und die Flamme des Opferfeuers, die rossgestaltige^), zu identificiren: — „Die Götter erschauten (erschufen durch Intuition) den irdischen Donnerkeil, der mit der himmlischen Sonne identisch ist. Denn mit der himmlischen Sonne ist das irdische Ross identisch. Mit dem irdischen Donnerkeile also ver- trieben sie in südlicher Richtung hin die Dämonen''^). — Wie heute auf der Kurischen Nehrung, so stellt sich im ältesten Indien der Hund als Götterfeind dem Pferde gegenüber. Dies lehrt eine interessante Ceremonie des Ross-Opfers'): Der Opferschimmel soll nehmlich in seiner erklärten Eigenschaft als Blitz-Symbol*) einen vieräugigen, d. h. dämonischen, Hund tödten. Zu diesem Zwecke treibt man Schimmel und Hund ins Wasser. Ein Hurensohn erschlägt dann . den Hund mit einer Keule aus rothera Holz^). Der Cadaver des erschlagenen Thieres soll unter den Leib des Schimmels geworfen werden. — Schon die Thatsache, dass die Tödtung im Wasser vorgenommen werden muss, ist nur unter der Annahme ver- ständlich, dass der Act eine in dem Wolken-Ocean sich abspielende Scene wiederspiegelt, bei der der Hund als Nachtdämon von dem blitzgestaltigen 1) Unendlich oft wird von den Pferden des Agni, des Feuergottes, die meist Falben genannt werden, gesprochen. 2) Qat.-Br. 6, 3, 1, 29; von Eggeling S. B. E. 41, S. 199, nicht ganz correct übersetzt 3) Nur die Schule des scliwarzen Yajus kennt diesen Ritus 4) Taittiriyabrähmana 3, 8, 4, 2; cf. Qat.-Br. 13, 1, 2, 9. 5) Nach Comm. zu Taittiriyabrrthmana 3, 8, 4, 1 hat der Sidhraka-Baum schwarzes bis rothes Holz sehr fester Consisteuz.. 76 J- VON Negelein: Schimmel erschlagen wird. Die rothe Farbe der Mordkeule ist der Indra- Waffe, dem Donnerkeil, wie dem Hammer Thors sehr wesentlich. Anders als symbolisch kann sie nicht aufgefasst werden; denn das betreffende Holz der Keule kommt sonst im Ritual ebensowenig vor, wie diese selbst, die vielmehr als blutvergiessendes Instrument verabscheut wii'd. Dass nun aber Keule sammt Pferd den Blitz vertreten sollen, gehört zu den In- consequenzen, deren sich der Mythus so vieler schuldig macht. — Noch eines anderen äusserst interessanten Veda-Passus sei hier gedacht^). Das weisse Ross wird abermals mit dem Blitz und der Sonne identificirt und berichtet, dass, wie einst die Götter durch diesen irdischen Donnerkeil die feindlichen Raksasah erschlugen, so auch der Opfer -Veranstalter durch dies Thier in Sicherheit kommt. Nun führt man den Schimmel aus nörd- licher Richtung heran und im Kreise um den Feueraltar, wodurch man die Dämonen aller Himmelsrichtungen vertreibt. Wenn es nun bei seinem Rundgang von der östlichen Richtung über die südliche hinaus nach der westlichen kommt, so lässt der Priester das Pferd den Feueraltar beriechen. Der Feueraltar symbolisirt die ganze Welt, das Pferd die Sonne; wenn also das Pferd den Altar beriecht, so denkt jeder Mensch: „ich existire." (Die Sonne, das Licht verleiht das Individualb ewusstsein, das im Finstern verloren geht). Das Beriechen erfolgt bei der Wanderung des Pferdes nach Westen, weil die Sonne bei ihrem Gang von östlicher zu west- licher Richtung die ganze Welt beriecht (küsst). Auch wird die Noth- wendigkeit des Beschnupperns dadurch begründet, dass man das Feuer immer finden kann, wenn ein weisses Ross in der Nähe ist. Dieser Aber- glaube entspringt einem Mythus: Prajäpati, der Allerzeuger, wurde von den Göttern ausgeschickt, den Agni, das Feuer, zu suchen, dass sich in den Wassern verborgen hatte. Agni wird entdeckt und verbrennt das Gesicht des Vaters. Dieser aber erhält von seinem Schädiger als Concession das Versprechen, er (der Agni) wolle sich immer auffinden lassen, wenn ein Schimmel ihn suchen würde. — In der Nachahmung des Sonnenkreis- laiifs durch Umkreisen des Feueraltars von der östlichen zur westlichen Richtuno- zeis-t sich eine auch unserer Volkssitte bekannte Grundidee. In manchen Gegenden Ostpreussens ist es verboten, am Donnerstag irgend eine Handlung vorzunehmen, bei der sich etwas dreht, zu spinnen usw., in Norwegen gilt das Verbot für die Zeit der Zwölften^). Wenn man das Anerbot, beim Entflammen der Nothfeuer als des Symbols des sich ent- zündenden himmlischen Lichts andere Feuer anzuzünden, hinzunimmt — eine jedenfalls uralte Bestimmung, — so wird es klar, dass in der Um- kreisung des Altars durch einen Schimmel sich die Idee wiederholt, dass nur bei der Nachahmung durch die entsprechende sacrale Handlung die 1) gat-Br. 7, 3, 2, 10—4. 2) Liebrecht, Volksk., unter Norweg. Abergl. Die volksthümliche Bedeutung der weissen Farbe. 77 Hoheit des Naturvorganges der in Schimmel- Gestalt die Erde umwandelnden Sonne gewahrt bliebe. Es ist deshalb verboten, den Sonnenkreislauf nach- zuahmen, indem man etwa mit dem Finger auf die Sonne deutet oder ihren Gang am Himmel beschreibt. Auch in das Natur-Phänomen des sich entladenden Gewitters darf ja Niemand durch Schreien einstimmen, wenn der wilde Jäger den Unberufenen nicht mit der Blitz-Keule tödten soll. Umgekehrt bewegt man bei dem bewusst naturwidrigen Vorgang der Zauberhandlungen einen Gegenstand, etwa ein Strohseil, in der der Sonne entgegengesetzten Richtung^). Die indische Ceremonie der Schimmel - Umführung ruht also auf völker- psychologisch tiefer und wichtiger Basis. Die Idee, dass der Schimmel immer Feuer bei sich aufbewahre, muss die Quelle verloren gegangener abergläubischer Vorstellungen gewesen sein. Vielleicht hängen die Rosse Agni's damit zusammen, sodass man thatsächlich durch Berührung mit dem Schimmel Feuer gewinnen zu können meinte. Man vergleiche auch die Sagen von den feuerschuaubenden Rossen griechischer und deutscher Mythen. Das Blitzross ist überall mit dem Wasserross verbunden gedacht. Der Blitz eröffnet durch seinen Strahl die in den Wolkenbergen gefangen gehaltenen Wasserströme. Als weisses Ross vorgestellt, fährt er zur Erde nieder, daselbst die geheiligte Trappe hinterlassend, aus der die Wolken- wasser in Gestalt von Giessbächen zur Erde vom Gebirge herabströmen. So erklären sich die Quellen- erschliessenden Rosse deutscher Sagen, wie z. B. das Ross Karls des Grossen, das den Zug des Albinismus treu be- wahrt hat^). Wie Poseidons Ross und die Pferde- der griechischen Sonnen- götter dem Meer entsteigen, so wird in Indien der Opferschimmel, aber auch das Pferd im Allgemeinen, Wasser -geboren genannt). Hierhin gehört auch die merkwürdige Nachricht von einem am Meere stehenden weissen Rosse, dessen Schweif sich im Winde hin- und herbewegt*). Wenn man sich nun der Thatsache erinnert, dass die Bilder von dem Sonnenpferd und Sonnenauge ineinander übergehen, werden alte Mythen verständlich, die von den Augen Varuna's, Vrtra's und Prajapati's berichten, dass sie ausliefen und zu Pferden wurden. Vrtra und Varuna (beide von der Wurzel var sich ableitend, die im Worte väri, Wasser, sich findet), beide Nacht- und Wasser-Gottheiten von ungeheurer, den Himmel über- brückender Grösse, sind mit einander verwandt, und zwar ist Varuna eine spätere Ableitung von Vrtra. Es heisst von Varuna, dass die Sonne sein 1) Siehe Anm. 2, S. 76. 2) Petersen, Hufeisen 197; Simrock Mjth.'', 303. 3) Cf. Vajasaneylsamhitä 23, 14; ^at.-Br. 7, 5, 2, 18; cf. auch Q.-B. 18, 2, 2, 19; 13, 3, 2, 3. 4) Mahabhär. 1, 1190ff.; gat.-Br. 3, 6, 2, 4ff.: Weber, Ind. Stud. 13, 247, Anm. 2; Gubernatis, Zool. Myth. 1, 299£F. 7 g J. VON Negelein: Auge seiu solP). Auch Yrtra's Augapfel spielt eine Rolle im Veda^). In dem Auslaufen des zum Sonnenpferde werdenden Augensterns^) ist also ein Mythus uns bewahrt geblieben, der sich in den Sagen von dem in Mimirs Brunnen aufbewahrten Auge des einäugigen Odin wiederfindet. Offenbar handelt es sich um die Anschauung, dass der 24 -Stunden- Tag als alter Himmelsriese gedacht wurde, dessen Augen Sonne und Mond sind. Das eine Auge trennt sich nun von dem leuchtenden Körper des Himmels und tritt in die Wasser ein. Es ist wohl der Mond, von dem der Yeda ausdrücklich spricht als von dem „Mond in den Wassern'"*). Ganz zweifellos liegt also dem Mythus von dem Pferd-gewordenen Auge des Prajäpati oder Yaruna eine alte lunare oder solare Sage zu Grunde. Bisweilen wird Prajäpati, eine von den vedischen Brahmanen geschaffene kosmogonische Macht, als Boss und in dieser Gestalt Welt- erschaffend vorgestellt. Das geht auf alte Yerehrung des Pferdes als des menschlichen Ahns zurück, wovon wir eine letzte Spur in dem, einen Theil des Ross- opfers bildenden sodomitischen Umgang von Grosskönigin und Opferpferd finden °). Analogien sind dem heimischen Aberglauben nicht fremd*). Toteraismus, wie er sich hier findet, ist dem Yeda wohl bekannt^). Wie unsere Untersuchung lehrte, gilt die Stute als das Prototyp eines leicht gebärenden 1) Die Sage von dem auslaufenden Götterauge hat in den Brähmanas, die eine Spielerei damit treiben, meist den Prajäpati, den von ihnen erfundenen Gott, den Träger ihrer kosmogonischen Speculationen, zum Mittelpunkt: der Mythus ist aber alt. 2) Z. B. Taittiriyasamhita 1, 2, 1, 2. 3) Taittiriyasamhita 5, 3, 12, 1; Maiträyani-Samhita 1, 6, 4 und oft erzählen diese Sage von Prajäpati. 4) Candrama apsu ä: cf. E.-V. 8, 71, 8. 5) S. auch Hillebrandt, Ritual-Literatur, unter Ross-Opfer. 6) Die Sodomie ist bei primitiven Völkern sehr weit verbreitet. Man erinnere sich der sie voraussetzenden, vorhanden geglaubten thierisch-menschlichen Mischgcstalten und der Hexenprocesse mit den erpressten Geständnissen des C^oncubinats der Hexen mit Thieren. Unnatürliche Befriedigung der Geschlechtslust war im alten America und so auch unter den Rothhäuten ganz gewöhnlich; s. J. G. Müller, Geschichte der amerikanischen Urreligionen, unter „unnatürliche Laster". Uebrigens sind die Sagen fast aller Völker voll dergleichen unnatürlicher Verbindungen von Menschen und Thieren, die in der Urzeit, wo beide einander so nahe standen, oft genug vorgekommen sein mögen: Liebrecht, Volksk. 395. Das ausgestorbene nordamerikanische Volk der Mandanen wird (cf. ibid.) dasselbe Laster als Religionsübung betrachtet haben. Wenn der Teufel der deutschen Sage als Bock die Hexen befruchtet, so geht das auf die Orgien der römischen Luperealien zurück, in denen Gleiches vorkam: Liebrecht, a. a. 0. 394f. Dass aber Aehnliches und zwar gerade im Umgang mit dem Pferde vorgekommen sein muss, lehrt der Aberglaube, dass Pferde, bezw. Stuten Weibern eine leichte Entbindung verschaffen, wenn sie aus deren Schürze frässen. Die ältere Form dieser Sitte ist zweifellos die gewesen, dass man die Schnauze oder die Geschlechtstheile der Stute mit der Scheide des Weibes in Berührung brachte, also die Fähigkeit des leichten Gebarens von Pferd zu Weib übertragen wollte. Sollte nicht durch eine entsprechende Ceremonie der Hengst auf die unfruchtbare Frau eingewirkt haben, wie wir dies im indischen Ross-Opfer sehen? T) Aitareyabrühmana 7, 27 spricht z. B. von den Asitamrgäs Ka(,7apanani als einem bestimmten Geschlechte vedischer Brahmanen. Wir haben es also hier mit dem „Schwarz- wild aus dem Geschlechte der Schildkröten" zu thun Die volksthümliche Bedeutung der weissen Farbe. 70 Wesens. Daher der Glaube, das weisse Eoss könne Vater des Menschen- geschlechts sein. Wir glauben die Hauptelemente der mythischen und religiösen Be- deutung des Schimmels aufgezählt zu haben. Damit ist aber die Wichtigkeit, die er für das antike Leben hatte, nicht im entferntesten klar gelegt. Unzweifelhaft wurde dem Schimmel bei den heidnischen Deutschen und Slaven eine von jedem Göttercult durchaus unabhängige Yerehrung dar- gebracht. Manches, was wir dem weissen Rosse als Attribut eines Gottes zusprachen, mag dem hochgeschätzten Thiere als solchem eigen gewesen sein. Wie die Sage lehrt, verjagt es die Dämonen von Krankheiten und nächtlichen Schäden, wirkt segenstiftend und Heilung bringend. Die Gabe der Prophetie ist ihm gegeben. Wie es den Menschen auf seinem Rücken in die jenseitige Welt herüberträgt, also zum Geisterreich in Beziehung steht, wie es durch den Hufschlag unterirdisch geahnte Quellen und Metalllager erschliesst; wie sein Wiehern den Erfolg oder Misserfolg eines Krieges voraussagt, ja Könige auf den Thron bringt: so genügte derselbe glückliche Instinct dem vertrauenden Geiste einer früheren Zeit, gottgeweihte Stätten und w^ohl auch profane Wohnplätze an dem Orte zu errichten, den das freigegebene weisse Ross zu seinem Ruheplatze erkor ^). Wir berichteten bereits von dem wunderthätigen Pferde, dessen Hufeisen an einem Kirchthurm noch lange Zeit nach seinem Tode ange- nagelt zu sehen war^). Hier findet sich also ein christliches Gotteshaus auf dem Platze erbaut, den die in heidnischer Zeit verehrte Trappe zum Gegenstande altgermanischer Adoration gemacht hatte. IS^och weit in- structiver ist eine andere Mythe: Als das Dorf Immenstede zerstört war, wussten die Leute nicht, wo sie ijiren W^ohuplatz wählen sollten; da Hessen sie einen Schimmel laufen, der im Osten von Ginselau zu einem Hollunder- busch eilte, wo ein schöner grüner Platz war, auf dem sie die Alvers- dorfer Kirche erbauten"). Hier ist die Idee der Gründung von Opfer- stätten, deren Plätze von weissen Rossen bezeichnet wurden, klar aus- gesprochen. Hufeisen gelten oft als Grenzmarken, denn sie sind heilig*). Die Rosstrappen, als Eindrücke des Blitzrosses in den Fels gedacht, w-aren geheiligte Stätten, deshalb Grenzmarken^). Im indischen Opfer lässt man das bis dahin von jeder Arbeit ferngehaltene Thier frei über die Grenze laufen und a;iebt ihm eine Escorte von 400 Reitern mit. Da der Zweck der ganzen Veranstaltung Besiegung der Welt (d. h. Indiens) ist, so wird 1) Die mittelalterlichen Kreuzfahrer setzten Gänse aus, die ihnen in der orientalischen Wüste den Weg zeigen sollten. 2) S. G9, Anm. 2. 3) Perger, Deutsche Pflanzensagen 261. 4) Simrock, Myth.«, 858. 5) Die Wichtigkeit der weissen Farbe des Grenzen setzenden Eosses kann nicht immer festgelegt werden. Die Idee als solche ist aber wichtig: cf. Grimm, Myth. 1093: ^Den Ort der Niederlassung, der Gründung einer Kirche, die Fahrt durch den Strom usw. 80 J- VON Negelein: es klar, dass hier das Ross ebenfalls Wege erkundend und Besitz gründend wirkt, zumal da die Bestimmung herrscht, das Opferpferd müsse, falls es von der feindlichen Partei (das AQvamedha wird nur vor dem Beginn von Kriegen dargebracht) eingefangen werden sollte, unter allen Umständen und mit dem Aufwand von allen Mitteln wieder zurückerobert werden. Es scheint eine Art von Sport gewesen zu sein, dem Gegner dies kost- bare Gut wegzukapern ^), wie alte Strophen uns berichten. Unwillkürlich gemahnt uns das frei herumlaufende indische Opferross an H engist und Horsa bei den angelsächsischen Fürsten, die England eroberten; denn man bezieht diese beiden Namen wohl mit Recht auf die heiligen Pferde, die in jenem Kriegszug den Weg gewiesen hatten^). — Gehen wir nun zu den ältesten historischen Quellen über und betrachten die Werthschätzung, die dem Rosse und speciell dem Schimmel in und ausserhalb Deutschlands zu Theil geworden war, so erkennen wir, dass die Stellung desselben auch in socialer Hinsicht sehr hoch war'). Wenn uns Tacitus berichtet*), dass die Germanen in heiligen Hainen Pferde züchtet&a ''), die man zu keiner Arbeit heranzog, so ist dabei kaum an Götter- Thiere zu denken. Vielmehr galt dem lichten Ross als solchem die Verehrung. Erst später kam die Analogie zu den alten Götter -Bossen — eine Idee, die der Priesterschaft sicherlich schon lange bekannt, die aber nicht populär ge- worden war — hinzu, und die auf socialer Werthschätzung gegründete Eiuzelverehrung wurde dann zugleich unter dem Einfluss der aus Urzeiten stammenden Institution des Ross-Opfers zur Adoration von Seiten ganzer Völkerstämme. Jene unverletzlichen Schimmel des tacite'ischen Berichts halte ich für Orakel spendende®), Grenzen setzende, Zeug'ungen und Tod vermittelnde Zauberwesen germanischer Culte. An die süsslich fromme Verehrung ihrer Haut als eines Abglanzes des himmlischen Lichts ist nicht zu denken. Wo Omina geglaubt wurden, da mussten Omen -Interpreten, d. h. Priester vorhanden sein. ' Diese aber sind von jeher Vertreter einer zeigen Thiere als Boten der Götter, cf. Simrock, Myth.'', 5.S3; Panzer 2, 405. Später wurden nur blinde Thiere noch für geeignet gehalten, als Werkzeuge der Götter zu dienen, Simrock, ibid. "Von dem Trappen seines Leibrosses heisst St. Nicolaus nach Simrock, IVIyth.^ 564 selbst Hans Trapp. Darum findet man in St. Nicolaus-Kirchen Hufeisen ein- gemauert; auch wird das Brot an dem St. N.-Tage in Hufeisenform gebacken. Hier sehen wir abermals eiue christliche Kirche der Hypostase einer heidnischen, noch mit heidnischen Emblemen versehenen Gottheit geweiht, 1) Cf. Q.-B 13, 5, 4, 21 f. 2) Lappenberg, Engl. Geschichte 1, 93; Simrock, Myth.'', 501. 3) Cf. Grimm, Myth.*, 2, 548: „Unter allen Farben galt die weisse für die edelste"; cf. ibid. 1, 44 und Rechts- Alterthümer*, 1, 363: „Weisse Pferde waren den heidnischen Deutschen heilig". Hehn, Culturpfl. und Hausth. 48: „Die weisse Farbe gilt für die heiligste*: cf. Hütten, Gesch. d. Pferdes 60, 4) Germania 9 — 10. 5) Cf, Jahns, Ross u. Reiter 1, 419. 6) Sicherlich spielten sie als zum Krieg oder zum Frieden rathende, Omina spendende Gottheiten eine Hauptrolle. Die volksthümliche Bedeutung der ■weissen Farbe. 81 Staats-Idee, eines Staatswillens gewesen. Gab es aber eine Priesterschaft als Staats-Institution, so kam ihr die Interpretation der von der Prädestination geschaffen geglaubten Vorzeichen politischer Ereignisse zu. Die Ansicht, dass man es im heidnischen Deutschland mit dem primären Cult von Licht-Symbolen zu thun habe, gehört einer Zeit an, in der man den Ger- manen vor der Morgenröthe auf die Kniee sinken oder in Indien schöne fromme Menschen vor Lotosblumen knieen sah. — Unsere theoretischen Erwägungen werden durch Tacitus' Bericht bestätigt. Die w^eissen Kosse der heiligen Haine entscheiden durch Orakel über wichtige Staats- angelegenheiten, stehen also im Dienste politischer Bestrebungen. Eine secundäre Gleichsetzung mit den Lichtrossen, den traditionellen Gebilden einer Priester-Phantasie, mag die Popularität und Wichtigkeit des auf den Albinismus gegründeten Thierdienstes gesteigert haben. Doch können wir bei den Germanen nicht einen einzigen Zug nachweisen, der dem Ross-Cultus als solchem und der Adoration eines bestimmten Gottes ge- meinschaftlich gewesen wäre. Ehe es zur Verehrung der grossen Volks- und Staats -Gottheiten kam, bestand die Furcht vor dem unheimlich Weissfarben en, windgleich dahinschiessenden, witternden Thiere seit Jahr- tausenden. Die Farbe, das auffälligste Erkennungsmerkmal für den Katur- menschen, das zur Schematisirung alles Weissen, Hellen drängte, ver- anlasste den Parallelismus zwischen Sonne und Schimmel, der aber jedem der beiden Wesen seine Sondereigenthümlichkeiten liess: jenem etwa die Gabe, mit dem lichten Auge alles zu erspähen, diesem die Fähigkeit, in Windeseile den Reiter zu entführen und die Zukunft zu prophezeien. Erst späte, auf den Monotheismus zudrängende Phasen der Religions- entwickelung konnten in den Aeusserungen thierischen Lebens die Sprache der Götter sehen. Die an den Albinismus des Rosses als solchen, nicht etwa an secundären Parallelismus zwischen Sonne und Ross sich knüpfenden Ideen waren es also, was wir im Vorstehenden betrachtet haben. Tacitus' Schilderungen von der Bedeutung des Schimmels in heidnisch- germanischer Zeit werden durch Daten der mittelalterlichen Culturgeschichte bestätigt. Wie die Helden der Vorzeit mit Vorliebe den edlen Schimmel geritten hatten^) und römische Triumphatoren ihre Siegeswagen durch diese Thiere ziehen Hessen^), so benutzte die geheiligte Majestät der römisch -deutschen Kaiser das weisse Ross als Reitthier; Rechtsacte voll- zieht der Träger der Gewalt auf dem Rücken dieses Thieres; bei Hoch- 1) So war z. B. auch Siegfrieds Ross, Grani, weiss. 2) Sollte es sich dabei wirklich um Nachahmungen des Sonnenwagens gehandelt haben? Vielleicht war diese Sitte aus Persien übernommen, wo der Wagen des Helios mit weissen Pferden bespannt, diese Ehrung also auf die Götter beschränkt war. Dem Camillus konnte es Rom nie verzeihen, dass er au seinen Triumphwagen weisse Rosse geschirrt hatte: Hütten, a. a. 0. 60; cf. die Phrase: equis albis vehi, und Zeitschr. f. Volkskunde 7, 240. 32 J- VON Negelein: Zeiten trägt es die Braut in das Haus des Bräutigams, und der glückliche Traum Ton ihm erweckt in dem Herzen des Mädchens die Hoffnung baldigen Eheglücks. War es doch bestimmt, als kostbarste Habe des Mannes dem Jüngling die Braut zu erkaufen, wie selbst indische Priester es als Opferlohn ^) und römische Ueberwinder als Gegenstand des Tributs^) hinnahmen. Das weisse Ross spielt im altdeutschen Recht eine Rolle ^): es zog die Carrossen der Fürsten bei ihren Einzügen und bei der Krönung; es trug den Herrscher, wenn er seine Mannen belehnte*). Rechtsacte, wie der Processus consularis in das Capitolium, geschahen auf weissem Rosse®), dessen die Weisthümer oft gedenken®). Der Kaiserliche Marstall be- wahrt für besonders feierliche Cxelegenheiten eine Anzahl edler Schimmel auf. — Dem weltlichen Oberhaupte stand im Mittelalter, mehr als dieses nach irdischer Ehre geizend, das geistliche gegenüber. Es adoptirte die Rechte der Krone. Das ,, Kaiserrecht" sagt: „Dem Papst ist gesetzt, dass er reite auf einem blanken Pferde."''). Es als Brautgabe zu erweisen, genügt der Bericht des Tacitus, dass ein gezügeltes Rcfss die gewöhnliche Brautgabe des 3Iannes sei^), erläutert durch geschichtliche Einzelheiten, wie die folgende: als Amaleberga, des ostgothischen Königs Theoderich Schwester, dem thüringischen König Hermanfried verlobt wurde, hatte dieser jenem weisse Pferde als pretium übersandt®). Wiewohl abergläubische und mythische Ideen den Schimmel zum Reitthier für Götter, Heroen und Fürsten haben machen helfen, so hat doch sicherlich schon in sehr früher Zeit dem als Träger so hoher Tugenden geschätzten Thiere der ihm deshalb eigene materielle Werk seine be- sondere sociale Bedeutung verliehen. Schon dem Pferde christlicher und germanisch-heidnischer Helden und Halbgötter darf man keinen mythischen Werth beimessen, ebensowenig z. B. auch dem Schimmel der Kora^°). Die Yergöttlichung des Albiuo's als eines solchen ist auch dem alten Indien unbekannt geblieben "). Selbst der Schimmel war in der Zeit der grossen 1) gat.-Br. 2, 6, 3, 9 und Qat.-Br. 3, 5, 1, 19 f. 2) Hütten, a. a. 0. 60. 8) Grimm, Rechts- Alterthümer*, 1, 105, 361. 4) Cf. Jahns, Ross und Reiter 1, 450. 5) Grimm, Rechts-Alterthümer*, 1, 363, Anm. 2. 6) Grimm, Myth.*, 2, 548; Weisthümer 3, 301, 311, 831. 7) Lippert, Christenthum 499; cf. Jahns, Ross und Reiter 1, 450. — Scheffer's Haltaus S. 251 (bei Grimm, Myth.*, 2, 554) gedenkt eines mit 4 weissen Ochsen be- spannten Wagens. 8) Cf. Liebrecht, Volksk. 401. 9) Grimm, Rechts-Alterthümer 1, 591. 10) Cf. Zeitsclir. f. Volksk. 7, 240. 11) Albinismus bei der Krähe wird in Sanskrit-Sprichwörtern lediglich als Beispiel für etwas äusserst Seltenes aufgefasst. Doch schon davon, dass man in dem dem Schimmel so nahe verwandten Maulesel etwas anderes als eine Curiosität sah, kenne ich aus der Sanskrit -Literatur kein Beispiel. Ein Brahmane heisst fvetüQvatara, d. h. Besitzer eines weissen Pferdes. Ebenso haben andere weisse Thiere, wie z, B. Kühe, Ziegen usw., im Die volksthümliche Ikdeutung der weissen Farbe. 83 Epen sicherlich vorzugsweise ein Prunkstück. Arjuna, der Sohn Indra's, fährt einen mit weissen Rossen bespannten Wagen, woher er selbst als Schimnielfahrer mit den verschiedensten Sanskrit-Compositis benannt auf- tritt^), wie sein Vater als Emblem den weissen Elephanten oder den älteren Schimmel'^) hat. Es werden, da Arjuna selbst soviel als „glänzend'' bedeutet, hier noch alte missverstandene mythische Züge zu Grunde liegen. Interessant ist der von den ÄQvin, den Licht -Göttern, einem Sterblichen geschenkte Schimmel, der seinem Besitzer Pedu einen grossen Sieg er- fechten half. Es wäre verkehrt, ihm mythische Bedeutung unterzuschieben. Die A' 3^ '""'' O^^ t>^ l5' = ^ (<^")> von dessen leuchtendem Antlitz der Glanz der Schönheit des Mondes (strahlt)! — In der modernen Urdü-Dichtung vgl. z.B. bei Amanat in seiner liebeglühenden 'Wasöhf 67, 2: sLÖ O-J: »3 = „(sie,) jenes Ebenbild des Mondes", und bei demselben Dichter in seiner 'Indar-Sabhä' (einem von Friedr, Rosen, Leipzig 1892, übersetzten Singspiele), Zeile 203 (in der Ausgabe Kspur 1882), wo Läl Pari oder die „rothe Fee" von sich sagt: ^ o , -J 3 *^ s'^ .^ ^^ .-y^ "^^^ ,-i-Co -2? -w Ju.r> ^ \'-Lj^a =„(mein) Angesicht ist gleich dem Monde: seht, es ist (wie) der volle Mond im Abendglühen" (Anm. des Ref.). 2) Genauer 'with flamingo-like galt'; ein gut erzogenes indisches Mädchen soll sein t^nnf^T'ft {haiisa-gaminl) = „den Gang eines Flamingo habend", d. h. langsam und wiegend einhergehend, ähnlich wie der vornehme luder niemals eilt, sondern, „wie der Elefant", langsam und würdig einherschreitet. Besprechungen. 9iiJ die vismiitische Krsua-Verehrung in Indien, sowie über den dem Siva-Dienst ähnlichen Venus- und Priapus-Cult in GriechenUmd und Rom, über die pliönikische Astarte = Aphro- dite') usw. usw. Eine interessante Stelle (nach den Bemerkungen über die Beziehungen zwischen in- dischem Lingam und griechischem Phallos, über den Venus-Cult in Phönikien, Cypern usw.) findet sich Seite XIX: „A l'entree de tous les temples uaturalistes de Chypre, de la Phenicie, se dressent des colouues de formes diverses, symboles de l'organe male. II y avait toujours deux de ces symboles, colonnes ou obelisques, devant les temples coustruits par los Pheniciens, y corapris celui de Jerusalem. Des erudits atti'ibuent cette origine, commo emprunt fait au temple de Jerusalem, aux deux tours ou fleches de nos cathedrales gothiques; Tauteur du 'Genie du christianisme'^) ne s'en doutait guere! Et cependant les menhirs de la Basse-Bretagne, tout ä fait semblables ä ceux d'une grande region du Decan, paraissent avoir appartenu au meme culte naturaliste." Auch die appendices, die Lamairesse jedem Capitel des 'Kümasütram' folgen lässt,^ mit Parallolstellen aus den Litteraturen anderer Völker, aus römischen und anderen. Dichtern, besonders aus Ovid's 'Ars amatoria\ bilden einen Hauptvorzug seiner Ueber- setzung; hier giebt er zum Vergleiche auch Stellen aus der iranischen, der altclassischen und der katholischen Sittenlehre, um den Leser in den Stand zu setzen, sich über den Wertli der indischen, iranischen, heidnischen und christlichen Moral bei den behandelten Punkten ein Urtheil zu bilden. „Celle que notre raison prefere", so heisst es über den letzten Gegenstand Seite XXX— XXXL, „est evidemment la morale Iranienne, socialement le plus recommendable, source des plaisirs les plus purs et, par cela meme, peut-etre les plus grands, parce que le cceur y entre pour une forte part." „La morale du Paganisme nous seduit par sa facilite, par l'art et la poesie qui l'accompagnent; mais, ä la reflexion, nous sommes frappes d'une superiorite de V Art d'Aiiiier de Vätsyäyana sur celui des poetes latins. Ceux-ci ne chantent que la volupte, le plaisir egoiste, et souvent le libertinage grossier d'une jeunesse habituee ä la brutalite des camps. Vätsyäyana donne pour but aux efforts de l'homme la satisfaction de la femme. C'est deja, independammeut meme de la procreation, un poiut de vue altruiste par com- paraisou avec celui auquel se plaQaient les rüdes enfants de Romulus, tels que nous les- ont depeints Catulle, Tibulle et Juvenal. On sait que ce deruier commeuce sa satire sur les femmes de son temps par le conseil de prendre un mignon plutot qu'une epouse pour laquelle il faudrait se fatiguer les flancs. La philopedie {r/t/.o.-raidta) otait plus en honneur ä Rome que le mariage: eile etait inconnue ä Tlude brahmanique;. Vütsyäyana n'en fait meme pas mention.'" „Un autre avantage des Indiens sur les Romains, c'ctait la decence exterieure dans les rapports entre les deux sexes. Les bonnes castcs de l'Inde nont jamais rien counu qui ressemble ä Torgie sous les Cesars et au cynisme de Caligula" (obwohl Theodore Pavie in Ceylon bis zum Ekel widerliche Scenen gesehen hat, und obwohl die Krsna- Verehrer der Provinzen Bombay und Bengalen, besonders auf dem Lande, nächtliche Versammlungen abhalten, wo sie sich, in Nachahmung der Spiele Krsna's mit den Göpi's oder Hirtenmädchen, bis zu einem frenetischen Paroxysmus und einer schrankenlosen Zügellosigkeit aufregen). ,,Dans Fantiquite, une intrigue amoureuse n'etait point uue affaire de cceur. Pas plus chez les Indiens que chez les Romains, on ne trouve dans Tamour ce que nous 1) Der Name 'Arfoobiirj hat die verschiedensten Erklärungen gefunden, sowohl volks- etymologische (z. B. von ä(fQog + Femininum von 68izrig - „Schaumwandlerin"), als auch wissenschaftliche. Griechisch ist der Name nicht (vgl. Lagarde, Mittheil. I, 76. 233; II 3.36; Fick, Griech. Personennamen 2, 439). F. Hommel (N. Jahrb. CXXV, ITH) hat gewiss Recht, wenn er — ganz abgesehen von der Wesensübereinstimmung — in 'Acfoobmj .eine Entstellung sieht aus iT\'ir\''^V AStöret (= Astarte), mit (f statt il", wie in reqvgaTog = ■'llt^^ GeSarl (Hitzig, ZDMG., IX, 747 ff.); vgl. hierüber Heinr. Lewy, Die semitischen Fremdwörter im Griechischen (Berlin 1895), Seite 2.50. [Anm. des Ref.] 2) Mgr. Laouenan. '94 Besprechungen. appeluns la tendresse; c'est lä uu sentimeut tout moderne et qui prete ä nos poetes elegiaques, tels qua Parny, Andre Chenier &c., un charme que n'ont point les Latins. Properce est le seul qui approche de la delicatesse moderne." „Mais la durete romaine se retrouvait jusque dans la galanterie. Les jeunes Pio- mains maltraitaient leurs maitresses. Au cirque, on representait des scenes mythologiques oü le meurtre, non point simule, mais bien reel, se melait ä Famour qnelquefois bestial, et oü souvent ont figure Tibere et Neron. Au contraire, l'Inde obeit ä ce pr ecepte: ■'Ne frappez point une femme, meme avcc une fleur!' " „Tels sont les contrastes que notre travail fait ressortir, et ils ne sont pas sans interet pour la science des religions." Die deutsche Uebersetzung von Richard Schmidt enthält, ebenso wie die eng- lische, das ganze Werk unverkürzt, d. h. also auch die am meisten „indischen" Stellen. Ganz ängstliche Gemüther macht der Uebersetzer darauf aufmerksam, dass er alles „An- stössige" in das Gewand „schamhaften Lateins" gekleidet habe; anderseits muss er selbst zugestehen, dass das 'Kamasütram' nirgends zotig ist. Warum denn das „schamhafte Latein"? Weder dem französischen, noch dem englischen Uebersetzer ist es eingefallen, einzelne Capitel lateinisch zu geben. Das Buch kommt ja doch nur in wissenschaftliche Kreisel — Schmidt 's Uebersetzung schliesst sich durchaus und mit grosser Treue au , oder der letzte der 5 a-ma kaha ist, von dem Anfangs -Datum 3 ahau^ 3 mol. Das Resultat ist interessant, weil sich aus ihm ergiebt, dass das Element, das hier mit der Hieroglyphe des Festes Pop verbunden ist, und das ich in Abb. 15 noch einmal besonders wiedergebe, das Zeichen für „Yorabend" ist. Ich habe danach allerdings eine Richtigstellung vorzunehmen. Was ich in einer meiner frühesten Abhandlungen^) auf Grund gewisser 'Stellen der Dresdener Handschrift als Zeichen für die Zahl „Zwanzig" feststellen zu müssen geglaubt habe, und was ich, mit diesem Werth, auch noch in den Zusammenstellungen der zahl- bezeichnenden Hieroglyphen in meinen Mittheilungen über die Monumente von Copan und Quiriguä aufgeführt habe^), ist in Wahrheit nicht ein Zeichen für die Zahl 20, sondern eben diese Hieroglyphe für 1) „Ueber die Bedeutung des Zahlzeichens 20 in do.r Maya- Schrift". Zeitschrift für Ethnologie XIX (1887), Verhandl. S. (237)— (240). 2) Zeitschrift für Ethnologie XXXT (1899), Verhandl. S. (724), Fig. 225. — XXXII (1900), Verhandl. S. (220), Fig. 193— 197. 116 Ed. Seler: den Yor abend. Dass sich dies in der That so verhält, werde ich weiter unten noch näher beoründen. Auf die 7 in Abb. 14 wiedergegebeneu Hieroglyphen folgen dann auf der Hieroglyphen-Platte H von Tikal sieben andere Hieroglyphen, deren Be- deutung noch nicht festgestellt werden konnte. Und danach die drei, die ich in Abb. 16 wiedergebe. Hier haben wir in der ersten Hieroglyphe wieder die Ziffer 1 und das merkwürdige Zeichen für kin „Tag", das wir schon auf der grossen Hieroglyphen-Platte I von Tikal angetroifen haben (vgl. oben Abb. 12), und das die Öonnenscheibe zeigt wie aus einem Spalt zwischen der Hieroglyphe des Himmels und der Hieroglyphe der Erde hervorkommend*). Die beiden anderen Hieroglyphen geben das Datum 7 been^ 1 jiop^ das in der That den auf 6 eh, ö xma kaba kin folgenden Tag, das von ihm um einen Tag abstehende Datum, bezeichnet. Abb. IG. Abb. 17. Wieder folgen Hieroglyphen, deren Bedeutung noch nicht festgestellt ist. Aber am Schluss dieser ersten Doppelreihe stehen die 2 Hieroglyphen- Paare, die ich in Abb. 17 wiedergebe. Und diese bezeichnen wieder einige Zahlen : 7 Einzeltage, 2 Uinal (= 2 X 20), 3 Tun (= 3 X 360), deren Summe die Zahl 1127 ergiebt, und darauf folgt das Datum 3 ahau, 13 wo, das in der That um 7 -f 2 X 20 r 3 X 360 oder 1 127 Tage von dem vorher aufgeführten Datum 7 been, 1 po'p absteht. In der zweiten auf dieser Platte H von Tikal noch erkennbaren Doppel- reihe von Hieroglyphen sind keine Zahlen und keine Daten angegeben. Ob nun auf den Platten, die sich hier angeschlossen haben, die wir nicht haben, nicht doch noch weitere Zahlen und weitere Daten genannt gewesen sind, darüber lässt sich natürlich eine Vermuthung nicht äussern. Jeden- falls sind wir schon mit dem Datum 3 ahau, 13 wo, das den Schluss der 1) Zeitschrift für Ethnologie XXXI (1899), Verbandl. S. (687) Die Cedrela- Holzplatten von Tikal iui Museum zu Basel. 117 Abb. 18. ersten Doppelreihe der Platte II bildet, über das mit 3 ahau. 8 mol be- ginnende dritte Viertel hinaus in den Anfang des vierten Viertels des Katnns 4 ahau, 13 ya^- f;'elangt. Die Hieroglyphen-Platte III von Tikal („panneau i" Leon de Eosny's) weist zunächst sehr bemerkenswerthe figürliche Reste auf. Man sieht eine nach links (rechts vom Beschauer) gewandte männliche Gestalt, in reicher Tracht, mit einer Helm-Maske, die die (iresichtszüge des Sonnengottes auf- weist, auf einem in sehr eigenthümlicher Weise verzierten Lehnstuhl sitzen. Darüber wird der prächtig gezeichnete Kopf und die vorgestreckte Pranke eines Jaguars sichtbar. Davor befanden sich andere Figuren oder Sym- bole, die aber nach den wenigen erhaltenen Resten nicht zu bestimmen sind. Vor dem Jaguarkopf und über der Pranke sind 2 Doppelreihen von je 6 Hieroglyphen-Paaren noch wohl erhalten. Weitere Reihen, die sogar mehr als 6 Hieroglyphen bezw. Hieroglyphen-Paare enthalten haben müssen, schliessen sich an. Von ihnen ist aber gerade nur noch der vordere Rand der ersten Reihe vorhanden. DieseHieroglyphen-Gruppen der Platte in von Tikal beginnen eben- falls mit einem Datum, das aber nicht, wie auf den Platten I und II von Tikal, das Datum 3 ahau, 3 mol, der Anfang des dritten Viertels des Katuns 4 ahau, 13 ya^i-, sondern das Datum 9 ahau. 13 pop ist. Es ist das ein Tag, der um genau •20 Tage vor dem Datum liegt, das den Schluss der ersten Doppelreihe der Hieroglyphen -Platte II von Tikal bildet. Er steht also um 5 Tun (5x360) und 260 Tage von dem Anfangs -Datum der anderen beiden Platten, dem Tage 3 ahau, 3 mol, ab und fällt in den Anfang des vierten Viertels des Katuns 4 ahau, 13 yaa;. Aber nicht genau auf den Anfang dieses mit 9 ahau, 18 aml beginnenden Viertels, sondern 260 Tage später, auf das erste Fest Pop, das in diesem Katun -Viertel gefeiert wurde. Ich gebe in Abb. 18 die ersten 6 Hieroglyphen der Platte III von Tikal wieder. Sie sind folgendermaassen zu lesen: '.» a/iau Kein Cyklus (0x20x20x360) 11 e'tznah Zeitschrift für Ethnologie. Jahrg. 1901. 13 pop 18 [kin] (18 X 1) + 7 Uinal (7 x 20) 11. ch'en 9 118 Ed. Seler: 18 X 1 +7X20 sind 158 Tage, und das ist genau der Abstand des Tages 11 e'tznab, 11 cKen von dem Tage 9 ahau, 13 po'p. Wie auf den Platten I und n folgt also auch hier auf das Anfangs-Datum eine Differenzzahl und dann ein durch diese Differenzzahl bestimmtes zweites Datum. Dieses zweite Datum ist hier wiederum, wie auf der Platte I, ein Tag, der dem Uinal cKen angehört. Ausser dem Anfangs- und diesem zweiten Datum wird auf der Platte III nur noch ein Datum gefunden. Es steht in der ersten Zeile der zweiten Doppelreihe von Hieroglyphen (Abb. 19) und bezeichnet den Tag 12 eHzuab, 11 zac, der um genau 40 Tage von dem zuvor genannten Datum absteht. Es gehen demnach die sämmtlichen Daten dieser Hieroglyphen-Platten- Bruchstücke von Tikal auf 3 ahau, 3 mol zurück, den Anfang des dritten Viertels des Katuns 4 ahau^ 13 yax^ der bedeutsamen Zeitperiode, deren Anfang oder erstes Viertel durch die Stela B und die Federschlange Gg von Copan bezeichnet wird. Die Daten führen aber von diesem Anfange 3 ahau^ 3 mol fort bis in den Anfang des vierten Viertels dieses selben Abb. 19. Katun. Sie fallen theils in den Uinal cKen, den Uinal des Festes Ocna, des Festes der Erneuerung des Tempels, theils in den Uinal Pop, die Periode, in der in der späteren Zeit in Yucatan das Neujahr gefeiert wurde. Der Uinal dien entspricht unseren Monaten December und Januar, der Uinal Pop dem Monat August. Nur in einem dieser Daten ist der auf Pop folgende Uinal Uo genannt. Die Hieroglyphen haben auf allen 3 Platten eine durchaus gleich- artige, übereinstimmende Gestalt. Die Sicherheit der Linienführung und ein künstlerischer Zug in der Zeichnung sind unverkennbar. Ueber die eigenartige Gestalt, in der die Hieroglyphe des Uinals cKen hier erscheint, habe ich in einer meiner vorigen Mittheilungen schon gesprochen^). Die Hieroglyphe des Zeichens ahau (vgl. Abb. 11, 14, 17, 18) ist deutlicher, als es sonst der Fall zu sein pflegt, als ein männliches en-face-Gesicht zu erkennen, indem die Nase deutlich als solche und mit einem Stab in der durchbohrten Scheidewand gezeichnet ist, und in dem Munde die winklig 1) Zeitschrift für Ethnologie XXXI (1899), Verhandl. S. (703). Die Cedrela- Holzplatten von Tikal im Museum zu Basel. 119 ausgefeilten Zähne des Sonnengottes angegeben sind^). Das Zeichen akbal (vgl. Abb. VI, 13) ist ebenfalls deutlicher, als wohl sonst die Regel ist, als ein verdunkeltes, maskirtes en- face -Gesicht zu erkennen, und auch das Zeichen ik (vgl. Abb. 11) ist charakteristischer als auf anderen Monumenten und als in den Handschriften gezeichnet. Was die Hieroglyphen der Zeitperioden, der Multiplicanden in den hieroglyphischen Zahlenausdrücken, betrifft, so kommt das Zeichen kin „Tag" auf diesen Platten nicht vor. Die Einer sind immer nur durch ihre Stellung neben den Zwanzigern gekennzeichnet. — Die Uinal, die Zwanziger, kommen bald in der Form des Zeichens chue7i vor (Abb. 18), bald als der Reptilkopf (Iguana?) mit den kurzen dreieckigen Zähnen, dem seitlich heraushangenden, langen, gekrümmten Eckzahn und der Schläfen-Platte mit den 3 dunklen Flecken^). — Eigenartig ist die Form des Zeichens tun, des Zeitraums von 360 Tagen. Man sieht hier das Element tun „Stein" als Stirn-Platte eines phantastischen Yogelkopfes, der vielleicht allgemein den Begriff „Zeitraum" zur Anschauung bringt. Es ist das eine Gestalt, die an sich schon auf den anderen Monumenten selten vorkommt. Ich habe sie auf dem Altar K von Copan, auf der Palast- treppe von Palenque') und in dem Inschriften-Tempel von Palenque an- getroffen. Auf den Hieroglyphen -Platten von Tikal ist aber ausserdem noch die Besonderheit zu bemerken, dass dem Yogelkopfe der Unter- schnabel fehlt, und dafür eine Art von Wurm oder Tausendfuss zu sehen ist, mit einem umgekehrten oAaw-Zeichen als Kopf und 2 fühlerartigen Schwanz- Anhängseln. — Ein Zeichen für die nächst höheren Zeitperioden, die Katun oder Zeiträume von 20 X 360 Tagen, kommt auf den Hieroglyphen-Bruch- stücken von Tikal nicht vor. Dagegen ist merkwürdigerweise auf sämmt- lichen 3 Platten, jedesmal nach dem Anfangs -Datum, angegeben, dass keine Cyklen, keine höchsten Zeitperioden von 20x20x360 Tagen, zu zählen sind. Die Form der Hieroglyphen dieser Cyklen ist im übrigen die gleiche wie auf den anderen Monumenten: bald (Abb. 18) ein cauac- Paar*), bald der phantastische Vogelkopf mit der Zeichnung einer mensch- lichen Hand am Unterkiefer^). Eigenartig ist auch die Gestalt des Zeichens Null, das neben diesen Hieroglyphen der Cyklen steht (vgl. Abb. 11, 14, 18). Das in der dritten Hieroglyphen-Gruppe der Platte IH, Abb. 18, scheint die Form zu haben, 1) Vgl. meine Abhandlung über „Alteithümer aus Guatemala" in Veröffentl. a. d. Königl. Museum f. Völkerkunde IV, Heft 1, S. 37; imd Zeitschrift für Ethnologie XXXI (lb99), Verhandl. S. (fi86). 2) Vgl. Zeitschrift für Ethnologie XXXI (1899), Verhandl. S. (688), Figg. 81—100. ?>) Ebenda Verhandl S. 'ß.'0\ Figg. 105, 106. 4) Ebenda Verhandl. S. (694), Figg. 142—145. 5) Ebenda Verhandl. S. (694), Figg. 146—158. 120 Ed. Seler: die man auf den von mir mitgebrachten Stelen-Bruchstücken von Sacchana sieht ^). Ich komme nun noch einmal auf das Zeichen zurück, das in der siebenten Hieroglyphen -Gruppe der Platte 11 (vgl. oben Abb. 14 und 15) mit dem Zeichen des Uinals Pop verbunden vorkommt, und das, wie aus dieser Stelle hervorgeht, das Zeichen für den Vorabend oder den Tag vor dem Eintritt eines Festes oder Uinals ist. Ich sagte oben schon, dass dieses Zeichen auch in der Dresdener Handschrift und auf anderen Monu- menten vorkommt, dass ich es aber früher fälschlich als Bezeichnung der Zahl „zwanzig" angesehen habe. In der Dresdener Handschrift finden wir dieses Zeichen — aller- dings in sehr vereinfachter, cursiverer Form (Abb. 20) — auf den merk- würdigen Blättern 46 — 50, auf denen 13x5 Venus -Umläufe dargestellt sind, ein Zeitraum, der bekanntlich 2 X 52 Sonnenjahren entspricht. Jeder Venus-Umlauf (von 584 Tagen) ist dabei in Abschnitte Abb. 20. ^on 90 + 250 ^- 8 + 236 Tagen getheiJt, und diese 13 X .^ ^M >-^ >^ '5 X (90 -t- 250 -f- 8 -r 236) Tage sind durch die nach ^ ^^ ^^ Cq A> ^ /b ^ dem Tonalamatl- System ihnen zukommenden Namen der Anfangstage auf diesen Blättern zur Anschauung ge- Hierogljphe V or- j^j-^cht. Ausserdem aber sind die Anfangstage der ersten abend. Dresdener Handschrift. ^ dieser (90+250-^8-4-236) läge durch die Angabe ihrer Stellung im Jahr bezeichnet, d. h. durch die An- gabe, in welchen der 18 Uinal oder zwanzigtägigen Zeiträume, die das Jahr enthält, und auf den wievielten derselben sie fallen. Wir haben daher auf diesen 5 Blättern der Dresdener Handschrift 'eine Reihe von 5X4 genau bestimmten Uinal- (oder sogenannten Monats-) Daten. Und mehr noch. Zwei andere, in gleichen Distanzen fortschreitende Reihen von Uinal- (oder sog. Monats-) Daten sind unterhalb der ersten noch angegeben, die ich zum Unterschiede von der ersten (A) mit B und C bezeichnen will, deren Ausgangspunkt gegenüber dem der ersten eine Verschiebung von 85, bezw. 85 -!- 130 Tagen aufweist. Damit erhöht sich die Anzahl der auf diesen 5 Blättern der Dresdener Handschrift angegebenen Uinal- Daten auf 15x4 oder 60. Unter diesen 60 Uinal-Daten finden sich nun einige, die den zwanzigsten Tag des betreffenden Uinals bezeichnen. Hier ist ganz allgemein die Zahl zwanzig nicht durch 4 senkrechte oder horizontale Striche (= 4 X 5), sondern durch das Zeichen ausgedrückt, dessen verschiedene Formen, wie sie auf diesen 5 Blättern der Dresdener Hand- schrift vorkommen, ich in der Abb. 20 wiedergegeben habe. Man sieht auf den ersten Blick, dass das nur eine vereinfachte, cursivere Form der Hieroglyphe sein kann, die wir auf der Hieroglyphen -Platte II von Tikal 1) Zeitschrift für Ethnologie XXXII (1900), Verhandl. S. (208), Fig. 89. Vgl. Seier, Die alten Ansiedelungen von Chaculä. (Berlin 1901) S. 17. Die Cedrela- Holzplatten von Tikal im Museum zu Basel. 121 als Ausdruck für Vorabend angetroffen haben, und die ich oben in Abb. 15 besonders gezeichnet habe. In der That sehen wir — allerdings mit einer Ausnahme — auch auf diesen Blättern das Zeichen, Abb. 20. nicht mit der Hieroglyphe des Uinals, dessen zwanzigster Tag angegeben werden soll, sondern mit der des folgenden Uinals verbunden, so dass es klar ist, dass auch diese cursive Form der Ausdruck für Vorabend ist. Ich schreibe in Folgendem die Reihen dieser in Distanzen von 90, 250, 8 und 23G Tagen fortschreitenden Daten, wie sie auf o\). Palenque. Kreuztempel I, P, Q. Hieroglyphe Vorabend. Palenque. Kreuz-Tempel I. Platte vorkommt. Man wird die Identität dieses Zeichens einerseits mit der Abb. 15, andererseits mit der Figur der Handschriften Abb. 20 nicht verkennen. Auf dem Altar U von Copan kommt dieses selbe Zeichen zweimal als Ordinalzahl eines Uinal- Datums vor. Da es aber hier nicht möglich ist, die Bedeutung des Zeichens durch die Rechnung zu prüfen, so unterlasse ich es, darauf einzugehen. Zum Schluss erwähne ich noch, dass dasselbe Element auch in einer Hieroglyphe enthalten ist, von der verschiedene Varianten (vgl. Abb. 27) auf dem Ost- und dem Westflügel des Inschriften-Tempels von Palenque, meist unmittelbar hinter einem Zahlausdruck, i]i einigen Fällen auch un- Abb. 27. Palenque. Inschriften - Tempel. Ostflügel: A. 11. — G. 6. — L. 3. — L. 10. — M. 12. — R. 10. Westflügel: B. 9. — C 2. — E. 9. - R. S. - T. 7. mittelbar hinter einem Uinal-Datum vorkommen. Die interessanten Hiero- glyphen, die die umfangreichen Wand-Inschriften dieses Bauwerks zusammen- setzen, sind leider — abgesehen von den Daten und Zahl-Hieroglyphen — noch ungedeutet. Denn was Goodman hier versucht, ist nur eine müssige Stilübung. Es liegt mir daher auch ferne zu behaupten, dass den Hieroglyphen Abb. 27, die das Element „Vorabend"- als Hauptbestaudtheil enthalten, 126 Ed. Seleu: Die Cedrela- Holzplatten von Tikal. deswegen auch dieselbe Bedeutung zuzuschreiben ist. Aber ich hielt es für nützlich, ihre Abbildungen hier zu geben, weil hier das Element, das mit einer Uinal-Hieroglyphe verbunden die Bedeutung „Yorabend" besitzt, grösser und sorgsamer ausgeführt erscheint und uns wenigstens etwas deutlicher erkennen lässt, was den cursiven Formen Abb. 20, in denen ich seinerzeit mit Sicherheit ein Paar menschliche Augen erkennen zu können meinte, eigentlich zu Grunde liegt. Jedenfalls nicht ein Paar menschliche Augen. Der untere, regelmässig mit Kern in der Mitte ge- zeichnete Kreis bezeichnet wohl einen Handgelenk -Edelstein, wie in der Hieroglyphe des Tages-Zeichens manik. Und man könnte daher ver- muthen, dass das ganze Gebilde eine geschlossene Faust darzustellen bestimmt ist. Der obere Kreis, oder das obere augenartige Gebilde, ist aus einem Kopf entstanden, der, wie man in der Abb. 27 sieht, bald als lebendiger Menschenkopf, bald als Schädel gezeichnet ist, bald auch durch das Tages-Zeichen cauac ersetzt zu werden scheint. An diesem Kopf ist das eine Auge heraushangend, also als herausgebohrt, gezeichnet. In den mexikauischen Bilderschriften ist das ein bekanntes und geläufiges Bild der Kasteiung. Und das im Haus oder im Kasten Yerschlossensein ein Sinnbild des Fastens. Es wird wohl nicht zu gewagt erscheinen, das Gleiche auch für die Symbolik der Maya-Zeichner anzunehmen. Denn in all den auf den Cultus bezüglichen Dingen bestand grosse Uebereinstimmung zwischen den verschiedenen mexikanisch- centralamerikanischen Stämmen. Demgemäss werden wir uns vorstellen können, dass dieses Zeichen Abb. 15, 20, 26 zum Ausdruck für Yorabend deshalb geworden ist, weil man am Tage vor dem Feste fastete und sich kasteite. Und es erscheint nicht unmöglich, dass die ausgeführteren Hieroglyphen Abb. 27 auf den Inschriften des Inschriften-Tempels von Palenque die Bedeutung Fasttag haben. Verbesserung: Auf S. 101 in der Ueberschrift lies „18. Mai 1901" statt „17. November 1900«. IV. Die Bedeutung Australiens für die Heranbildung des Menschen aus einer niederen Form. Von Dr. OTTO SCHOETENSACK in Heidelberg. (Vorgelegt in der Sitzung der Berliner Anthropologischen Gesellschaft vom 27. Juli 1901.) Reihen von Thatsachen, den Gebieten der prähistorischen Archäo- logie, der physischen Anthropologie, Ethnologie, Paläontologie und Thier-Geographie entnommen, haben sich mir zu einem Gesammt- bilde gefügt, welches, wie ich glaube, einen wichtigen Beitrag zur Lösung des Problems von der Heranbildung des Menschen aus einer niederen Form zu geben vermag. Indem ich mir eine ausführliche Darstellung des Gegenstandes vorbehalte, möchte ich an dieser Stelle den Fachgenossen nur in kurzen Zügen die Hauptpunkte unterbreiten, auf welchen meine neue Anschauung sich aufbaut. Als Grunglagen meiner Betrachtungen dienen die Yorstellungen über die Herkunft des Menschen, welche im Anschluss an die Entwicklungs- lehre sich in den letzten Jahrzehnten herangebildet haben. Nachdem einmal die Zugehörigkeit des Menschen zum Thierreich im Allgemeinen gesichert war, bedurfte die specielle Thier-Yerwandtschaft des Menschen der Präcisirung. Manche hierin allzu einseitigen Wege, die eingeschlagen wurden, sind neuerdings wieder verlassen wordeu, und die Anschauungen über die Stellung des Menschen in der Primatenreihe, wie sie in letzter Zeit von H. Klaatsch und G. Vacher de Lapouge gänzlich unabhängig von einander vertreten worden sind, dürften wohl künftig den Wegweiser für alle weiteren Forschungen auf dem Gebiete der körperlichen Vor- geschichte des Menschen abgeben. Nach diesen Forschern besteht die Affen -Yerwand tschaft des Menschen lediglich in der Verknüpfung aller jetzt lebenden Primaten mit einer gemeinsamen Stammform, von welcher aus der Mensch sich direct entwickelt hat, ohne die einseitigen Bahnen zu betreten, welche nach verschiedenen Richtungen hin zur Aus- prägung der Typen der niederen Affen und der Anthropoiden geführt 128 Otto Schoetensack : haben. ludem ich zur Orientirung auf die Artikel von Klaatsch^) ver- weise, hebe ich als für meine Untersuchungen wesentlich daraus hervor, dass für die Heranbildung des Menschen aus der sehr alten, der Stamm- wurzel aller Säugethiere nahe stehenden Ausgangsform der Primaten eigen- artige Bedingungen postulirt werden. Die grösste Schwierigkeit für die Erklärung der Besonderheit des Menschen den anderen Primaten gegenüber ist gegeben in dem Umstände, dass er sich lediglich durch die Entwick- lung des Gehirns über die Thierwelt erhoben hat, während seine Glied- maassen in vieler Hinsicht die alten Zustände sich treuer bewahrten, als irgend eine andere Form. Die Hand des Menschen besitzt im treff'lich opponirbaren Daumen ein altes Erbstück, das die Mehrzahl der AfPen partiell eingebüsst hat; am Fuss ist die Anknüpfung an einen Greiffuss ohne weiteres deutlich. Hier liegt eine der specifisch menschlichen Umgestaltungen vor in der Verstärkung der ihre Opponirbarkeit ver- lierenden ersten Zehe. Dieses Festhalten an Altem, sowie diese speciellen Umgestaltungen, denen wir die völlige Aufrichtung des ^Körpers und den Yerlust des Haarkleides anschliessen, sind ebensowenig, wie die enorme Entwicklung des Gehirns, durch einen „Kampf ums Dasein" zu er- klären, wie ihn die anderen Säugethiere, insbesondere die Primaten durch- gemacht haben. Sie verlangen zwar keine völlige Aufhebung des Kampfes, aber eine Milderung desselben; sie setzen Bedingungen voraus, welche ver- hältnissmässig äusserst günstig gewesen sein müssen. In Mitten einer feindlichen Welt gewaltiger Thiere hätte der Vorfahr des Menschen schwerlich ohne Erwerbung natürlicher Waffen be- stehen können; im Urwald hätten seine Extremitäten ähnliche Um- bildungen wie beim Gibbon, Orang, Gorilla, Schimpansen erfahren müssen. Könnten wir als Aufenthalt des Vormenschen einen Conti- nent nachweisen, wo diese beiden Umstände wegfallen, so würde der letzte Schritt begreiflich werden, durch den der Vor- fahr des Menschen sich über die andere Thierwelt erhoben hat. Dass eine solche (im Sinne der Heranbildung gemeinte) „Urheimath" des Menschengeschlechts esistirt haben muss, darauf werden wir in zwingen- der Weise hingewiesen durch die Annahme der Einheitlichkeit des Menschengeschlechts, die in körperlicher und psychischer Hinsicht uns entgegentritt trotz aller Verschiedenheiten der Varietäten, trotz der grossen Variationsbreite innerhalb derselben. Schon der menschliche Fuss allein genügt, um dies anatomisch zu beweisen. Es müssen also innerhalb 1) H. Klaatsch, Die Stellung des Menschen in der Reihe der Säugethiere, speciell der Primaten, und der Modus seiner Heranbildung aus einer niederen Form. Globus 1899, Nr. 21 und 22. — Derselbe, Die fossilen Knochenreste des Menschen und ihre Bedeutung für das Abstamraungs-Problem (Ergebnisse der Anatomie und Entwicklungs-Geschichte IX, Wiesbaden 1900). Die Bedeutung Australiens für die Heranbildung des Menschen. 1 2t> eines irgendwie abgegrenzten Gebietes sich die specifisclien Vorgänge der Menschwerdung vollzogen haben, und von diesem ({ebiete aus hat sich die Menschheit verbreitet. Wo aber mag dies Gebiet gelegen sein? Ist es ein untergegangener Continent früherer Erd-Perioden, oder haben wir ilin vielleicht wenigstens theilweise nocli erhalten ? Auch hierfür fehlt es uns gegenwärtig nicht an Fingerzeigen. Schon von R. Virchow wurde darauf hingewiesen, dass der malayische Archipel die meisten Aussichten biete für die Erforschung der A orgeschichte der Menschheit. Inzwischen ist durch die Grabungen auf Java von Eng. Dubois der Pithecanthropus zu Tage gefördert. Die jetzt vorwiegende Deutung dieses wichtigen Fossils ist, dass der Träger jenes berühmten Schädeldaches eine grosse Primatenform war, welche der gemeinsamen AVurzel des Menschen und der Anthropoiden nahestand. Damit rückt der indo- australische Archipel in den Vordergrund der Betrachtuug, wie er schon früher durch die Persistenz sehr niederer Menschen-Varietäten, sowie durch das Vorkommen des Orangs und Gibbons die Aufmerksamkeit auf sich gelenkt hat. Africa, Europa und America sind nur selten als Wiege der Menschheit angesprochen worden. Speciell für Europa bricht sich die Anschauung Bahn, dass die ältesten Spuren des Menschen, seine Stein- Werkzeuge und fossilen Knochenreste auf eine Einwanderung des Menschen hinweisen, die mit dem Diluvium in zeitliche Beziehung gebracht werden muss. Alle Versuche, die Existenz des eigentlichen Tertiär- Menschen hier nachzuweisen, sind bekanntlich erfolglos geblieben, sodass die Deutung berechtigt erscheint, dass der Mensch thatsächlich im mittleren und jüngeren Tertiär noch nicht unsere Zone betreten hat. Als er dies that, war er bereits der paläolithische Jäger, im Besitz der hin- reichenden materiellen und intellectuellen Hilfskräfte, um den Kampf mit den Elementen und der ihn umgebenden Thierwelt durchführen zu können. Dieser Umstand setzt eine lange Vor -Entwicklung voraus; der Mensch muss hierzu eine Art von Schulung, eine lange dauernde Vor- übung durchgemacht haben. Suchen wir in dem oben bezeichneten Bereich nach einem engeren Bezirke, wo dies geschehen sein konnte, so kommen das südliche Asien, der indo-australische Archipel und Australien in Betracht. Berücksichtigen wir die geologischen und thier-geo gra- phischen Bedingungen, welche diese Gebiete in der mittleren und jüngeren Tertiär-Zeit beherrschten, so scheint der jetzige asiatische Continent als solcher ausgeschlossen wegen des Vorhandenseins grosser und gefährlicher Placental-Säugethiere; hingegen stellen der indo-australische Archipel und Australien ein weites Gebiet dar, auf welchem zur Pliocän- Zeit alle Postulate für die Erklärung der Heranbildung des Menschen erfüllt sind. Seitdem Wallace seine grundlegenden Studien über die 130 Otto Schoetensack : Thier -Verbreitung im Malayischen Archipel veröifentli cht hat, sind unsere Kenntnisse über die Schwankungen von Land und Meer zwischen Asien und Australien namentlich durch die Forschungen der Yettern Sara s in ^) auf Celebes bedeutend erweitert worden. Australien, seitdem Schluss der Secundär-Zeit von den übrigen Contineuten getrennt, umfasste in gewissen Abschnitten der Tertiär-Zeit Neu-Guinea und andere jetzige Inseln des Archipels, woraus sich das Vorkommen von specifisch in Australien ent- wickelten Marsupialiern auf Neu-Guinea, Celebes, Amboina, Timor erklärt. Die beifolffende Sarasin'sche Karte zeigt die höchste Entwicklung der Festlands-Periode im indo-australischen Archipel zur Pliocän-Zeit. Danach bestand eine Laudbrücke zwischen Süd-Celebes sowohl mit Java, wie mit der kleinen Sunda-Kette, und zwischen Ost- Celebes über die Sula-Inseln mit den Molukken. Diese standen wiederum mit Neu-Guinea, und letzteres mit Nord-Australien in Land-Verbindung. Sumatra, Borneo und Java bildeten mit Südost-Asien einen Continent, von dem Landbrücken über Java nach Celebes hinüberführten. „Noch auf Neu- Guinea selbst ist die 1) P. und F. Sarasin, Materialien zur Naturgeschichte der Insel Celebes, III. Bd.: lieber die geologische Geschichte der Insel Celebes auf Grund der Thier -Verbreitung. Wiesbaden 1901. Die Bedeutung Australiens für die Heranbildung des Menschen. 131 Entwicklung typisch asiatischer Formen deutlich spürbar. Ja über Neu- Guinea weg bis Nord - Australien sind solche Wanderer zu verfolgen" (Sarasin S. 126). „Recapitulirend finden wir Celebes im Eocän vom Meere bedeckt, im Miocän sich erhebend, und im Pliocän in ausgedehnter Weise mit Nachbar-Gebieten in Verbindung tretend; dann wieder Auf- lösung dieser Landmasse, Abbruch der Yerbindungsbrücken, und in der der Gegenwart unmittelbar vorhergehenden Periode sogar eine etwas tiefere Untertauchung als heute, endlich neuerdings wieder eine leichte Hebung" (S. 129). Diese Resultate scheinen uns für unser Problem der Heranbildung des Menschen von ungeheurer Bedeutung. Ist doch der Ueber tritt von placentalen Formen von dem indo-australischen Archipel nach dem australischen Festlande damit äuss erst wahrscheinlicli gemacht, und die Möglichkeit, dass der Vorfahr des Menschen zur Pliocän-Zeit nach Australien verschlagen und alsdann dort von der übrigen Welt isolirt wurde, drängt sich, wie wir noch zeigen werden, als eine sehr nahe liegende auf. Einen directen Beweis für den Uebertritt von Placental - Formen nach Australien in einer sehr weit zurückliegenden Zeit liefert uns, abgesehen von den unten aufgeführten kleinen Nage-Thieren '), die seit der Tertiär-Zeit das australische Festland bewohnen, der australische Wildiiund, der Dingo. Dass derselbe domesticirt von Menschen nach Australien eingeschleppt worden sei, erweist sich als hinfällig den positiven Zeugnissen gegenüber, wonach fossile Reste des Dingo in pleistocänen 1) J. Lauterer, Australien und Tasmanien, Freiburg 1900, p. 233, berichtet darüber: „Die in Australien vor Ankunft der Weissen einheimischen Ratten und Mäuse stammen gleichfalls aus der Tertiär-Zeit Alle ihre Arten sind für den Continent endemisch, und obgleich sie nur für den Zoologen Interesse haben und an Lebensweise ihren europäischf^n Verwandten gänzlich gleichen, so ■will ich doch ihre Namen hersetzen, damit man nicht glaubt, es seien ihrer nur wenige. Es sind: 1. aus der Gattung Mus: Mus lineolatus, albocinereus, assimilis, sordidus, mani- catus, nanus, longipilis, conditor (alle von Gould benannt), ferner Mus fuscipes, Gouldii, Novae HoUandiae (von Waterhouse benannt), dann Mus cervinipes, vellerosus, leucopus, macropus (von Gray benannt), und endlich Mus griseo- caeruleus, variabilis, Simsonii, castaneus, pachyurus und tetragonus (Peters), erst seit 1883 bekannt; 2. aus der Gattung Hapalotis: Hapalotis longicaudata, apicalis, cervina, murina, hirsuta, penicillata (Gould, Mitchellii (Ogil;, albipes, hemileucura, personata, macrura, Thompsoni, leucopus; 3. aus der Gattung Hydrpmys: Hydromys chrysogaster, leucogaster, fulvo- alvatus, fuliginosus, und endlich die rattengrosse Echinothrix leucura Gr. mit weissem Schwanz. Man nimmt an, alle diese Nager-Arten seien in der Tertiär- Zeit auf Baumstämmen usw. von Asien aus nach dem Austral-C'ontinent ge- trieben." Diese letztere Ansicht ist, nachdem die Sarasin'schen Forschungen über die vor- handen gewesenen Landbrücken bekannt geworden sind, offenbar nicht mehr in dem Umfange haltbar. 232 Otto Schoetensack: und pliocäuen^ Schichten von Colacund anderen Gegenden Victorias zu- sammen mit fossilen Besten gleicher Erhaltuugsart von Beutel- Thieren, den ausgestorbenen Thylacoleo, Diprotodon, Nototherium, Procop- todon, gefunden worden sind. Wir entnehmen diese bestimmten Angaben einem Werke des Prof. Fred. McCoy in Melbourne'). Derselbe Forscher berichtet ferner bei der Beschreibung des Auffindens von Diprotodon- und Nototherium-Resten im Schlamme alter pleistocäner Seen, dass er in einigen Höhlen Yictorias die Knochen des Dingo derartig mit denen von (noch jetzt lebenden) Beutel-Thieren untermischt gefunden habe, dass an der ur- sprünglichen Wildheit des nach Australien gelangten Hundes kein Zweifel sein kann. Selbst heute noch ist der Dingo nur gelegentlich domesticirt. Wäre er als Hausthier eingeführt worden, so würde er doch 1) Es ist bekannt, welche Schwierigkeiten oft die Einreihung dieser Schichten in das übliche Schema dem Geologen selbst in unserm am meisten durchforschten Erdtheile macht: auf der südlichen Halbkugel scheinen sich diese noch bedeutend zu erhöhen, wie wir aus folgender Stelle bei Zittel (Paläozoologie IV, 757) entnehriien: „Vergleicht man die Fauna der Pampas-Formation mit der jetzt in Süd-America existirenden, so fällt die starke Quote erloschener Gattungen sofort in die Augen. In dieser Hinsicht entfernt sie sich weiter von der jetzt in Süd-America lebenden, als die pliocäne in Europa von ihren heutigen Nachkommen. Auf der anderen Seite begegnet man jedoch unter den fossilen Pampas -Thieren einer ganzen Anzahl noch jetzt lebender Arten, die im Pliocän von Europa gänzlich verraisst werden. Betrachtet man die Pampas-Formation mit Ameghino als Aequivalent des europäischen Pliocän, so besitzt ihre Fauna einerseits einen alter- thümlicheren, andererseits einen moderneren Charakter als jene in Europa; stellt man dieselbe mit Burmeister, Steinmann u. A. ins Pleistocän, so zeichnet sie sich durch die grosse Menge erloschener Gattungen und Arten in auffälliger Weise von den diluvialen Faunen anderer Welttheile aus. — Es scheint aber, als ob auf der südlichen Hemisphäre mit einem anderen Maassstab gemessen werden müsse, als anderwärts, denn auch Australien besitzt in Knochen-Höhlen und oberflächlichen, offenbar sehr jugendlichen, allgemein dem Diluvium zugeschriebeneu Ablagerungen eine erloschene Fauna, die sich zur jetzt daselbst lebenden fast genau wie die Pampas -Fauna zur modernen südamerikanischen verhält. Mit Ausnahme des Canis dingo gehören die pleistocänen Säugethiere Australiens zu den Monotremata oder Beutelthieren und vertheilen sich auf 22 Genera. Auch hier zeichnen sich die fossilen erloschenen Gattungen und Arten meist durch ihre beträchtliche Grösse aus und wie die Gravigraden und Glyptodontia den heutigen Faulthieren und Gürtel- thieren der Pampas-Schichten als Riesen gegenüberstehen, so verhalten sich die gewaltigen Diprotodon, Nototherium, Phascolonus, Sthenurus, Procoptodon, Thylacoleo u. A. zu ihren jetzt lebenden australischen Verwandten. — Herrscht somit in Nord- und Süd- America und in Australien Unsicherheit über die Abgrenzung von Pliocän und Diluvium, so steht es in Europa kaum anders; denn auch hier schiebt sich zwischen die typisch pliocäne Fauna des Val d'Arno, der Auvergne und der Gegend von Montpellier eine eigenthümliche Misch-Fauna ein." Eine Klärung dieser Verhältnisse muss also der Zukunft überlassen bleiben. Von vornherein will es uns scheinen, dass ein solch ausge- dehntes Gebiet, wie es das australische Festland darstellt, ebenfalls zahlreiche Stufen der fannistischen Entwicklung aufweisen wird und dass es wohl nicht angeht, alle hierher gehörigen Funde, wie dies einige Autoren thuen, über einen Leisten zu schlagen und als sehr jung zu erklären. '/) Prodromus of the Palaeontology of Victoria VII (1882), p. 7—10; siehe auch Zeit- schrift f. Ethnologie 1887, Verhandl. S. 87, undMivart St. George, Dogs, Jacals, Wolves and Foxes, a monograph of the Canidae, London, 1890: feiner: S. Ogilby, Catalogue of Australian Mammals, Sydney 1891—92. Die Bedeutung Australiens für die Heranbildung des Menschen. 133 wohl irgendwo in völliger Abhängigkeit vom Menschen ange- troffen werden; dies ist nicht der Fall, er nmss immer wieder aufs neue jung gezähmt werden. Nach Lumholtz „finden die Eingeborenen sie als ganz junge Thiere in hohlen Bäumen und erziehen sie mit grösserer Sorgfalt als ihre Kinder. Der Dingo bildet ein sehr wichtiges Mitglied der Familie, liegt in der Hütte und erhält reichlich Speise, nicht allein Fleisch, sondern auch Früchte. Nie wird er von seinem Herrn geschlagen, dieser droht ihm nur, liebkost ihn wie ein kleines Kind, frisst ihm die Flöhe weg und küsst ihn auf die Schnauze." Nach Jung „sind die Ein- geborenen sehr gütig gegen ihre Hunde; den jungen Thieren ist die schwarze Frau sehr oft die Amme. Es werden Fälle berichtet, wo ein Yater sein neugeborenes Kind erschlug und der Mutter ein paar junge Hunde gab, damit sie für deren verlorene Ernährerin eintrete. Trotz alledem wird der Dingo nie wirklich zahm, sondern sucht oft genug, namentlich in der Paarungszeit, wieder die Freiheit auf". Wenn es nach alledem kein primitives Freundschaftsband war, welches den Australier mit dem Dingo verknüpfte, so muss etwas anderes vor- liegen, wodurch der Conuex erklärt wird. Es ist nach unserem Erachten der Umstand, dass der Vorfahr des Menschen und der Hund ge- meinsam über die pliocäne Landbrücke nach Australien ge- langten und hier isolirt wurden inmitten einer Welt von Säugethieren, die in ihrer Entwicklung weit unter ihnen stand, nehmlich der seit der Secundär-Periode nur einseitig fortgebildeten, intellectuell uiedrigstehenden Marsupialier. Diesen gegenüber war der Hund das einzige Wesen, welches den bei Primaten so stark entwickelten socialen Instinct befriedigte. Aus der Fürsoro-e für den Dinoo erwuchs dann erst die Erkenntniss seines Nutzens für die Jagd auf die Beutel-Thiere. Diese eigenartige Thierwelt, die infolge von Convergenz-Entwicklung sich in ähnliche Typen gegliedert hat, wie die Placentalier, war zur Pliocän-Zeit noch viel stattlicher vorhanden, als in der Gegenwart. Zu den Kletter- und Flug-Beutlern, Spring -Beutlern, Phascolomyiden, Perameliden und Raub -Beutlern der Gegenwart gesellten sich Formen, welche die jetzigen an Grösse weit übertrafen. Diprotodon australis er- reichte die Grösse eines Rhinoceros, Nototherium stand wenig dagegen zurück. Dies waren Pflanzen-Fresser, desgleichen auch der fälschlich so genannte Thylacoleo, der dem Gebiss nach eher an recente Beutel- Ratten (Didelphys) erinnert, als an Carnivoren. Nehmen wir noch hinzu die Monotremen, jene eierlegenden problematischen Säugethiere, die fossil durch eine sehr viel grössere Echidna (Ramsayi) vertreten sind, als die jetzigen Ameisen-Igel und Schnabelthiere, so erhalten wir eine Thier- Gesellschaft des Menschen zur Pliocän-Zeit, welche keinen einzigen wirklich gefährlichen Gegner enthielt. Denn selbst die Raub -Beutler sind nicht ernstlich zu fürchten. Die grösseren Zeitschrift für Ethnologie. Jahrg. 19Ü1. 10 134 Otto Schoetensack: Dasyuriden, Thylacinus cynocephalus und Sarcophilus ursinus, deren fossile Reste sich in Australien finden, haben sich nur noch in den wilden Berggegenden Tasmaniens vor dem Menschen retten können^). Allgemein nimmt man an, dass die Riesen -Beutler ebenfalls vor dem Menschen er- legen sind. In einer solchen Umgebung wird es begreiflich, dass eine Primaten-Form, deren Intelligenz schon auf einer verhältniss- mässig hohen Stufe stand, sich zum jagenden Urmenschen ent- wickelte; ja wir können weiter gehen und behaupten, dass gar kein Theil der Erde in der jüngeren Tertiär-Zeit auch nur an- nähernd so günstige Bedingungen für diesen Entwicklungsgang geboten hat. DerYorfahr des Menschen musste ja hier geradezu ein Jäger werden, da das Erbeuten der plumpen Beutel-Bären z. B. ohne jede Mühe, ohne Kampf geschehen konnte. Ein solcher Ueberfluss an Fleischnahrung macht den Uebers-ane: aus dem vorwiegend frugivoren in den omnivoran Habitus des Menschen erklärlich. Die Mannigfaltigkeit des Wildes, die Abstufung seiner Grösse, sowie die Kunst seiner Erlegung boten die Möglichkeit einer allmählichen Schulung des Menschen, die uns nachträglich geradezu wie eine Vorl)ereitung auf den Kampf mit den Placentaliern erscheinen könnte, den der Mensch, als er sich von Austi'alien aus verbreitete, zu bestehen haben sollte. Diese Ueberlegungen sind einleuchtend genug, um als Ausgangspunkt einer genauen Prüfung derjenigen Punkte zu dienen, deren Klarstellung für oder gegen die von uns vermuthete Bedeutung Australiens sprechen dürfte. Die Probe auf die Richtigkeit unserer Hypothese kann nur dadurch gegeben werden, dass sich die Australier als Rest einer uralten Rasse er- weisen lassen, deren Wurzel zur übrigen Menschheit und speciell zu den ältesten uns bekannten Spuren des Menschen ausserhalb Australiens Be- ziehungen erkennen lässt. Eine solche rein objective Prüfung des That- bestandes hat nun in der That eine derartige Fülle von Aufschlüssen und Bestätigungen ergeben, dass es schwer ist, hier auf beschränktem Raum auch nur das wichtigste Material vorzulegen. — Wenden wir uns zunächst den leider im rapiden Aussterben begriffenen Eingeborenen Australiens zu, um deren körperliche, culturelle und geistige Eigenart mit der übrigen Menschheit zu vergleichen. Es fehlen jegliche Zeugnisse für die Annahme einer relativ späten Einwanderung der Australier von einem anderen Contineut aus. Wenn Huxley, dem wir die ersten trefflichen Nachweise für die Eigenart der Australier verdanken, auf die Analogien derselben mit gewissen 1) Dasyurus maculatus wurde nach F. McCoy, Die Colonie Victoria in Australien, Melbourne 1861, pag. 178, noch um diese Zeit in den Yarra Bergen angetroffen. Die Bedeutuiij? Australiens für die Heranbildung des Menschen. 135 Hüüel- Stämmen Dekhan's und auf Asien als die Urlieimatli der Australier hinweist, so lässt sich das angeblich stützende Argument gerade in um- üekehrtem Simie besser verwerthen. G. Gerland, der die Herkunft der Australier unentschieden lässt, sagt ganz offen: „Vor den Europäern kann von fremden Einwanderungen nicht die Rede sein; es ist reine Phantasie, wenn man Polyuesier nach Australien gekommen sein lässt." Man könnte vielleicht erwarten, dass positive Funde im australischen Boden uns über die körperliche Beschaffenheit der Vorfahren der jetzigen Australier Auf- schluss geben; aber leider fehlt es bis jetzt an ausreichenden systematischen Untersuchungen daselbst, obwohl manche Anzeichen uralter Besiedelung zu solchen ermuntern könnten. An vielen Punkten Yictoria's finden sich nach R. Brough Smyth^) (II, 332) Aschenhaufen mit Knochenresten von beträchtlicher Höhe und Ausdehnung, die sehr alt sein müssen. Diese „Mirn-jongs", wie die Australier sie nennen, werden vielfach als Dung- stoff verwendet, ohne wissenschaftlich auch nur beachtet zu sein! — Sollte Jemand dieses Negative betreffs menschlicher Fossil -Reste in Australien ü-eo-en unsere Anschauune: ins Feld führen, so können wir darin nur eine Mahnung erblicken, da zu suchen, wo bisher so wenig geschehen ist. Die Beschaffenheit der jetzigen Australier verspricht genug Aufschlüsse be- züglich ihrer Vorgeschichte. — Gerade die Schwierigkeiten, welche bisher die Einordnung der Australier in das Rassen-Schema der Menschheit verursacht hat, deuten auf die be- sondere Stellung derselben hin. Trotz der zum Theil so charakteristischen Merkmale im Aeussern, wie im Skelet, giebt es doch keine andere Rasse von solcher Variabilität. Diese aber ist keine regellose, sondern führt zu verschiedenen Ausbildungen des Körpers, die wir völlig von einander ge- trennt bei den übrigen Rassen ausserhalb Australiens wiederfinden. Man kann innerhalb der Australier-Rasse ein helleres straffhaariges und ein dunkleres kraushaariges Element unterscheiden. Die Hautfärbung weist zwischen Bräunlichgelb und Schwarzbraun die mannigfachsten Schattirungen auf. Alle Beobachter stimmen überein in ihrer Verwunderung über die riesige Variationsbreite, über die „sprunghaften Differenzen" (Stuart und Leichhardt). „Die Australier variiren ebenso seltsam wie ihr Boden" (S tokos). Diese Verschiedenheiten sind viel zu complicirt, als dass man sie etwa als die Folge beiläufiger Kreuzungen und Vermischungen mit Melanesiern oder Negern hinstellen könnte. Eine solche Annahme würde ausserdem eine bestimmte Yertheilung der Varietäten in Beziehung zu ausser-australischen Regionen verlangen, die nicht besteht. So sind denn auch die competentesten Forscher, u. A. Ratzel, Wallace, Semon, weit von einer solchen Annahme der Mischung der 1) The aborigines of Victoria, Melbourne -London, 1878. 10^ ^3(i Otto Schoetensack: Uraustralier entfernt. A. R. Wallace vertritt vielmehr in seinem neuesten Werke ^) den schon von Huxley angedeuteten, uns allein richtig er- scheinenden Standpunkt, dass die Australier uralte Beziehungen^ besitzen zum europäischen Typus sowohl, als zum mongoloiden und zum negroiden, worin die Mongolen und Neger selbst einbegriffen sind. Die auffallende Aehnlichkeit mancher Australier mit Europäern ist neuerdings besonders von Semon betont worden. In Bezug auf eine seiner Photographien einer Australier-Gruppe meint er, man könne sie ganz gut für einen Trupp verlumpter Europäer ausgeben. Die offenbaren Aehnlich- keiten sowohl der Europäer als mancher Australier mit den dravidischen Stämmen Asiens, die primitive Bedeutung der (in manchen Punkten ein- seitig entwickelten) von den beiden Sarasin's trefflich beschriebenen Weddas steht mit der Auffassung der Australier als eines direct an die Wurzel der Menschheit anknüpfenden Stammes nicht in Widerspruch. Wir können die Souderung der Australier in Varietäten, welche ü-leichsam die Haupttypen der Menschheit vorbereiten, mit der Annahme der Einwanderung des Yormenschen in Australien in Zu- sammenhang bringen. Die Bodenbeschaffenheit Australiens macht eine frühzeitige Trennung in westliche und östliche Gruppen begreiflich. Das Gebirge des Ostrandes, welches die Feuchtigkeit des Südost-Passates grössteutheils aufnimmt, hat jedenfalls auch in weit zurückliegender Zeit in das Centrum und den Westen des Continents wenig Feuchtigkeit ge- langen lassen, sodass im Innern und nach Süden hin ein Verkehr zwischen Süd und Ost ausserordentlich erschwert war. Entsprechend dem viel- 1) Studies, scientifical- and social, London, 19C0. 2) Diese scheinen auch vorzuliegen zu den Bewohnern zahlreicher Inseln der Südsee^ wie dies F. v. Luschan in seinem „Das Wurfholz in Neu-HoUand und in Oceanien" be- handelnden Beitrage zu der Festschrift für A. Bastian, Berlin 189i^ p. 154 auf Grund der im Archiv für Anthropologie 1894 veröffentlichten Arbeit seines Schülers Wilhelm Volz mit folgenden Worten ausführt: „Seine Untersuchungen sind noch nicht ab- schliessend und werden, wenn einmal mehr Material vorhanden, und das vorhandene zu- gänglicher und besser bearbeitet sein wird, im Einzelnen vielleicht noch modificirt werden können, einstweilen steht es aber schon jetzt ganz fest, dass einzelne rein Neu-Holländische Schädelformen nicht nur in Neu-Seeland und in Neu- Guinea gefunden werden, sondern über ganz Oceanien, selbst bis nach der Osterinsel zerstreut sind." Inwieweit hier auch eine Besiedelung Americas von Oceanien her, neben der von Asien aus über die Bering-Strasse vermutheten, angenommen werden darf, das entzieht sich vorläufig noch unserer Beurtheilung. — Was die von K. Martin (Archiv für Anthropologie XXH) in mehreren Merkmalen festgestellte Ver- wandtschaft der Feuerländer mit dem allgemeinen europäischen Typus, sowie auch die mehrfach hervorgehobene Aehnlichkeit des Neanderthal- Menschen mit der primitiven amerikanischen Varietät anbetrifft (loc. cit. p. 161), so lässt sich dieselbe unserer Ansicht nach dadurch erklären, dass alle diese von Australien ausgegangen sind. Derartige Ab- zweigungen von den Uraustraliern können zu verschiedenen Zeiten erfolgt sein, wodurch sich "auch das Vorhandensein verschiedener Typen, z.B. im europäischen Diluvium, er- klären würde. Die Bedeutung Australiens für die Heranbildung des Menschen. 137 gestaltigen Milieu, das in den verschiedenen Floren-Gebieten zum Ausdruck gelangt, die sieli sichelförmig um das Wüsten- und Salzbuschsteppen-Gebiet herumlegen, bildeten sich bald verschiedene Typen der Eingeborenen heraus, die erst später durch die immer mehr nothwendig gewordenen Wanderungen und infolge exogamer Ehegebote durcheinandergeworfen wurden. Ob vielleicht die (culturell primitivsten und) ausgestorbenen Tasma- nier') das deutlichste Bild der üraustralier als einer kraushaarigen Kasse geben, können wir nicht entscheiden. Man darf natürlich nicht er- warten, dass die jetzigen Australier unverändert auf dem körperlichen Niveau der gemeinsamen Wurzel aller Menschen- Yarietäten stehen geblieben sind, so wenig etwa, wie die jetzigen Protozoen den Einzelligen entsprechen, aus denen die Metazoen hervor- gegangen sind. Auch der Australier hat sich entwickelt, und daher finden wir sein Skelet in Uebereinstimmung mit dem Niveau der übrigen Menschheit, aber mit Merkmalen und Variationen, die ganz dem Befunde des Aeussern entsprechen. Hamy betont die Aehnlichkeit mancher Skelete mit Europäern, anderer mit Mgritiern. Da alle vergleichend osteologischen Bearbeitungen der Menschen -Varietäten erst in den An- fängen begriffen sind, so wird die erneute Prüfung der Australier-Skelette von dem neuen Gesichtspunkte aus nöthig sein, eine Aufgabe, mit der Prof. Klaatsch beschäftigt ist. Nach Allem, was wir aus der Literatur entnehmen können, entsprechen die Befunde der von uns vertretenen Auf- fassung. Es gilt dies namentlich für den Schädel. Die Längen -Indices variireu so. dass die kraniometrischen Schemata der veralteten anthro- pologischen Schule keine Förderung erfahren. Die Dachform des Schädels ist ein weit verbreitetes Characteristicura. Ebenso findet sich sehr oft eine ziemlich starke alveolare Prodentie, welche die Prognathie der Negroiden vorbereitet. Nach der persönlichen Angabe von Klaatsch ist die be- deutende Grösse der medialen Incisivi für beide Geschlechter auffallend, ein Merkmal, dass bei der Mehrzahl der übrigen Menschen -Varietäten ein mehr weibliches Characteristicum darstellt. Nach Klaatsch's bis- herigen Beobachtungen entbehrt der Kinnwinkel, wie es scheint, in der Regel des Vorsprungs und stimmt darin mit dem Befunde der stumpf- oder rechtwinkligen Unterkiefer der ältesten Menschen -Skelette überein, welche wir in Europa finden, der von Spy, La Naulette, Malarnaud usw. Dies ist nicht die einzige Beziehung des Australier- Schädels zu dem Spy-Neauderthal-Typus. wie er durch die Arbeiten von Schwalbe und Klaatsch jetzt als bekannt gewordener ältester der europäischen r Nach A. Penck „Die Eis- Zeiten Australiens". Zeitschr. d. Ges. f. Erdkunde, Berlin 190D, p. 285, lag die seichte Bass- Strasse infolge der allgemeinen tieferen Lage des Meeresspiegels zur quartären Eis -Zeit trocken, womit die Besiedelung Tasmaniens vielleicht in Beziehung zu bringen ist. ;[38 Otto Schoeteksack : Menschheit (im Paläolithicum) als gesichert erscheint. Die mächtigen Tori supraorbitales des Keauderthaler Schädels kehren in abgeschwächter Form sehr allgemein und in einer Gruppe der Australier besonders häufig wieder, welche' Topinard nach den Tasmaniern bezeichnet. Andere Punkte, wie die Kleinheit der Hand der Australier, die wir auch an paläolithischen Skeletten, z. B. an dem im Lyoner Museum befindlichen von Solutre, beobachten, sowie die anfänglich australische Nase des Europäer -Kindes (Ranke, Der Mensch II, 51) wollen wir hier nur bei- läufig erwähnen; sie erfordern eine eingehende Besprechung an anderer Stelle. In körperlicher Hinsicht finden wir keinen Punkt, der gegen, aber mehrere, welche sehr deutlich für die Richtigkeit der Vermuthung sprechen, dass der Mensch von Australien aus seine Verbreitung über die Erde in einer weit zurückliegenden Zeit genommen hat. Die hierdurch postulirten Beziehungen des paläolithischen Menschen zum Australier treten in noch viel deutlicherer Weise hervor, wenn wir die culturelle Seite des Problems ins Auge fassen. Wir sind in diesem Gebiete auf Zusammen- hänge aufmerksam geworden, welche unseres Erachtens sehr eindringlich für die Richtigkeit der hier dargelegten Anschauung sprechen. Wir sehen die Australier und die Paläolithiker Europas im Besitz zweier Jagdgeräthe, welche so specifisch sind, dass man nur schwer eine Erfindung derselben unabhängig an verschiedenen Punkten der Erde annehmen kann; es sind der Wurfstock und der Bumerang (Figg. 1—4, und 5—8). Der Bumerang (der Name missverständlich aus woomera, dem Ausdruck für AVurfstock bei manchen australischen Stämmen entstanden) oder die Kehrwieder-Keule stellt nach Jaehns ein seitlich abgeflachtes, in der Mitte knieartig stumpfwinklig eingebogenes, einem Joch oder Krumm- bügel ähnliches Werkzeug dar, das man auch als flachen Haken bezeichnen könnte und das, etwa 50 cm lang und 5 cm breit, aus schwerem Hartholz hergestellt ist. Der auswärts gebogene Rand sammt der einen Seite ist flach gehalten, während die andere Seite sich wölbt und zuweilen bedeutend erweitert. Diese Keule wird so geworfen, dass sie in der Ebene ihrer Fläche, wie auf der Luft schwimmend, um sich wirbelt, wobei der Schwer- punkt möglichst weit ausserhalb der Drehungsachse liegen muss. Man wirft und trifft damit auf Entfernungen über 100 Fuss. Infolge der Wirbel- beweo-uuff um die Flächenachse kehrt das Geschoss, wenn seine Vorwärts- bewegung durch Luftwiderstand gehemmt und kein Ziel getroffen ist, nach dem Gesetz der Schraube in die alte Bahn und zum Schützen zurück. Wir haben es hier mit einer urajlten Waffe der Menschheit zu thun, die, älter als Pfeil und Bogen, von diesen allmählich verdrängt wurde. Dass aber vordem der Bumerang ein allgemeines Gut der Menschheit war, dafür haben wir prähistorische und historische Beweise. Aus dem Paläo- lithicum Frankreichs und zwar aus der Epoque magdalenienne stammen Die Bedeutung Australiens für die Heranbildung des Menschen. 139 zwei aus Ren-CTeweih geschnitzte, bisher noch nicht gedeutete Gegenstände, welche von Girod und Massenat bei Laugerie- Basse in der Dordogne ausgegraben wurden (Fig. 6 und 8). Dieselben Figg. 1-4. Fig. 1. Wurfstock der Australier nach Ph. P. King. Fig. 2—4. Paläolithische Wurfstöcke. [2 (285) von Gourdan; 3 (258) von Laugerie-Basse: 4 (200) , von Mas-d'Azil.] Die in runden Klammern beigefügten Zahlen beze chuen die Grösse in Millimetern. Figg. 5—8. Fig. 5 und 7. Australische Bumerangs nach Ratzel. Fig. 6 und 8. Paläolithische Bumerangs von Laugerie-Basse [6 (82) und 8 (106)]. gleichen in ihrer Form vollständig den australischen Bumerangs (siehe Fig. 5 und 7); doch sind sie so klein, dass sie wohl mehr als Spielzeug, als zu praktischem Zweck gebraucht wurden. Auf einem von L artet und Christy (Reliquiae Aquitanicae, London 1875, B. IX, 3) abgebildeten 140 Otto Schoetensack: Beiiigeräth von der Dordogne ist ein Ornament von unterbrochenen Bogen- stücken zu sehen, die auffallend an den Bumerang erinnern. Nach Jaehns zeigen assyrische Denkmäler den Bumerang, des- gleichen ägyptische Bildwerke, wo ganze Schaaren von Kriegern damit ausgerüstet sind. Dem Bumerang ähnliche Instrumente sind von Neu- seeland, Neucaledonien, den Neuhebriden, Fidschi -Inseln usw. bekannt. Die Australier sind nun im Besitz eines primitiven Werkzeuges geblieben, das früher weit verbreitet war, und haben es in seiner Eigenart zu verschiedenen Formen ausgebildet. Zu demselben Resultat gelangen wir bezüglich des Wurfstocks, ver- mittels dessen die Eingeborenen dem Speere eine bedeutende Durch- schlagskraft zu geben vermögen. Der Werfende fasst den Speer mit aus.- gestreckter Linken möglichst nahe an der Spitze, die Finger nach oben gerichtet. Mit der Rechten bringt er den 50 — 75 cm langen Wurfstock, und zwar das mit einem kleinen Haken (Känguruh-Zahn) versehene eine Ende, an den leicht ausgehöhlten Speerfuss und schleudert damit, während die Linke den Speer loslässt, die Lanze zum Ziel (Jaehns). Nach Waitz-Gerland ist diese Waffe fast über den ganzen Continent ver- breitet. Nehmen wir die Entstehung derselben in Australien an, so würde uns der Weg der Verbreitung derselben längs der Ostküste Asiens nach Nord- und Süd-America führen, denn sie ist angetroffen worden auf Neu- Guinea, den Palau-Inseln und Marianen, Sachalin, auf den Aleuten, bei den Eskimos und den Indianern von Ecuador; zur Zeit der Entdeckung Americas war sie nach Jaehns in einem Erdabschuitte von 60 Längen- graden von Mexico bis zum Schingü-Strome in Brasilien "im allgemeinen Gebrauch. Wie aber steht es mit der anderen Richtung der Ausstrahlung der Menschheit über Hinter-Indien nach Westen? Auch für diesen Zweig haben wir den Beweis der Benutzung des Wurfstockes und zwar aus dem Paläolithicum. Nachdem A. de Mortillet bereits 1891 einen mit Sculptur versehenen Wurfstock aus Ren-Geweih von Laugerie - Basse richtig gedeutet hatte (wir geben eine Abbildung davon in Fig. 3 nach Lartet und Christy, B. XIX und XX, 1), ist es uns gelungen, das Geräth auch in dem im Erscheinen begriffenen Werke von Ed. Piette, L'art pendant Tage du renne, in 2 vollständig erhaltenen Exemplaren, ebenfalls aus Ren- Geweih, nachzuweisen. Es sind dies unsere Fig. 2 (Piette YIII, 1) und Fig. 4 (Piette LI, 2). Auch der mit einem Haken versehene Gegenstand aus Ren-Geweih von Mas d'Azil (Piette XXX, 2) dürfte hierher gehören, sowie das bei Girod und Massenat XXVI, 2 abgebildete Fragment von Laugerie - Basse, das in Uebereinstimmung mit unserer Fig. 4 als unteres Ende eines Wurfstockes aufzufassen ist. Man beachte übrigens die höchst originelle Art, mit der bei Fig. 2 und 4 der Haken des Wurfstockes motivirt ist; im ersteren Falle bildet er den Zopf eines phantastischen Wesens, im letzteren die Flosse eines fisch- Die Bedeutung Australiens für die Heranbildung- des Menschen. 141 artigen Geschöpfes. Audi diese Stücke mögen mehr als Spielerei gedient haben, während die grösseren, wie bei den Australiern, aus Holz gefertigt wurden. Die Bedeutung dieser offenbar uralten Beziehungen der Paläoli- thiker zu Australien wird erst durch die schon erwähnte negative That- sache in das rechte Licht gesetzt, dass Pfeil und Bogen nicht nach Australien gedrungen sind und dass dieselben in anderen Ländern verhältnissmässig spät die primitiven Jagdgeräthe der älteren Stein-Zeit verdrängt haben. Für das Fehlen von Pfeil und Bogen kann man hier keineswegs, wie auf manchen polynesischen Liseln, den Mangel an jagdbarem Wild verantwortlich machen, es bleibt vielmehr nur die eine Deutung: Der von Australien sich verbreitende Mensch kannte Pfeil und Bogen noch nicht'); als dann diese Erfindung in einer anderen Zone gemacht wurde, blieb die Urheimath des Menschen davon unberührt. Gleich bedeutungsvoll ist die Thatsache, dass die Tasmanier weder Wurfstock noch Bumerang kannten; sie hatten sich offenbar vor der Erfindung derselben bereits von den Uraustralieru ge- trennt, wie sie denn auch die primitivsten Merkmale des Körpers haben. Nur die überaus günstigen Bedingungen der leichtesten Jagd -Erbeutung auf Tasmanien lassen es begreiflich erscheinen, dass dieser Rest mensch- lichen Urstammes sich auf solch niedriger Culturstufe bis zur Ankunft der Weissen erhalten konnte. Zu diesen Momenten, die uns zur Ueberzeugung von der Ursprünglich- keit der australischen Cultur drängen, gesellen sich noch andere. Der Australier lebte vor dem Eindringen der europäischen Cultur in der Stein- Zeit und zwar nicht im Neolithicum, sondern im Palae olithicum. Die Kunst, die Steinwerkzeuge regelrecht durch Schleifen her- zustellen, ist nicht zu ihm gedrungen^), trotzdem dass sie die Inseln des Malayischen Archipels erreichte, wie zahlreiche dort aufgefundene prähistorische Steingeräthe beweisen, die den neolithischen Typen Europas ausserordentlich gleichen. Die Stein-Listrumente der Australier sind noch heute von der rohesten Art; insbesondere ihre Silex-Geräthe, sowie auch diejenigen der Tasmanier entsprachen zum Theil noch den ältesten paläolithischen, die, wie man annimmt, mit der blossen Hand geführt wurden (R. Brough Sniyth I, 358, und H, 404). Ebensowenig ist die Kunst der Töpferei zum Australier gelangt, die wir bei uns mit dem Neolithicum auftreten sehen. Yon sehr primitiven Werkzeugen treffen wir beim Australier den Klang stock, Hölzer, die gegen die Brust gestemmt und mit anderen geschlagen werden; sie verursachen die den berühmten Korrobori-Tanz 1) Selbst die primitiven Weddas haben Pfeil und Bogen und erheben sich darin über die Australier! 2) Den aufgelesenen oder zugeschlagenen Steinen wird höchstens durch Reiben eine schärfere Kante verliehen. 142 Otto Schoetensack: begleitende Musik. Ferner den Grabestock, mit dem die Frauen die Wurzeln aus der Erde graben; er findet sich bei Buschmännern und Weddas wieder. Flache Klopfsteiue erinnern an die entsprechenden häufigen Funde in steinzeitlichen Niederlassungen. Auch die ganze Entwicklung der Bauweise lässt sich, wie Frobenius gezeigt hat, von den ersten Anfängen an in Australien verfolgen. Der aus Zweigen, Rinde, Erdbeschüttung hergestellte Wetter schirm befindet sich neben der daraus entstandenen Kegelhütte, dem Kegel, der Halbtonne und dem Giebeldach. Schiffbau und Fischerei verrathen sehr primitive und paläolithische Merkmale. Rindenstücke, trogartig aufgebogen uud mit Querhölzern aus- einandergesperrt, sind die ersten Boote gewesen, die nur von guten Schwimmern benutzt werden konnten, als welche die Australier wie die meisten Naturvölker bekannt sind. Die australischen Harpunen mit ab- lösbarer Spitze erinnern ungemein an die in den paläolithischen Nieder- lassungen der Epoque magdalenienne aufgefundenen, wi^ie sie ja noch bei den Polar -Völkern anzutreffen sind. Möglieb, dass der Fang der oft über 150 kg schweren Meeres-Schildkröten dem Australier die Veranlassung zur Erfindung dieses Instrumentes gab, ohne welches diesen Thieren nicht bei- zukommen ist, wenn Netze fehlen. — Für die Erfindung der Feuer-Erzeugung, wovon noch die ein- fachsten Formen in Australien zu beobachten sind, bot dieser Continent so günstige Bedingungen, wie wenig andere Länder der Erde. Man ver- gegenwärtige sich die entsetzliche Dürre in einigen Gegenden. Auf Grund der Masseaerfahrung, dass sich beim Bearbeiten von Werkzeugen rauchen- der Staub ablöst (K. v. d. Steinen^), erfand man hier verhältnissmässig leicht Methoden, dem völlig ausgedörrten Holz Feuer zu entlocken. Auch sind Blitzschläge so ausserordentlich häufig, uud im Gefolge derselben Grasbrände, die auf weiter Fläche angebratene Thier-Cadaver hinterlassen, dass der Gedanke, selbst Feuer zu erzeugen, um mit Hilfe desselben die Jagd auszuüben oder doch das Fleisch des eidegten Wildes schmack- hafter zu machen, leicht enstehen konnte. Als Beweise für die Primitivität der Australier müssen ferner gewisse Erscheinungen ihres Sexual-Eebens gelten. Ploss betont, dass die Con- centrirung der Geschlechtsthätigkeit auf eine bestinmite Jahreszeit beim Austi'alier noch an den thierischen Zustand erinnert; auf der anderen Seite finden wir in Australien sexuelle Einrichtungen, die eine grosse Verbreitung über die Erde gefunden haben. Die Beschneidung des männ- lichen Gliedes ist eine Gewohnheit, welche nach R. Andree etwa 200 Millionen Menschen eigen ist. Weite Gebiete Africas, ein Theil der Balkan-Halbinsel, Klein -Asien, Iran, Turan, ein Theil Indiens, gewisse 1) Vergl. A. Vierkaudt, Die EntstehungsgrQnde neuer Sitten, Braunschweig 1897. Die Bedeutung Australiens für die Heranbildung des Menschen. 143 Punkte Melanesiens, und selbst einzelne Gebiete Americas zeigen diese Sitte, deren Bedeutung ebenso wie die Ausführung verschiedenen Möglich- keiten entspricht. Ausser der einfachen Circunicisio und partieller Ent- fernung des Präi)utiunis finden sich bei den Australiern weitgehende Ver- stümmelungen des Gliedes, namentlich Spaltung der Harnröhre von unten her. Der Sinn solcher Operation ist Behinderung der Conception. Wie alt diese Manipulationen sein müssen, gellt aus dem bei Girod und Massenat, PI. I, 3, abgebildeten Funde hervor, einen aus Ren-Geweih geschnitzten Doppel-Phallus mit eigenthümlichen Einschnitten darstellend, aus Laugerie- Basse. Der Paläolithiker der Dordogne, welcher diese Sculptur fertigte, muss entsprechende Yorbilder besessen haben. Es ergiebt sich hier also wieder ein Anklang paläolithischer Zeugnisse an die Zu- stände der jetzigen Naturmenschen, speciell der Australier. Dass zu diesen die auf ilireni Contiuent verbreitete Beschneidung, bezw. Verstümmelung „Mika- Operation" (mit einem Steinmesser von dem Mousterien- Typus) von aussen gebracht worden sei , ist bei den Beweisen für ihre Ab- geschlossenheit schwer zu begreifen; andererseits ist es auch nicht gerade wahrscheinlich, dass diese Sitten, bezw. Unsitten mehrererseits unabhängig von einander an verschiedenen Punkten erfunden sein sollten. Das nomadisirende Leben des Beutelthier - Jägers machte eine Be- schränkung der Kinderzahl nothwendig; so mag die Noth an Stelle des Kindesmordes dies Präventiv-Mittel gelehrt haben, das dann anderswo in abgeschwächter Form ohne den ursprünglichen Sinn fortbestand. Bekannt- lich blieb z. B. bei den Juden für die Beschneidung das Stein-Instrument lange im Gebrauch, worin ein Beweis für das hohe Alter derselben er- blickt werden darf. Die Parallele zwischen den Paläolithikern Süd -Frankreichs und den jetzigen Australiern gewinnt an Anschaulichkeit durch den Hinweis der Beiden gemeinsamen Fähigkeit lebenswahrer Zeichnungen von Jagd- Ereignissen, Thieren und Menschen. Die von Smyth u. A. veröffentlichten Felsen- und Rinden -Zeichnungen der jiustralier reihen sich in ihrer Natürlichkeit der Beobachtung und Sicherheit der Strichführung den neuer- dings von F. Daleau bei Marcamps in der Gironde entdeckten Thier- Zeichnungen aus der Epoque solutreenne und den sonst zahlreich aus der Epoque magdalenienne bekannt gewordenen an. Bereits E. Virchow (Zeitschrift für Ethnologie 1882, 34) machte auf die Analogie zwischen der Form' australischer Boten stäbe und falz- beinartiger Geräthe der Paläolithiker am Bodensee aufmerksam. Inzwischen sind durch Girod und Massenat, Taf. VI, Fig. 2—9 und 14 derartige Gegenstände aus Knochen von Laugerie-Basse (Dordogne) bekannt -geworden, die eigenartige Eitz- Zeichnungen aufweisen, welche in ihrem ganzen Charakter und auch in einzelnen Figuren (aneinandergelegte Ehomben, längere Streifen, bogen- oder blattförmige Gebilde) an die 144 Otto Schoetensack : Oravirungeu auf den australischen Botenstäben erinnern. Durch P. und F. Sarasin ist bekannt geworden, dass auch die Weddas früher eiue solche Art der Correspondenz-Yermittelung" zwischen verschiedenen Stämmen besessen haben müssen. Es scheint also hier ein uralter Brauch vorzu- liegen, der sich allein bei den Australiern in seiner Ursprünglichkeit er- halten hat und, wie wir anzunehmen geneigt sind, von dort aus auf die übrige Menschheit überging. Das Zählvermögen der Australier steht bekanntlich auf sehr niederer Stufe. Es reicht nur bis 5, und was darüber ist, wird als Menge be- zeichnet. Der Australier kann bei grösseren Zahlen eines Kerbholzes nicht entbehren, um z. B. ein jedes Beutestück durch einen Strich zu identificiren. Wir werden hierbei unwillkürlich an die mit regelmässigen Strichen versehenen Rengeweih -Stücke aus dem Paläolithicum erinnert, z. B. an jene von Schussenried, welche O. Fraas direct als Kerbholz, als eine Art Notizbuch, ansprach. Als eine nothwendige Consequenz der eigenthümlichen Wechsel- beziehungen, in welche Mensch und Hund zu einander in Australien durch die besonderen Umstände gebracht wurden, erscheint es, dass auch der ausserhalb Australiens sich verbreitende Mensch zu dem primitiven Carni- vorengeschlechte der Caniden in einem besonderen Verhältniss blieb. Unsere Auffassung von der Bedeutung- Australiens für den Menschen giebt uns den bisher niemals auch nur gesuchten Schlüssel für das Verständniss der Factoren, welche Hund und Mensch so eng aneinander schlössen. Für die weitere Entwicklung dieser Beziehung ausserhalb Australiens sind wir nicht nothwendigerweise an die Annahme gebunden, dass' der australische Jäger den ungefügigen Dingo nach Asien mitgenommen habe; es genügt der aus der Heim^ith übernommene Antrieb, junge Caniden zu züchten und ihre Zähmung zu versuchen; Gegenstand dieses Ver- suches mögen verschiedene Species gewesen sein, die der Mensch in den neuen Grebieten seiner Jagd und Eroberung vorfand. In diesen, im Kampfe mit einer gewaltigen Thierwelt, waren aber der Jäger und sein Begleiter in einer ganz anderen Weise auf einander augewiesen, als in der Beutelthier- Umgebung; so mag sich die viel stärkere Anpassung des Hundes an den Menschen, weil durch die Noth geboten, erklären. Auch dies setzt eine lange und mühsame Entwicklung voraus, und es ist daher nicht zu verwundern, dass wir den Paläolithiker Europas noch nicht in einer gesicherten Herrschaft über den Hund autreffen. Wenigstens haben wir bisher keine ganz unzweifelhaften diluvialen Reste paläarktischer Hunde, die uns denselben als treuen Begleiter des Menschen zeigten. Dies ist erst in den nordischen Muschelhaufen (Kjökkenmöddinge) und im Neolithicum des übrigen Europas der Fall. Allerdings sind nach G. und A. de Mortillet in paläolithischen Niederlassungen Frankreichs Hunde- Knochen gefunden, die sich dem Canis familiaris nähern. Auch fehlt es nicht Die Bedeutuns^ Australiens für die Heranltildung des Menschen. 145 an Versuchen, von diluvialen Caniden einige unserer Hunderassen ab- zuleiten, so vom diluvi alen Canis Mikii Woldricli den prähistorischen C. palustris Rütini. und Canis fam. ladogensis Anutschin, von diesen wiederum unsere Wachtelhunde, vielleicht auch den „verwilderten" Hund Syriens, den Cane bracco Italiens, sowie die nordsibirischen und nordwestamerikanischen Haushunde. Vom diluvialen Canis inter- medius leitet Woldrich den Schäferhund, vom diluvialen Lupus Suessii (Woldrich) doggen artige Rassen ab. Die Einzelheiten dieser noch zum Theil problematischen Beziehungen sind hier weniger wichtig, als das Resultat, dass diese nordischen Hunde mit dem Dingo in keinen directen Zusammenhang gebracht werden können. Dies ist hingegen für manche südlichen Hunde sehr wohl mögUch. Wie uns Herr Prof. S tu der gütigst mittheilt, hält er den Dingo für „eine primitive Form des Paria-Hundes", der seinerseits „die Stammform der verschiedenen südlichen Hunderassen darstellt". Als Ausbreitungsregion der letzteren giebt Studer an: Australien, Sunda-Inseln, Süd- Asien und Africa — also die Grebiete, welche nach unserer Auffassung den nächsten Verbreitungsbezirk des Menschen von Australien darstellten. — Der Gedanke, zur Erklärung gewisser uralter Einrichtungen und Besitzthümer des Menschen ein specifisch australisches Milieu herau- zuziehen, hat sich uns beim weiteren Fortschreiten auf dem einmal ein- geschlagenen Wege immer aufs Neue als fruchtbar erwiesen, — ja es haben sich hierbei von dem neuen Standpunkte aus wieder neue Per- spectiven eröffnet, die hier nur angedeutet werden können. Einer dieser Punkte betrifft das Tragen der Kinder in einem Fell-Beutel, wie es in Australien geübt wird ^). R. Brough Smyth be- richtet uns darüber, dass die Frauen Victorias stets bei der Arbeit die Kleinen auf dem Rücken tragen in einem Sack, der aus der Haut des Bentel-Thieres hergestellt ist. Vergegenwärtigen wir uns, dass der Ur- australier seine Kleidung aus den Fellen der erlegten Thiere gewann, wie es der Paläolithiker that, so verstehen wir, dass beim Ausnehmen grösserer Marsupialier die Aufmerksamkeit sich auf den Einschluss der Jungen im Beutel der Bauchhaut lenken und die Frauen auf den Ge- danken bringen musste, ihrerseits die Kinder ebenso zu tragen. Es konnte sogar unmittelbar der ausgeschnittene, recht geräumige Beutel eines Kän- gurus dazu verwerthet werden. Dieser erste „Tragsack" legte den Grund zum Begriff persönlichen Eigenthums. Seine Verwendung zur Aufnahme der aufgefundenen und anf den Wanderungen nöthigen Utensilien (Waitz- Gerland VI, 740), als Klopfsteine, scharfe Muschelschaalen, Steinmesser, Lanzenspitzen und Material dazu, Känguru - Sehnen und Nadeln aus 1) Merkwürdiger Weise hielten es die Eingeborenen von Neusüdwales nicht für schicklich, ihre kleinen Kinder ganz nackt gehen zu lassen, obgleich sie selbst völlig un- bekleidet waren (D'Urville, Vojage de PAstrolabe I, 471). 146 Otto Schoetensace: Känguru-Knochen, Wurzeln, eine Art von Schwamm, Fett, etwas Schmuck, rother Thon zum Anmalen usw., — war eine nothwendige Consequenz. und wenn auch später aus jedem beliebigen Stück Fell der Behälter aller beweglichen Habe hergestellt wurde: die indirecte, ideelle Anknüpfung an das Marsupium blieb bestehen. Es liegt ferner nahe anzunehmen, dass letzteres auch zur Mitführung von Flüssigkeiten verwendet und zur Aus- gangsform des Trinkschlauches wurde, den Eyre bei Australiern beschreibt und der weithin in die historische Zeit bei Culturvölkern eine sehr allge- meine Verbreitung besass. Vielleicht ist die Methode des Tragsacks nicht ohne Einfluss auf die Körperbeschaffenheit des Kindes geblieben, indem dadurch die Enthaarung manches Körpertheils begünstigt wurde, dessen Haarverlust durch das Princip der sexuellen Zuchtwahl ganz unerklärt bleibt; wir meinen den der Beutelwaudung angepressten Rücken. Nach den bisher geltenden Anschauungen, wie sie Darwin begründet hat, müsste die Enthaarung vom Bauch ausgegangen s^n; wie aber der Rücken zu diesem Schicksal kam, war unverständlich. — Wir werden hiermit auf die Frage der Ausprägung der eigentlich menschlichen Körper- merkmale geführt, als deren wichtigste der völlig aufrechte Gang und der Besitz der „grossen" Zehe erscheinen. Vermag unsere hier vorgelegte Anschauungsweise etwas zur Erklärung derselben beizuti-agen? . . . Wir sind der Prüfung dieser Frage gemeinsam mit Prof. Klaatsch näher ge- treten; letzterer ist geneigt, den eigenartigen Bewegungs- Gewohn- heiten, mit deren Verbreitung bei Australiern und anderen Naturvölkern wir ihn bekannt machten, eine nicht geringe Bedeutung für die Erklärung der Besonderheit des menschlichen Körpers gegenüber derjenigen bei den anderen Primaten beizumessen. Die jetzigen Australier haben noch in sehr ausgedehnter Weise die Gewohnheit, hohe Baumstämme zu erklettern, und zwar wenig ver- zweigte und darunter solche von sehr bedeutender Dicke. — Die Gründe hierfür sind für die Gegenwart einleuchtend und sind es für frühere Zeiten in noch viel höherem Maasse. — Die hohen Bäume Australiens, worunter die Eukaly])ten namentlich im Westen und Süden eine hervorragende Stelle einnehmen, sind der Aufenthalt baumlebender Beutel -Thiere, der Phalangista, Phascolarctus, Petaurista usw. Sie konnten ohne Schwierigkeit getödtet werden, wenn die Höhe erreicht war; ferner kommen als Beute Vogelnester und ganz besonders der Honig in Betracht. Die Stachel- losigkeit der australischen Biene begünstigt die in der Oekonomie der Australier ebenso wie in derjenigen anderer Naturvölker (z. B. Weddas) und auch vieler alter Culturvölker eine sehr grosse Rolle spielende Honig- Nahrung. Wir meinen, dass die übrigen Menschen weniger leicht sich in den Kampf mit den stechlustigen Bienen gewagt hätten, wenn ihre Vor- fahren sich den Brauch nicht unter günstigeren Bedingungen erworben Die Bedeutmio- Australions für die Heranbilduno: des Menschen. 147 hätten. Der Honig ist für die Australier ein wichtiger Theil der Nahrung, sie vertilgen ihn nach Lumholtz in „enormen" Quantitäten. „Das Waolis wird sowohl als Bindemittel hei Anfertigung verschiedener Geräthschaften, wie auch als Pomade für ihren Haarputz bei Festlichkeiten benutzt." Die Methode des Kletterns ist Verschiedenheiten und Vervollkomm- nungen unterworfen, wobei Hülfswerkzeuge in Verwendung kommen. Im einfachsten Falle, bei wenig umfangreichen Bäumen, schlingt der Ein- geborene die Hände um den Stamm, schiebt die Füsse unter den Bauch, sie gegen den Baum anstemmend, und hüpft ruckweise, die gefalteten Hände jedesmal höher werfend, wie ein Laubfrosch empor. Ist der Baum sehr dick, so wird aus Zweigen oder aus einem Stück der australischen Fig. 9. Klettern mittels des „Kamin" genannten Seiles. Rohrpalme (Calamus australis) eine Art von Seil oder Peitsche gefertigt, 5 — 6 m lang, welche als „Kamin" bezeichnet wird. „Auf dem einen Ende wird ein Knoten geschlagen, das andere bleibt frei" (Lumholtz). Indem die Linke den Knoten fasst, wird der Kamin um den mächtigen Stamm geworfen und die Rechte ergreift das freie Ende. „Der rechte Fuss wird gegen den Baum gestemmt, die Arme werden vorwärts gestreckt, der Körper biegt sich nach hinten, damit er nicht unmittelbar den Baum be- rührt, und nun beginnt der Aufstieg" (Fig. 9^). Der Kamin wird ruck- 1) Diese Figur ist mit gütiger Erlaubniss der Rieht er 'sehen Verlags -Buchhandlung dem Werke von K. Lumholtz: „Unter Menschenfressern, eine vierjährige Reise in Australien", Hamburg 1892, entnommen. 148 Otto Schoetensack: weise iu die Höhe g-esehleudert. Ebenso geschieht der Abstieg leicht. Als Unterstützung beim Erklettern besonders grosser und glattrindiger Baumstämme dienen Stein-Instrumente. Mit ihnen werden — indem der Kamin einstweilen am rechten Schenkel befestigt wird — Kerben oder besser Stufen in die Rinde geschlagen, in welche die grosse Zehe eingesetzt wird (Smyth I, 150). Hierdurch sowohl als auch beim ein- fachen Klettern (s. Fig. 10 und 11) wird der Fuss in einer ganz besonderen Weise in Anspruch genommen. Nach der Ansicht von Prof. Klaatsch kann dieser Kletter-Mechanismus, der von dem aller anderen Primaten, speciell der Anthropoiden abweicht, zur Erklärung der charakteristischen Fiff. 10. Einfaches Klettern. Gestaltung des Menschenfusses beigetragen haben. Die mächtige Ent- faltung der ersten Zehe auf Kosten ihrer Oppositionsfähigkeit und die Ausbildung des Fussgewölbes kann weder durch die Bewegungsweise eines der Anthropoiden, noch durch den „aufrechten Gang'' erklärt werden. Letzterer als solcher hätte mittlere oder die mittelste Zehe erstarken lassen, aber nicht die innerste, die übrigens bei allen Aßen eine Tendenz zur Verkürzung zeigt. Hingegen wird die Gestaltung des Fusses zu einer Art von Saugnapf mit kräftigstem inneren Druck- und Abrollungs- punkt durch das Klettern auf hohe und glatte Baumstämme (auch bereits ohne Kamin und Steinbeil) verständlich. Dabei ist zu bemerken, dass Männer, Weiber und Kinder gleichmässig diese Bewegungen ausführten, Die Bedeutung Australiens für die Heranbildune; des Menschen. 149 deren beständige, sieh über weite Zeiträume erstreckende Ausübung nicht ohne Einfiuss auf den Vorfahren des Menschen geblieben sein kann^). Die weitere Ausführung dieser Ueberlegungen, die erst in Verbindung mit anderen Thatsachen der vergleichenden Anatomie, der Embryologie und der Betrachtung fossiler Menschenreste ihre volle Bedeutung — auch für die Gestaltung des menschlicheTi Kumpfes, der Kichtung der Wirbelsäule, Kopfhaltung usw. erlangen, müssen wir Prof. Klaatsch überlassen. Hin- gegen wollen wir eine Consequenz aus unseren Betrachtungen schon hier ziehen, welche für die Deutung der ältesten bekannten Feuerstein- Instrumente von Wichtigkeit ist. Es sind dies jene mandelförmigen, Fig. 11. 1^ Einschlagen von KlettiTstufcn mittels eines Stein -Instrumentes. roh behauenen ,.Feuerstein-Dolche", welche in der Regel ein spitzes und ein abgerundetes Ende und zwei zugeschärfte Kanten zeigen. Die jetzt allgemein giltige Auffassung der Chelleen-ßeile, welche den Typus der Epoque chelleenne, der ältesten Cultur-Periode des Paläolithicums, dar- stellen, ist die von de Mortillet vertretene, wonach es sich um Universal- Instrumente primitiver Art handelt. Wenn wir auch die vielseitige Be- 1) Schon Abel Tasman fielen bei dem Besuch der nach ihm benannten Insel (1612) die zahlreichen in die Baumstämme gehauenen Stufen auf. Es ist wahrscheinlich, dass diese einer Leiter gleich zum Auf- und Abstieg dienten, so oft man dies für wünschens- werth hielt. Zeitschrift für Ethnologie. Jahrg. 1901. 11 150 Otto Schoetensack: nutzung derselben, als Messer, Säge, Dolch, Schaber usw., uicht in Abrede stellen wollen, so glauben wir doch, dass ihnen daneben eine speciellere Aufgabe zukam, aus welcher sich ihre weite Verbreitung in der ältesten paläolithischen Epoche und ihr Verschwinden in der folgenden erklärt. Die Chelleen-Beile erinnern in mancher Hinsicht an die von den Australiern zu Kletter-Zwecken benutzten Steiustücke. Wie letztere, verschieden an Grösse, zum Theil mit der Hand geführt, zum Theil in einen Stiel gefasst werden, so ist es auch für die paläolithischen Silex- Werkzeuge wahr- scheinlich, dass sie theils mit, theils ohne Stiel zur Verwendung kamen*). Die gestielten Steinmesser, bezw. Beile werden von den Australiern beim Erklimmen der Baumstämme zum Verankern mit der Hand benutzt (Fig. 11^); ähnlich können sehr wohl die entsprechenden kleineren Chelleen- Beile gebraucht worden sein, während die grösseren in vorzüglichster Weise geeignet scheinen, um einen dem inneren Fussrand entsprechenden Einschnitt in die Rinde zu sägen, nachdem mit der Spitze zuvor ein Loch an der betreifenden Stelle angebracht worden war. Form und Grösse vieler solcher Steinbeile aus dem französischen Paläolithicum erinnern im Umriss und in den Dimensionen an den menschlichen Fuss. — Das Ver- schwinden des Instrumentes ist mit der Aenderung des Klimas in Beziehung zu bringen; es ti'at an Bedeutung zurück mit der Reduction und dem localen völligen Schwund^) der reichen Vegetation der Prä- glacial- und ersten Interglacial-Perioden. Wir setzen voraus, dass der Mensch bei seiner Verbreitung über die Erde die Kletter-Gewohnheit zunächst beibehielt und dass diese sich eine weitgehende ökonomische Bedeutung bewahrte, noch mehr vielleicht, dass sie an Bedeutung in neuer Hinsicht gewann. Nicht nur für die Honig - Gewinnung und für die Jagd auf Baumthiere (Vögel und Inhalt der Nester, in Süd-Indien und auf den Suuda-Inseln:*) der Binturong; in Asien, Europa, America: Affen, Sciuriden usw.), sondern 1) In dieser Hinsicht scheinen uns die durch Harzklumpen, welche über Feuer weicli gemacht werden, und Holz hergestellten Griffe und Stiele der Stein -Instrumente der Australier geradezu den Schlüssel zu bieten für- die uns bisher so unklar gebliebene Hand- habung der paläolithischen Feuerstein- Geräthe. Ein Blick auf das bei Lumholtz Fig. 22 abgebildete Flintsteiu-Messer düi-fte zur Erklärung des Gesagten genügen. 2) In diesem Falle vertritt ein Eisenbeil die Stelle des alten Stein-Instrumentes. 3) Dieser verursachte nach G. Brandes wahrscheinlich auch die für die Existenz der Art schliesslich verhängnissvolle starke Krümmung der Stosszähne des Mammuths, dessen Vorgänger in wärmeren Perioden noch reichlich Gelegenheit hatten, beim Abbrechen der Zweige des Urwalds die Schneidezähne abzunutzen. 4) Als Jagdthiere der Bewohner der an der Westküste von Sumatra gelegenen Mentawei-Inseln werden von C. M. Pleyte „Die Mentawei- Inseln und ihre Bewohner, Globus 3, I, 1901" angeführt: Hirsche, Schweine, Affen, Eichhörnchen, Fledermäuse und alle grösseren Vögel, die hier mit Pfeil und Bogen erlegt werden Ueber dem Hanpteingange der Hütten werden öfter Unterkiefer von Affen und Schweinen aufgehängt als Jagd- und Schmaus-Trophäen. Die Be(leutuud Sprachen auch mit Antheil hätten an diesen verwandtschaftlichen Beziehungen. Nein, sondern obgleich Balint auch für die übrigen altaischen Völker und Sprachen eine entferntere Verwandtschaft mit dem dravidischen Völker- und Sprachen -Kreise gelten lässt, ist ihm doch nur das Magyarische eine wirklich dravidische Sprache. So auffallend, ja absurd das im ersten Augenblick erscheinen mag, ist doch vornehmes Ignoriren der ganzen Hypothese von vornherein, wie das vielfach geschehen ist, nicht am Platze. Es wird sich vielmehr darum handeln, festzustellen, inwieweit Balint vielleicht der Wahrheit nahe kommt, wenn wir auch allerdings das finnische Magyarisch nie als tamulisch ansehen können. Jedenfalls zeugt der ge- waltige Apparat, den er vor uns aufführt, von vieljährigen, zum Theil auch tiefeindringenden Studien und bietet des Neuen und Treffenden genug. Caldwell, gewissermaassen Bälint's Vorgänger, soll hier nicht ein- gehender behandelt werden, weil er keineswegs wie Balint gerade das Magyarische in nahe Beziehungen zu den dravidischen Sprachen bringen will, sondern überhaupt einen genealogischen Zusammenhang zwischen den (ural-) altaischeu und den dravidischen Sprachen annimmt; dabei will er besonders grosse Uebereinstiinmung zwischen dem finnischen Zweige des Altaischen und dem Dravidischen finden: eine Ansicht, die sich jeden- falls hören liesse, wenn sie mit besseren Gründen vertheidigt würde, als das der gründliche Erforscher der dravidischen Sprachen thut, da er that- sächlich die finnischen wie die übrigen altaischen Sprachen nur ganz oberflächlich kennt, wie seine ganze Darstellung deutlich zeigt. Also er ist weit entfernt davon, das Finnische oder das Gesammtaltaische für dravidisch zu halten, am allerwenigsten aber sieht er im Magyarischen einen dravidischen Dialekt oder hält er das Tamulische für die Mutter des Magyarischen. Das Fiinieiitluim der Magyaren. Ißl Auch Hodg'soii denkt bei seinem Versuch, das Altaische mit mono- syllabischen, nichtarisch-indischen . . . Sprachen zu vermitteln, nicht an das Magyarische im Besonderen, er arbeitet im Sinne des Max Müller'schen, glücklich überwundenen Turanismus. Er scheidet somit hier aus, ebenso wie viele andere, welche in Dilettantenweise die altaischen Sprachen als Sprachstanim bald mit verschiedenen süd-, ost- oder uord-asiatischen, bald mit amerikanischen Sprach -Stämmen, mit dem Sumerischen, Elamischen, dem Baskischen, Indogermanischen verknüpfen wollten und noch wollen. Dass genealogische Zusammenhänge zwischen den dravidischen und den altaischen Völkern und Sprachen bestehen, ist möglich und durch ßiil int's Ausführungen fast wahrscheinlich gemacht worden. Es ist sogar möglich, wenn auch unwahrscheinlich, dass die dravidischen Völker und Sprachen hierbei am ehesten nähere Berührungspunkte mit dem finnischen Zweige der altaischen Völkerwelt zeigen. Durchaus verfehlt aber ist es, die Magyaren ethnologisch und linguistisch von den anderen finnischen Gruppen trennen zu wollen. Die Magyaren sind ethnologisch und lin- guistisch ein Glied der finnischen Völkerfamilie; in beiden Beziehungen gehören sie zu dem ostfinnischen Zweige, welchem nach meiner Ueber- zeugung ausser den Ugriern, den Ostjaken und Wogulen auch die früh nach Westen versprengten Lappen, sowie als Uebergangsglied die Permier, die Syrjänen und Wotjaken angehören. Ethnologisch und anthropologisch ist die Zugehörigkeit der Magyaren zum ostfinnischen Theile theilweise anscheinend noch klarer als linguistisch. Es ist das fast unglaublich bei den wechselnden Schicksalen der Magyaren, bei Berücksichtigung ihrer Lebensverhältnisse aber doch erklärlich; doch meine ich hiermit nur die Urmagyaren, d. h. das Volk, welches vor 1000 Jahren in compacter Masse in Ungarn sich ansiedelte, sowie dessen directe und fast unvermischt ge- bliebene Nachkommen, den Grundstock der reinen, nicht kumanisirten, magyarischen Alföld-Bevölkerung. Diese Alföld-Bevölkeruug ist, wo nicht in geringem Procentsatz kumanisches Blut hinzugekommen ist, dasselbe A^olk wie die Magyaren bei ihrer Eiuw^anderung. Anders steht es mit der magyarischen Bevölkerung im Norden und Nordosten, im Osten, sowie im Westen des Donau -Theiss- Tieflandes. Dieses Mischvolk hat, abgesehen von den aufgesogenen Residua der Hunnen, Avaren und anderer in die Gebirge geflohenen Volksreste wohl meist altaischer Rasse, sich die tür- kischen Petschenegen und Palöczen und andere nicht unbeträchtliche, diesen mehr oder weniger homogene Volksreste assimilirt und ist ausserdem zahl- lose Kreuzungen mit Slaven aller Art, Rumänen, Italienern, Deutschen eingegangen. Nach Allem, was wir von den alten Magyaren vor der Einwanderung wissen, haben die einzelnen Stämme dieses Halbnomaden -Volkes ebenso abgeschlossen für sich gelebt, wie das die magyarische Alföld-Bevölkerung bis in unsere Tage nachweisbar gethau hat; und selbst da, wo z. B. türkische 162 H. Winklkr: Yolks -Elemente bei diesen Urmagyaren eine bedeutsame Rolle gespielt haben, scheinen sie ausserhalb des eigentlichen Magyaren -Volkes gestanden zu haben; so erklärt sich die verhältnissmässige Reinheit des finnischen Typus der eigentlichen Magyaren. Jedenfalls ist Yämbery's Türken- Theorie in jeder Beziehung unhaltbar und durch die klaren Thatsachen zu widerlegen, sowohl sprachlich als auch ethnologisch und anthropologisch; aber die ausschlaggebenden Thatsachen ignorirt er mit virtuoser Fertigkeit und bauscht das scheinbar für ihn Sprechende ungemessen auf. Im an- thropologischen Sinne kennt er überhaupt die Alföld- Bevölkerung gar nicht. Kein vorurtheilsfreier Mensch, welcher den finnischen Typus körperlich einigermaassen kennt und ebenso einige Kenntniss von den mannigfaltigen Formen der türkischen Rasse hat, kann die magyarische Alföld-Bevölkerung vom Finnenthum trennen und auch nur annähernd in Beziehung zum Türken- thum bringen. Darum aber meine ich keineswegs, dass dieser magyarische Zweig der finnischen Völkergruppe während seiner SondereJtistenz ganz un- beeinflusst geblieben sei. Im Gegentheil, ich nehme, wie angedeutet wurde, s-anz bestimmte Einflüsse an und kann sie theilweise nachweisen. Die Sprache und gewisse nicht misszudeutende Erscheinungen des äusseren Lebens zeigen mir den Weg. Abgesehen von den unverkennbaren Be- ziehungen zum Türkenthmn finde und behaupte ich, und nicht zuerst, bedeutsame Einwirkungen der iranischen Culturwelt auf das Magyarenthum, ebenso aber solche des mongolischen Kreises. Das führt uns aber mit ziemlicher Sicherheit in die Gegenden südlich, südöstlich oder östlich vom Kaspischen Meere. Damit sind wir bei der Möglichkeit der Annahme dravidischer Einwirkungen augelangt. Wie weit die Magyaren nach ihrer Loslösung von den finnischen Verwandten auf ihren vielleicht vielhundertjährigen Wanderungen nach Osten gelangt sind, wissen wir nicht. Ebenso wenig wissen wir, wie weit dravidische Stämme nach Westen gelangt sind. Es ist aber möglich, ja nach der Ansicht eines hervor- ragenden Forschers auf dem Gebiete der altiranischen Culturwelt, sowie des Flämischen, Georg Hüsing's, sogar wahrscheinlich, dass dravidische Völker bis tief im Innern Irans gesessen haben ^); wie weit nördlich vom eigentlichen Iran nach dem Kaspischen Meer und namentlich dem Aralsee zu, muss vorläufig dahingestellt bleiben. Jedenfalls war die Gegend östlich vom Kaspischen Meer und südlich vom Aralsee diejenige, wo am ehesten das Steppenvolk der Magyaren — denn ein solches ist. es gewesen — die Einwirkungen der genannten 4 Culturkreise erfahren konnte, die des uigurisch-türkischen, des mongolischen, des iranischen und des dravidischen. Ueberdies spricht für einen langen Aufenthalt in diesen Gegenden der 1) Mir beweisen die Zahlwörter- Formen des Brahui und zum Tlieil des Oraon, dass eine tiefe Beeinflussung dravidischer Sprachen durch sogar westlich iranische Idiome stattgefunden hat; cf. tsär, pandX, sas, haft, hast, nuh, dah . . . Das Finnonthum der Magyaren. 163 mächtige Einfluss, den augensclieiiilich die uigurische Ciiltur auf das Magyarenthiim ausgeübt hat. Nur so kann ich mir die Beziehungen zwischen Magyarisch und Dravidisch erklären, welche ich nach Bälint's Arbeit nicht leugnen kann. Aber gerade diese Arbeit selbst zeigt, dass Balint auf falscher Fährte ist und in seiuer blinden Voreingenommenheit Wahrheit und Dichtung wunderbar mischt, auch in die an seinen Gegnern gerügten Fehler in viel bedenklicherer Weise verfällt als diese. Auch mit Kaukasus -Völkern haben die Magyaren unzweifelhaft nicht unbeträchtliche Berührungen gehabt; das zeigen die kaukasischen Wortbildungen, welche im Magyarischen Eingang gefunden haben, wie die allerjüngsten Forschungen ergeben. Somit haben wir schon 5 fremde Culturkreise, w^elche auf die Entwicklung des ^Magyarischen von Einfluss gewesen sind. Trotzdem ist das Magyarische ein finnisches Idiom ge- blieben, und die reinen Magyaren im Alföld sind unverkennbar finnischer Rasse. Wie in der Sprache stossen wir hier und da auch in der Be- völkerung auf eigenthümliche Findlinge, auf theilweise recht sonderbare Typen, die aber den allgemeinen somatischen Charakter des Volkes so wenig alteriren wie jene sprachlichen Eindringlinge. Ich habe mich be- müht, in meiner Arbeit über die Magyaren, Suomi-Finnen .... auch diesen Punkt klar hervorzuheben. Von einer engen Verbindung des Magyarischen und des Tamulischen oder überhaupt des Dravidischen im ganzen Bau der Sprache kann gar keine Rede sein. Ich habe das bis ins Einzelnste nachgewiesen. Bälint's Ausführungen können nur den täuschen, der weder den Bau des Magyarischen kennt noch den der übrigen finnischen Sprachen. Der magyarische Satzbau ist in jeder Beziehung finnisch; der Verbalansdruck ist eminent finnisch der ganzen Auffassung nach und völlig verschieden, vielfach diametral entgeo-enoesetzt dem dravidischen. Finnisch sind die magyarischen per- sönlichen Fürwörter, ja grossentheils durchaus dieselben wie iu anderen finnischen Sprachen; die dravidischen weichen ganz davon ab. Urfinnisch und in hohem Grade eigenartig ist namentlich ihre Abwandlung im Magyarischen; im Dravidischen ist Alles ganz verschieden. Die besitz- anzeigenden Suffixe des Magyarischen sind meist dieselben wne in anderen finnischen Sprachen; das Dravidische kennt solche Suffixe überhaupt nicht. Die fragenden Fürwörter des Magyarischen sind identisch mit denen anderer finnischer Sprachen und haben keine Beziehungen zu den dravidischen. Die Grundzahlwörter bis 8 (9) sind meist dieselben im Magyarischen, wie in anderen, namentlich den ugri sch-finnischen Sprachen. Finnisch ist im Magyarischen Auffassung und Form der Beugung der Substantive, die Anwendung sogenannter Singular-Formen, wo man den Ausdruck der Mehrzahl erwartet; desgleichen die Form der Mehrzahl selbst; der völlige l{^^ H. Winkler: Mangel eines grammatischen Gesclileclits, welches im Dravidi sehen eine bedeutsame Rolle spielt. So sind alle Fundamente, auf denen der sprachliche Ausdruck und der Satz sich aufbaut, irn Magyarischen durchaus finnisch, wenn wir von dem Wortschatz oder besser dem Schatz an sogenannten Wurzeln und Stämmen, über den die Sprache verfügt, absehen. Hier allerdings sind gewisse Uebereinstimmungen zwischen Magyarisch und Dravidisch nicht zu ver- kennen; nur haben sie durchaus nicht die Bedeutung, welche Balint ihnen beimisst. Zunächst giebt es, wie es scheint, eine erhebliche Anzahl von Wurzeln oder Stämmen, welche dem Dravidischeu und dem Altaischen gemeinsam sind oder doch verwandte Lautformen zeigen. Doch haben wir es hier nicht mit einer besonderen Verwandtschaft zwischen Magyarisch und Dravidisch zu thun, sondern zwischen dem ganzen altaischen und dem dravidischeu Kreise; und wenn einmal gerade die magyarische Form der dravidischeu nahe zu stehen scheint, so ist das vollständig erklärlich bei der überhaupt freieren, legereren Art, wie das vielfach beein^usste Magyarisch auf den langen Wanderzügen sich den umgebenden allophylen Idiomen angepasst hat, und nicht zum wenigsten allem Anschein nach den dra- vidischeu. Ueberdies übertreibt Balint die Bedeutung solcher dravidisch- altaischer Beziehungen ungemessen. Ausserdem zeigt auch eine xlnzahl von Bildungs-Elementen im Dravidischeu und Altaischen lautlich ähn- liche Gestalt. Wo hier eine nähere Beziehung zwischen Magyarisch und Dravidisch zu bestehen scheint, liegt, falls nicht bloss zufällig ähnliche Bildungen vorliegen — ein auf diesem Gebiet überaus häufiger Vorgang — augenscheinlich einfache Entlehnung zu Grunde. Bälini:. treibt gerade hiermit einen wahren Cult; wie weit aber das Dravidische mit dem Altaischen überhaupt hierin übereinstimmt, bleibt sehr oft unklar. Koch viel weniger aber deutet er an, wie unverkennbar gerade in der AA'ortbilduug das 3Iagyarische sich als Zweig des finnischen Stammes erweist, gleichviel ob in der Herstellung von Nominal- oder Verbal- oder sonstigen Bildungen; Alles, was mit grösserer oder geringerer AVahr- scheinlichkeit aus dem Dravidischeu ins Feld geführt werden kann, spielt dao-eo-en o-ar keine Rolle, und überdies ist das Meiste von dem hier über- einstimmenden Sprachgut allgemein -altaisch, nicht magyarisch. Endlich aber finden wir eine Reihe von Vollwörtern, welche aller- dings eine manchmal auffallende Aehnlichkeit im Magyarischen und Dra- vidischeu zeigen. Gerade diese selten auftretende, aber fast vollständige Uebereinstimmung, welche durchaus anderer, ungleich engerer Art ist als die übrigen hundertfältigen, meist ziemlich fernen Anklänge zwischen dem Altaischen (Magyarischen) und dem Dravidischeu, zeigt mir klar, dass hier nur Entlehnung aus dem Dravidischeu vorliegt — das Umgekehrte ist nach der ganzen Form der betreffenden Ausdrücke aus- geschlossen. In nicht ganz sehenen Fällen auch liegt eine Fiction vor, l»as Finnenthum der Magyaren. 165 und die lediglich lautlich aiikiingendeu Formen haben innerlich, nach Bedeutung und Entstehung', gar nichts mit einander zu thun. Auf diesem Gebiet liegt die folgenschwerste Verschweiguug von Seiten Balint's. Wer einen Blick gethan hat in das finnische Wortmaterial, muss alsbald die unerschütterliche Ueberzeugung gewinnen, dass gerade bei den nächst- liegenden nominalen wie verbalen Ausdrücken die volle Uebereinstimmung des magyarischen Yollwortes mit den Formen anderer oder der anderen finnischen Sprachen ganz gewöhnlich ist. Ich habe einige hundert solcher Fälle zusammengestellt; Alles, was man dem gegenüber von anklingenden magyarischen und dravidischen Bildungen anführen kann, kommt über- haupt nicht in Betracht; d. h. Fälle, wo solche Kernwörter, wie Auge, Kopf, Hand, Wasser, Fluss, Eis, Winter, schwimmen, hören, sterben, leben, gehen, blasen, lecken, und zahllose andere einfach im Magyarischen dieselben sind, wie im Dravidischen, kommen eigentlich so gut wie gar nicht vor; aber gerade bei solchen Ausdrücken finden wnr vollständige Identität des magyarischen Wortbildes mit dem anderer finnischer Sprachen. Dagegen kommt es wohl vor, dass ein verhältnissmässig- complicirter, selbst ein augenscheinlich durch reine Zusammensetzung entstandener dravidischer Ausdruck wirklich oder doch anscheinend im Magyarischen wiederkehrt, und zwar dann meist in nicht erheblich verschiedener Gestalt. Die Zahl solcher Ausdrücke ist natürlich nicht gross, Bälint legt aber grossen Werth darauf. Für mich sind sie geradezu ein Beweis, dass nur Entlehnung vor- liegt und nur vorliegen kann. Denn jeder, der eine Ahnung hat von den Beziehungen, welclie zwischen dem Wortmaterial auch nahe verwandter Sprachen zu bestehen pflegen, muss die baare Unmöglichkeit einsehen, dass in zwei im Uebrigen so verschiedenen Sprachen wie Magyarisch und (Dravidisch-)Tamulisch, mit ihrem sonst so gänzlich abweichenden Wort- schatz, plötzlich gewisse, noch dazu nicht einfache, sondern vielfach weiter- gebildete und zusammengesetzte Ausdrücke nach ihrer ganzen Bildung in beiden Idiomen gleich gestaltet sein sollten; es ist schon darum unmöglich, weil die Bildungs-Gesetze in beiden durchaus verschieden sind. So möchte Bälint das Wort ember als einer regelrechten dravidischen Yerbindung entsprungen ansehen; diese Möglichkeit ist nicht ausgeschlossen, aber es ist dann eben ein unverfälscht dravidisches Wort, nur lautlich in magyarischer Weise umgestaltet. Es kommt sogar vor, dass Bälint für den dravidischen Charakter des Magyarischen Worte anführt, die gar nicht dravidisch, sondern sanskritisch oder iranisch sind, die also in Wirklichkeit das Dravidische entlehnt und später dem Magyarischen mitgetheilt hat; oder gar, dass ein Wort zweifellos auch aus dem arischen Kreise sowohl in das Dravidische, als auch in das Magyarische eingedrungen ist, dass dabei aber das Magyarische die reinere, unmittelbar dem Arischen ent- sprungene Form aufweist, das Dravidische eine weit verstümmeltere oder doch lautlich erheblich ferner lieo'ende. 166 H. Winkler: Indem wir die Balint'sche Theorie verlassen, sei noch auf einige Punkte hingewiesen, welche sich vorwiegend auf meine eigenen Studien und namentlich meine Beobachtungen im Magyarenlande selbst beziehen; es soll dadurch der finnische Charakter des Magyarischen und der auf- fallend reine finnische Typus der Alföld- Magyaren noch klarer hervor- treten als bisher. Dass das Magyarische eine finnische Sprache ist, wurde hervorgehoben. Damit ist nicht gesagt, dass es nicht sehr zahlreiche Entlehnungen im Wortmaterial gemacht hat; im Gegentheil, der türkische und slavische Culturkreis namentlich, weniger das Deutsche, Italienische . . . ., haben mächtig beigetragen zur Herstellung des heutigen magyarischen Wort- bestandes; trotzdem ist und bleibt der eigentliche Grundstock des Wort- schatzes eminent finnisch, und ausserdem sind und werden die fremden Bestandtheile dem eigenthümlichen finnisch -magyarischen Idiom so völlig assimilirt, dass sie nach Kurzem kaum noch als fremd gelten können. Doch das ist nicht das Wesentliche; viel wesentlicher ist, dass die Wort- bildung und alles, was zur nominalen, pronominalen, verbalen Abwandlung gehört, ganz finnisch ist, wie im Vorangehenden schon angedeutet wurde. Das geht so weit, dass nicht nur die erhaltenen urfinnischen Formen ihrem Wesen treu bleiben, sondern dass die zahllosen magyarischen Neubildungen den urfinnischen Charakter klarer wiedergeben als die Bildungen der meisten anderen finnischen Sprachen, der Art, dass wir häufig erst aus den magyarischen Formen das richtige Verständniss gewinnen für die finnische Grundrichtung, welche in anderen finnischen Sprachen stark ver- dunkelt ist. Ich habe gerade diesen so wichtigen Punkt mehrfach ein- gehend behandelt, so in der augenblicklich in KeUti szemle erscheinenden Arbeit „Die uralaltaischen Sprachen". Noch mehr: AVer irgend die magyarische, besonders die altmagyarische Abwandlung der Nomina, Pro- nomina, Verba und ebenso die gleichen bisher bekannt gewordenen Bil- dungen des Wogulischen und Ostjakischen kennt, kann nicht im Zweifel sein darüber, dass hier vielfach nicht ähnliche, aus derselben Quelle hergeleitete, sondern völlig dieselben Elemente, in derselben Anwendung und in denselben Verbindungen vorliegen; und das ist in einem Maasse der Fall, dass von Zufall keine Rede sein kann; zudem ist dies das Gebiet, wo eine tiefgehende innere Verwandtschaft am deutlichsten hervorzutreten pflegt. Neben dieser innigen Verwandtschaft mit den beiden eigentlich ugrischen Idiomen zeigt das Magyarische aber auch unverkennbare tief- gehende und unmöglich zufällige besondere Uebereinstimmungen mit anderen ostfinnischen Sprachen, ganz abgesehen von den allgemein finnischen Uebereinstimmungen; so mit den Sprachen des permischen Kreises, be- sonders dem Syrjänischen, und eigenthümlicher Weise mit dem Lappischen, welches ich seiner Grundlage nach immer für ostfinnisch erklärt habe und noch erkläre. Das Finuenthum der Magyaren l(i7 Dieser finnische Charakter der Sprache ist freilich durchaus kein Beweis für die finnische Herkunft des Volkes Ist doch in Europa und im nördlichen Asien das Gebiet der altaischen Völker und Sprachen die Hauptdomäne der Sprachvertauschungen; die slavisch redenden Bulgaren sind nach meiner Ueberzeugung fast unvermischte Finnen, die Samojeden verlieren Nationalität und Sprache und werden Türken, die Rasse und die verschiedenen Idiome der Ariner sind im Tflrkenthume fast spurlos auf- gegangen Ich gestehe offen, dass ich noch lange, nachdem ich die Ueberzeugung gewonnen hatte, dass wirklich das Magyarische eine un- bedingt finnische Sprache sei, bei den mannigfaltigen Mischungen und Schicksalen der iMagyaren, an Magyaren finnischer Easse nicht glauben konnte. Ich meinte, dass die wenigen Reste finnischen Blutes längst in der wunderbar gemischten Bevölkerung aufgegangen seien; dass diese finnischen Magyaren eine Fiction seien, die wegen der unverkennbar finnischen Sprache sich kritiklos weiterschleppe. Nur meine vieljährigen Beobachtungen im eigentlichen Magyarenlande, d. h. dem fast nur von reinen Magyaren seit 1000 Jahren ununterbrochen in Besitz gehabten Alföld, und die Prüfung von vielen Tausenden dieser unvermischtesten Mao-varen hat mir gezeigt, dass hier nicht nur Finnen wohnten, sondern sogar Finnen von selten reinem Typus; dass diese Leute ganz gewöhnlich alle Kennzeichen der finnischen Rasse eigenthümlich stark ausgeprägt zur Schau trügen. Diese Hauptkennzeichen der finnischen Rasse sind, abgesehen von der unverkennbaren üebereinstimmung im Profil wie namentlich im Ausdruck sowie der ganzen Physiognomie, wonach man Anfangs immerfort dasselbe Gesicht zu sehen glaubt, etwa folgende: Grosse, oft unnatürlich grosse Wangen- und 3Iaxillarbreite; infolgedessen breites, entweder befleischtes rundes oder stark eckiges Gesicht; auffallend weit entfernte mediale Augen- winkel, welche ganz gewöhnlich unmerklich, oft auch beträchtlich tiefer stehen als die äusseren; meist enge, wo nicht sehr enge Lidspalten, dabei lang gezogen, so dass der Abstand der äusseren Augenwinkel oft enorm ( - 98) erscheint; meist breite, bei den Frauen fast immer etwas oder stark ge- stülpte Nase, auch gerade, aber meist wenig über die Gesichtsfläche hervor- ragend; fast ausnahmslos Prognathie, auch dort, wo die Physiognomie einen anmuthigen Eindruck macht; auffallend stark zurücktretendes Kinn; vor- wiegend schwach angedeutete Profillinie von solcher Ebenniässigkeit, dass man das weibliche Profil im Alföld einfach als dasselbe bezeichnen kann wie bei Wotjakinnen, Westfinninnen, Lappinnen .... Augen graublau mit solcher Beständigkeit, dass unter 100 im Durchschnitt zwischen 70 und 80 diese Farbe mehr oder weniger ausgeprägt aufweisen; bei den reinen Alföld-Magyaren scheint der Procentsatz der graublauen Augen sich eher noch höher zu stellen. Haar blond oder braun; Bart meist heller, oft bedeutend heller als das Haupthaar: der Schnurrbart am häufigsten 168 H. Winkler: von einem farblosen Stroh,i>,olb (wenigstens bei Suomi- Finnen mid Magyaren wunderbar übereinstimmend so, doch ähnlich bestimmt auch bei anderen finnischen Völkern). Bart spät, meist sehr spät, bartlose Leute bis über die Mitte der Zwanziger hinaus ganz gewöhnlich; dabei der Bart fast immer nur an einzelnen Stellen wie der Oberlippe reichlicher unv\. i "H Die Inschriften an der „oberen Höhle" Tgr. 4 (mit dem Königsbild) und Tgr. 5. (vergl. S. 2.13 Ajim. 1.) VI. Weitere ßericlite über Forschungen in Armenien und Comniagene. Von E. HUNTINGTON'), Armenien. (Vorgelegt in der Sitzung der Berliner Anthropologischen Gesellschaft vom IG. November 1901.) I. Charpnt, 25. October 1900. Am 7. September machten Mr. Knapp und ich einen kurzen Ausflug nach den südöstlichen Theil desDersim. Wir überschritten den Euphrat bei Pertag und besuchten die Burg dort; aber wir fanden nur das, was Sie schon gesehen hatten^). Die Nacht verbrachten wir in Pashawank. Wir hörten dort, dass sich an einem Orte Orig, ganz in der Nähe, einige Ruinen befinden. Später sahen wir einen kleinen Stein mit einer syrischen Inschrift, welche wir copirten. Ueber Vasgerd — jetzt ein kleines Dorf, welches früher bedeutend grösser war — erreichten wir am nächsten Tage Peri. Diese Stadt ist, wie Sie ja selbst gesehen haben, gleich so vielen anderen, an der Stelle einer alten, gänzlich zerfallenen Festung gebaut. 1) Die vorliegenden Uebersetzungen und Auszüge aus Briefen des Hrn. Ellsworth Huntington, der, auf meine Anregung hin, im näheren und weiteren Umkreise von Charput, nach Alterthümern geforscht hat, an mich, schliessen sich an die in der Februar-Sitzung 1900 (Verhandl., S. 140— 152) vorgelegten Mittheilungen an. Mehrfach hat Mr. Huntington Aufgaben, die ich — nach Mitteln und Zeit beschränkt — unerledigt lassen musste, in dankenswerther Weise aufgeklärt, noch häufiger durchaus selbständig erfolgreicli Beob- achtungen und Untersuchungen angestellt. Neben der Archäologie hat, dem Fachberuf und den Neigungen des Hrn. Huntington entsprechend, auch die geologische Structur der bereisten Gebiete besondere Beachtung erfahren. Die Illustrationen beruhen, so- fern nichts anderes bemerkt ist. sämmtlich auf Mr. Huntington's Original- Aufnahmen. — Zwei fernere Briefe Mr. Huntington's vom 27. August 1901 (mit einem Bericht über seinen Besuch in Hilar, wo sich die Sculpturen und die Inschrift nicht als assyrisch erwiesen hat [Verhandl. 1901, S. 244, Anmerk. 2], sondern erstere als „hethitisch", letztere als syrisch) und vom 12. September d. J. (mit interessanten Mittheilungen über die -Kyzyl-bas" -Kurden) werde ich später vorlegen. C. F. Lehmann. 2) Vergl. Verhandl. 1899, S. 610. Die chaldische Burg von Pertag (armenisch; ürkisch Pertek) zeigt wie KaTah bei Mazgert u. a. die dort erwälinten grossen I istemen. Vergl. unten S. 178. C. L. Zeitschrift für Ethnologie. Jahrg. 1901. 13 174 E. Huntington: Wo die Burg stand, befindet sich jetzt die protestantische Kirche und andere Gebäude. Die Brücke über den Muzur zwischen Peri und Pertag- photographirte ich (Fig. 6, S. 179). Nachdem wir zwei Tage in Peri zugebracht hatten, gingen wir nach So reg, zwei Stunden weiter östlich. Gerade westlich vom Dorfe fiiesst ein kleines Bächlein, und dessen Lauf ungefähr eine halbe engl. Meile folgend, gelangten wir zu einem grossen, natürlichen Amphitheater, mit Kalkstein -Wänden von 400 — 500 Fuss Höhe. An den Ost- und West- seiten der Klippe befinden sich im Ganzen 40 — 50 Höhlen. Sie sind theils natürlich, grösstentheils aber das Werk von Menschenhänden; dass sie bewohnt gewesen, zeigt die dicke Russ- Schicht, die überall an der Decke lagert. Am Eingang der einen Höhle ist ein grosses armenisches Kreuz in den Felsen gehauen. Auf dem höchsten Punkte der Felswand, an der Westseite, befinden sich die Spuren einiger Mauern, welchen die Armenier die Bezeichnung „Burg" beilegen. In der Mitte des Amphi- theaters, auf einer kleinen Erhöhung, liegt eine Kirche'^ und eine grosse Anzahl mit Reliefs verzierter Leichensteine. Die meisten derselben sind mit Kreuzen geschmückt, aber einige wenige haben griechische Muster. Viele sind 3 oder 4 (engl.) Fuss lang und stelenförmig. An einigen be- merkte ich o-efaltete Hände als Krönung. Die sehr kleine Kirche aus be- hauenem Kalkstein errichtet, ist schön gebaut. Der Altar befand sich in der mittleren und grössten der drei Nischen am östlichen Endo. In Samk, Komk und Kurdarich, drei benachbarten Dörfern, liegen ähnliche Kirchen. Bei Samk fanden wir einen 6 Fuss langen Stein mit einem reich ornamentirten Kreuz und einer armenischen Inschrift. Diese ist datirt vom Jahre 620, armenisch-cyklischer Rechnung = 1172 n. Chr. Der alte Name dieses Ortes ist In der eh (Hundereh). Man erzählt, dass er eine siebenjährige Belagerung zu erdulden hatte, ehe sich die Armenier den Türken (oder den Persern) ergaben. Den folgenden Tag gingen wir nach Baghin, jetzt einem elenden, kleinen Dorfe um rechten Ufer des Peri-Flusses, 6 Stunden ONO. von Peri und 4 Stunden nördlich von Palu gelegen. Dicht unterhalb des Dorfes fliesst der Fluss durch ein tiefes, steiles Thal , an dessen Wänden in einer Höhe von 80 — 50 Fuss über dem Fluss eine Reihe von lieissen Quellen entspringt (Fig. 1), deren Gebiet ungefähr 7* eiigl- Meile an beiden Ufern einnimmt. Die Temperatur der heissesten Quelle beträgt 41° C. Sie enthalten 00^, Eisen, ein wenig Schwefel und viel Calcit. Letzterer hat sich so reichlich abgelagert, dass er an der rechten Seite des Flusses eine 100 Fuss breite, glatte Terrasse gebildet hat. Auf und unter der- selben fiiessen zahlreiche Quellen und bilden verschiedene, grosse, heisse Lachen. Von dieser Terrasse bis zum Fluss und auch an der entgegen- gesetzten Seite erstreckt sich ein Abhang, der aus grossen Stalaktiten, Säulen und Rinnen (flutings) von gelblich weissem Calcit besteht. In Weitere Berichte über Forschungen in Armenien und Commagene. 175 alten Zeiten war dies ein hervorragendes Verkehrscentrum, wie die um- fangreichen Ruinen einer grossen Stadt bezeugen, und es sollen hier einst- mals 7 Kirchen gestanden haben. .letzt giebt es nur eine dort; sie ist aus Blöcken, die von den Ruinen der anderen stammen, erbaut. Audi ihr Dach ist zerfallen und sie wird bald ein Trümmerhaufen sein. In der südöstlichen Ecke der Kirche, in der Ostmauer, befindet sich ein wahrer Fiff. 1. Die hcissen Quellen bei Baghin. Schatz (Fig. 2), ein Block aus schwarzem Basalt, 4 Fuss 8 Zoll lang-, 21 Zoll breit und 1 Fuss dick. Beide Breitseiten^) tragen eine chaldische In- schrift, und wenigstens eine der anderen Seiten ist mit einer armenischen Inschrift beschrieben. Leider ist nur die eine Seite deutlich zu sehen. Darauf befindet sich eine schöne eingemeisselte Keil-Inschrift von 21 Zeilen, die sehr wohl erhalten ist (Fig. 3). Wir copirten sie und machten einen Abklatsch von derselben. Ich sandte Ihnen eine Copie*). Aber unsere Versuche, den Stein zu kaufen, waren vergeblich. 1) lieber die Inschriften von Baghin s. Verhandl. 19(J(>, S. 572ff. Auf die obigen näheren Mittheilungen Mr. Huntington's habe ich bereits dortselbst S. 572, Anmerk. 3. hingewiesen. C. L. 13* 176 E. Huntington Fig. 2. Kirclie vou Bagliiu. Die Keil -Inschrift befindet sich auf dem grossen Stein rechts von der Thür. Fig. 3. ^4 Menuas-Stele mit chaldischer Koil-Inschrift in der Mauer der Kirche zu Baghin. Weitere Berichte über Forschungen iu Armenien und Commagenc. 177 All der den Quellen gegenüber liegenden Seite des Dorfes liegt eine chaldische Burg (Fig. 4). Sie ist auf einer grossen, 300 Fuss hohen Kalkstein-Pyramide erbaut, und die Seite nach dem Flusse zu ist so steil, dass man von oben einen Stein bis mitten in den Fluss werfen kann. Auf der südöstlichen Seite der Burg befindet sich ein Schutthaufen, welchen die Dorfbewohner als Kirche bezeichnen. Etwas nördlich von dieser sind Stufen in den Felsen gehauen, und noch weiter nördlich führt eine unter- irdische Treppe zum Flusse. Von unten kommend, gelangt man zunächst auf 9 Stufen zu einem Thorweg und innerhalb dieses steigt eine gewundene Treppe aufwärts. Auf dieser erreicht man zuerst über 18 Stufen ein kleines Fig. 4. '^\ ,\ , ' r\ 't ? -»*. V \^--K. -^■:\ > s<^ (./'haldische Burg b!eii Ba'ghin. Loch, das gehauen oder wenigstens doch erweitert wurde, um den Weg zu erhellen. Sodann führen 22 Stufen zu einer Oeffnung, welche Zutritt zu einer kleinen (ialerie gewähren. Diese läuft nordwestl. zu einer kleinen Höhle, welche sich 11 Fuss über der Oeffnung befindet. Von dieser Höhle führte ehemals eine andere Galerie ostwärts zu einer niedrigen Terrasse, sie ist jetzt aber eingestürzt. Augenscheinlich hatte diese Höhle den Zweck, dass von ihr eine Abtheilung Mannschaften nach dem Feinde ausspähen sollte, während die anderen Wasser heraufbrachten. Sie ist der zu Palu ähnlich; ihr 4 Fuss hoher Eingang ist rund und aussen mit einer viereckigen Oeffnung wie für eine Thür versehen. Das Zimmer misst 9 Fuss im Geviert und 278 E. Huntington : ist 5 Fuss hoch. Gerade der Thür gegenüber befindet sich eine recht- winkelige Vertiefung von 1 Fuss Tiefe und 5 zu 3 Fuss im Durchmesser. Bei hohem Wasserstande erreicht der Fluss den Eingang des Tunnels und er soll sogar bis zu dem Treppenfenster, das ungefähr 30 Fuss über dem Fluss bei niedrigem Wasserstande angebracht ist, steigen. In der Nähe der Burg, an der Nordseite, liegen die Trümmer einer Brücke von ungefähr 500 Fuss Länge und 30 Fuss Höhe. Es sind nur noch der Unterbau von zwei Brückenpfeilern im kiesigen Flussbett vor- handen und ein grosser Felsen in der Mitte des Flusses, der hier 80 bis 100 Fuss breit ist, muss als dritter Pfeiler fungirt haben., das übrige ist verschwunden. Beide Enden ruhten auf den festen Uferfelsen. In der Nähe der Brücke, an der Seite, wo die Burg liegt, befindet sich eine Wachthöhle, fast in derselben Höhe wie die Brücke und nach dieser hinblickend. Eine Galerie führte zu ihr von 80., aber, da diese zerfallen ist, so ist die Höhle unzugänglich. Die Lage der Höhle lässt vermuthen, dass hier zur Zeit der Chalder eine Brücke gewesen ist, viel- leicht eben die, deren Pfeiler noch stehen^). Am nördlichen Ende der Westseite der Burg liegt eine alte Mauer, an deren Fuss sich eine Thür und unter w^elcher sich ein Zimmer be- findet. In der Mitte des nördlichen Theils der Mauer liegt auf halber Höhe ein Block von schwarzem Basalt, mit einer Keil -Inschrift, die 6 Zeilen lang und etwas verstümmelt ist. Ich habe versucht, sie mit Hülfe eines Opernglases zu copiren, aber ich fürchte, es ist misslungen. Ich habe Ihnen eine Copie gesandt^) und füge eine Photographie der Mauer mit dem Stein bei (Fig. 5). Den Haupttheil der Burg bilden drei flache Terrassen von '20 zu 100 Fuss Breite, die augenscheinlich aus dem festen Felsen gehauen sind. Die Spitze des Felsens ist ebenfalls abgeschnitten, so dass eine Fläche von 100 Fuss Länge und 20 Fuss Breite gebildet ist. Auf jeder dieser TeiTassen und auf der oberen Fläche befinden sich zwei grosse in den Felsen gehauene Cisternen^), im Ganzen sind es also 8. Die Terrassen liegen 150, 220 und 260 engl. Fuss über dem Fluss. Die höchste Erhebung des Burgfelsens beträgt 300 Fuss. Stufen und kleine Terrassen sind überall in Ueberfluss vorhanden. Die Anlage der Stufen, der Oisternen und vor allen Dingen der grossen Terrassen, muss eine ungeheure Arbeit erfordert haben. 1) Ueber die chaldische Euphrat-Brücke unweit Izolj vgl. weiter unten. C. L. 2) Näheres über diesen Stein und seine Zugehörigkeit zu der Stele Fig. 3 s. diese Verhandl. 1900, S. 574 und Aninerk. 1. C. L. 8) Diese Fels-Cisternen bilden das liauptsächliche Charakteristicum der Felsen- Burgen im NW. des chaldischen Reiches. S. meine Bemerkungen, Verhandl. 1899, S. 610. Wohl möglich, dass sie von Haus aus nicht der „chaldischen" Bauart im engereu Sinne an- gehörten, sondei-n einem diese Gegenden bewohnenden, den Chaldern verwandten und von ihnen unterworfenen Volke. C. L. Weitere Bcriclite über Forschungen in Armenien unil Conimagene. 179 Fig. 5. Mauer der Burg von Baghin mit Fragment der Menuas-Stele. Fie-. 6. Brücke über den Muzur, zwischen Peri und Pertag_(zu S. 174). ISO E- Huntington: Vou Baghin gingen wir durch eine sehr wilde kurdische Gegend, nach Mazgerd. In dem Dorfe fanden wir eine neue syrische Inschrift. Es sind nur 3 Zeilen, aber sehr schön eingegraben auf einem grossen Grabstein von Basalt. Wir hörten auch viel über die alte römische Heer- strasse, welche von Per tag — wo sie wahrscheinlich den Fluss kreuzte — über Mazgerd und Palk durch das Kuteh Dereh nach Erzingian ging. Mangel an Zeit erlaubte uns nicht, sie aufzusuchen, obgleich der nächste Punkt, Chanaky, nur iVa Stunden von Mazgerd entfernt ist. Dort ist auch die alte Brücke über den Muzur-Fluss noch wohl- erhalten. Die Pfeiler einer anderen Brücke über den Kharchig-su befinden sich noch bei Zelakudj, nördlich von Palk. Das Kuteh Dereh soll ein grosses, dürres Thal sein, das senkrechte Wände von 1000 Fuss Höhe bilden. Es liegt in dem gefährlichsten Theil von Dersim und ist niemals erforscht worden. Ich besuchte auch, Ihrem specielleu Wunsche gemäss, die Burg von Mazgerd^), die einen rein chaldischen Stil zeigtv Sie ist, gleich der Burg von Baghin, künstlich terrassirt und oben abgeplattet. Die niedrigste, 450 Fuss über der Stadt gelegene Terrasse ist sehr breit, aber die oberen, die 500 und 550 Fuss hoch liegen und die auf voller Höhe (625 Fuss) angebrachte, sind schmal. Bei der Herstellung der Terrassen ist die natürliche Gestalt des Felsens soviel als möglich be- nutzt worden. Zwei Wachthöhlen befinden sich in einem isolirten Felsen, der ungefähr 100 Fuss von der niedrigsten Terrasse entfernt ist. Hier und da finden sich kleine Stufen. Auf jeder der zwei unteren Terrassen sind ein Paar Cisternen angebracht, gleich denen von Baghin, Pertag u. a., aber sie sind nicht wie diese in den Felsen gehauen, sondern aus Steinen und Mörtel hergestellt. Der Felsen, auf welchem die Burg erbaut ist, besteht nehmlich aus einem porösen basaltischen Conglomerat, welches kein Wasser halten würde. Auf der dritten Terrasse befindet sich, soviel ich sehen konnte, keine Cisterne, weil sie wahrscheinlich zu klein ist. Etwas unterhalb der vou der Burg bekrönten Höhe liegt eine Höhle, zu der ein gehauener Pfad und einige Stufen führen. Diese gehört nicht zu den, zweitheilig gestalteten, Wachthöhlen, sondern sie ist, ohne weitere Abtheilung, in Form eines stumpfen Kegels eingegraben und misst 10 Fuss. In der Rückseite ist eine kleine Oeffnung angebracht, welche zu dem Boden einer Cisterne führt, die den eben beschriebenen gleicht. Vielleicht schöpften die Chalder durch diese Oeffnung Wasser aus der Cisterne. Oben auf der Burg befindet sich eine theils natürlich, theils künstlich erweiterte Höhlung: ein rechtwinkeliges Zimmer (13 zu 10 Fuss), von dessen ge- 1) Dadurch wird nunmehr meine (Verhandl. 1900, S. 610 von mir bekannte) Unter- lassungssünde ausgeglichen. C. L. Weitere Berichte über Forschungen in Armenien und Commagene. ISl mauerten Wänden sich drei gegen den Basalt des Felsens lehnen. Ich halte es für eine Cisterne oder eine Vorrathskammer. Von Mazgerd kehrten wir nach Hause zurück. Das Dersim ist sehr reich an verschiedenartigen Alterthümern. Ich hörte von zwei Orten, wo wahrscheinlich chaldische Burgen zu finden sind, nehmlich Aosheker bei Chozat und Birinam, wenige Stunden von Mazgerd. Auch sollen sich noch zahlreiche Ruinen bei Saghman, Pilvank und Orajük finden. Für die Erdhügel ^) dieser Gegend interessire ich mich neuerdings speciell. Sie sind unregelmässig über alle Ebenen von Malatia bis Van zerstreut. Einige sind zu Gruppen vereinigt, andere liegen mehrere Stunden von einander entfernt. Allein in der Ebene von Charput sind 15 — 20 zu finden. Ihre Grösse schwankt zwischen 1—6 Morgen {acres), und ihre Höhe geht bis zu 80 Fuss ^). Die meisten von ihnen sind an der einen Seite sehr steil und fallen an der anderen mehr stufenweise ab. Der obere Rücken ist fast flach und nach der steilen Seite zu unbedeutend höher. In zwei der grössten und vollkommensten, nehmlich zu Ichme und zu Telanzit, ist eine deutliche Terrasse sichtbar, ungefähr 15 — 20 Fuss vom Boden entfernt. Ihre Zu- sammensetzung ist nicht klar ersichtlich. Aber von denen zu Tadem und Hökh sind fast senkrechte Schnitte vorhanden, die eine Schichtung er- kennen lassen. Der Hügel zu Tadem enthält abwechselnd Lagen von Erdreich uufl kleinen, unregelmässig gelegten Steinen, erstere sind weit dicker als die Steinschicht. Hier und da finden sich auch Stücke Holzkohle, und in einigen Fällen deutlich begrenzte dünne Schichten von Holzkohle. Steinerne Werkzeuge, sowie Topfscherben sind in Menge vorhanden. An einer Stelle wurde auch viel verkohlter Weizen gefunden. Die Dorf- bewohner halten dieses Erdreich aus den Hügeln für sehr fruchtbar und dem Acker nützlicher als den besten Dünger. Dies scheint darauf hin- zudeuten, dass es entweder ein Kjökenmödding oder ein Begräbnissplatz gewesen ist. Gegen die erste Annahme sprechen der regelmässige Bau und die Grösse des Hügels, die zweite aber scheint durch das, was in anderen gefunden worden ist, bestätigt^). Der Hügel zu Tadem ist 60 Fuss hoch und misst gegen 300 Fuss im Durchmesser. Ringsherum zog sich vormals ein 10 Fuss dicker Wall, der 1) Ueher diese kurganartigen Hügel, die wahrscheinlich Ueberbleibsel und Merk- zeichen der thrako-armenischen Wanderungen sind, s. diese Verhandl. 1890, S. 663, Anm. 2. Ein sehr bedeutender liegt Tzoly gegenüber, am Euphrat, s. u. — Die aus Ziegeln er- bauten Teils sind von diesen (s. S. 183, Anraerk. 1) wohl zu unterscheiden. C. L. 2) Es handelt sich zweifelsohne um eine Begräbniss- Stätte und zwar zeigt Mr. Huntington's Beschreibung die für die thrakisch-phrygischen Grabhügel von Körte festgestellten Eigenthümlichkeiten, s. darüber Kretschmer, Einleitung in die Geschichte der griechischen Sprache, S. 174 £f. C. L. 132 E- Huntington: sehr dauerhaft aus Kalkmörtel hergestellt war und von dem nur noch geringe Ueberreste vorhanden sind. Auf der Höhe des Hügels finden sich Spuren eines Gebäudes, das in derselben Art und Weise w^ie der Wall gebaut war. Wir hoben oben etwas Erde aus, sahen aber nichts Wichtiges. Die Dorfleute erzählten, dass sie beim Graben eine Treppe gefunden hätten, die zu einem dunklen Loche führte. Aber sie fürchteten sich, dieselbe zu betreten und schütteten sie wieder mit Erde zu. Fast 1 (engl.) Meile w^estlich von dem Hügel fanden wir die Trümmer einer flauer, die wahrscheinlich die Stadt, deren Begräbniss-Stätte der Hügel bildete, umgeben hat. In derselben Richtung, jedoch nur ^|^ Meile von dem Hügel entfernt, findet sich ein Mosaikboden. Er ist aus vielen farbigen, kleinen Steinchen, die V» ^^11 im Geviert messen, gebildet und von einer 3Iauer aus Hausteinen umgeben, an deren Seiten die Ueber- reste von zwei, vielleicht auch drei Treppen zu bemerken sind. Nur die Basis der Mauer und der Treppen ist erhalten, und das Ganze ist mit Erde bedeckt. Wir sahen in der Gregorianischen Kische, dem nächst- liegenden Gebäude, eine kleine Säule und Stücke eines Kapitals, die von dort stammten. Ich habe ein Stückchen von dem Mosaik mitgenommen. Es sei „mit Kreuzen, Sternen und Sonnen" verziert, so wurde behauptet. Dieser Fussbodeu, der Wall und das Gebäude auf dem Hügel, möglicher- weise auch die Stadtmauer, stammen wahrscheinlich aus der byzantinischen Periode. InHökh ist der Hügel 80 Fuss hoch und obgleich seine Basis grösser ist, misst die flache Spitze nur 200 Fuss an der breitesten Stelle. Hier sowohl, wie in Tadem, Telanzit und wahrscheinlich auch Ichme, be- finden sich die Fundamente eines römischen oder byzantinischen Ge- bäudes. Dort umgiebt kein W^all den Hügel. Einen solchen sah icli nur in Tadem und vielleicht ist ein solcher auch in Haroghli zu finden. Von der grossen Festung dort habe ich Ihnen voriges Jahr berichtet^). Zur Zeit meines Besuches kam mir nicht der Gedanke, dass der Hügel aus einer viel früheren als der römischen Zeit stammen könne, und ich habe ihn deshalb nicht gründlicher untersucht. Seit ich aber den zu Tadem gesehen habe, glaube ich, dass der zu Haroghli demselben Typus an- gehören wird. Er hat dieselbe Höhe, 60 Fuss, aber eine grössere Ausdehnung. Der Hügel von Hökh gleicht im Bau dem zu Tadem, jedoch mit einer wichtigen Ausnahme. . Er scheint nehmlich theilweise aus Ziegeln hergestellt zu sein. Die Einwohner erzählen, dass sie rothe Ziegel ge- funden hätten, die 12 Zoll im Geviert maassen und 2 oder 3 Zoll dick waren. Ich selbst sah nur kleine Fragmente. Aber an einer Stelle hat der Bach das Ufer unterwühlt, und einen Einsturz hervorgerufen, durch den ein senkrechter Schnitt freigelegt ist. Dort erblickt man eine glänzend 1) Verhandl. 1900, S. 142. Weitere Berichte über Forschungen in Armenien und Commagene. 188 rothe, mehrere Fuss dicke Schicht und höher hinauf Schichten von geringerer Dicke. Dies sind augenscheinlich Ziegel, welche sich unter dem Einfiuss der Witterung theilweise zersetzt haben. In der sich an die dicke Ziegel- schicht anschliessenden Lage von Erdreich fand icli ein knöchernes Messer. Der Hügel bei Garmuri ist durch die fortgesetzten Durchwühlungen der Dorfbewohner fast ganz zerstört, denn sie haben ihre Häuser direct in \ Burg Pertag, westliche Ansicht, flussaufwärts aufgenommen. Die Landschaft blieb bis zum Abend dauernd anziehend, auch Höhlen fanden sich an einem Ufer und wir passirten ein Dorf Kogpenig, von dessen Bewohnern die Hälfte in Höhlen lebt^). — Sonnabend fuhren wir durch eintöniges Grelände bis zum Mittag, wo wir die Vereinigung der beiden Euphrat-Arme (bei Kjeban Maden) er- reichten. Unterhalb dieser ging es in die zweite Schlucht (an einer Stelle Kalk- stein, bei Maden Basalt). Zu Beginn der Enge, eine Stunde oberhalb Maden zeigte man uns eine ^Brücke". In Wahrheit waren es Steine von schönem, buntem Marmor, die aus einem unmittelbar am Flussufer befindlichen Steinbruch zum Flusse gebracht waren (vergl. Fig. 14). Am 1) Wie in Hassan-kef, Koräusw. C. L. Zeitschrift für Ethnologie. Jahrg. 1901. 14 190 E. Huntington: rechten Ufer befinden sich viele, am linken einige wenige Stufen mit Bohrlöchern. Fig. 14. Blick flussabwärts, von dem alten, Va Stunde oberhalb Kjeban Maden belegenen Marmorbruchc aus. Die eigentliche Schlucht beginnt bei Maden (Fig. 15) und ist 4 Stunden lang; schnelle Strömung, etliche tüchtige Stromschnellen. Die Kalk-Felsen steigen 1000— 1500 Fuss hoch auf, die Berge dahinter noch 2— 3000 Fuss höher. Hunderte von Spitzen und Felsthürmen erheben sich wie grosse Burgen. Hier ergiesst sich ein Bergstrom (vergl. Fig. 16) durch einen senkrechten Camin, dort erhebt sich eine Klippe direct bis zur Höhe von 500 Fuss. Es kommt vor, dass die Schichtungen wie Papier zerknittert sind: oder dass sie theils horizontal, theils fast senkrecht liegen (Fig. 17). Liegen sie horizontal, so ist der Felsen terrassirt und die Terrassen tragen schön grüne Rasenflächen. Diese Nacht und den nächsten Morgen verbrachten wir in dem von Kizil-basch bewohnten Dorfe Ataf. Weitere Bericlite über Forschung-en in Armenien und Commagene. 191 Wir sahen hier mehrfach Leute den Fluss in genau der Weise passiren, wie es auf assyrischen und babylonischen Sculpturen geschieht*). Sie entblössten die Beine und Hessen sich auf der aufgeblasenen Haut gleichsam reitend hinüber tragen (Fig. 18). Am Morgen hielten wir Rast unter einer Baumgruppe am Flusse. Wenig entfernt sahen wir waschende Weiber, die ich unbemerkt photographiren konnte (Fig. 19). Wie Sie wissen, gestatten sie es niemals, sobald sie die Absicht bemerken. Fig. 15. Euphrat-Scliliicht bei Kjebau Madeu. Sie haben mir von den zahlreichen Störchen erzählt, denen Sie in ge- wissen Gegenden Mesopotamiens begegneten, und die nicht bloss auf den Häusern nisteten, sondern sich's auch auf Bäumen bequem machten. Ich habe bei Ataf einen solchen Baum mit Storchnestern photographirt (Fig. 20). 1) Dasselbe habe ich an classischer Stelle mehrfach gesehen: von Mosul aus setzten einzelne Leute in dieser Weise über den gewaltigen Tigris nach Ninive hinüber. C. L. 14* 192 E. Huntington: Montag, den 15. April, fuhren wir langsam den Fluss hinab, da wo er in breitem Laufe die Ebene von Malatia durchströmt. Wir hielten in KaTah an, wo man uns von Ihrem Besuche vor zwei Jahren erzählte^). Fig. 16. ß5^l^-'^,A?Jslfl^fc^ Einmündung eines Bergstroms in den Euphrat (von Osten), V2 Stunde unterhalb Kjeban Ma^en. 1) Mr. Huntington spielt hier auf die in den Verhandl. 1899, S. 580 oben, S. 610 a. E. erwähnte „Auffindung einer chaldischen Anlage am Euphrat-Knie bei Malatia" an. Am rechten Euphrat-Ufer, dem „Knie" entlang flussaufwärts reitend — die Biegung vollzieht sich, bei grosser Breite des Flusses, sehr allmählich — bemerkte ich am gegenüber liegenden Ufer, am Fusse des Muser-dagh, des Gebirgsstocks den der Euphrat hier zu umfliessen hat, einen Felsen, der zu einem Fort an dieser wichtigen Stelle wie geschaffen schien. Als ich auf Befragen den Namen Karah= „Festung" für das an den Felsen sich anschmiegende Dorf vernahm, musste mir dies als eine willkommene Bestätigung erscheinen, und unser Feredj, den ich daraufhin sofort auf eine Streiftour entsandte, um diese und noch einige andere links des Euphrat belogene Stätten [namentlich die Höhlenstadt Cemisgüsek(?)] zu untersuchen, fand in der That auf dem KaTah- Felsen eine vollständige chaldische Festungs-Anlage. C. L. Weitere Berichte über Forschungen in Armenien und Commagene. 193 Von dem Dorfe aus stiegen wir hinauf zu dem berühmten Schrein, den Christen (Kizil-basch) und Muhammedaner gleichmässig- verehren^) und dann weiter zu der zerstörten armenischen Kirche (Fig. 21) auf dem Muser-dagh, 2500 engl. Fuss über dem Flusse. Fiff. 17, Verwerfuii'^ der Schiebten am westlichen Euphrat-Ufer. Am nächsten Tage um Mittag erreichten wir Izoghlu, und untersuchten den künstlichen Hügel ^). Ein wenig später, da, wo die Berge den Fluss zu umgrenzen beginnen, machten wir Halt, um uns die chaldische Inschrift 1) Solcher gemeinsamen Verehrungs-Stätten giebt es in den von mir bereisten Gebieten nicht wenige. Die intereressanteste ist wohl die von mir besuchte Quelle des „westlichen Euphrat" (Erat), nördlich von Erzerum. S. darüber meinen Bericht „Religions- geschichtliches aus Kaukasien und Armenien"'. Archiv für Religions-Wissenschaft, Ilf, S. 44 ff. C. L. •2) Vergl. oben S. 181, Anmerk. 1. C. L. 194 E. Huntington: Fig. 18. Ein Kizil-bas, auf einem Burguk über den Euphrat setzend Fis:. 19. Kizil-bas-Frauen am Euphrat waschend. Die Luft zum Theil durch Rauch verdunkelt . Weitere Berichte über Forschungen iu Armenien und Comraagene. 195 anzusehen (vgl. Fig. 22). Spuren des Abklatsches, den Sie vor 2 Jahren nehmen Hessen, sind noch sehr deutlich vorhanden und treten in der Photographie (Fig. 23) klar hervor^). Ohne irgend welche Frage von Fig. 20. Storchnester in Ataf. unserer Seite machten uns unsere Kelekdji's die Mittheilung, dass hier in alten Zeiten eine Brücke gewesen^) sei. Sie hatten niemals eine Spur 1) Ueber den von unserer Expedition gewonnenen Abklatsch s. Verhandl. 1900, S. 29 sub a. Er.wurde auf meiner Sonderreise angefertigt und die Inschrift von mir coUationirt. Hrn. Huntington's Aufnahme der Inschrift-Nische füllt eine Lücke aus, da meine eigene nicht besonders gut gelungen ist. C. L. 2) Auch ich begegnete dieser Tradition. Meine Forschungen nach der Brücke sind kurz erwähnt in diesen Verhandl. 1899, S. 579. Ob gewisse dort zu bemerkende merk- würdige wasserbautechnische Anlagen, nahe oberhalb Izoly (oder Izoghlu, beide Namens- formen wechseln; letzterer ist wohl türkische Volks-Etymologie) mit der Brücke etwas zu thun haben, muss ich einstweilen dahingestellt lassen. C. L. 196 E. Huntington: Vig. 21. Zerstörte armenische Kirche auf dem ^luser-dagh, 800 m über dem Euphrat. Fis:. 22. Blick Euphrat-aufwärts, aus der Gegend des Felsens mit der Keil-Inschrift nach Izoly zu. Nach C. F. Lehmanns photographisclier Aufnahme. (Izoly liegt im Hintergründe links, am rechten Ufer; der Fels mit der Inschrift ist im Vordergrunde rechts ausserhalb des Bildes zu denken, l Weitere Berichte über Forschungen in Armenien und Commagene. 197 davon gesehen, aber ihre Väter hatten ihnen davon erzählt. Gerade ein wenig oberhalb des kuppeiförmigen Felsens mit der Inschrift ist der Fluss ziemlich schmal und die Ufer hoch und felsig. Hier sei die Brücke gewesen, sagen sie. Es ist interessant, dergestalt eine Bestätigung Ihrer Theorie zu finden, dass hier die von Tiglatpileser erwähnte Brücke war. Fitr. 23. ^^ Inschrift von Izoly mit den Gips-Spuren von Dr. Lelimaiins Abklatsch. 8ie wissen, dass der Euplirat oberlialb Izoly durcli ziemlich flaches Gelände fliesst, während, wenige Minuten unterhalb des Felsens mit der Keil- Inschrift, die „dritte Schlucht^', beim Kümür-Chan beginnt, die wir nun passirten. Es freut mich ganz besonders, Ihnen zwei wohlgelungene Auf- nahmen der Enge von Kümür-Chan senden zu können (Fig. 24, -25). Sie schrieben mir ja damals, wie ganz besonders Hie bedauert hätten, 1 198 E. UrNTrNGTON; diese wegen der knappen Zeit nicht aufnehmen zu können und sich mit der Aufnahme einer Fernsicht von Izoly aus flussabwärts begnügen zu müssen*). Fig. 24. - Af^j Beginu der Enge bei Kümür-Chan, flussabwärts aufgenommen. Die nächsten drei Tage brachten mancherlei Aufregung. Wir hätten Gerger in einer langen Tagereise erreichen können, aber unsere Kelekdji's hatten Angst vor den Strom-Schnellen. Wir machten zu Fuss verschiedene lange Umwege, um die schlimmsten Strom-Schnellen zu ver- meiden, und hatten aus diesem Grunde einmal 1200 Fuss in die Höhe zu klettern. So hatten wir in 2 Tagen nur zwei Drittel des Weges zurück- 1) Falls für die Bagdad-Bahn die nördliche Trace, die u. A. zur Discussion steht, gewählt würde, so würde die Enge bei Kümür-Chan die geeignetste Stelle für eine Eisenbahn-Brücke über den Fluss sein. Dieser Ansicht war auch der Mutessarif von Malatia, Djemil Pascha, dessen Gast ich war, ein feingebildeter Herr, der diesen wie manchen anderen technischen Fragen grosses Interesse und Vrrständniss entgegenbrachte. C. L. Weitere Berichte über Forschungen in Armenien und Commageue. 199 gelegt und die schlimmsten Strom-Schnellen lagen vor uns. Consul Horton konnte solche überflüssigen Yerzögerungen nicht ertragen, so Hessen wir die Leute zu Fuss gehen und passirten selbst die Strom-Schnellen. Fortan sträubten sich die Leute nicht weiter, sondern nahmen die Strom-Schnellen mit, und wir kamen tüchtig vorwärts. Unsere Pferde und Leute, die wir zu Lande geschickt hatten, er- warteten uns im Zaza-Dorfe Helim, das nahe dem Flusse, 2 Stunden von Grerger entfernt liegt. Wir besuchten im nahe gelegenen Bizman Fig. 25. Ende der Euphrat-Enge bei Kümür-Chau, flussaufwärts aufgenommen. die Ruinen einer alten syrischen Kirche. Eine Menge Zaza- Männer und Frauen folgten uns und wir benutzten die Gelegenheit, einige von ihnen zu photographiren (Fig. '26, 27). Wir verbrachten einige Tage in der Nachbarschaft von Gerger und besuchten die syrischen Klöster zu Wank, Morfa und Mordumet und die Burg und die alte Stadt Gerger. Das alte Minaret konnte ich photographiren, als der Mu'ezzim oben stand (Fig. 28). Die dortigen Armenier tragen kurdische Tracht*) (Fig. 29). AVas die durch Hu mann 1) Dies ist vielfach zu beobachten, u. A. in Persisch-Armenien. C. F; 200 E. Huntington: Zaza-Männer auf den Ruinen einer alten Kirche: Bizman bei Gerger. Fig. 27. Zaza-Frauen iü Bizman. Weitere Bericlite über Forschungen in Armenien und Oommagene. 201 und Puchsteiii^) bekannten Altertliünier anlaiii>t, so zeigen unsere Photo- graphien (Fig. 30 u. 31) der oolossalen Figur am Nordwest-Portal der Burg einige Züge, die in der von den Genannten veröffentlichten Zeichnung^) nicht hervortreten. Fig. 28. f - 'S,' -' Altes Minaret im Dorfe Gerger. Viele der Hauptcharakteristica der Burg haben eine grosse Aehnlich- keit mit denen der chaldischen Burgen weiter im Norden und Osten; so der Eingang mit dem Treppen-Tunnel, die aus dem Felsen gehauenen Cisternen, der Kehrtunnel, der zu einem Brunnen herunterführt und die Felsen-Zimmer über dem Abgrund. Der Weg von Gerger nach Kiachta und dem Nimrud-dagh führt in nordöstlicher Kichtung bergab nach dem „Pettergeh-creek", den 1) Hu mann und Puchstein: Reisen in Syrien und Klein- Asien. 202 E. Huntington: Fig. 29. Armenier in Gerger, kurdisch gekleidet. Fig. 30. Graeco-hethitische Figur: NW. -Ecke der Burg zu Gerger. Weitere Berichte über Forschungen in Armenien und Comraagene. 203 Fig:. 31. NW. -Ecke der Burg zu Gerger mit der graecn-hethitischen Figur. Fig. 32. Grab bei Semsidi, unweit Gerger. Links von der sitzenden Gestalt die griechische Inschrift. 204 E- Huntington: er nach etwa P/g Stunden erreicht. 1 Stunde hinter Gerger passirt man das Dorf Bazi«-. Halbwegs zwischen beiden uud kaum V* «"g^- Meile vom Wege entfernt, liegt der Weiler Semsidia. Nördlich von diesem liegt ein kuppelförraiger Felsen, an dessen Ost- seite sich eine 9 engl. Fuss tiefe Höhle mit einer roh verzierten Thür be- findet. Darüber rechts die rohe Figur einer sitzenden Frau, die rechte Hand auf die Brust gelegt, die linke auf den Knieen ruhend. Der Kopf- putz sieht einem Shawl gleich, der bis auf die Schultern reicht (Fig. 32). Links davon eine griechische Inschrift, von der ich Ihnen eine Copie sende'). Ueber dem Ganzen zw^ei lange Stufen. Wir kehrten über Shiro nach Carput zurück. Bei Omrun besuchte ich den Anfang der Wasserleitung und fand die Inschrift, von der ich in einem Briefe, den ich Ihnen im vorigen Herbst schrieb, berichtete. Sie erwies sich als syrisch, in krummen Zeilen, und mit Buchstaben von 6 Zoll Höhe geschrieben. Sie ist sehr beschädigt, und wir konnten nichts heraus- bringen. Nahe der Inschrift durchfliesst das Wasser einen Tunnel. Im Uebrigen ist die Wasserleitung offen. Es ist keine so bedeutende Arbeit, als ich mir nach den Schilderungen, die man mir gemacht, vorgestellt hatte. iir. Charput, den 1. August 1901. Nach 5 Wochen anstrengenden Reisens bin ich wieder in Charput. Mein Besuch in Amasia war höchst interessant. Die Felsen-Gräber sind etwas ganz Wunderbares. Eine Anzahl kleiner Höhlen und einige Treppen scheinen älter zu sein als die Hauptgräber und gleichen denen östlich des Euphrat. Von Marsovan aus schlugen mein Bruder, Mr. Ward und ich, westliche Richtung ein nach Chor um und wandten uns dann südlich nach Yozgat via Ujük und Boghaz-kiöi. Am Nachmittag des Tages, an dem wir Chorum verliessen, kamen wir nach Kala-Hissar. Der spitze 400 Fuss hohe Felsen wird sichtbar in dem Augenblick, da man aus einem langen sanften Thal kommend, eine weite, grüne Ebene überblickt. Unter- halb der Burg liegt ein Tscherkessen-Dorf und zur linken, eine und zwei engl. Meilen entfernt, zwei kegelförmige Erdhügel. Der Gesammt-Eindruck ist höchst überraschend. 1) Dieses Monument ist m. W. Entdeckung Mr. Huntington's und bisher unbekannt: bei Humann und Puchstein ist es nicht erwähnt. Die Inschrift, über die ich an anderer Stelle genauer berichten werde, zeigt, wenn ich Hrn. Huntington's Copie richtig emendire und ergänze, dass wir es hier mit dem von den Eltern errichteten Grabmal eines Antiochos, offenbar eines Mitgliedes der kommagenischen Dynastie, zu thun haben, der jung, im Alter von 23 Jahren verstorben ist. C. L. Weitere Berichte über Forscliiingen in Armenien und Commagene. 205 Kala-Hissar ist von verhältnissmässio' kleinem Umfange. Zwei felsige Erhebungen sind mit zahllosen grossen und kleinen, benutzbaren und — anscheinend — nutzlosen Stufen bedeckt, der Felsen ist oben künstlich planirt, ausserdem ist an der Westseite ein grösseres Stück geglättet und schwach ausgehöhlt. In der Nähe eine Art Sessel mit zwei kleinen Löwen als Wappen. Etwas weiter nach unten zu ein anderer mit Löwenklauen als Wappen, darunter eine unleserliche, viel- leicht griechische Inschrift. Hier und dort (Balken?-) Löcher. Die Mauern, Fig. 33. Südansicht der Burg von Charput. Nach C. F. Lehmanns photographischer Aufnahme. (Die Stadt Charput links im Hintergrunde. Die Häuser im Vordergrunde zu einem am Fuss der Burg gelegenen Dorfe gehörig.) die Mörtel zeigen, bestehen aus Sandstein und Kalkstein. Vielleicht sind sie ganz modern. Der Fels der Burg ist Porphyr wie zu Per tag. In halber Höhe, an der NO. -Seite der Burg ist eine Terrasse aus dem Felsen gehauen, die an zwei Seiten von den Felswänden begrenzt wird, die recht- eckig aneinanderstossen, während die freie Seite gerundet ist, sie ist etwa 15 — 20 Fuss gross. An den Rändern finden sich kleine Stufen und eine Abfluss-Rinne führt von der Plattform herunter. Es bieten sich nur zwei Erklärungen. Entweder war dies ein Reservoir, von dem zwei Seiten aus Zeitschrift für EthnoloKie. Jahrg. 1901. 15 206 ^- Huntington: Mauerwerk bestanden, das verschwunden ist, oder — und weit wahrschein- licher — wir haben es mit einer Opferstätte zu thun, und die Rinne diente für das Abfliessen des Blutes. Nach Süden zu und weiter abwärts eine zweite Plattform, und unweit derselben ein grosser Stein von gleicher Form, wie die erwähnten: nur hatte er ein rundes Loch anstatt eines Knubbens. Noch eine dritte Plattform mehr nach Südosten zu. Ihr nahe drei weitere Blöcke, aber ohne Knubben oder Löcher. Im Boden der Plattform eine Reihe quadratischer Ver- tiefungen, und direct unterhalb der Plattform eine lange Stufe. Ueber den Zweck der Anlage discutirten wir lange. Gegen einen Steinbruch sprach die saubere Glättung der Terrassen und Treppen. Zudem erinnerten diese Terrassen an die Plattform der nahe belegenen Burg. Wir kamen zu dem Schlüsse, dass hier ein Steinbruch durch weitere Bearbeitung zu einem Heiligthum ausgestaltet sei. In dem 20 Minuten von hier entfernten Üyük bestätigte sich der erste Theil dieser unserer Yermuthung. Die grossen behauenen Steine des dortigen Tempels bestehen aus eben dem Porphyr, den wir hier fanden, und diese Gesteinsart findet sich nur in einer grossen Eruptionswoge, die am Burgberge zu Kala-Hissar und in Kalan-Kayan zu Tage tritt ^). Die Burg von Kala-Hissar interessirte mich namentlich, weil sie, wenn ich nicht irre, als ein typisches Beispiel „hethitischer" Arbeit betrachtet wird. Eine nähere Beschreibung der Fels -Anlagen würde fast Wort für Wort für die der „chaldischen" Burgen zu Charput (Fig. 33 und 34), Baghin und anderen Stätten zutreffen. Die Aehnlichkeit er- streckt sich selbst auf kleine Details, und scheint auf eine nahe Ver- wandtschaft zwischen „Chaldern" und „Hethitern" zu deuten. Von Kala-Hissar begaben wir uns zu dem näheren der beiden Hügel, der ungefähr V^ Stunde entfernt war. Er hat eine Höhe von 40 Fuss und ist kreisrund. Er enthält kleine Kiesel aus Quarz, Schiefer, Kalk und Porphyr und war offenbar künstlich. Der andere Hügel ist ein Bischen höher. 10 Minuten südlich von dem Hügel bemerkte Mr. Ward, unweit des Dorfes Kalan-Kaya, eine künstliche, aus dem Felsen gehauene Plattform von 20 : 12 Fuss Grösse, mit kleinen, rechteckigen Vertiefungen und einigen runden Löchern. Dahinter, und 5 Fuss höher, ist, der Plattform parallel, eine Stufe in die senkrechte Wand geschnitten. Weiter bergauf steht ein Felsstück von 10 Fuss Höhe, das aussieht wie die Sculptur einer Sphinx, die man unvollendet gelassen. Noch weiter bergauf steht ein grosser, rechtwinkliger Block (8 : 478 • ^ Fuss). Darauf ein sonderbarer konischer Knubben^). 1) Im Original: „. . . . is found only in a great boss which crops out in the Castle and at Kalan-Kaya." C L. 2) Die weitere Beschreibung gebe ich in Mr. Huntington's englischen Worten: Weitere Berichte über Forschungen in Armenien und Commagene. 207 Die öculpturen von Üyük waren uns natürlich höchst interessant. Mich fesselte speciell eine naturgeschichtliche Eigenthümlichkeit. Die auf den Felsen eingegrabenen Widder haben lange, dünne Schwänze, die bis zur Erde reichen und an der Spitze ebenso dick oder dicker sind als an der Wurzel. Die heutigen Böcke, die bei den Sculpturen grasen, haben enorme fette, kurze Schwänze, die an der Spitze viel schmaler sind als nach der Wurzel zu^). Von Uyük begaben wir uns in südöstlicher Richtung, zu Fi?. 34. mh^: • "f • '■ „Chaldische" Terrassen auf der Burg von Charput. 2 Steinblöcken, die, wie es scheint, bisher unbemerkt geblieben sind. Sie liegen ganz für sich mitten in einem Weizenfelde und sind fast ganz be- wachsen. Wir reinigten die Oberfläche und suchten die Seiten durch Graben freizulegen, konnten aber nicht bis zu den unteren Rändern ge- langen und auch keine Photographie nehmen. Es sind Porphyr -Blöcke aus dem Steinbruche von Kalan-Kaya (s. oben) ungefähr 6 engl. Fuss lang und 4 Fuss breit. Ihre Lage — parallel in 12 Fuss Entfernung — „The end and one side are lei't unfinished. Below and on the sides of the platform are six great Square stones with smooth flaring sides and round er conical bones on the top." C. L. 1) Vgl. hierzu die Untersuchungen von G. Thilenius, „Das ägyptische Hausschaf", Recueil des travaux relatifs ä la Philologie et ä l'Archeologie egyptiennes et assyriennes. XXII. (1905). C. L. 15* 208 E. Huntinoton: lässt auf einen Thor-Eingang schliessen. In ihrer Nähe liegen Stückchen alten Mörtels. Der nördlich liegende Stein ist roh behauen und hat nur eine glatte Fläche, wir konnten keine Sculptur darauf entdecken. Der andere grössere liegt verkehrt. Auf einer Fläche sieht man 2 Löwen in halb aufrechter Stellung einander zugekehrt. Die Köpfe sind weggebrochen und auch die erhaltenen Theile haben stark gelitten. Nach Stellung und Gestalt ähneln sie den Löwen von Mykenae (Fig. 35, eine rohe Skizze). Fig. 35. Löwen-Sculptur unweit Üyük. Von den Löwen wandten wir uns nach ßoghaz-k'iöi, wohl der interessantesten Stätte, die ich in der asiatischen Türkei besucht habe. — Von Yozgat nach Sivas wurde scharf geritten. Der Weg geht grösstentheils durch die nördliche Reihe der Zwischen -Ebenen {internal plains), die man als das kleinasiatische Tibet bezeichnen könnte. Viele dieser Ebenen sind ganz öde, aber die meisten könnten durch Anpflanzung von Bäumen und Bewässerung, der grossen Kangal-Ebene gleich gemacht werden, die die schönsten Weizenfelder hat, die ich je gesehen habe. Etwa 5 Stunden von Yozgat entfernt liegt Kerküz-Kala, eine wahr- scheinlich „hethitische" Burg, die ich nicht besucht, weil wir uns bemühten, Sivas Sonnabend Abend zu erreichen. Die Burg zeigt auf halber Höhe eine gi'osse Mauer und gleicht in diesem Punkte Kala-Hissar. Von dort erstreckt sich eine Ebene nach Osten, die beiderseits von niedrigen Hügeln begrenzt wird, auf diesen befinden sich je eine Reihe kegelförmiger Auf- schüttungen (mounds), denen bei Samsün und Kala-Hissar ähnlich. Auf der nördlichen Hügelreihe zählten wir acht, auf der südlichen sieben solcher Aufschüttungen, sie liegen in ungefähr gleichen Entfernungen auf solchen Hügeln, die einen weiten Ausblick gestatten. Sie scheinen als Signal- thurm gedient zu haben. Es wäre interessant, ihre Zahl, Lage und Ein^ Weitere Berichte über Forschungen in Armenien und Commagene. 209 richtung zu erforschen. Die, welche wir sahen, gehören wahrscheinlich zur Burg von Kerküz und dienten dem Schutze der Ebene. Ein Beamter in Ak-Dagh -Maden erklärte sie für Bestandtheile eines Feuerzeichen- Telegraphen von Constantinopel nach Bagdad^). Nach Ak-Dagh-Maden waren die meisten Leute der jetzigen Bewohner vor 70 — 80 Jahren aus Gümüschchana^) gekommen, um die Silber-Minen zu bearbeiten. Da sie als orthodoxe Griechen verfolgt wurden, bekehrten sie sich äusserlich zum Islam. Im Geheimen aber blieben sie Mitglieder der orthodoxen Kirche und vollzogen deren Riten Nachts, während sie am Tage die Moschee reoelmässii;- besuchten. Die Kinder erhielten christliche Namen. Wenn sie zur Eintragung vor die Beamten gebracht wurden, sagte der Vater etwa: „Der Knabe heisstPaul." Der Beamte: „Das ist kein muhamme- danischer Name, Du musst ihn ändern.'' Nach lauger Debatte, in der jeder auf seinem Standpunkt beharrte, beendete der Beamte die Sache, indem er decretirte: „Der Knabe lieisst Achmed." Hinfort hatte er zwei Namen, Achmed öffentlich und Paul im Geheimen. Die zweite Generation fand an diesem System keinen Gefallen. Viele verweigerten die Eintragung ihrer Kinder und suchten sie dem Militär- dienst zu entziehen. Gegenwärtig hat die Stadt etwa 200 wirklich muham- medanische (meist türkische) Familien, 150 orthodox-griechische Familien, die zugezogen sind, seitdem die übrigen Muhammedaner wurden, und 400—500 der geschilderten muhammedanisch-griechischen Familien. Diese letzteren führen auch heute noch ein Doppelleben, obwohl sie aufgehört haben, zur Moschee zu gehen. Viele von den jungen Leuten verstecken sich im Gebirge vor den Aushebungs-Officieren. Vor 18 Jahren sandten diese Griechen an den Sultan eine Petition des Inhalts: „Wir sind Griechen und bitten, uns als solche einzutragen." Bis jetzt ist keine Antwort gekommen, aber sie er- warten, dass bald eine Commission kommen wird, die sie alle entweder als Muhammedaner oder als Christen einträgt. Sie hoffen stark, dass das letztere der Fall sein wird. Manche erklären: „sie wollen lieber sterben als Muhammedaner werden!" 1) Zu Obigem die Bemerkung, dass auch die phrygischen Tumuli (oben S. 181, Anm. 1), ehe sie durch Kqrte's Untersuchungen als Begräbniss-Stätten erwiesen wurden, als alte militärische Beobaehtungsposteu betraclitet wurden. „Auch die analog angelegten Tumuli in Bulgarien sind für militärische Auslugpunkte erkläi-t worden und haben wohl auch in Kriegszeiten diesem Zwecke gedient." Kretschmer a. a. 0. S. 174, Anm. 2, unter Berufung auf Kauitz, unsere Verhandl. 1884, S. 18 f. C. L. 2) Gümüschchana mit seinen Silberminen ist die Metropolis des Erzbisthums Chaldia. Metall- und Stein Bearbeitung sind von den alten Chaldern ererbte Fertigkeiten, wegen deren die Einwohner von Gümüschchana weithin, selbst bis nach Tiflis und in der Krim gesucht sind und Beschäftigung finden. Wir haben daher in diesen zäh an ihrem Glauben hängenden „Griechen" wahrscheinlich grossentheils Nachkommen der auf ihre Selbständigkeit stets so bedachten ^freien und wehrhaften" (Xenophon) Chalder zu erblicken. C. T-. Besprechungen. Förstemann, Ernst. Commentar zur Maya- Handschrift der Königlichen öffentlichen Bibliothek zu Dresden. Dresden 1901. 8"*. Richard Bertling. IV und 176 S. In Deutschland hat die Erforschung der alten Cultur- Denkmäler der Maya -Völker Central-Americas von jeher vorzugsweise an die in der Dresdener Königlichen öffentlichen Bibliothek aufbewahrte Maya -Handschrift, den sog. Codex Dresdonsis, angeknüpft, der allerdings auch der bedeutendste Ueberrest jener untergegangenen Literatur ist: die meisten Veröffentlichungen bezogen sich in erster Linie auf die Dresdener Handschrift. Um so mehr war es zu bedauern, dass die Resultate dieser Forschungen iaberall in Zeitschriften- Aufsätzen und Einzel-Publikationen zerstreut waren, so dass es unmöglich war, einen zu- sammenfassenden Ueberblick zu gewinnen und angesichts der Handschrift die Frage zu beantworten: wie weit ist uns ihr Inhalt im Zusammenhang verständlich, was ist ent- ziffert, und was harrt noch der Deutung? Die Maya -Forschung ist eine junge Wissen- schaft, und sie entbehrte als solche noch einer umfassenden Zusammenstellung ihrer Er- gebnisse, obgleich diese Ergebnisse in den wenigen Jahrzehnten ihrer Existenz so bedeutsam geworden sind, dass sie alle früher gehegten Erwartungen weit übertreffen. Prof. Ernst Förstemann, der sich schon vor Jahren durch die Herausgabe der Dresdener Handschrift in einer trefflichen Reproduction (jetzt schon in 2. Auflage: Dresden 1892, Richard Bertling) ein besonderes Verdienst um diese Handschrift erwarb, hat es jetzt in dem uns vorliegenden Werk zum ersten Mal unternommen-, einen vollständigen Commentar zur Dresdener Maya- Handschrift nach dem Stande unseres heutigen Wissens zu verfassen. In der That, dass dieses Werk möglich war, zeigt am besten, welche Fort- schritte diese junge Wissenschaft gemacht hat. Das Buch soll, wie der Verfasser sagt, „für das betreffende Gebiet unseren Stand des Wissens zu der Zeit, wo das 19. Jahr- hundert in das 20. übergegangen ist, darstellen", und an dem Stande dieses Wissens, das hier erschöpfend niedergelegt ist, hat Prof. Förstemann selbst durch seine zahl- reichen Einzelforschungen, besonders auf dem Gebiete der Zeitrechnung und des Kalenders, einen hervorragenden Antheil. Der Commentar begleitet die 74 Blätter der Handschrift auf 17.5 Seiten mit Er- läuterungen; PS kommen also im Durchschnitt auf jedes Blatt der Handschrift über 2 Seiten. Er zeigt uns, dass der Schwerpunkt unseres Wissens in dem kalendarischen Theile der Handschrift liegt, für dessen Entzifferung und Deutung die Arbeiten Förstemann's bahn- brechend gewesen sind, was hier gegenüber späteren Arbeiten amerikanischer Forscher ausdrücklich festgestellt sei. Die Sicherheit der Deutung ist naturgemäss grade auf diesem Gebiete der Handschrift am grössten; sie übertrifft in dieser Hinsicht die Deutung des übrigen, vorzugsweise mythologischen Inhalts in dem Grade, dass wir sogar im Stande sind, Rechenfehler und andere Irrthümer des Schreibers nachzuweisen. In der Be- zeichnung der Götterfiguren hat Prof. Förstemann sich der von mir vorgeschlagenen Buchstaben -Bezeichnung angeschlossen, die vielfach, besonders auch in America, ange- nommen ist. Noch sind wir bei dem Mangel an zutreffenden Ueberlieferungen nicht dahin gelangt, diese Buchstaben allgemein durch bestimmte Göttemamen ersetzen zu können, wenngleich die Hieroglyphen der Gottheiten so gut wie vollständig festgestellt sind. Die Resultate der Entzifferung und Deutung der Handschrift, wie sie in dem Commentar niedergelegt sind, werden nicht verfehlen, vielfach zu überraschen; insbesondere giebt die Besprechungen. 211 Deutung jener hohen Zahlen und Zahlenreihen, an denen die Handschrift so reich ist, ein interessantes Bild von der Höhe des mathematischen und astronomischen Wissens jener Völker. An der Hand dieser Forschungen tritt Prof. Förstemann auch der Frage nach dem Alter der Handschrift näher. Die früher mitunter aufgestellten Vermuthungen über das hohe Alter derselben lassen sich nach dem Ergebnisse der neueren Forschung nicht aufrecht erhalten. Hir Ursprung muss in die letzte Zeit vor der Ankunft der Spanier angesetzt VFerden, und es sei in dieser Hinsicht besonders auf die interessante Hypothese S. 11 des Commentars hingewiesen, welche die Darstellung Bl. 10a der Handschrift in Beziehung bringt mit dem Tode des Kaisers Ahuitzotzin im Jahre 1502. Bietet uns so der Förstemann'sche Commentar auf der einen Seite eine über- raschende Zusammenstellung der bisher gewonnenen Resultate, so lässt er auf der anderen Seite auch wieder erkennen, wo und in welchem Umfange unser Wissen noch lücken- haft ist, und wie viele bisher unentzififerte Theile der Handschrift sich noch darbieten als Angriffsobjecte für die Weiterforschung. Es sind in der That noch recht viele, und es steht dahin, ob die bestimmte Hoffnung des Verfassers, „dass sein Commentar bald weit überholt sein wird", angesichts des geringen Materials so schnell in Erfüllung gehen mag. Die Bahn ist zukünftigen Forschern durch diesen Commentar jedenfalls geebnet. Möge der Commentar ein Zeichen des Eintritts in eine neue Periode der Maya-Forschung sein: eine Periode des Sammeins und Zusammenfassens des Gewonnenen, des Zusammentragens der Bausteine zu einem einheitlichen Gebäude. P. Schellhas. Mayr, Albert, Die vorgeschichtlichen Denkmäler von Malta. Mit 12 Tafeln und 7 Plänen. München 1901. 4°. Verlag der Königl. Akademie in Commission des G. Franz'schen Verlags (J. Roth). (Aus den Ab- handlungen der Königl. bayerischen Akademie der W^issenschaften. I. Cl., XXL Bd., III. Abth.) Die Alterthümer von Malta haben seit dem IT. Jahrhundert wiederholt die Auf- merksamkeit der Archäologen auf sich gelenkt, doch sind die Veröffentlichungen darüber nur dürftig und unsicher. Es war daher eine sehr verdienstvolle Arbeit des Verfassers, die bisherigen Untersuchungen durch eigene Nachgrabungen zu prüfen, dieselben zu be- richtigen und zu ergänzen, wie wir dies aus der vorliegenden Abhandlung erfahren. Die Denkmäler selbst bestehen in megalithischen Ueberresten von Heiligthümern, Thürmen, Befestigungs -Werken und Wohnungen, Die Tempel-Ruinen stellen offene, von hohen Mauern umgebene Räume dar mit einer äusseren bogenförmigen Umfassungsmauer, auf deren Höhe der Eingang liegt. Das Innere bilden 2 ovale Räume hinter einander, welche mittelst eines Durchgangs verbunden sind, der gerade gegenüber dem Eingang sich zu einer halbkreisförmigen oder polygonalen Nische erweitert. Hier scheint ein besonders wichtiger Platz gewesen zu sein. Diese Grundform ist aber selten rein erhalten, sondern durch Nischen und Anbauten oft erweitert, in welchen häufig steinerne Tische und kegelförmige Pfeiler zu Cultzwecken sich finden. Die Wände bestehen aus meist unbearbeiteten Kalksteinblöcken oder kleineren Steinen, gewöhnlich ohne jedes Bindemittel. Selten sind die Steine mit einem rohen Punktornament, noch seltener mit einer Spirale oder einem Kegel verziert. Von solchen Denkmälern beschreibt Verfasser 2 auf Malta und 3 auf Gozzo; von den letzteren weist jedoch das eine durch rohere Arbeit auf eine ältere Periode hin. — Auf Malta existiren auch Thürme von kreisrunder Form, ebenfalls aus Steinblöcken ohne Bindemittel errichtet, auf beiden Inseln femer Ruinen von befestigten Wohnstätten, auf Malta besonders nahe am Meere, auf Gozzo mehr in der mittleren Ebene. Auch Bildwerke von Stein und Terrae otta wurden in den Tempeln gefunden. Es sind rohe Statuetten ohne Finger und Zehen mit ungewöhnlich dicken Körperformen, wie sie in der ägäischen Inselkunst und in den libyschen Funden von Ballas und Naqada bekannt sind. — Die gefundenen Scherben sind von roher Arbeit mit einfachen Verzierungen aus geritzten Linien und Kerbschnitt; eine aus 3 Gefässen zusammengesetzte Vase und l Gefäss mit 3 Mündungen erinnern an Gefässe von Hissarlik und Cypern. 212 Besprechungen. Alle diese Denkmäler wurden von den Archäologen bisher auf die Phönizier zurück- geführt. Der Verfasser tritt dieser Anschauung mit guten Gründen entschieden entgegen und weist vielmehr auf einen frühen Zusammenhang der Insel Malta mit den westlichen Inseln Pantelleria, Sardinien, den Balearen bis zum südöstlichen Spanien hin, welche ähn- liche Bauten und Culteinrichtungen besitzen und in der frühen Bronze -Zeit eine besondere west-raittelländische Insel-Cultur entwickelten, die ursprünglich vermuthlich von libyschen Stämmen aus Nord-Africa herübergebracht, später auch Einwirkungen von der ägäischeu und mykenischen Cultur erfuhr-. Diese eigenartige Cultur erhielt sich auf den grösseren Inseln, wie Sardinien und den Balearen, noch lange auch nach der Colonisation durch die Phönizier, während dieselbe auf den kleinen Inseln, wie Malta und Gozzo, schon früh von der phönizischen aufgesogen sein muss, jedenfalls vor dem 6. Jahrhundert vor Christo, als diese Inseln dem karthagischen Staate einverleibt wurden. Lis sauer. Giuseppe Bellucci: Amuleti Italiano antichi e contemporanei. Catalogo descrittivo, Perugia (Tipografia cooperativa) 1900. 27 Seiten. 8vo. Die überraschend reiche Sammlung antiker und modemer Amulete aus Italien, welche Professor Giuseppe Bellucci zusammengebracht hat, ist schon im vorigen Jahr- gange dieser Zeitschrift (1900, S. 31) besprochen worden. Jetzt hat Bellucci eine inter- essante Zusammenstellung von Amuleten gemacht, deren eine Hälfte antiken Ursprungs ist, während es sich in der anderen Hälfte um moderne Stücke aus Italien handelt. Er hat 4 verschiedene Gruppen gebildet, innerhalb deren jedesmal ein antikes und ein modernes Stück unter gleicher Nummer sich gegenübergestellt sind. Die erste Gruppe umfasst solche Amulete, von denen je ein antikes und ein modernes in der Form und dem Material, sowie in der Ausschmückung vollkommen mit einander übereinstimmen. In der zweiten Gruppe besitzen die zusammengehörigen Stücke vollständig die gleiche Form, aber der Stoff, aus dem sie gefertigt werden, ist nicht der gleiche, wenn auch ein ähn- licher. So z. B. gab ein Grabfund aus dem ersten Eisenalter aus Capestrano (Chieti) ein als Amulet benutztes Beilchen aus Jadeit, während ein in der Form ganz gleiches, modernes Stück aus Serpentin gefertigt ist. In der dritten Gruppe sind die Formen ver- schieden, aber das Material ist bei dem alten und dem neuen das gleiche, imd endlich in der vierten Gruppe decken sich bei dem antiken und dem modernen Stück weder die Form, noch das Material, aber es sind doch zwischen beiden unverkennbare Analogien vorhanden. Von den antiken Amuleten, welche bei gelegentliclieu archäologischen Funden ge- borgen wurden, ist es natürlicher Weise unmöglich zu sagen, welche übernatürlichen Kräfte sie im Glauben ihrer Zeitgenossen besessen haben. Durch die geschilderte Zu- sammenstellung mit solchen Stücken, wie die Bevölkerung von Italien sie auch heutigen Tages noch benutzt, sucht Bellucci diese Frage zu lösen. Er betrachtet es für höchst wahrscheinlich, dass die gleichen, übersinnlichen Kräfte, welche das jetzt lebende Volk seinem Amulete zuschreibt, auch seine Vorgänger im antiken Italien den analogen Amuleten ihrer Zeit vindicirt haben werden. Wer die ungemeine Zähigkeit kennt, mit welcher einmal gefasste Anschauungen und Meinungen in der Seele des Volkes haften, dem wird diese Anschauung Bellucci' s ausserordentlich annehmbai- erscheinen. Dass bei den modernen Amuleten der Heiligen -Cultus seine Rolle spielt, wo in den antiken Zeiten wahrscheinlich bestimmte Gottheiten durch das Amulet als hinmilische Schützer herbei- gerufen wurden, . 2— G. V« Serie. Tome I. 1900. Nr. 1. (152 u. 153 V. d. S. d'A.) 154. „ Revue mensuelle de l'Ecole d'Anthropologie. Jahrg. X. 1900. Heft 2-12. Jahrg. XI. 1901. Heft 1—2. (V. d. Ecole d'Anthrop.) 155. ^ Annales du Musee Guimet. Tome XVI. Part IV. 15G, „ Annales du Musee Guimet. (Bibliotheque d'etudes.) Tome VIII. 157. „ Revue de l'histoire des religions. Tome XXXIX. Nr. 1—3. Tome XL. TomeXLL Nr. 1—3. Tome XL IL Nr. 1. (155 — 157 V. d. Ministere de l'Instruction publique.) Griechenland. *158. Athen. Bi/3Xioi>vi/cvi rvjg sv 'A&/;i'ai; upy^oi.LoKoyixy^g Iraipictg. (V. d. G.) *I59. „ As^TLOv T-/]g l(TTOpi/i-/]g xai ^i}^c'f.oy'L■Kr^g £TOLipLoi.g TYi^ 'EX/.aosc. (Aon d. Historischen und Ethnologischen Gesellschaft von Griechenland.) (23) 160. Athen, ncj.xzixj, ty,: bv Ai)v;\ais 'AfX'^AcKoyixrz 'Eraipsic.;. Jahrg. 1899. 161. „ Ephemeris" urchaiologilco. Jahrg. ÜKJO. Heft 1—4. 162. „ Epeteris Parnassou. Jahrg. 4. (160—162 V. d. archäol. G.) 163. „ Mittheihingeii des kaiserlich -deutschon Archäologischen Institutes. Bd. XXIV. 1899. Heft 4. Bd. XXV. 1900. Heft 1—3. (V. d. Archälog. Institut.) 164. „ Bulletin de Correspondance Hellenique. Jahrg. 1899. XXIII. 7—12. 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Jahrg. 1899. Heft 11— 12. VI. Jahrg. 1900. Heft 1—6. Suppl.-Heft 1. (V. d. V. f. österr. Volksk.) (26) Portugal. "226. Lissabon. Boletim de hi Sociedade de Geographia. XVII. Serie. Nr. 1 — 4. (Y. d, S.) 227. Lissabon. 0 Archeologo Portuguez. Vol. V. Nr. 2 — 8. (V. d. Museo Ethnographico Portuguez.) 228. Porto. Portugalia. T. 1. Fase. 2. Rumänien. 229. Bucarest. Analele Academiei Romane, 1889 — 98. Indice Alf. Vol. XI — XX. SerialL Tomul XXIL 1899-1900. (V. d. A.) 230. Jassy. Arhiva d. Societätii sciintifice si Literare. Anul XL 1900. Nr. 1 — 12. (V. d. S.) Russland. 231. Dorpat. Sitzungsberichte der gelehrten Estnischen Gesellschaft. Jahrg. 1899. 232. „ Verhandlungen der gelehrten Estnischen Gesellschaft. Bd. XX. Heft 2. Inhalts-Yerzeichniss zu den ersten 20 Bänden. (231 u. 232 V. d. G.) *233. Kasan. Mittheilungen der Gesellschaft für Archäologie, Geschichte und Ethnographie. (V. d. G.) *234. Moskau. Arbeiten der anthropologischen Abtheilung. 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G.) *239. „ Materiaux pour servir a l'archeologie de la Russie. *24Ü. „ Compte rendu de la Commission Imperiale Archeologique. (239 u. 244 d. k Archäologischen Commission.) 241. „ Bericht d. k. Russischen Geographischen Geseilschaft. Jahrg. 1899. (V. d. G.) 242. Warschau. Wisla. M. Geograficzno-Etnograficzny. Tome XIV. 1900. Nr. 1-6. (V. d. Red.) 243. „ Swiatowit. Tome IL 1900. (V. d. Red.) Schweden. *244. Stockholm. Antiqvarisk Tidskrift for Sverige. *245. „ Akademiens Manadsblad. (244 u. 245 V. d. Kgl. Vitterhets Historie og Antiqvitets Akademien.) 246. Stockholm. Samfundet för Nordiske Museet fnimjande Meddelanden utgifna af Artui- Hazelius. Jahrg. 1898. *247. „ Minnen fra Nordiske Museet. *248. „ Handlingar angäende nordiske Museet. (240—248 von Hrn. Hazelixis.) 249. „ Svenska Forenminnesförening. Tidskrift. Bd. XI. Heft 1. *250. „ Svenska Konstminner frän Medeltiden och Renässansen. (249 u. 250 V. d. G.) 2.31. „. Ymer. Bd. XIII. 1893. Bd. XX. 19ÜÜ. Heft 1—4. *2.j2. „ Svenska Landsmalen. (251 u. 252 V. d. Univcrsitäts-Bibl. i. Upsala.) Schweiz. 253. Neuchatel. Bulletin de la Societe Neuchateloise de Geographie. Tome XU. 1900. (V. d. S.) 254. Zürich. Anzeiger für Schweizerische Alterthumskunde. Neue Folge. Bd. I. 1899. Nr. 4. Bd. II. 1900. Nr. 1—3. 255. „ Jahresbericht des Schweizerischen Landesmuseums in Zürich. Jahresb. 7 u. 8, nebst Anlage. (254 u. 255 V. d. Schweizerishen Landes-Museum.) 256. „ Jahresbericht der Geographisch - Ethnographischen Gesellschaft in Zürich. Jahrg. 1899/1900. (Von Hrn. Martin.) 257. „ Mittheilungen der Antiquarischen Gesellschaft. Bd. XXV. Heft 1—2. (V. d. A. G.) 258. „ Mittheilungen aus dem Verbände der Schweizerischen Alterthums- Sammlungen usw. 1899. Nr. 4. (V. d. Red.) 259. ,, Schweizerisches Archiv für Volkskunde. IV. Jahrg. Heft 1—4. (V. d. Schw. Ges. f. V.) III. Afiica. 260. Tunis. Revue Tunisienne, publice par le Comite de ITnstitut de Carthage. Jahrg. 1900/1901. Nr. 27—29. (V. d. Ass. T. d. L. Sc. et Arts.) IV. America. *261. Austin. Transactions of the Texas Academy of Science. (V. d. A.) *262. Boston (Mass. U. S. A.). Proceedings of the Boston Society of Natural History. (V. d. S.) *263. Buenos -Aires (Argentinische Republik). Anales del Museo Nacional. (V. d. M.) *264. y, Boletin de la Academia Nacional. (V. d. A. N.) 265. Chicago. Publications of the Field Columbian Museum. Report Series. Vol. I. Nr. 5. (V. d. M.) 260.. Davenport. Proceedings of the Academy of Natural Sciences. Vol. VII. 1«97— 1899. (V. d. A.) (28) 267. Halifax (Nova Scotia, Canada). Proceedings and Transactions of the Xova- Scotian Institute of Natural Science. Vol. X. Part 1. (Y. d. I.) *268. La Fl ata. Revista del Museo de La Plata. 269. „ Anales del Museo de La Plata. IL 1900. 1. (268 u. 2G9 V. d. M.) 270. Milwaukee. Annual Repoit of the Board of Trusteos of the Public Museum of the City of Milwaukee. 17. (V. d. B. o. T.) 271. New York. Science. Yol. XI. Nr. 267 — 268. Yol. XII. Xr. 289 — 314. 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(V. d. M.) *282. Rock Island. 111. Fublications of the Augustana College Library. (V. d. College Libr.) *283. San Jose (de Costa Rica). Informe del Museo Nacional. *284. ^ Anales del Instituto Pisico-Geografico y del Museo Nacional de Costa Rica. (283 u. 284 V. d. M. N.) 285. Säo Paulo. Revista do Museu Paulista. Vol. lY. (V. d. Mus.) 286. Toronto (Canada). Proceedings of the Canadian Institute. Vol. II. Part. III. Nr. 9. A^ol. II. Part 4. Nr. 10. 287. „ Transactions of the Canadian Institute. Vol. TL *288. „ Annual Report of the Canadian Institute. *289. „ Annual archaeological Reports. (286—289 V. d. C. I.) 290. Washington (D. C, U. S. A.). Annual Report of the Smithsonian Institution. Part I. Year ending June 30, 1897. (Y. d. S. I.) *291. „ Annual Report of the Geological Survey. *292. „ Annual Report of the Bureau of Ethnology. (Y. d. Bureau of Ethnol.) *293. „ Special Papers of the Anthi-opological Society. (Y. d. S. I.) *294. „ The American Anthropologist. (Y. d. Anthropol. Society ofW^ashington.) 295. „ Bulletin of the ü. S. National Museum. Part lY. Nr. 47. Special Bulletin. Part I. *296. „ Proceedings of the ü. S. National Museum. (295 u. 296 v. d. Smithsonian Inst.) C-"-0 V. Asien. 297. Batavia. Tijdschrift voor Indische Taal-, Land- en Volkcnkunde. üeel XLü. Afl. 1-G. DeelXLlII. Afl. 1 u. 2. 298. ,, jSTotulen van de Algenieene en Bestuiirsvergaderingen van het Bata- viaasch Genootschap van Künsten en Wetenschappen. Deel XXXV'I. 1898. Afl. 3. Deel XXXVII. 1899. Afl. 4 — 5. Deel XXXVIII. 190(1. Afl. 1 u. 2. 299. „ Yerhandlingen van het Bataviaasch Genootschap van Kunsten en "Wetenschappen. Deel LI. Afl. 2 — 4. ^')0Ü. „ Nederlandsch-indisch Plakatboek. 301. „ J. A. van der Chijs, Dagh-Register. (297-301 v. d. G.) ;!02. Bombay. The Journal of the Anthropological Society. Vol. V. Nr. 1—2. (V. d. S.) oOo. Calcutta. Epigraphia Indica and Record of the Archaeological Survey of India. Vol. V. Part 8. Vol. VI. Part 1 u. 2. (V. d. Government of India.) ;!0-L „ Proceedings of the Asiatic Society of Bengal. 1899. Nr. s— 11. 1900. Nr. 1—8. .305. „ Journal of the Asiatic Society of Bengal. Vol. LXIX. Parti Nr. 1. oO--.') solchen begnügt. Besonders kommt es beim Gespann auf einen guten Leithund an, und ein solcher wird mit ."iO— 50 Rubeln bezahlt, während ein gewöhn- licher bloss 3 — 8 Rubel kostet. — (12) Hr. Ober-Stabsarzt Dr. Wilke in Grimma übersendet unter dem 7. Januar folgende Mittheilung über eui slavisches Gefäss mit Leichenbrand von Lössnig bei Strehla. Der Liebenswürdigkeit des Hrn. Dr. Liedloff in Grimma verdanke ich ein sehr gut erhaltenes interessantes Thon-Gefäss, das in der Nähe von Lössnig bei (40) Strehla a. E. gefunden worden ist und in mehrfacher Beziehung bemerkenswerth erscheint. Es stand in einem Flachgrabe mit Steinpackuug und Deckplatte, in dessen unmittelbarster Nähe eine Anzahl von Gräbern mit typischen Lausitzer Ge- fässen freigelegt worden ist. Das Gefäss war mit Resten verbrannter Knochen gefüllt, welche nur zum Theil menschlicher Herkunft zu sein und zwar von einem jugendlichen Individuum herzurühren scheinen, während der übrige Theil von einem Schafe oder einer Ziege stammen dürfte. Ausser den Knochenresten, die nach Aus- sage des Hrn. Dr. Liedloff schon ursprünglich in der Urne vorhanden waren, fand ich in derselben noch mehrere prismatische Feuerstein-Spähne, die jedoch möglicherweise erst nachträglich hineingerathen sind. Ob das Gefäss früher auch noch Metall-Gegenstände enthielt, vermochte ich nicht festzustellen; doch lässt eine, freilich nicht besonders ausgesprochene Grünfärbung einzelner Knochen-Stückchen auf das ehemalige Vorhandensein von Bronze schliessen. Ebenso wenig konnte ich mit Bestimmtheit erfahren, ob die Urne bedeckt war und ob in dem Grabe noch Beigefässe aufgestellt waren. Das henkellose Gefäss (Fig. 1, Autotypie nach einer Photographie) ist terrinen- artig geformt mit undeutlicher Abgrenzung von Bauch, Hals und Rand, welch letzterer wenig nach aussen umgelegt und glatt gestrichen ist. Die Höhe des Ge- fässes beträgt 10,5, der Umfang an der OefTnung 59,5, über dedi Bauche 54,5 und über dem Boden 4o cm. Die Herstellung erfolgte aus freier Hand, ohne Anwendung der Töpferscheibe. Zwar sieht man auch schon auf der Photographie stellenweise an der Oberfläche eine gewisse Streifung, wie sie in etwas ähnlicher Weise bei den gedrehten Gefässen entsteht; doch ist an unserer Urne die Streifung ganz un- Fi-. 1. ^ regelmässig, und die einzelnen Linien laufen bald untereinander und zum Gelass- rand parallel, bald gehen sie schräg zu demselben. Sie rühren augenscheinlich von einer nachträglichen Glättung, vielleicht auch von der Eindeckung des noch feuchten Gefässes mit Stroh her. Die Arbeit ist ziemlich plump und roh, die Wände sind stellenweise unverhältnissmässig dick und sehr ungleichmässig, die Form ist unregelmässig und unsymmetrisch, die Innen- und Aussenfläche ziemlich höckerig. Der zur Herstellung des Gefässes verwendete Thon ist mit Gesteins- Körnchen und namentlich Glimmer-Plättchen durchsetzt, die nach den in meiner Sammlung befindlichen Proben gerade bei slavischen Gefässen der dortigen Gegend mit einer besonderen Voriiebe zugesetzt worden zu sein scheinen und vielleicht einen decorativen Zweck besassen. Die Farbe ist hellgrau oder graugelblich, der Brand (41) ziemlich stark. Die Verzierung besteht in einem spiralförmigen, mit einem Holz- stäbchen ziemlich tief eingerieften unrogelmüssigen Streifen, der sich etwas oberhalb der dicksten Steile des Bauches, in nicht ganz P/gfacher Windung, um das Gefäss herumzieht (vgl. Fig. "2), sowie einer oberhalb dieses Spiralringes in gleicherweise eingefurchten ganz regellos verlaufenden Linie, die nur an einzelnen Stellen den Eindruck einer Wellenlinie macht. An dem vollständig flachen Boden behnclet sich in der Mitte ein rundes, aber ebenfalls nicht regelmässiges Töpfer-Zeiclien. Fi-. 2. Durch Technik, Form, Farbe und Verzierung kennzeichnet sich das Gefäss wohl zweifellos als ein frühslavisches Töpferei -Erzeugniss; es gleicht in vieler Beziehung der vor einigen Jahren in der Anthropologischen Gesellschaft^) be- sprochenen Urne aus dem Salzigen See bei Eisleben: nur erscheint diese in Folge ihres geringeren Durchmessers mehr vasenförmig, während unser Gefäss, wie gesagt, eine mehr terrinenförmige Gestalt besitzt. Das Profil ist jedoch bei beiden Gefässen völlig gleich. Auch hinsichtlich der Verzierung bieten beide Ge- fässe eine gewisse Analogie dar, wenngleich bei dem Eislebener die Verzierung viel sorgfältiger ausgeführt und namentlich das für slavische Gefässe so charak- teristische Wellen-Ornament in typischer Weise ausgebildet erscheint. Kann man den slavischen Ursprung unseres Gefässes als sicher annehmen, so erscheint dasselbe nach doppelter Richtung hin von Interesse, nehmlich einmal wegen seiner Herstellung ohne Anwendung der Töpferscheibe, und sodann wegen seines Inhalts. Es ist von manchen Seiten behauptet worden — und noch vor einiger Zeit stellte der um die prähistorische Durchforschung seiner engeren Heimath sehr ver- diente Realschul -Oberlehrer Hr. Dr. Pfau in Rochlitz mir persönlich gegenüber die gleiche Behauptung auf — , dass es slavische Gefässe, die ohne Anwendung der Töpferscheibe angefertigt seien, überhaupt nicht gebe. Dies ist zwar schon durch wiederholte Beobachtungen widerlegt, und ich selbst besitze in meiner Sammlung mehrere grössere slavische ornamentirte Topf-Scherben, bei denen keine Spur einer Bearbeitung mit der Töpferscheibe erkennbar ist. Doch ist bei der immerhin ziemlich grossen Seltenheit derartiger Funde jeder neue Fall, welcher zu einer Vermehrung des bisher bekannten Materials beiträgt, bemerkenswerth. Ob man aus diesen sporadischen Funden folgern darf, dass die Slaven vor ihrer 1) Verhandl. 1897, S. 591. Einwanderung- in Deutschland die Benutzung der Töpferscheibe überhaupt nicht oder wenigstens nicht allgemein gekannt hätten, will ich dahingestellt sein lassen. Ich möchte hier nur darauf hinweisen, dass nach einer alten, von Strabo^) über- lieferten und von ihm freilich auch schon bekämpften-) Meldung des Ephorus die Erfindung der Töpferscheibe einem weisen Skythen Namens Anarchasis zu- geschrieben wurde. Da man wohl annehmen darf, dass ein Theil der das heutige Süd-Russland bewohnenden Völker-Stämme, welche die Alten unter dem Sammel- Xamen Skythen zusammenfassten, slavischer Nationalität war, so kann man aus der erwähnten Notiz vielleicht mit einer gewissen Wahrscheinlichkeit folgern, dass die Slaven, wenigstens ein Theil von ihnen, schon lange vor ihrer Einwanderung in ihre nachmaligen Wohnsitze mit dem Gebrauch der Töpferscheibe bekannt waren, und dass es wohl nur auf irgend welchen Zufälligkeiten beruhte, wenn man sich in späteren Zeiten ab und zu einmal auch ohne jenes Geräth in primitiver Weise behalf. Die zweite sehr bemerkenswerthe Thatsache ist das Vorhandensein von Leichen- brand in einem slavischen Gefäss. Wie das Fehlen der Töpferscheibe, so hat man auch, trotz wiederholter unanfechtbarer Beobachtungen, die Leichen -Verbrennung bei den Slaven vollständig in Abrede stellen und die vereinzelten Fälle, in denen Leichenbrand in slavischen Urnen festgestellt worden ist, airf andere Weise er- klären wollen. Allerdings würde man sich ja recht wohl vorstellen können, dass die ab und zu in slavischen Urnen vorkommende Knochen-Asche von Germanen herstammte, die, bei der Besetzung des Landes durch die Slaven in ihren Sitzen zurückgeblieben, in althergebrachter Weise die Feuer-Bestattung beibehielten, hierbei aber zur Aufbewahrung der Asche von slavischen Töpfern bezogene Gefässe ver- wendeten. Man könnte sich mit dieser Annahme zur Erklärung der vereinzelten Fälle von Leichenbrand in slavischen Gefässen völlig genügen lassen, wenn nicht die Feuer-ßestattung bei den Slaven, wenigstens für einzelne Gegenden ausdrücklich urkundlich bezeugt würde. So erwähnt Bonifatius in einem an den angel- sächsischen König Ethibald gerichteten Briefe vom Jahre 745, in welchem er von den bei Fulda angesiedelten Slaven spricht, dass bei ihnen selbst die Frauen, aus- gezeichnet durch makellose Treue, sich auf dem Scheiterhaufen mit verbrennen Hessen, und für die slavischen Böhmen wird durch den Chronisten Cosmas, für die russischen Vjatici durch Nestor die Ausübung der Leichen-Verbrennung noch im XII. Jahrhundert bezeugt'^). Es ist daher kein Grund mehr vorhanden, den Leichenbrand in slavischen Gefässen auf andere Rassen-Angehörige als Slaven zu beziehen und die Ausübung der Feuer-Bestattung bei letzteren ganz und gar ver- neinen zu wollen. Dagegen muss die Frage vorläufig noch offen bleiben, ob die Slaven die Sitte der Feuer -Bestattung bereits bei ihrer Einwanderung aus ihren Ursitzen mit- brachten, die Leichen-Verbrennung also bei ihnen die ursprüngliche Bestattungs- form bildete, oder ob sie dieselbe erst in den von ihnen besetzten Gebieten von den zurückgebliebenen germanischen Bewohnern übeikamen. Die Thatsache, dass man gerade in altslavischen Gefässen Leichen brand gefunden hat, würde für die 1) Strabo VII, :], 'J. 2") Ebenda: xavxa dk Myco oaq:öjg fikv slÖwg ozi ■>cai ovzog avxog ov r'u.Ai'jdfaraTa /.eyei .-Tsgl .-rävitov, y.ai öi] /ial z6 tov'Avayüooidog' .T(og yag n rooyog Evorjiia ainov, ov oidev'Ouijoog :zg£GßvTSQog ojv (Ilias XVIII, 600'. Dieser Einwand beweist jedoch nichts, da die Skythen sehr wohl unabhängig die Töpferscheibe erfunden liaben konnten, zu einer Zeit, wo die- selbe bei den damaligen Cultur -Völkern schon laugst im Gebrauche Avar. 3) Vergl. Behla, Die vorgesclncbtl. Rnndwälle im östl. Deutschland, S. 53. (43) die erstere Annahme sprechen; doch beweisen die angeführten geschichtlichen Zeugnisse, dass man wenigstens in einzelnen slavischen Gebieten noch bis tief in das Mittelalter hinein die Todten zu verbrennen pilegte. Ich halte aus diesem Grunde eine Entlehnung altdeutscher Bräuche durch die slavischen Eindringlinge für wahrscheinlicher und glaube, dass eine solche besonders in denjenigen Ge- bieten stattfand, in welchen die Zahl der zurückgebliebenen Deutschen im Ver- hältniss zu den zuwandernden slavischen Elementen eine besonders grosse war. So erklärt sich am besten das fleckweise Auftreten des Leichenbrandes innerhalb der grossen slavischen Cultursphäre. — (lo) Hr. P. Träger in Zehlendorf bei Berlin hat nachträglich das Manuscript seines Vortrages in der Sitzung vom 15. December IDOO (S. 62G) überreicht. Das- selbe behandelt Begräbniss- Plätze und Turauli in Albanien un. Durchmesser (Fig. 4). — Ein kleines Bronze-Anhängsel (Fig. 5). — Mehrere Zierknöpfe aus Bronzeblech (Fig. 6) und ein paar grössere einfache Arm- und Ohrringe. — Ein eisernes Messer, die Klinge 12 c/«, das Heft ö cm lang (Fig. 7). — Ganz besonders aber überraschte mich dieses Grab durch die Menge sowohl wie durch die Mannigfaltigkeit der bei- gegebenen Perlen. Bisher waren mir davon nur wenige vereinzelt vorgekommen. Hier fand ich nicht weniger als 59 Stück aus einfarbig gelbem Glas, von sehr ver- schiedener Grösse und Form, gerade abgeschnittene, leicht abgeplattete, halbkugel- förmige und ziemlich runde, im Ganzen von recht ungleichmässiger Ausführung (Fig. 8—11). — Dazu 7 kleine aus starkem dunkelblauem Glase, 3 ebensolche aus milchwcissem und 4 ähnliche, die noch aneinanderhängen (Fig. 12). Eine grosse, hohle aus durchsichtigem Glas (Fig. 13), eine dunkelblaue mit weiss emaillirten Fisr. 3. 2/3 Fig. 4. Vi Fig. 5. Vi Fig. 6. Vi Fig. T. V3 (46) Linien und Kreisen (Fig. 14). und eine einfarbig dunkelblaue von eigenthümlicher Form (Fig. 15). Besonders schön jedoch sind 8 bunte Mosaik-Perlen, von denen eine kleinere rund ist (Fig. 16), zwei elliptisch (Fig. 17 u. 17«) und die übrigen cylinderförmig (Fig. IS— 23). In den Farben herrscht Blau, Grün und Roth vor; sie sind theils streifenweise angeordnet, theils bilden sie Augen und Sonnen. In Fi"-. S. Fis:. 9. Fi^. 10, Fig. 11. Vis. 12. Fio-. 13. Fi-. 14. Fi-. 15. Fiü-. 16. Fi-. Vi Fi- 1' Fi'/. IS. Fi-. 19. Fio-. -20. Fio 21. Fio. 24 Fis-. 2."). Fijr. 22. Fig. 8 — 2.'i iu natürl. Grösse. Technik, Farbe und Form ganz ähnlich sind die Perlen, welche das Museum für Völkerkunde aus dem Kaukasus, von Koban besitzt. Eine von diesen deckt sich sogar vollkommen sowohl in der elliptischen Foi-m, wie in den Farben und der Anordnung derselben. Nebenbei mag erwähnt werden, dass der Schädel aus diesem Grabe von allen in den Gräbern gefundenen der längste ist; sein Längen- breiten-Index beträgt 75,0. 17 andere Perlen erhielt ich zum Theil in Komana, zum Theil fand ich sie in einem Grabe, zusammen mit 3 Messern und Bruchstücken einer dünnen, mit gepressten Ornamenten versehenen Zierscheibe aus Bronzeblech (Fig. 26). Von Fig. 26. Vs Fiff. 27. ^'., diesen seien eine kleine goldfarbige hervorgehoben und drei grosse, eine blaue, eine hell- und eine schwarz-grüne, welche kleine milchweisse, unregelmässig ver- theilte Buckel haben (Fig. 24). — Aus zwei Hälften zusammengesetzt ist eine grosse dunkelblaue mit weissen Kreisen (Fig. 25). (47) Von den ül)ri l-^l\ Fig. 38. Vo Fig. 39. V4 Fig. 40. 2/^ Bei meiner Weiterreise über Tirana, Durazzo, von wo ich den Spuren der Via Egnatia zu folgen suchte, Kavaja, Elbasan, Struga, Ochrida bis (54) Monastir, habe ich nirgends ein Hügelfeld oder vereinzelte Tumuli bemerkt. Er- wähnt sei jedoch, dass sich eine reiche Fundstätte nördlich vom Ochrida- See, im Stammes -Gebiet von Dibra, befinden muss. Ich sah bei einem griechischen Priester in Struga eine Menge von dort stammender Gegenstände, darunter Fibeln, Bronze -Vasen verschiedener Grösse und Form, römische Glas- Gefässe und Anderes. Wie wir sahen, fehlen also auch in Nord -Albanien Hügel-Gräber keineswegs, und es werden sicher noch viele notirt werden, sobald einmal öfters Reisende in das Innere des Landes kommen. Aber sie bieten doch ein so ganz anderes Bild als die Tumuli der macedonischen Ebenen, dass ein wesentlicher Unterschied nicht zu leugnen ist. Selbst die höchsten von ihnen treten bei ihrer breiten Basis und dem langsamen Ansteigen nicht so charakteristisch in die Erscheinung, wie jene weithin ins Auge fallenden, sich scharf vom Horizont abzeichnenden kleinen Berge. Ob in Bezug auf ihr Vorkommen sich einmal eine scharfe Grenze zwischen beiden ziehen lassen wird, kann heute wohl noch nicht entschieden werden. Ich habe in der kurzen Zeit, die mir verblieb, nur den grossen Tumulus Hagio Elia bei Saloniki besucht und diejenigen, weiche sich längs der Strasse nach der alten Königsstadt Pella bis Jenidsche-Vardar hinziehen. Eine Reihe von Angaben über die Höhe und Form anderer verdanke ich einem jungen Bahn- Beamten in Saloniki, Hrn. Adolf Struck, welcher sich seit Jahren eifrig mit den Tumuli Macedoniens beschäftigt. Er hat fast alle selbst gesehen, einen grossen Theil kartographisch aufgenommen und vermessen, und Notizen über die darauf vorkommenden Topf-Scherben usw. gesammelt. Es steht zu erwarten, dass wir von ihm einmal ein eingehendes Gesammtbild erhalten werden. Die Tumuli zwischen Saloniki und Pella sind ja schon häufig beschrieben worden. Sie sind selbstverständlich den älteren Reisenden ebenso aufgefallen wie den neuesten, und im grossen Ganzen haben diese nichts mehr und nichts Neueres zu berichten wie jene. Dazu wäre vor Allem nöthig gewesen, einen oder mehrere der mächtigen Schutt-Haufen methodisch abzutragen, und diesen Mühen und Kosten hat sich eben noch niemand unterzogen. Die Einzelheiten, welche uns besonders Leake^) von einigen gegeben hat, habe ich ebenso unverändert wiedergefunden. Der grosse Tumulus rechts zwischen dem noch heute Pella genannten Wasser- Bassin und Jenidsche zeigt auf seinem Gipfel in gleicher Form die Einsenkung, von der Leake dahingestellt lässt, ob sie in Folge einer Nachgrabung oder durch einen Zusammenbruch entstanden sei. Nach ihrer Beschaffenheit und bei dem Mangel irgend welcher Aufhäufung der etwa abgegrabenen Erde an anderer Stelle glaube ich, dass nur die zweite Erklärung in Frage kommen kann. Auch die Oeffnung in dem Tumulus nächst Alaklisi und die Grab -Kammern darin, von denen Leake einen Plan giebt und die auch Pouqueville^), Cousinery^) und Prokesch - Osten *) beschreiben, liegen noch ebenso offen und scheinen im gleichen Zustande zu sein. Hervorheben will ich nur die starke Senkung, mit welcher der direct an der Basis des Hügels beginnende Gang in das Innere hinein- führt. Die hinterste Kammer liegt meiner Schätzung nach noch ungefähr '2^1^ m unter dem natürlichen Niveau des Terrains. Irgend eine neue Thatsache, Spuren jüngerer Versuche von Ausgrabungen und dergl., habe ich bei keinem der Tumuli 1) Travels in Northern Greece. London 1835. Vol. III. p. 260 ff. 2) Reise durch Griechenland. Uebers. von Sickler. Meiningen 1824. I. S. 2öi:)ff. 3) Voyage dans la Macedoiue. Paris 1831. I. p. 90. 4) Denkwürdigkeiten und Erinnerungen aus dem Orient. 3. Bd. Stuttgart 1837. S. 655^ (55) auf dieser Strecke gefunden. Ihre Zahl wird von Allen verschieden angegeben. Ich habe von Saloniki bis Pella, theils dicht an der Strasse, theils mehr oder minder davon ab gelegen, 19 verzeichnet. Ihre Höhe schwankt ungefähr zwischen ,3_18,3 w, doch fand ich auch einen unter 5 m. Der Höhe von 18,3 m, welche der an der Eisenbahn nach Zibeftsche, Saloniki nächstgelegene aufweist, ent- spricht ein Umfang von 240 m. Nach den Angaben des Hrn. Struck seien noch die Maasse einiger anderer angeführt, die ich nicht selbst gesehen habe. Der grosse Tumulus von Platanaki hat eine Höhe von 14,5 m und einen Umfang von 650 m. Bei einem zweiten bei Platanaki ist das Verhältniss etwa 20 zu 260 m; beim Zeiten- liker Tumulus 9 zu 76 m. Der Hagio Elia genannte, eine halbe Stunde östlich von Saloniki, an der Strasse nach Kapudjilar gelegene hat bei einer Höhe von annähernd 15—16 m einen Umfang von 350 m und einen Durchmesser von 101 m. Wichtiger als die Abweichungen in den Grössen-Verhältnissen dürfte sich für die Erforschung dieser alten Denkmäler ein bisher zu wenig beachteter Unterschied in ihrer Anlage erweisen. Während die meisten unmittelbar, kegelförmig, mit theil- weise recht steiler Böschung aus der Ebene aufsteigen, besitzen einige einen breiten, verhältnissmässig niedrigen, terrassenförmigen Unterbau, auf dem sich erst der eigentliche Tumulus von der Art der übrigen erhebt. Diese Anlage zeigt der erste Hügel links hinter dem Galiko, und besonders typisch (nach einer Photographie von Struck) der grosse Tumulus von Amatovo (Fig. 41). Auch der oben er- Fis^. 41. wähnte Hagio Elia gehört dazu. Dies ist der derselbe Hügel, den 1895 Alfred Körte besuchte, wobei er die wichtige Entdeckung machte, dass er nicht allein in Bezug auf seine Anlage genau den phrygischen Tumuli glich, sondern dass auch die darin gefundenen Gefäss- Scherben in der Technik des Brennens von der phrygisch-troischen Keramik nicht verschieden waren ^). Der Hagio Elia ist der einzige Tumulus der Gegend, welcher schon einmal in grösserem Maassstabe zur Untersuchung seines Inhaltes in Angriff genommen worden ist. Er ist an seiner Basis an mehreren Stellen angegraben; vor Allem aber führt an der Südost-Seite, ungefähr in ^s Höhe, ein Stollen in das Innere, der vor etwa 15 Jahren von dem Besitzer des Terrains, einem Beg in Saloniki, angelegt sein soll. Der 2V2 "* breite und 2 m hohe Gang hat eine Länge von 35 m, die ziemlich genau dem halben Durchmesser in dieser Höhe entsprechen dürfte. Ich fand darin, etwa in der Mitte, eine ungefähr 2 m breite und 15 cm hohe Aschen-Schicht. Das Erdreich des ganzen Hügels ist reich mit Gefäss-Scherben untermischt, und besonders aus den Wänden des Stollens lassen sie sich mit Leichtigkeit herausbohren. Von den von mir ge- fundenen sind einige sehr dickwandig, aus grobkörnigem Thon, nur durch einfache Pinger-Eindrücke verziert (Fig. 42, 43), andere zeigen eingetiefte lineare und band- artige Ornamente (Fig. 44 — 47), und ein grosser Theil matte Malerei, breite und schmale Streifen, dunkel- und schwarzbraune auf roth- und graubraunem Grunde, und ziegelrothe auf hellgelbem (Fig. 48, 49). Von den Henkeln ist einer mit einem Zierknopf versehen (Fig. 50«, b). Einige Stücke der Sammlung wurden von hiesigen Autoritäten als mykenisch bezeichnet. Von ähnlicher Technik sind auch 1) S. Kretschmer, F., Einl. in die Gesch. d. griech. Sprache. Göttingen 1896. S. 174ff. (56) die Scherben, welche ich auf dem oben erwähnten Tumulus links hinter dem Galiko fand. Was ich dagegen von anderen Hügeln Stammendes sah, war in der Technik sowohl wie in der Ornamentik wesentlich verschieden. Unser Consul in Saloniki, Hr. Dr. Mordtmann, hatte die Freundlichkeit, mir einen Einblick in seine grosse und gut geordnete Sammlung zu gewähren. Sie ist besonders Fig. 42 Fiff. 43. Fig. 44. -^ Fig. 46. Fig. 45. Fig. 47. Fig. 50 a. Fig. 506. Fig. 48. Fig. 51. Fig. 52. Fig. 55. Fig. 56. reich an Funden von dem Tumulus bei Top sin, einem Dorfe ungefähr mittwegs zwischen Saloniki und Jenidsche. Die Gefäss- Scherben von dort weisen vor- wiegend schwarze Firniss-Malerei auf und bezeugen zum Theil schon eme über- raschende Kunstfertigkeit. Beispiele dieser Art scheint der Hagio Eha mcht zu bersten In dem Stollen fiel mir ferner ein Stück von einem bearbeiteten Knochen, ein unverzierter Thonwirtel von der Form eines Doppelkegels (Fig. 57) und ein kleiner Thon-Gegenstand in die Hände, für den ich weder in der Literatur ein Gegenstuck (57) Fij V2 Fig. 58. V2 noch sonst eine sichere Bestimmung seines Zweckes finden lionnte (Fig. 58). Es ist bemerkenswerth, dass er ausschliesslich auf diesem Hügel vorkommen soll. Auch Hr. Dr. Mordtmann besitzt einige Exemplare. Ein besonderer Umstand aber verleiht dem Elia ein erhöhtes Interesse. Ungefähr 100 Schritt entfernt hat sich an seiner West- seite ein "Wildbach ein tiefes Bett gegraben. Hr. Adolf Struck zeigte mir in der steilen Ufer-Böschung die etwa IV2"* hohe Oeffnung zu einem unterirdischen Gang, dessen Richtung unverkennbar auf den Tumulus zuläuft. Es wird dies noch bestätigt durch zwei weitere Oeffnungen, welche am Unterbau des Tumulus selbst durch Einsturz bloss- gelegt sind. Wir dürften es also ziemlich sicher mit einem oder mehreren unter- irdischen Wegen zu thun haben, auf denen man von einer Stelle in der Umgebung des Hügels aus in das Innere gelangen konnte. Dadurch gewinnt auch eine Mit- theilung von anderer Seite bestimmteren Werth. C. von der Goltz^) erzählt von einer Grube, die man ihm in der unmittelbaren Nachbarschaft des alten Pella zeigte. Man konnte hinabsteigen und sah sich dann einem etwa I72 "* breiten, manns- hohen, gewölbten Gange gegenüber, welcher ungefähr der Fluchtlinie der die Strasse begleitenden Tumuli folgte. Mit diesen Beobachtungen wäre vielleicht, be- sonders wenn sie auch anderwärts bestätigt würden, ein nicht unwichtiger Schritt zur Kenntniss dieser eigenartigen Denkmäler verschollener Völker und Zeiten gethan. Während in anderen Theilen der europäischen Türkei schon mehrfach Tumuli geöffnet oder abgetragen worden sind-), ist bedauerlicher Weise gerade auf dem Boden der alten macedonischen Königsstadt bisher nichts geschehen. Es ist kaum nöthig, darauf hinzuweisen, welche wichtigen Aufschlüsse über die Vorgeschichte wir von diesen Schutthaufen erwarten dürfen. Ich möchte deshalb zum Schluss der Hoffnung Ausdruck geben, dass sich ihnen bald einmal die wissenschaftliche Forschung in grösserem Maassstabe zuwenden möge. Bekanntlich stossen der- artige Untersuchungen in der Türkei in der Regel auf besondere Schwierigkeiten. Da ist es nicht unwesentlich, dass sich zur Zeit gerade einem deutschen Unter- nehmen mancherlei Vortheile bieten dürften, im Allgemeinen, dank der gegen- wärtigen, uns besonders günstigen politischen Stimmung, und im Besonderen, weil einzelne dieser Tumuli im Bereiche der mit deutschem Capital gebauten und theii- weise von deutschen Beamten geleiteten Eisenbahnen liegen. Ich selbst habe guten Grund anzunehmen, dass mir die günstigen politischen Verhältnisse zu statten ge- kommen sind. Wie gegenüber einigen anderen Reisenden von vornherein, sah sich auch mir gegenüber der Vali von Skutari genöthigt, mit dem Ausdruck des Bedauerns mir die Fortsetzung meiner Ausflüge in das Innere Albaniens zu ver- bieten, so dass meine ganze Reise in Frage gestellt wurde. Auf telegraphisches Ersuchen erhielt ich aber nach wenig Tagen durch die Vermittelung unserer Bot- schaft die Erlaubniss zu der Ueberlandreise nach Macedonien. Es sei mir auch an dieser Stelle gestattet, unserem Botschafter, Sr. Excellenz Freiherrn Marschall V. Bieberstein, für die rasche Auswirkung meinen besonderen Dank auszu- sprechen. — 1) Ein Ausflug nach Macedonien. Berlin 1894. S. 28. 2) Vgl. Weiser, M. E., Thracieu und seine Tumuli. Mittheil. d. Anthropol. Ges. in Wien 1872, und: Hochstetter, F. v., lieber die Ausgrabung einiger Tumuli bei Papasli in der europäischen Türkei. Ebenda S. 49ff. (58; (14) Hr. Ober-Stabsarzt Dr. Wilke in Grimma hat unter dem 19. December 1900 das folgende Manuscript übersendet: Ein prähistorischer Wall im Oberholz bei Thräna. Im August d. J. machte mich Hr. Oberlehrer Dr. Liedloff von der hiesigen Fürstenschule auf einen Rundwall aufmerksam, welcher sich in dem der Leipziger Universität gehörigen „Oberholz" in der Nähe von Thräna und Liebertwolkwitz befindet und im Volke den Namen „Schlossberg" führt. Erst Ende October war es mir jedoch möglich, mit den Untersuchungen zu beginnen, welche ich in Ge- meinschaft mit Hrn. Dr. Liedloff und Hrn. Universitäts- Förster Weisske aus- führte, ohne dessen thatkräftige und dankenswerthe Unterstützung eine systematische Durchforschung des sehr interessanten Walles ganz unmöglich gewesen wäre. Schon bei der ersten näheren Besichtigung konnte ich feststellen, dass wir es hier nicht mit einem einfachen Rund wall zu thun hatten, sondern mit einem ganzen System von Wall- und Graben-Anlagen. Das Hauptwerk hat nehmlich die Gestalt eines langgestreckten, mit der Hauptachse von W^. nach 0. gerichteten Oblonges, dessen Langseiten etwas über 500 m betragen, während die kurzen Seiten etwa 180 III lang sind. Nach 0. zu convergiren die Längsseiten ein wenig; auch sind die einzelnen Seiten nicht völlig geradlinig, sondern leicht ^gekrümmt. Dieses Viereck wird begrenzt von einem an Tiefe sehr wechselnden Graben und einem nach einwärts davon gelegenen Walle, der gegenwärtig noch eine durchschnittliche Höhe von etwa 1 m besitzt. Die Grabentiefe beträgt im Durchschnitt ungefähr 1,7 m, weist aber, wie gesagt, sehr beträchtliche Unterschiede auf. Dasselbe gilt von der Breite, die im Durchschnitt etwa 2 — 2,50 m misst. Die Grabensohle ist meist 20 — 30 cm breit, doch stossen vielfach auch die beiden Grabenränder ohne Bildung einer eigentlichen Sohle aneinander. Der südliche Wall und Graben setzt sich noch weiter nach 0. zu fort und lässt sich noch etwa 50 m weit östlich von der Eisen- bahn bis zu einer neuangelegten Strasse verfolgen, deren Anfangstheil genau in der Richtung des Walles über die anstossenden Felder hinwegführt. "Es ist im höchsten Grade wahrscheinlich, dass dieser Graben ursprünglich noch viel weiter reichte und erst bei der Urbarmachung des betreffenden Gebietes für den Ackerbau be- seitigt worden ist. Parallel mit diesem südlichen Wall läuft ausserhalb des Vierecks, in einem Abstände von etwa 20 »/, noch ein zweiter Wall und. Graben, der an der westlichen Ecke des Vierecks etwas nach S. zu abbiegt und sich noch etwa 400 m weit nach W.-S.-W. verfolgen lässt, um dann auszulaufen. In östlicher Richtung reicht er gegenwärtig nur noch bis zur Eisenbahn. Die Beschaffenheit dieses Parallel-Grabens ist genau dieselbe wie die des Haupt-Grabens, nur liegt bei jenem — was sehr bemerkenswerth erscheint — der Wall nicht nach dem Viereck zu, sondern nach S., also vom Viereck abgewendet. Im Allgemeinen sieht daher das zwischen dem südlichen Graben und dem Vorgraben gelegene Stück beinahe wie eine breite verfallene Strasse aus, welche beiderseits von einem tiefen Graben und einem auswärts davon gelegenen Wall eingefasst wird. Die beiden südlichen Wälle werden an mehreren Stellen von alten, jetzt mit sehr hohen Laub-Bäumen bestandenen, ungefähr 4 m breiten Wegen durchbrochen. Im Innern dieses Vierecks, mehr nach N. und W. zu, liegt nun der eigentliche Ringwall, der etwas elliptisch gestaltet und mit der grossen Achse von N. nach S. gerichtet ist. In seinem Innern schliesst dieser Ringwall, durch einen steilen und tiefen Graben davon getrennt, einen kleinen, flachen, kaum über das Niveau des umgebenden natürlichen Bodens hervorragenden Hügel ein, dessen Längs- und Quer- Durchmesser 20 und 18 lu betragen. Der Graben ist an einzelnen Stellen (59) bis zu 3 m tief. Unmittelbar vor dem südlichen Walltheile, ebenfalls von einem tiefen Graben von jenem getrennt, verläuft ein zweiter, etwas (lacherer und niedrigerer Wall, welcher sich mit seinem Graben in einem flachen Bogen nach der NW.-Ecke zu fortsetzt, um hier in der Nähe des sogen. Wasserloches zu verlaufen. Nach S. zu fällt der Vorwall in eine schon sehr alte Waldwiese ab. Ostwärts lässt sich dieser Vorwall und Graben nur vv-enige Schritte verfolgen. Situations-Skizze des Walles im Ohorholz bei Thräna. "C ./V'-'''«-^"-' ^. M Fundstelle des Mahlsteins, S des Steinbeils, U der Gefässe, W Wasserloch. Das erwähnte Wasserloch, dessen Lage und Gestalt aus der Skizze ersichtlich ist, scheint, wie sich aus der Beschaffenheit der Ränder ergiebt, eine uralte, künst- liche Anlage zu sein; sie ist später, wenn ich nicht irre, im vorigen (18.) Jahr- hundert, noch mehr vertieft worden. Zu erwähnen ist noch, dass nach Aussage der Wald-Arbeiter innerhalb dieses Vierecks Spuren einer alten gepflasterten Strasse vorhanden sein sollen, welche das Arbeiten beim Ausheben von Entwässerungs-Gräben usw. in hohem Grade er- schweren. Auch ist früher einmal, unmittelbar neben dem Ringwall, ein grosser, leider damals nicht aufbewahrter Mahlstein, und weiter westlich, zwischen dem Wasserloch und dem Wall, ein Beil aus Grünstein gefunden worden. In der SW.-Ecke des Vierecks ist ferner vor einem Jahre von einem Wald-Arbeiter beim Ausroden eines Wurzel-Stockes eine Anzahl von theilweise mit Knochenbrand ge- füllten Gefässen freigelegt worden, die er aber leider, in der Hoffnung, darin Geld zu finden, entzweigeschlagen hat. Endlich sollen auch in dem Innern des Ringwalles schon früher, bei einer von dem damaligen Förster vorgenommenen, anscheinend aber nur ganz oberflächlich und flüchtig ausgeführten Nachgrabung, einzelne Gegenstände, und zwar 2 Bronzen und 1 silbernes Stück, gefunden worden sein, welche angeblich einem Museum in Leipzig überwiesen worden sind. Ueber den Verbleib derselben habe ich leider nichts feststellen können. Ausser diesen Metall-Stücken soll man auch noch, nach Aussage eines alten Arbeiters, der an (GO) der damaligen Ausgrabung betheiligt war, am Fusse des centralen Hügels einen „richtigen Steinheerd getroffen haben, auf welchem noch eine Menge Kohlenreste lagen". Ueber Sagen habe ich, trotz aller Bemühungen, nichts ermitteln können, nur von verborgenen Kriegs-Schätzen wissen die Leute zu erzählen. Zur näheren Untersuchung der Anlage Hess ich zunächst in der NS. -Achse des centralen Hügels — maassgebeud war der Baumbestand — einen bis auf die Sohle des Ring-Grabens reichenden Durchstich bis ziemlich zur Mitte des Hügels her- stellen. Es fanden sich hierbei zunächst in verschiedener Tiefe Brandstellen, und zwar in den höheren Schichten mit noch gut erhaltener Holzkohle, während in den unteren Schichten die Rohlenreste fein vertheilt und mit dem Lehmboden innig Termischt waren. Weiter fanden sich unregelmässig verstreute Steine verschiedener Form und Herkunft, in der Regel nicht über Kokosnuss-Grösse, und ohne irgendwie deutliche Anordnung. Bei vielen von ihnen, namentlich bei den vielfach in un- gewöhnlich grossen Knollen vorhandenen Feuersteinen, zeigte sich eine deutliche Brandwirkung. An einer Stelle traf ich auch einen gebrannton Lehmklumpen mit deutlichem Flechtwerk -Abdruck, wie wir ihn beim Hütten-Bewurf finden; doch kamen auch gebrannte Lehmstücke ohne Abdrücke zum Vorschein, Sowohl in den unteren als besonders in den oberen Schichten lagen ^zahlreiche Gefäss- Scherben, die jedoch ganz verschiedenen Cultur- Perioden angehörten und über welche weiter unten noch näher berichtet werden soll. Weiter stiess ich auf einen eigenthümlich bearbeiteten Stein, der etwa IVo m unter der Oberfläche lag, und der ebenfalls später noch besonders besprochen werden soll. Endlich fand sich noch, neben einem etwa kirschengrossen, durch Rost völlig formlos gewordenen Stück Eisen, ein hakenförmig gekrümmtes Eisenstück, dessen Bedeutung mir nicht klar ist. Knochen fehlten sowohl in den oberen wie in den unteren Schichten vollständig, ebenso jede Spur von Bronze- und Grün-Färbung der Erde, während eine intensivere Röthung des Bodens an verschiedenen Stellen auf das frühere Vor- handensein eiserner Gegenstände schliessen liess. Schliesslich habe ich auch ver- geblich nach Spuren von Getreide gesucht. Kurze Zeit nach dieser ersten Ausgrabung theilte mir Hr. Universitäts-Förster Weiss ke mit, dass seine Arbeiter bei dem Ausroden von Wurzel-Stöcken in der nördlichen Hälfte des Hügels auf zahlreiche, sehr grosse Steine gestossen seien, und dass er in Folge dessen einstweilen die weiteren Arbeiten daselbst eingestellt habe. Sobald es meine Zeit gestattete, ritt ich daher wieder hinaus und fand, dass die Steine, welche bis zu oO — -iU cm lang und breit waren, von denen aber die Arbeiter leider schon eine grosse Menge aus ihrer natürlichen Lage entfernt hatten, eine ganz regelrechte Anordnung zeigten. Ich liess sofort die Erdmasse zu beiden Seiten derselben wegräumen und konnte so noch den Rest einer von AV. nach 0. verlaufenden, etwa 3^2 — 4 m langen Mauer freilegen. Der Boden in der Um- gebung derselben war sehr hart und mit grobem Gestein durchsetzt. Auch fanden sich in der ganzen Ausdehnung der Mauer vielfache Brandspuren, Holzkohlen- Reste usw., sowie zahlreiche jüngere (mittelalterliche) Gefäss-Scherben. Ganz in der Tiefe kam auch ein Bruchstück von einem ornamentirten Spinnwirtel zum Vor- schein. Die tieferen Schichten konnte ich, aus Mangel an- Zeit, nicht vollständig durchsuchen, auch fürchtete ich bei einem weiteren Eingraben die Mauerreste zu zerstören. Bei einer dritten Untersuchung endlich liess ich in den, den centralen Hügel umgebenden Ringwall an einer Stelle, wo derselbe noch völlig intact erschien, bis zur Mitte desselben einen 1 m breiten Graben eintreiben, der nach unten bis zur Sohle des Rinsr-Grabens vertieft wurde. Hierbei liess sich in dem Wall eine sehr (Gl) scharf ausgeprägte Schichtung wahrnehmen. Unter dem Humus folgte eme etwa Ys m hohe lockere Lehmschicht; unter dieser eine sehr feste, grauweissliche, mit groben Steinen durchsetzte Lage von etwa V3 — V2 "* Höhe, darunter eine schwärzlich- gefärbte, ebenfalls sehr feste und mit zahlreichen Steinen, namentlich Feuersteinen, durchsetzte Schicht von ^2 — V-t '"- Tiefe, die ihrerseits auf dem natürlichen Lehm- boden aufsass. In der dunklen Schicht fanden sich vielfache Brandspuren, zahl- reiche gebrannte Thon-Klümpchen und ganz vereinzelte prähistorische Gefäss- Scherben, welche sich durch ihre Technik sehr scharf von den in der weisslichen Schicht in ziemlich grosser Zahl vorhandenen jüngeren Gefäss- Stücken unter- schieden. Beide Arten von Gefäss -Stücken stimmen mit denen des centralen Hügels völlig überein. Irgendwelche Spuren von Waffen, Metall -Gegenständen, Knochenresten usw. fanden sich auch hier nicht. Ebenso war in den Brand- spuren nirgends eine Spur von Getreide nachweisbar. Von einer näheren Untersuchung der übrigen Wälle und Gräben glaubte ich absehen zu können, da dieselben in ihrer ganzen Anlage mit dem Ringwall völlig gleichartig sind, so dass man schon daraus auch ohne weitere, doch immerhin sehr vom Zufall abhängige Funde auf einen gemeinsamen Ursprung des ganzen Walles schliessen kann. Was nun die Chronologie unseres Walles anlangt, so vermögen uns darüber die vorgefundenen Gefässreste einen sicheren Anhalt zu geben. Die in den tieferen Schichten vorgefundenen Scherben stammen nehmlich sämmtlich von Gefässen, welche ohne Drehscheibe aus nicht geschlemmtem und stark mit groben Quarz- Körnern gemischtem Lehm hergestellt wurden, schlecht gebrannt, meist hellbraun, zum Theil auch ziegelroth oder schwärzlich gefärbt waren und sowohl nach Form und Technik, als nach der Verzierung dem Lausitzer Typus zugerechnet werden müssen. Diesem scheinen auch die oben erwähnten Urnen angehört zu haben, welche beim Ausroden in der SW.-Ecke des Wall-Vierecks gefunden worden waren. Wenigstens bezeichnete der betreffende Arbeiter, unter verschiedenen ihm auf- gezeichneten Gefäss-Formen, sofort diejenigen vom Lausitzer Typus als den frag- lichen Urnen entsprechend. Auch dürften wohl das in der Nähe gefundene Stein- beil und der Mahlstein, sowie die früher gefundenen Bronze-Gegenstände aus jener ersten Zeit der Entstehung des Walles stammen. Ob der Wall auch noch in späteren prähistorischen Perioden benutzt wurde, lässt sich, bei dem Mangel an entsprechenden Funden, nicht entscheiden. Das von mir gefundene Stück Eisen ist hakenförmig gekrümmt, aber durch Rostmassen so verändert, dass seine ursprüngliche Gestalt nur sehr schwer erkennbar ist. Immerhin aber zeigt es eine gewisse Aehnlichkeit mit einer von mir früher beschriebenen^) eisernen Fibel, welche ich in einer der späteren Latene-Zeit angehörigen Urne von Bobersen bei Riesa gefunden habe, und es wäre daher wohl möglich, dass auch das im Oberholz gefundene Stück von einer derartigen Fibel stammt. Auf die gleiche oder vielleicht auch noch etwas spätere Zeit könnte man auch das bearbeitete Steinstück beziehen. Dasselbe stellt nehmlich ein Randstück eines mörserartigen Stein -Gefässes dar, dessen Höhlung eine Halbkugel bildete, und dessen Wandung, nach dem Boden zu, schnell an Dicke zunimmt. Der freie Rand des Gefässes ist glatt und besitzt eine Dicke von 3 c/h, während der untere Theil des Bauchstückes 8 cm stark ist. An der ebenfalls geglätteten, aber ziemlich rauhen Aussenseite sitzt 3 cm unterhalb des freien Randes ein aus dem Stein heraus- gearbeiteter, halbkugliger, ebenfalls ziemlich roh geformter Ansatz auf, mit einer 1) Verhandl. 1899, S. 657. Höhe von 4 und einem Durchmesser von « rw. Der lichte Durchmesser des Ge- fässes belief sich auf 24 cm, der äussere mithin auf 30, während ich die Höhe auf 30 — 35 an veranschlage. Analogien zu diesem Gefässe sind mir aus Mittel- Deutschland völlig unbekannt. Dagegen hat Hr. Maurer in einer römischen Siedelung auf dem Zwiesel bei Reichenhall, über die seiner Zeit Hr. Prof. Jentsch der Gesellschaft berichtet hat^), ein ganz analoges Stein- Gefäss gefunden. Die beiden Gefässe unterscheiden sich nur durch die Form und Stellung der Handhabe, welche bei dem Reichenhaller Exemplar würfelförmig ist und dicht am Gefässrande sitzt; ein Fuss, wie bei diesem, könnte auch bei meinem Gefäss vorhanden gewesen sein, üebrigens ist, nach einer weiteren Mittheilung des Hrn. Maurer, auf dem in der Nähe der Siedelung befindlichen römischen Friedhof auch noch ein Saudstein- Gefäss von völlig gleicher Form und Grösse gefunden worden, welches jedoch keine Henkel besitzt. Dasselbe befindet sich zur Zeit im Museum zu Salzburg. Das zu dem Gefäss verwendete Material, welches Hr. Seminar-Oberlehrer Ettig zu untersuchen die Güte hatte, hat der genannte Herr als Granit-Porphyr bestimmt, welcher — allerdings in anderer Form — bei Trebsen, Altenhain und Beucha vor- kommt und der sich bis in die Gegend von Thräna und Liebertwolkwitz fortsetzt, üebrigens könnte das Gestein auch von einem der erratischen Blöcke herstammen, welche in dem hier in Betracht kommenden Gebiete ziemlibh häufig sind. Bei den Handels-Beziehungen, die, nach dem Zeugnisse des Tacitus^), zwischen den Römern und den Hermunduren bestanden, bietet jedoch die Annahme eines Im- ports des Gefässes die grösste Wahrscheinlichkeit. Einen jüngeren Ursprung des- selben will ich zwar nicht ganz von der Hand weisen, doch halte ich dies, in An- betracht der sehr rohen Ausführung, namentlich der Henkel, und wegen der tiefen Lage, in welcher das Stück gefunden wurde, nicht für wahrscheinlich. Funde, welche auf eine Benutzung des Walles zur Slavenzeit schliessen Hessen, fehlen vollständig. Unter den älteren prähistorischen Scherben fand sich nicht ein einziger, welcher die Anwendung der Töpferscheibe oder eines der so charak- teristischen slavischen Ornamente zeigte. Vielmehr waren die übrigen Gefäss- Scherben, soweit sie nicht zum Lausitzer Typus oder wenigstens zu vorslavischen Gefässen gehörten, ihrer Technik und Ornamentirung nach dem Mittelalter zuzu- weisen. Wir dürfen daher wohl annehmen, dass nach Verdrängung der Germanen durch die Slaven unser Wall nicht weiter benutzt worden ist, und dass erst nach der Wiedergermanisirung des Landes, etwa zu Beginn des 11. Jahrhunderts, auf dem alten Ringwall eine Burg entstand, welche dann später durch Feuer zerstört worden ist. Lediglich auf diese mittelalterliche Burg ist wohl auch der Name Schlossberg zu beziehen. Ob auch die Entstehung des Wasserloches bis in die Zeit der Lausitzer Ge- fässe zurückgeht, will ich dahingestellt sein lassen. Im Allgemeinen scheinen, nach der mir zu Gebote stehenden Literatur, derartige Cisternen innerhalb von Wall- Anlagen ziemlich selten zu sein 3). Hr. v. Schulen bürg hat zwar unmittelbar neben dem Rundwall im Lindenhorst bei Lüdersdorf zwei kleine Wasserlöcher an- getrofl'en, doch lagen diese, nicht wie unseres, innerhalb, sondern ausserhalb des Walles, und unterscheiden sich von dem von mir gefundenen Wasserloch, das « m breit und über 50 m lang ist, auch noch wesentlich durch ihre Kleinheit*). In- 1) Verhandl. 1897, S. 316. (Vergl. 1901, Verhandl. S. 73.) Red. Zusatz. 2) Tacitus, Germ. c. 41. 3) Behla, Die vorgeschichtlichen Rundwälle im östlichen Deutschland, S. 13. 4) Verhandl. 1897, S. 444. (GS) dessen macht der Umstand, dass der Vorwall des inneren Ringes sich bogenförmig- bis unmittelbar an das AVasserloch heranzieht, es doch in hohem Grade wahr- scheinlich, dass dasselbe schon in alter Zeit ausgegraben w^orden ist, sei es nun um ausschliesslich als Viehtränke zu dienen oder auch in Zeiten der Noth die im Walle eingeschlossenen Menschen mit Wasser zu versorgen. Nur sehr unsichere Vermuthungen lassen sich über den ursprünglichen Zweck der ganzen Anlage aussprechen, wie ja überhaupt bezüglich der Frage nach der Bedeutung der Burgwälle unter den Prähistorikern noch keine Einigung erzielt ist. Zweifellos ist, dass der südliche Wall mit seinem Parallelwall sich ursprünglich viel weiter nach 0. und W. zu erstreckte. Spuren eines alten Grabens und Walles, welche in der directen Fortsetzung des Grabens von Oberholz liegen, die ich jedoch noch nicht näher verfolgt habe, scheinen in dem 1 Stunde östlich gelegenen Walde von Lindhart vorhanden zu sein, und es wäre daher wohl denkbar, dass beide Gräben ursprünglich in directem Zusammenhange standen. Aehnliche Langgräben und Laugwälle sind aus Sachsen mehrfach bekannt geworden, so der Langwall von Liesske und Weissig nördlich von Kamenz, der Landwehr-Damm zwischen Niesske und Cröbeln, und namentlich der 2 Stunden lange Teufels-Graben zwischen Fichten- berg und Tiefenau bei Grossenhain, der übrigens mit dem Oberholzer Graben noch insofern eine gewisse Aehnlichkeit darbietet, als auch bei ihm durch eine Theilung und Wiedervereinigung des Grabens, in der Nähe des ehemaligen Forsthauses Gohrisch, neben dem eigentlichen Langwall noch ein besonderer, allseitig mit Wall und Graben umgebener und zur vorübergehenden Aufnahme einer grösseren Menschenmenge geeigneter Raum abgegrenzt wurde. Aber auch ausserhalb Sachsens sind ähnliche Langgräben und Langwälle, von denen übrigens einzelne schon durch Karl den Grossen zerstört wurden, vielfach nachgewiesen worden, und zwar ebenso- wohl zwischen Elbe und Weichsel (Dreigraben bei Sprottau i. Schi., die Lang- gräben bei Schlichen, Senftenberg u. s. f.J, als auch westlich von der Elbe bis zum Rhein hin. Auch das bekannte Danewirk dürfte wohl zu dieser Kategorie von Wällen gehören. Schon Kruse, v. Leutsch, Wilhelm, Ledebur u. A. haben derartige Lang- wälle und Gräben als Grenzwälle aufgefasst, und auch Preussker hat in den oben angeführten Langgräben der Ober-Lausitz altgermanische Grenzmarken er- blicken wollen. In der That scheint bei der sehr bedeutenden Ausdehnung, die diese Langwälle bisweilen besitzen, eine andere, einfachere und natürlichere Erklärung kaum denkbar, und sie erscheint um so mehr gerechtfertigt, als die Errichtung von Wällen zur Bezeichnung der Grenze zwischen germanischen Stämmen von römischen Schriftstellern mehrfach bezeugt wird. So erwähnt Tacitus^) einen derartigen Damm, der die Angrivarier von den Cheruskern ab- grenzte und von dessen Krone aus die Germanen ihre Speere gegen die an- stürmenden Römer herabschleuderten. Wenn aber der Langwall von Oberholz, gleich den übrigen ähnlichen Erd- werken, zur Bezeichnung der Grenze diente, so wird man in dem Wall-Viereck kaum etwas anderes als eine Befestigungs-Anlage erblicken dürfen. Wenigstens sollte man meinen, dass eine zu religiösen Handlungen oder als Gerichts-Stätte oder zu ähnlichen Zwecken bestimmte Anlage nicht an die äusserste Peripherie, sondern viel eher möglichst in das Centrum des Landes oder Gaues verlegt worden wäre. Damit würde sich auch am einfachsten die Anlegung eines so bedeutenden Wasserbeckens erklären, welches in Zeiten der Noth bei einer Belagerung die Ver- 1) Tacitus, Amial. II, W. (64) sorgung von Menschen und Vieh mit hinreichendem Wasser sicherte. Der noch innerhalb des Vierecks befindliche Ringwall hat dann vermuthlich als Reduit ge- dient, in dem der Rest der Belagerten den letzten Verzweiflungs- Kampf um Leben und Freiheit kämpfte. Allerdings konnte der Ringwall nur eine kleine Schaar von Kriegern aufnehmen; doch wurde er ja auch erst aufgesucht, nachdem der grösste Theil der Kämpfenden den feindlichen Waffen zum Opfer gefallen war. Gegen die Annahme, dass der Ringwall speciell zu Cultuszwecken diente, spricht ausser seiner bedeutenden Höhe und dem vor ihm befindlichen Vorwall noch ganz besonders der Umstand, dass in ihm nicht eine Spur von Opfer-Gefässen und von Resten geopferter Thiere oder Menschen gefunden worden ist. Was endlich die Frage anlangt, welche Volksstämme der Grenzwall von Ober- holz ursprünglich von einander trennte, so wird sich darauf wohl kaum je eine einigermaassen befriedigende Antwort geben lassen, da wir über die Vertheilung und die Verschiebungen der germanischen Völker - Stämme während der ver- schiedenen Perioden der Lausitzer Gefässe gar keine geschichtlichen Zeugnisse besitzen. In der mittleren und späteren Latene-Zeit, d. i. zur Zeit Cäsars und des Tacitus, wohnten in unserer Gegend ganz zweifellos Hermunduren, während nördlich von diesen die Semnonen und mehr westlich die Cherusker sasscn. Es wäre daher nicht ganz undenkbar, dass unser Langwall, wenn er nicht etwa bloss eine Gaugrenze bildete, die Linie bezeichnet, welche ehedem die Hermunduren einer- seits und die Semnonen oder Cherusker andererseits von einander schied. Da die Front des Wall-Vierecks zweifellos nach S. gerichtet war, so müsste bei dieser Annahme die Errichtung desselben einem der beiden letztgenannten Stämme, am ehesten wohl den Chei*uskern, zugeschrieben werden. — (15) Hr. E. Friedel überreicht die Niederschrift des Berichtes über das Königsgrab bei Seddin, den er in der Sitzung vom 20. Januar 1900 erstattet hat. Er bittet, die Verzögerung mit dem Umzüge des Märkischen Provincial-Museums von dem inzwischen ab- gerissenen KöUnischen Rathhaus nach den interimistischen Räumen in der Zimmer- Strasse Nr. 90/91 zu entschuldigen und fügt gleichzeitig einen Bericht über eine zweite Untersuchung des Königsgrabes und seiner Umgebungen vom 7. October 1900 hinzu. A. Bericht vom 20. Januar 1900. Hr. E. Friedel besprach das grosse Hünengrab, genannt das Königsgrab bei Seddin, Kreis West-Prignitz, wie folgt: Auf der genannten Gemarkung liegt isolirt mitten im freien Felde ein grosser Hügel, das Königsgrab, mitunter auch der Hinzberg (soviel wie Heinrichsberg) genannt. Obwohl diese Erhöhung auf den ersten Blick von Unkundigen für eine von der Natur geschaffene Anhöhe gehalten werden mag, ist sie thatsächlich ein Hünen- grab; dasselbe wurde im September 1899 geöffnet und von mir untersucht. Die Provinz Brandenburg hat dasselbe zwecks dauernder Erhaltung angekauft, während der Inhalt der Grabkammer vom Märkischen Museum erworben ist und Ihnen heute Abend nebst Plänen, Aufrissen und farbigen Skizzen vorgeführt wird, welche Hr. W. Pütz, Techniker der Kgl. Geologischen Landes-Anstalt, der mir, nebst unserem Mitgliede Hrn. H. Maurer, treulichst bei der Untersuchung an Ort und Stelle half, mit gewohnter Präcision aufgenommen hat. In der ganzen Prignitz läuft die Sage vom Riesen -König, dahin gehend, dass er in einem dreifachen Verschluss: einem eisernen, dann einem silbernen, schliesslich einem goldenen Sarge beigesetzt sei. Hie und da wird aus dem goldenen Sarge eine goldene Wiege. Schon Adalbert Kuhn berichtet, dass die Bauernschaft von Kemnitz bei Pritzwalk drei Tage lang auf die Aufgrabung eines Hünengrabes, worin der Riesenkönig liegen sollte, verwendet, sich aber sehr ent- täuscht gefühlt hätte, als in dem Hügel nur einige thönerne Urnen mit Asche und verbrannten Knochen gefunden wurden. So ist denn schliesslich die Sage vom Grabe des Riesenkönigs an dem Hinz- berg, hier aber mit Hartnäckigkeit, hängen geblieben und hat sich überraschender Weise in den Hauptzügen als zutreffend herausgestellt. Erwägt man die Grössenverhältnisse des Hügels und den Umstand, dass vor uns zweifellos niemand bis auf den Steinkeller vorgedrungen ist, so ist es an sich schon merkwürdig, dass das Volk den Hügel als ein Grab anspricht. Zum Ver- gleiche führe ich an, dass das bekannte Hünengrab Dubberwort bei Sagard auf Rügen 8 m Höhe, 50 m Durchmesser und 170 Schritt Umfang hat, die drei Götter- hügel bei üpsala, von denen der Thorshügel im Jahre 1874 bei Gelegenheit der internationalen Anthropologen-Versammlung untersucht wurde, 10,5 m Höhe, 60 m Durchmesser und 200 Schritt Umfang, dagegen das Seddiner Königsgrab 11 m Höhe, 90 m Durchmesser und 300 Schritt Umfang aufweist, deutlich markirt durch einen Steinkreis ringsherum, der aus grossen Pelsblöcken besteht. Oben erscheint mir das Königsgrab nachträglich für Culturen künstlich abgeflacht zu sein; die ur- sprüngliche Höhe kann sehr wohl 12 m, vielleicht noch etwas mehr, betragen haben. Auf der Generalstabs-Karte ist der hier befindliche Punkt der Landes- Vermessung mit 62,2 m über NN. markirt. Von dem Massiv des Königsgrabes, welches im Verhältniss zu seiner Grösse überhaupt nur sehr flach gewölbt gewesen zu sein scheint, ist im Laufe der letzten 10 Jahre, wo der Hügel wiederholt als Steinbruch und Sandgrube wirthschaftlich ausgenutzt wurde, Vieles fortgefahren worden. So ist der Bahnhof in Perleberg mit Steinen aus dem Königsgrabe gepflastert; auch andere Ortschaften sind daraus versorgt worden, und ein wohlgelungenes Aquarell des Hrn. Pütz zeigt, wie eine mehrere Kahn-Ladungen ausmachende Menge von Steinen, regelmässig aufgesetzt, im September 1899 der Abfuhr harrte. Natürlich hört das, nachdem die Provinz das Königsgrab erworben, auf; indessen haben zwei Sachverständige die über und neben der Grabkammer lagernde Masse von Sand, Kies, Grand und Steinen noch immer auf die gewaltige Masse von über 30000 ci;« geschätzt. Vergl. hierzu den Querschnitt des Königsgrabes (Fig. 1). Figr. 1. Querschnitt des Seddiner Grabes. Sobald man den Gedanken festhielt, dass man es mit einer künstlichen Auf- schüttung und einem Hünengrabe zu thun habe, konnte man auf ansehnliche Funde gefasst sein, zumal da solche in der nächsten Umgebung mehrfach gemacht worden sind. So besitzt das Königl. Museum ganz vorzügliche Bronzen aus der Nachbar- schaft, welche in Steinkisten unter grösseren Grabhügeln gefunden sind und, wie Verhandl. der Berl. Anthropol. Gesellschaft 1901. '-, a>6) sich bei der Vergleichun*^ nunmehr herausstellt, auch stilistisch und zeitlich dem Inhalt des Königsgrabes gleichzustellen sein dürften. Es sind nun seit Ende der achtziger Jahre vor. Jahrh. an dem Seddiner Königs- grabe verschiedene Versuche von berufener und von unberufener Seite (sogar unter Anwendung der Wünschelruthe), jedoch alle vergeblich, gemacht vk^orden, weil sie mit unzulänglichen Arbeits- und Geldmitteln unternommen wurden. Aber selbst wenn es daran nicht gefehlt hätte, wären die Versuche ergebnisslos geblieben, weil man sie nach falschen Richtungen hin unternahm. Es giebt nur eine Richtung, die zum Ziele führen konnte, und das ist die auf die einzige Oeffnung hin, welche die Grabkammer besitzt. Die Oeffnung der letzteren schaut, nach den Ermittelungen des Hrn. Wilhelm Pütz, ziemlich genau nach NO. Dieser Compass-Strich wurde bei den letzten zur Gewinnung von neuem Stein -Material unternommenen Aus- grabungen Mouiite hindurch verfolgt und so endlich ein Stollen bis zum Mittel- punkt der gewaltigen Aufschüttung vorgetrieben. Auf diese Weise stiess man zuletzt auf eine gewaltige Blockstellung, hinter welcher die Unternehmer mit Recht die Steinkammer des Hünengrabes vermutheten. In Folge rechtzeitiger Anzeige wurde ein Betreten der Aufgrabungsstelle vorläufig- verhindert, und gern ergreife ich die Gelegenheit, um dem Konigl. Landrath Hrn. V. Jagow zu Perleberg und dem dortigen Pfleger des Märkischen Museums, Hrn. Rechtsanwalt Dr. Heinemann, ebenso dem Provincial-Conservator Hrn. Geh. Bau- rath Bluth hierselbst für den Schutz, welchen sie der Grab-Anlage sofort zu Theil werden Hessen, meinen verbindlichsten Dank auszusprechen. Nachdem der Eingang einigermaassen gegen die Gefahr des nachstürzenden Erdreiches gesichert worden, betraten zuerst unser Mitglied Hr. Maurer, dann ich, dann Hr. W. Pütz die Grabkammer. Dieselbe zeigte eine bemerkenswerthe Ein- richtung. Der Boden war aus einer lehmig-thonigen Masse hart geschlagen und als ein Estrich geglättet, von chokoladenartiger Farbe und mattem Glanz, wie ein gewöhnlicher Linoleum-Läufer. Die eigentliche Höhle ist in der Hauptsache aus grossen aufrechtstehenden Geschiebe-Blöcken hergestellt, welche ein nicht ganz genaues Neuneck darstellen, das eine cylindrische Form anstrebt, oben, wie später ausgeführt werden soll, kuppeiförmig abgeschlossen. Um diese Form noch mehr zum Ausdruck zu bringen, ist die rauhe Stein wandung mit einem dicken Mörtel-Bewurf bekleidet worden, welcher ebenfalls geglättet und dann mit rothen Ornamenten bemalt wurde. Die Farbe ist wahrscheinlich unter Benutzung von Mennige hergestellt. Der Maler hat vermuthlich einen Teppich -Behang dar- stellen wollen, der ein vornehmes, einem Königsgrab angemessenes Roth zeigen sollte. Ich nehme ferner an, dass der Maler sich dachte, das Ende dieses die Wand bekleidenden Vorhanges sei oben übergeworfen, als wenn eine rings herumlaufende (natürlich nur in der Vorstellung vorhandene) Schnur dies er- möglicht habe. Dieses überhängende Ende zeigt eine röthliche a-la-grecque-Borte, die an einigen Stellen, wo vielleicht herunterhängende Falten angedeutet werden sollten, rundliche Borten-Muster aufweist. (Der Vortragende zeigt hierbei eine Probe der farbigen Ausstattung in einer in der Grösse des Originals hergestellten Zeichnung.) Leider mi^ßste dieser bemalte Wandputz recht unzweckmässig, nehralich an den senkrechten Flächen der grossen Blöcke angebracht werden. Er war deshalb bei meiner Untersuchung schon durch seine eigene Schwere heruntergefallen und hatte den aufgestellten Grab -Beigaben zum Theil Beschädigungen beigebracht. Nachdem nun diese mehrere Tausend Jahre alte merkwürdige Kammer für die Atmo- sphärilien der Gegenwart zugänglich geworden, löst sich die Wand -Verkleidung (iu) selbstverständlich noch schneller auf. Grössere heruntergefallene Partien werden im Märkischen Museum verwahrt. Der Abschluss der Grabkammer nach oben hin ist nicht minder interessant. Man ist gewöhnt zu sehen und zu hören, dass die megalithischen Hünengrab- Kammern aus der neolithischen und der älteren Bronzezeit eine horizontale Ab- deckung haben, welche in der Hauptsache durch Ueberlegen von grossen Steinplatten bewirkt wird. Dieses einfache Dach hat den hallstattzeitlichen Erbauern der Seddiner Grabkammer nicht genügt, sie haben vielmehr ein rundliches Kuppeldach angestrebt. Da ihnen, ebenso wie den Verfertigern der mykenischen Kuppel -Bauten, der Kuppel-Steinschnitt und die Statik des Gewölbe-Baues unbekannt war, so hat man sich in primitiver Weise damit geholfen, dass man zunächst auf die aufrecht- stehenden Blöcke der Grabkammer ein kräftiges Widerlager von Blöcken gelegt und von diesen aus rundherum allmählich Lagen von Steinen vorgeschoben hat, von denen immer eine Lage ein wenig mehr über der unteren vorsteht, bis sich die Steine der obersten Schicht schliesslich in der Mitte nahezu, bis auf 6ine Art von Schluss-Stein in der Mitte, berühren. Man hat hierzu keineswegs besonders behauene, flache Platten gewählt, sondern Naturblöcke. In Folge dessen schliessen auch die vorspringenden Blockreihen nach innen zu nicht genau aufeinander, man kann im Gegentheil mit der Hand etwas dahintergreifen. Der Aneinanderschluss liegt also mehr an der Aussenseite, kann selbstverständlich zur Zeit aber nicht genau controlirt werden, weil darauf die ganze Packung des Grabhügels noch jetzt lagert und lastet. Der Eingang, welcher dadurch markirt wird, dass hier nur ein weniger hoher Stein steht, ist über dem Erdboden erhaben, und man kann in ihn nur hinein, indem man die Füsse ziemlich hoch hebt, wie wenn man eine hohe Schwelle, hinter der es aber gleich wieder tief wird, übersteigt. Diese Oeffnung war in der Haupt- sache durch drei grosse Blöcke versperrt, also nicht etwa durch einen einzelnen, senkrecht angebrachten Thürstein. Es scheint mir das dafür zu sprechen, dass die Grabkammer nur einmal benutzt und dann für immer durch die gleiche Art un- förmiger Geschiebe-Blöcke verschlossen worden ^ ist, welche die Grabkammer zu weiterem Schutz wahrscheinlich ringsum umgeben. In der näheren Nachbarschaft sind verschiedene Haus-Urnen gefunden worden, von denen ich glaube annehmen zu sollen, dass sie nicht nur zeitlich ungefähr der- selben Epoche angehören, sondern dass sie auch in ihrer Construction, im äusseren und inneren Aufbau, das Seddiner Königsgrab nachahmen. Man muss dabei be- denken, dass dieses gewaltige Grab auf die benachbarte Bevölkerung sicherlich, verhältnissmässig und vergleichsweise, den Eindruck einer ägyptischen Pharaonen- Pyramide gemacht hat und als ein Wunderwerk weit und breit angestaunt und be- kannt gewesen ist. Es kommen hierbei hauptsächlich folgende 3 Haus-Urnen in Frage: a) von Kiek-in-de-Mark (meklenburgisch), abgebildet bei Lisch und beschrieben in den Verhandl., Bd. XII, S. 297, und Bd. XV, S. 442; b) vom Garlin bei Gandow unweit Lenzen a. d. Elbe, abgebildet von mir in den Verhandl., Bd. XVI, S. 441, Bd. 17, S. 166, Bd. XVIII, S. 424; und c) die Haus-Urne, welche mit den im Kgl. Museum f. A^ölkerk. sub I. f. 2676 — 2682 eingetragenen Bronzen aus der Steinkammer eines Seddiner Hügel-Grabes stammt und leider zerbrochen ist (der Gesamrat-F'und im Kgl. Museum als der II. Hälfte der Hallstatt-Zeit zugehörig bezeichnet). Diese Haus- Urnen haben die Eigenthümlichkkeit, dass sie fast cylindrisch in die Höhe gehen, mehr oben unter dem Dach -Ansatz sich etwas verbreitern, also gerade umgekehrt, wie die bekannten italischen Haus-Urnen von Albano. die unten — gewissermaassen ägyptisirend — breiter sind als oben, äusserlich also mehr an abgestumpfte, auf der breiteren Fläche ruhende Kegel erinnern. Es käme dann noch die ansehnliche Haus-Urne von Luggendorf, Kreis West-Prignitz, des Kgl. Museums (T. f. 4210) in Frage, welche ähnlich construirt ist, nur dass der Grundriss mehr ein Eirund beschreibt. Die Haus-Urne von Kiek-in-de-Mark hat da, wo die Wandung aufhört ein deutliches Widerlager vermerkt, über welchem sich die flache Kuppel aus- spannt. Ein solches Widerlager ist besonders nothwendig, wenn man die Wölbung in kyklopischer Art ohne Kenntniss der Bogen-Construction ausführt, wie ich dies schon zuvor ausgeführt habe. Die Thür führt bei allen diesen Haus-Urnen nicht bis zur Schwelle herunter, sondern ist in halber Höhe angebracht. Auch dies trifft beim Seddiner Königs- grab zu. Den Rauminhalt der Grabkammer anlangend, ist die Ausdehnung so gross, dass 4 Erwachsene darin Platz haben und an einem Tische darin zusammen sitzen könnten. Zu bemerken ist, dass sich in der Grabkammer, lose angebracht, zwei niedrige Stein-Schwellen als Sitze befinden, die eine wie eine ßord-Sch welle, die andere etwas kürzer und breiter. Ueber die bewegliche Ausstattung ist Folgendes zu bemerken: Den Mittel- punkt bildete ein grosses, schweres, schwarzbraunes, eimerartiges, oben gerieftes und sich zu einem engeren Halse zusammenziehendes Thon-Gefäss heimischer Arbeit. Höhe 50 cm, engste lichte Weite 37 cm Durchmesser. Der breite Rand dieser grossen Vase legt sich platt um und ist an vier symmetrisch geordneten Stellen mit rundlichen Löchern versehen. Zu dieser Vase gehört ein flacher Deckel, gestaltet wie ein Blumentopf- Untersatz. Derselbe passt genau auf den platten Rand der Vase und greift über dieselbe über. An den entsprechenden 4 Stellen ist der Deckel ebenfalls durchbohrt. Bei der Auffindung sassen in diesen zweimal vier Löchern vier etwas gekrümmte Niete aus Thon, kleinfingerdick, welche Deckel und Vase äusserst dicht verschlossen (vergl. Fig. 2^). Fiff. 2A. Fig. 2/i. Das altitalische Bronze -Gefäss mit den Brandresten des Königs und Ciebeinresten eines Hermelins. Die grosse Thon-Urne, in der Fig. 2 B stand. In dieser Thon- Vase stand eine andere, im Hallstatt-Stil gebildete Bronze-Vasa von 88 cm Höhe. Der grösste Durchmesser dieser Vase beträgt 34 on, so dass dieselbe mit nur 3 cm Spielraum, also ziemlich knapp, in die Thon-Vase hinein- passte. Wie man deutlich ersieht, hat man die vorhanden gewesenen zwei Bronze- (69) griffe entfernen müssen, um die Bronze -A^ase in die Thon-Yase hineinsetzen zu können. Die Bronze-Vase hat einen flachen, kuppelartigen Deckel, welcher durch Schlingen aus Bronze-Draht in ziemlich primitiver Weise mit dem Halse der Bronze-Vase ver- bunden war. Das Ganze, Thon-Vase und Bronze -Vase, ist also vortrefflich ge- schützt gewesen gegen das Eindringen von Fremdkörpern und Nässe in den Hohl- raum, welcher die Leichenbrand-Reste sicherlich eines Vornehmen umschloss, den man, nach den V'orgängen der classischen Autoren, gewiss als einen Rex, mindestens Regulus, wird ansprechen dürfen. Die Gestalt der Bronze-Vase erinnert an unsere Bowlen und wird durch die Fig. 2-ß, die Gestalt des umschliessenden Gefässes durch Fig. 2.4 wiedergegeben. In der Bronze-Urne lag ein kleines, gegossenes, bronzenes Schöpf-Gefäss, 5,5 cm hoch, Boden 2, Bauch 9,5, Mündung 8,8 ou Durchmesser, mit einem Henkel, an welchem sich ein kleiner, offener Ring von 3,7 bis 4,5 cm im Durchmesser befindet, dessen verdickte Enden fest zusammengebogen sind. Dies Bronze-Gefäss kann als heimische Arbeit betrachtet werden, da es viel primitiver gefertigt ist, als die übrigen Bronze-Schalen. Auch ein grösseres, verziertes Bronze-Messer mit Griff und daranhängenden 2 Ringen befand sich in der Bronze-Urne. Sonst enthielt das Grab-Gewölbe noch 4 weitere Urnen mit Leichenbrand, denen als Beilagen entnommen wurden: 2 mit getriebenen Perl-Reihen verzierte Bronze-Schälchen, 1 kleine, verzierte Bronze-Speerspitze, 2 Bronze-Hohl- celte, 1 Bartraesser und 1 Bartzange, 1 dünnen, gerippten Halsring, 2 Arm- ringe, 2 Fingerringe, 1 Kamm mit 12 Zähnen, 2 Doppelknöpfe, verschiedene Fragmente von Ringen, Nadeln usw., Alles aus Bronze; ferner einen Hals-Schmuck aus Schmelz-Perlen und cylindrischen Bronze-Spiralen, eine eiserne, gänzlich durch- gerostete Nähnadel und einen eisernen Nadel-Dom. Neben den Urnen standen ferner 2 kleine thönerne Beigefässe und ein 51 cm langes Bronze-Schwert, das mit dem Griff im Boden steckte, so dass die Spitze aufrecht hervorragte. In der Ecke rechts stand ein grosses, schwarzes, kumpenartiges Thon-Gefäss, in welchem höchst wahrscheinlich eine Flüssigkeit (Wein, Bier, Meth, Wasser) o-e- wesen war. Diese mag das nicht sehr festgebrannte Gefäss erweicht haben, so dass es dem Druck einer darauf gelegten muldenförmigen Reibeplatte nicht wider- standen hat, sondern bei der Auffindung sich zusammengebrochen zeigte. Vor dem Eingang fanden die Arbeiter zwei kleinere sogen. Hünen-Hacken, d. h. granitene Mahltröge, die durch langes Reiben und Quetschen von darin zer- mahlener Frucht ausgehöhlt und am unteren Ende, wie fast immer der Fall, durch- bohrt sind. Ich selbst fand unter den Steinen ausserhalb des Grabes noch einen quarzitischen Steinreiber, der zu einer der Hünen-Hacken gehört haben mag, und ein Bruchstück einer aus sehr grobkörnigem, morschem Granit gefertigten flachen Reibstein-Platte, auf deren glatter Fläche Gegenstände gerieben sein mögen. Was die anthropologischen Reste anlangt, so sind dieselben von Hrn. Sanitätsrath Dr. Lissauer mit folgendem Ergebniss untersucht worden. Es handelt sich nur um Leichenbrand. In der bronzenen Haupturne (Königs - Urne) befanden sich die Reste eines kräftigen Mannes in den dreissiger Jahren, in der Thon-Urne mit Deckel die Reste einer Frau in den zwanziger Jahren, in der ungedeckelten Thon-L'rne die Reste eines noch etwas jugendlicheren Individuums, vielleicht weiblichen Geschlechts. In der Königs-Urne lagen die Reste eines kleinen Raubthieres, welches Hr. Prof. Dr. Nehring als Hermelin (Mustela erminea L.) bestimmt hat, ein Thier, (70) welches in der Mark nicht selttMi ist, noch heut ab und zu innerhalb Berlins vor- kommt und zu dem Gesammtbilde eines Königsgrabes (Ausstattung der Grabkammer mit einer Purpur-Malerei, Goldbronze-Urne usw.) überraschend stimmt. Was die Nationalität und die Zeitstellung anlangt, so sehe ich keinen Anlass, einen anderen Stamm als einen germanischen, dessen Oberhaupt hier be- stattet wurde, anzunehmen. Die Ausstattung mit Bronzen und das Vorkommen zweier winzigen, offenbar als kostbar geschätzten Eisensachen verweisen auf die sogen. Hallstatt-Zeit, ein Begrifl', mit welchem freilich für unsere nordischen Gegenden noch nicht viel anzufangen ist. Ich enthalte mich deshalb auch einer Alters-Schiitzung und bemerke nur noch,^ dass diejenigen Sachverständigen unserer Gesellschaft, welche den Fund gesehen, in der Datirung von einander abweichen, von GOO bis etwa 1000 vor Chr. Weitere Einzelheiten behalte ich mir, nach einem in diesem Jahre geplanten zweiten Besuche des Hünengrabes anzugeben vor. B. Zweite Untersuchung des Seddiner Königsgrabes am 7. October 1900. Von den erwähnten geförderten Steinmassen ist Alles vertragsraässig ab- gefahren ; dagegen liegen noch die grossen . Sandmassen unordentlich herum, welche bei dem Aufsuchen der abzufahrenden Steine neben dem grossen eigentlichen Grabhügel aufgethürmt worden sind. Die Verwaltung der Provinz Brandenburg sollte diese Sandmassen recht bald wieder auf und an den Hügel heranwerfen lassen, damit dessen flach glockenförmige Turaulus-Gestalt, wie er vor Zeiten war, wieder hergestellt wird. Inzwischen ist die genannte Behörde auf Anregung des für die Erhaltung der Volks -Denkmäler so segensreich wirkenden Provincial-Conservators, Ge- heimen Bauraths Bluth nicht unthätig gewesen; sie hat den Schacht durch den Hügel, welcher zum Eingang der Höhle führt, rechts und links durch oben rasenabgedeckte Seitenwangen aus Feldsteinen des Tumulus sichern und dicht vor dem Eingang zwei granitene Pfeiler errichten lassen^ an denen eine mit einem tüchtigen Schloss zu sperrende feste Eisen - Gitterthür angebracht werden soll, welche einen Einblick in die Grabkammer verstattet, aber das Ein- dringen verwehrt. In der letzteren lagen noch zwei von uns am 20. September 1899 wahr- genommene lose Sitzsteine, der längere links, als ich damals in die Höhle stieg, leer, der rechts mit Urnen besetzt. Der geglättete, chokoladenbraune, einiger- maassen gleich einem Linoleum-Läufer mattglänzende Estrich ist inzwischen mit Sand überschüttet; an den Steinen der Kammer befand sich noch theilweise der Thon-Bewurf, welcher wahrscheinlich die Kammer gänzlich — auch oben — be- kleidet hat, und ebenso Reste der rothen Bemalung. Die grossen Wandsteine sind theils unberührte Geschiebe, theiis gespalten, alle selbstredend und vernünftiger Weise wenigstens etwas rauh, weil sonst der schwere Wand-Bewurf hierauf nicht gehaftet haben würde. Unsere Untersuchung galt diesmal insbesondere auch den geologischen Ver- hältnissen. Wie bei der Untersuchung im Jalire 1899 gelangte ich zu dem Schluss, dass der Tumulus künstlich von Menschenhand, unter Benutzung einer höheren Geländestelle, aufgeschüttet ist, und ich freue mich, in dieser Beziehung voll- kommen mit dem Landes -Geologen, Hrn. Dr. Wahn schaffe, Professor an der Königl. Berg-Akademie, übereinzustimmen, welcher sich gerade zu der Zeit eben- falls in Perleberg aufhielt, um das das Königsgrab mitumfassende Blatt der Landes- vermessung geologisch festzulegen. (-1) Besonders günstig war es, dass, um das von der Provinz erworbene Gelände zu markiren, ein grosser Theil des äusseren, den Tumulus einhegenden Stein- kranzes freigelegt war. Durch Vergleichung mit der Figur des oberhalb der Steine sitzenden Hrn. G. Albrecht lässt sich aus dem beifolgenden, nach einem Photo- gramm des Hrn. Wilhelm Pütz aufgenommenen Bilde (Fig. 3) eine genügende Vor- stellung von der Grösse der Steinblöcke und von dem gewaltigen Eindruck der V\s. :'). ganzen Anlage machen. Man wird in der Annahme nicht fehlgehen, dass diese Steine auf gefrorenem Boden hingeschafft worden sind. Der Tumulus mit der näheren Umgebung ist von Wasser auf drei Seiten umgeben; zwei etwas versumpfte Wasserlachen fanden wir als Reste grösserer ehemaliger Be\vässerung vor. Das Innere der Kammer (vergl. Fig. 4) wurde von Hrn. Pütz nochmals auf- gemessen. Ein Kreisrund mag angestrebt worden sein; thatsächlich aber bilden die grossen Steine der Kammer ein unregelmässiges Neuneck. Die Breiten der betreffenden neun Steinflächen sind, von dem Eingangs-Schwellenstein (mit G5 cm) rechts betrachtet, folgende: 96, G8, 70, 70, 66, 92, 50 und 69 cm. Die lichte Weite der Kammer beträgt an 3 verschiedenen Messungs-Stellen (etwa 40 C7n über dem Estrich) SIS, 219 und 220 cm. — Vor dem Eingange fand ich heut noch einen röthlichen, quarzitischen, deutlich abgenutzten Reibstein, sowie das Bruchstück eines auf einer Seite abgeschliffenen, platten, aus sehr grobkörnigem Granit bestehenden, etwa 6 etil hohen Reibsteins. Die ganze Umgebung des Seddiner Hünengrabes scheint ein gewe'ihtes Tumulus- Feld gewesen zu sein. Südlich von dem Dorfe Seddin sind in früheren Jahrzehnten Hünengräber abgetragen und die Funde zum Theil in das Königl. Museum zu Berlin, zum Theil in Privatbesitz gelangt. Südlich von dem Seddiner (72) Hünen-Grab, nahe dem Seddiner Ausbau, welcher „der Kohlhorst" heisst und dem Landwirth Hildebrand gehört, liegen 3 Hünengräber, welche auf der Generalstabs-Karte deutlich markirt sind. Fiü-. 4. Grundriss der Kammer dos Seddiner Grabes. Das eine Hünengrab, auf einem ilachen Anberg südöstlich vom Kohl- horst auf Hildebrand'schem Acker, ist ein bereits vor längerer Zeit zerstörtes Grab, von welchem wir noch grosse Steine, sowie kohlige Stellen feststellten und eine Anzahl schwarzer, grober Scherben sammelten von der Technik der grossen schwarzen Urne, welche sich in der Seddiner Königs-Grabkammer, durch einen flachen, schweren Reibstein zerdrückt, leer vorfand, rechts in der Ecke vom Ein- gang der Grabkammer aus gesehen. Es zeigte sich ferner ein zweites Hünengrab, fast östlich (mit wenig südlicher Lage) — auf der Generalstabs-Karte in der Luftlinie öOO ?« entfernt — aufgewühlt, aber dennoch ungleich besser erhalten. Aus diesem mit einem Stein- kranz umstellten und im Innern mit grossen Blöcken ausgestatteten Hügel stammen verschiedene, Hrn. Wilhelm Retig in Perleberg gehörige Bronzen her: ein langer Dolch oder wenn man will: Kurz-Schwert, mit der abgebrochenen Spitze 32 on lang. Griff und Klinge zusammen aus Erz gegossen; ein 29 cm langes, yataganartiges Bronze-Messer, mit rundlicher Griffzunge in Holz oder Hörn befestigt gewesen, und ein Bronze-Hohlcelt. Endlich drittens, südöstlich vom Kohlhorst, und etwa 300 m nordwestlich von dem letztgenannten Hügel, ein Hünengrab, mit jungen Eichen und Buchen bewachsen, an einer Seite abgestochen, so dass man eine grosse Steinpackung ge- wahrt, aber anscheinend noch nicht aufgedeckt, mit äusserem Steinkranz, ähnlicher Construction, wie Nr. 2 und 1, wahrscheinlich auch in die Zeiten des Königsgrabes (73) gehörig. Bei dem zuzweit erwähnten Hünengrab befindet sich eine flache, wall- artige, runde Erhöhung, in welcher wir menschliche Spuren jedoch nicht wahr- zunehmen vermochten. — Zum Schluss meiner vorläufigen Mittheilungen über das Seddiner Königsgrab, welches dereinst unter die merkwürdigsten Ueberlebsel aus Deutschlands vor- geschichtlicher Zeit gerechnet werden wird, sei noch hinzugefügt, dass Hr. Director Oscar Montelius die Fundstücke aus der Grabkammer inzwischen mit Interesse besichtigt und, wenn ich recht unterrichtet bin, die Zeitstellung des Grabes auf etwa 1000 vor Chr. normirt hat. — Die an den Vortrag vom 20. Januar 1900 geknüpfte Discussion in der Gesell- schaft steht in dem betreffenden Sitzungsbericht (Verhandl. 190(», S. 68 f.). — (!()) Hr. Josef Maurer in Bad Reichenhall hat unter dem 2. November 19(»0 berichtet über Funde von Stein -Möi'seru. Ein von ihm gefundener Mörser (Steinmühle?) besteht aus feinem Granit und hat einen halbkugelförmigen Hohlraum von ziemlich rauher Oberfläche. Er hat einen runden Fuss (Fig. 2) und zwei kantige Ansätze am Rande. Er ist 38 cm. hoch und hat einen oberen Quer-Durchmesser von 30 on. Fi":. 1«. Fig. Ib. crtt Vm. 2 b. Fiff. 3. Eine andere „Sandstein -Urne'" ist auf dem römischen Friedhofe gefunden worden (Fig. 3), und auch im Museum in Salzburg giebt es solche. — (17) Die Gesellschaft für nützliche Forschungen in Trier ladet zu einer Festfeier ihres 100jährigen Bestehens am 10. April ein. Ein reiches Pro- gramm giebt von dem jetzigen Reichthum der dortigen Anstalten Kenntniss. Be- sonders hervorgehoben wird eine Ausstellung alter Trachten und Hausgeräthe aus dem Saar- und Mosel-Gebiet, sowie der Aufnahmen alter Trierer Häuser. — (LS) Der Herr ünterrichts-Minister übersendet unter dem 7. Januar ein Exemplar des '2>^. Jahresberichts des Westfälischen Provincial-Vereins für Wissen- schaft und Kunst. — (l!i) Hr. A. Götze spricht über Herstellung vou Abklatschen mit Hülfe von Fliesspapier. Der Bericht wird später gegeben werden. — (20) Neu eingegangene Schriften: 1. Morse, Edward S., Catalogue of the Morse collection of Japanese pottery. Cambridge 1900. 4». Gesch. d. Verf. "2. Herman, Otto, Schlusswort zur Recension über „Die Forschungsreisen des Grafen Zichy in Asien". Budapest 1900. 8«. Gesch. d. Verf. o. Giuffrida Ruggeri, V., Ossa fontanellari e spazi suturali nella norma laterale. Firenze 1900. S^. (Aus: Monitore Zoologico Italian'o.) 4. Derselbe, Divisione longitudinale dell' ala magna dello sfenoide (Osso pre- temporale). Jena 1900. -s". (Aus: Anatomischer Anzeiger.) Nr. r> u. 4 Gesch. d. Verf. 5. Lasch, Richard, Besitzen die Naturvölker ein persönliches Ehrgefühl? Ein Beitrag zur Ethik der Naturvölker. Berlin 1900. s». (Aus: Zeitschrift für Socialwissenschaft.) Gesch. d. Verf. H. V isser, Marinus Willem de, De Graecorum diis non referentibus speciem humanam. Lugduni-Batavorum 1900. S''. (Dissertation.) Gesch. d. Verf. 7. Kohlbrugge, J. H. F., Naamgeving in Insuliade. 's Gravenhage 1900. 8". (Aus: Bijdragen tot de Taal-, Land- en Volkenkunde van Ned.-Indie.) Gesch. d. Verf. 8. Papillault, G., XU'- coiigres inlernational d'anthropologie et d'archeologie prehistoriques, session de Paris, 20—25 aoüt 1900. Paris 1900. S«. (Aus: Revue de l'ecole d'anthropologie.) Gesch. d. Verf. 9. Elliot, Henry M., Memoirs on the history, folk-lore, and distribution of the races of the northwestern provinces of India. Edited, revised, and rearranged by John Beames. Vol. 1—2. London 1869. 8^. 2 Bde. Gesch. d. Hrn. M. Bartels. 10. Schmeltz, J. D. E., Album der Ethnographie des Congo-Beckens. 1. Hälfte. Tafel 1—120. Harlem und London 1900. 20. (In: Veröffentl. aus dem Niederländischen Reichsmuseum für Völkerkunde zu Leiden. Serie II, 2.) Angekauft. Sitzung vom Ki. Februar If'Ol. Vorsitzender: Hr. K. Vii'cliow. (1) Als Gast wird herzlich begrüsst Hr. E. Dubois, der Entdecker des Pithecanthropus, von Leiden. — (2) Die Gesellschaft hat durch den Tod verloren die ordentlichen Mitglieder: den Sanitätsrath Dr. Köhler in Posen und den Ober-Stabsarzt Dr. Kuthe in Frankfurt a. M. — * Aus der Zahl der correspondirenden Mitglieder ist verstorben das sehr ge- schätzte correspondirende Mitglied, Don Maria Jimenes de la Espada in Madrid. — (.■)) Mit grosser Betrübniss wird die Todes-Nachricht des Hrn. Splieth, des Assistenten von Fräulein Mestorf, des hoffnungsvollsten unter den jungen Alter- thums-Forschern von Schleswig-Holstein, vernommen. Der Tod ist ganz unerwartet schnell in Meran, wohin er sich seiner Phthise wegen begeben hatte, erfolgt. — (4) Als neue Mitglieder werden angemeldet: Hr. Dr. E. Baelz, Professor an der Kaiserl. Universität Tokio, Japan. „ Prof. Wilhelm Widemann, Berlin. (5) Es liegt eine Einladung vor zum V. internationalen Zo o logen - Congress, der im August in Berlin zusammenti'cten wird. — (6) Hr. Gustaf Retzius in Stockholm übersendet sein neu erschienenes, sehr kostbares Werk über alte schwedische Schädel. — Der Vorsitzende erinnert daran, dass der Vater, Andres Retzius, der Ur- heber der modernen Kraniologie und der Vater der Classification der Rassen- Schädel ist, und dass der Sohn durch eine lange Reihe werthvoller Abhandlungen den AVeg seines Vaters in rühmlichster Weise verbreitert und verlängert hat. — (7) Die Litterary Society in London schickt zur Ansicht colorirte Ab- bildungen amerikanischer Indianer. — (n) Hr. P. Staudinger macht folgende Vorlagen über afrikaiiisclie Gegenstände: Hr. Prietze, der sich zum Studium der Haussa-Sprache seit einigen Jahren in Tunis aufhält, hat im Laufe der Zeit verschiedene selbst aufgenommene Photo- graphien eingesandt, die ein nicht geringes Interesse beanspruchen, da wenig Ab- bildungen aus jenen Gegenden hierher kommen. Sie zeigen: 1. Alte und neue Ausgrabungen von Byrsa (z. B. punische Gräber, römische Ruinen usw.). Byrsa ist bekannt durch das dort befindliche, unter Pater Delattre's Aufsicht stehende Museum, um das sich, wie überhaupt um die prä- (76) historischen Forschungen, Cardinal Lavigerie grosse Verdienste erwarb. Eine umfangreiche Kathedrale wurde ebenfalls an diesem Platze von Lavigerie errichtet. 2. Römische Ruine bei Tabarka. 3. Reste eines phönizischen Kabiren-Tempels (mit Opfer-Steinen) von der Süd-Küste von Malta. 4. Photographien aus Togo, Hrn. G. Schmidt gehörig. Die eine zeigt eines der bemerkenswerthen runden Lehmburg-Gehöfte aus dem Innern. Ferner legt Hr. Staudinger noch ein interessantes Stück aus Dahome vor: Es ist ein Beil, dessen Hiebfläche die Form eines Löwen zeigt. Diese Axt hat natürlich ihre ursprüngliche Bestimmung als Waffe oder Gebrauchs-Gegenstand verloren; denn die eigenthümlich geformte Schneide gestattet keine wirksame Be- nutzung (höchstens könnte ein wirksamer Schlag mit dem diesen Aexten eigenen, auf der Rückseite eingelassenen geradlinigen Metallstück ausgabt werden), sondern sie hat nur noch symbolische Bedeutung. Es ist nehmlich die Axt eines Polizeimannes des Königs von Dahome, wie sie von diesen Leuten bei Aufzügen oder als Zeichen ihrer Würde getragen wurden. In Dahome, Aschanti, wohl auch Benin, hatte man vielfach «symbolische Waffen und Geräthe, die als Abzeichen usw. getragen wurden. Leider besitzen wir kein Exemplar der interessanten, aus Holz und Silber bestehenden Häuptlings-Stöcke von Dahome. Das vorliegende Stück, dessen Metalltheile aus Messing bestehen, ist nicht nur der eigenartigen Zierathsform wegen bemerkenswerth, sondern auch, weil ein Löwe abgebildet ist und dieses Thier, wohl äusserst selten in Africa, in Metall nach- geahmt wurde. Leoparden findet man ja häufig aus Thon oder Bronze, und es muss allerdings berücksichtigt werden, dass in den Wald-Districten an der Küste (wie z. B. in Benin) der Löwe nicht vorkommt, dagegen der Leopard nicht selten ist. — (9) Fräul. Elisabeth Lemke berichtet unter dem Datum Berlin, 25. Januar, über tatarische Teppich -Weberei. Hr. Baron C. v. Kutschenbach, Mahmutly bei Tiflis, übersandte mir freund- lichst beifolgende Zeichnungen eines tatarischen Webstuhls für Teppiche und dazu eine nähere Erklärunor: C V- •Ä'. „Fig. 1, ein completer Webstuhl; 1. sind die Pfosten, die, in die Erde eingesetzt, stets eine schräge Stellung- haben: 2. sind die Querbalken, au denen die Schnüre befestigt (77) werden; -V. sollen Stricke bedeuten, an denen eine |bewegliche Stange 4. aufgehängt ist. Diese Stange dient dazu, um durch dieselbe die einzelnen Fäden beim Knüpfen fester an- zuziehen; 5. sind die Grundfäden; 6. ist ein rundes Holz, welches zwischen den Grund- fäden durchgezogen wird und dieselben auseinanderhält, damit man dazwischen die Fäden besser durchziehen kann; 7. sind die verschiedenen bunten Wollknäuel, deren Enden durch die langen Fäden durchgezogen und dann geknüpft werden. C -v. A. Fig. 2. Zur besseren Erläuterung zeichnete ich dies auf, um darstellen zu können, wie die Grundfäden angebracht werden: a) ist die Anfangs -Befestigung der durchgehenden Schnur und h) das Ende, c) ist das 6. und d) das 4. der Zeichnung in Fig. l. Fhj. 3. Fig. 3 soll darstellen, wie das Knüpfen gemacht wird, mit den verschiedenen Knäueln aus verschiedenen Farben: c) ist der Zwischenstab, d) dasselbe wie in der zweiten Zeichnung, e^ soll die Knäuel darstellen. Fiif. 4. Fig. 4 ist der Webstuhl mit Teppich, der schon 74 fertig gewoben ist. (78) (10) Hr. Emil Rösler in Elisabethpol übersendet unter dem "il. December 1900 folgenden Bericht über die für die kaiserl. russische Archäologische Commission im Jahre 1899 unternommenen archäologischen Forschungen und Ausgrabungen in Transkaukasien. Archäologische Untersuchungen und Ausgrabungen im Elisabethpolischen Gouvernement, Kreis Elisabethpol. Zeit: Herbst des Jahres LS!»*,). Durch zehnjährigen krankheitsgesegneten Aufenthalt in der weltentlegenen nebelfeuchten Bergstadt Schuscha — einem Orte, in welchem, dank den dort herrschenden traurigen hygieinischen und sanitären Zuständen, die gefährlichsten Infections-Krankheiten liebevollste Aufnahme und möglichste Verbreitung finden — , war meine sonst kernige Gesundheit so heruntergekommen, dass ich im Sommer des Jahres 1899 meine dienstliche Versetzung beantragen musste. Man bot mir darauf eine Stelle am Gymnasium in Elisabethpol an, die ich annahm: einestheils des gerühmten milden Klimas halber, weiches diese in der grossen Kura-Ebene gelegene Gouvernements-Stadt auszeichnet; dann aber auch, weil ich wusste, dass in jener Gegend ein überreiches archäologisches Material meinem Spaten entgegen- harrte, ein Material, dessen systematische Erforschung, wie zu hoffen war, der mehr besiedelten Landschaft wegen zudem nicht mit so grossen Schwierigkeiten und Strapazen verknüpft sein konnte, wie solche die Ausgrabungen in den unwirth- lichen fiebrigen Districten gegen den Araxes hin (dem Schauplatz meines seit- herigen Wirkens) mir gebracht hatten. Nach stattgehabter Uebersiedelung an meinen'neuen Bestimmungsort Elisabethpol benutzte ich noch einige Ferientage, um in der Stadt und deren Weichbild ein wenig Umschau zu halten. Einigen historischen und anderen Daten über Elisabethpol sei an dieser Stelle Raum gegeben: Elisabethpol — jetzt die Hauptstadt des Gouvernements gleichen Namens — hiess, vor der Besitz-Ergreifung durch die Russen, nach dem Pluss, an dem es gelegen, „Gandsha" (ein persisches Wort, welches soviel wie „ebener, offener Platz" bedeutet). Dieser Name ist bei den einheimischen Völkern Transkaukasiens noch jetzt ausschliesslich gebräuchlich. Der Ort hat eine bewegte Vergangenheit hinter sich. Die ältesten Ueberlieferungen melden, dass diese Gegend einst unter dem Namen Arzach (armenisch — Land der Wälder) eine Provinz des armenischen Reiches gebildet hat. Die Bevölkerung bestand vorzugsweise aus Armeniern, aber es lebten hier auch Parther, Assyrer, Albaner, Perser, Iberer u. A. In der Ge- schichte wird Gandsha zum ersten Mal im 11. Jahrhundert erwähnt. Zu der Zeit war der Ort 3 Werst in nordöstlicher Richtung von dem Platze, wo das jetzige Elisabethpol sich befindet, in der Kura-Ebene gelegen. Im Jahre 1138 nach Chr. vernichtete ein schreckliches Erdbeben die blühende Handelsstadt und mit ihr einen grossen Theil der Einwohner. Dasselbe nahm seinen Anfang in den vul- canischen Gebirgen des Kleinen Kaukasus, nördlich von der Murow-Kette. Noch heute ragt als Wahrzeichen des stattgefundenen elementaren Gewaltactes, etwa 35 Werst südlich von Elisabethpol, aus der Berglandschaft ein bei jener Gelegen- heit auseinandergeborstener gewaltiger Pelsrücken, der „Köpass" auf, an dessen Puss sich damals ein herrlicher Alpensee gebildet hat. Nach der Zerstörung der Stadt wurde von den übrig gebliebenen Einwohnern ein neues Gandsha gegründet, welcher Ort bis zum Jahre 1620 bestanden hat, und dessen Ueberbleibsel sich um (7!)) die noch erhaltene, 7 Werst von Elisabethpol in kahler Steppe, an einem alten Bett des Gandsha-Flusses erbaute „Grüne Moschee" (wegen der hläulichgrünen Farbe des Daches der Hauptmoschee so genannt) concentriren. Diese „Grüne Moschee" ist ein vielbesuchter Wallfahrtsort, denn sie birgt die Gebeine des Imäm (Apostels) Sada Ibrahim. Ihr Alter soll gegen 900 Jahre betragen. Das im maurischen Stil erbaute Portal der Umfassungs-Mauer trägt noch das persische Löwenwappen-Ornament. Der berühmte Eroberer „Schah 'Abb äs, der Grosse", zwang im vorerwähnten Jahre die Einwohner des neuen Gandsha, diesen Platz zu verlassen und sich weiter oberhalb des Flusses auf der Stelle des heutigen Elisabethpol in und bei einer, von ihm den Türken abgenommenen Festung an- zusiedeln. Die neue Gründung erhielt ebenfalls den Namen der verlassenen Stadt. Im Jahre 180'!- wurde die auf der persischen Grenzscheide gelegene und daher in strategischer Hinsicht wichtige Provinz und Stadt Gandsha nach heldenmüthiger Gegenwehr der Tataren unter Führung des letzten mongolischen Beherrschers dieses Districtes, des vielgefeierten Dshewat-Chan (welcher bei der Yertheidigung der Festung ein rühmliches Ende fand), von den Russen unter General Zizianoff er- obert. Seit der Zeit ist Gandsha unter dem Namen Elisabethpol oder Jelissa- wetpol, wie die officielle Benennung lautet, eine der 5 Gouvernements -Städte Transkaukasiens. Die „Platanen-Stadt", wie der Ort wegen der vom Schah 'Abbäs überall hier angepflanzten, jetzt bis zu 8 Fuss Durchmesser haltenden herrlichen Platanen- Bäume (Platanus orientalis) füglich heissen könnte, liegt unter 40° 41' 42" nörd- licher Breite und unter 64° 1' 10" östlicher Länge. Die Höhe über dem Meeres- spiegel beträgt 1449'. Der Ort entbehrt der landschaftlichen Reize, denn eine ein- förmige Steppe umgiebt ihn. Von den Vorbergen des erzreichen Kleinen Kaukasus im Süden liegt Elisabethpol gegen 15 Werst entfernt; nach Norden hingegen bis zu den waldbedeckten, jagdgesegneten Ufern des unglaublich fischreichen Kura- Flusses sind es fast 20 Werst staubigen Steppenweges. Der einzige Umstand, welcher den schwermüthigen Charakter der zum grossen Theil sich noch unter acht asiatischer Physiognomie präsentirenden Stadt wenigstens in der schönen Jahreszeit etwas mildert, ist der, dass die Häuser fast sämmtlich in die freund- lichen Weingärten hineingebaut sind. Der Raum, den Elisabethpol einnimmt, ist daher auch ein bedeutender: gegen 20 Werst im Umfang. Das örtliche Klima ist veränderlich, doch im Ganzen mild. Im Sommer wird es sehr heiss, und wer von den Einwohnern es vermag, entflieht der Hitze und siedelt in die gegen 900' höher gelegene deutsche Colonie Helenendorf oder nach der hoch im Waldesschatten versteckten Berg-Sommerfrische „Adshikent" über. In sanitärer Beziehung sind die Verhältnisse hierorts in den letzten Jahren etw^as günstiger geworden; doch gehören allerlei Epidemien, unter denen in erster Linie die Pocken^) zu nennen 1) In Bezug auf die Blattern-Epidemie heiTscht hier unter der einheimiscüen Be- völkerung die ungeheuerliche Ansicht, dass diese Krankheit ein jeder so gut durchmachen müsse wie z.B. die Masern oder andere, einem gewissen Älter eigenthümliche , gewöhn- liche Krankheiten. Dabei wird für die Isolirung der Kranken gar mchts gethan, und meistens verbreitet sich das Uebel über alle Familien-Glieder und Haus-Insassen. Ja der Leichtsinn oder die Unwissenheit der Eltern geht so weit, dass sie pockenkranke Kinder im gefährlichsten Stadium der Ansteckung in die Schule schicken. So hatte ich im Jahre 1892 in Schuscha aucli das Vergnügen, in Folge der Ansteckung durch einen mit den Blattern behafteten armenischen Gymnasiasten jene schreckhche Krankheit durchzukosten. Die Gesichter sehr vieler Eingebomer in Karabagh tragen die Erinnerungs-Zeichen an das hässliche Uebel in Gestalt entstellender Narben. Da ein Impfzwang nicht heri'scht, und (80) sind, auch heftige Wechselfieber und die eigenthüraliche, unter dem Namen „Godowik"^) bekannte merkwürdige Ausschlags-Krankheit noch zu den gewöhn- lichen Erscheinungen. — Die Haupt-Lebensader, von der das Wohl und Wehe der Stadt und ihrer quellenarmen Umgebung abhängt, ist der Pluss Gandsha. Das kostbare Nass findet bei dem ohnehin geringen Wassergehalt des Flusses daher die rafflnirteste Ver- wendung. Schon weit oberhalb der Stadt wird das Element abgefangen, in Canäle geleitet, deren verzweigtes Netz die durch ihre vorzüglichen Tafel -Versandtrauben berühmten Weingärten Elisabethpols tränkt. Diese Gärten machen so ziemlich die einzige Einnahmequelle der Bew^ohner aus. — Nur selten sieht man von der soliden eisernen Brücke, welche die unteren asiatischen Stadttheile „Noraschen'' (armen. = neue Stadt) — Bagmanljar (tatarisch) mit dem mehr europäisches Gepräge zeigenden oberen „Kelissakent" verbindet, Wasser im Plussbett des Gandsha. Bei der zu gewissen Jahreszeiten genau auf die Stunde für jeden Garten- Besitzer festgesetzten Benutzung des Bewässerungs-Materials kommt es, in Folge betrügerischer Ausserachtlassung der betr. polizeilichen Verordnungen und an- geborener Selbstsucht, sehr oft zu Streitigkeiten und blutigen Gewaltthaten unter den einzelnen Nachbarn. Zur Charakteristik der hiesigen muselmännischen Elemente sei noch erwähnt, dass hier am Orte die Blutrache unter den Tataren, wie wohl nirgends sonst, florirt. Fast kein Tag vergeht, ohne dass sie ihre Opfer sucht und findet, und wäre es am hellen Tage, im Gewühl des öffentlichen Marktes 2). Trotz seiner nicht unbedeutenden Einwohnerzahl, im Ganzen 33200 (davon .58 pCt. Tataren, 39 pCt. Armenier und 3 pCt. andere Nationalitäten), kann man dem bis jetzt noch ganz industrielosen Orte kein günstiges Prognostikon für eine gute Zukunft stellen. Die eingesessene Bevölkerung ist meistens arm, und der aus- eine Einführung desselben bei den religiösen Anschauungen der indifferenten muhamme- danischen Bevölkerung, vorläufig wenigstens, immöglich ist, so fordert die Seuche all- jährlich viele Opfer. Im vorigen Jahre z. B. starben hier daran gegen 700 Personen. 1) Das Wort .,Godowik" ist russisch und bedeutet soviel wie „eine Krankheit von Jahresdauer". Dieselbe soll ihren Ursprung aus den hiesigen offenen Stadt-Canälen nehmen, deren Wasser durch die zur Herbstzeit in sie hineineinfallenden welken Blätter der Platanen- Bäume vergiftet wird. Da die Eingel)omen bei dem herrschenden Mangel au gutem Quell- wasser gezwungen sind, sich fast ausschliessHch des Canalwassers zum Kochen wie auch zum Waschen zu bedienen, und die liebe Jugend die Wasserrinnen zum Tummelplatz ihrer Strassen-Freuden macht, so werden namentlich Kinder von dem so verunreinigten Wasser inficirt. Die langwierige Kranklieit äussert sich in dem Erscheinen ekelhafter Haut- Geschwüre, die, namentlich im Gesicht oft bis zur Grösse eines Fünfmark-Silberstückes auswachseud, die ganze Haut und das Fleisch bis zum Knochen durchfresseu. Diese Wunden bleiben meistens ein Jahr lang offen, dann heilen sie. Schmerzen sollen die von dem Aussatz Befallenen fast nicht empfinden: um so scheusslicher sind die tiefen Narben mit gelbrothem Grunde, welche das Gesicht der vom „Godowik" Beh-offeneu für Lebenszeit in hohem Grade verunstalten. Die Colonisten nennen das Uebel „Jahrmal". 2) Auch die Sicherheits-Verhältnisse im Gouvernement Ehsabethpol lassen trotz der stattgehabten Neubildung der berittenen Laudpolizei, von der man sich an maassgebender Stelle so viel versprochen hatte, bedauerhcher Weise immer noch Alles zu wünschen übrig: Raub und Mord blühen nach wie vor. Hatten doch unsere Katschaghler die maasslose Frechheit, den vor Kurzem neu ernannten Leiter des Gouvernements, den Obersten Lutz au (der bisherige Gouverneur, General Kirejew, hatte, verwaltungsmüde, seine Stelle nach kurzer Thätigkeit bereits wieder niedergelegt), bei seiner Inspectionsreise im Ehsabeth- poler Kreise beim Dorfe Sslawjanka anzufallen und ein regelrechtes Gefecht gegen seine Begleitung zu eröffnen, bei dem es Todte und Verwundete gab. (81) o-esprochene Conservatismus der ausschlag-gebenden muhammedanischen Kreise ist allen neuen Unternehmungen abhold. Nicht wenig trägt zur schwachen Entwickelung der Stadt auch der befremdende Umstand bei, dass die Eisenbahn Elisabethpol nicht direct berührt, sondern in einer Entfernung von 5 Werst daran vorüberführt, obwohl E. die einzige Stadt an der grossen Magistrallinie zwischen Tiflis und Baku ist und keinerlei locale Terrain-Schwierigkeiten vorlagen, welche eine solche geradezu culturwidrige Umgehungs-Taktik der Ingenieure, die den Bahnbau seiner Zeit ii'Gleitet haben, hätten rechtfertigen können. — Ich lasse jetzt meine im Herbst 1899 vorgenommenen Untersuchungen im Elisabethpoler Bezirk in chronologischer Ordnung folgen: A. Besichtigung der Ruinen eines alten Befestigungs-Werices auf dem rechten Ufer des Gandsha-Tscliai, 4 Werst von Elisabethpol. Zeit: 22. September 1.S99. An diesem Tage machte ich mit einigen Primanern unseres Gymnasiums einen Ausflug an die Bahnlinie zur Besichtigung des Geländes nördlich von Elisabethpol. Wir gingen durch das mehrere Quadratwerst umfassende Trümmerfeld der einst so wichtigen, wie erwähnt, im Jahre 1138 durch ein gewaltiges Erdbeben zer- störten alten Handelsstadt Gandsha auf dem rechten Ufer des rollsteinübersäeten, hier um diese Jahreszeit meistens gänzlich wasserlosen Flusses abwärts. Beim ümherspähen zwischen den niedrigen Erd- und Schutt-Haufen fand ich eine Bronze- Schnalle und Stücke von gut gebrannten Thon-Gefässen. Ich nahm mir vor, bei Gelegenheit hier nähere Nachforschungen anzustellen, mit denen im October auch ein Anfang gemacht worden ist. Bald darauf passirten wir einen alten muhammedanischen Begräbniss- Platz mit einem schmucklosen Mausoleum. Nach iVg-stündigem Marsch hatten wir unser Ziel erreicht. Die etwa 3 Werst östlich vom Elisabethpoler Bahnhof gelegenen Ueber- bleibsel des in der Steppe hart am Flusse angelegten, vom Bahndamm fast in der Mitte durchschnittenen Festungs-Werkes bestehen aus einem 20 Schritt breiten, an manchen Stellen noch über Manneshöhe emporragenden, sehr festen Erd- und Steinwalle, umgeben von einem breiten Festungs-Graben, dessen Contouren jedoch ziemlich verwischt sind. Der Wall umschliesst einen Raum in der Form eines G60 Schritt langen und 550 Schritt breiten Rechtecks, dessen dem Flusse zugekehrte und loO Schritt von ihm abstehende westliche Langseite durch mehrere, zum Theil erhaltene Thürme in Mauerstärke von 4 Fuss flankirt ist. Auch an den anderen Seiten des Werkes finden sich Reste solcher Thürme mit unterirdischen Gewölben. Die Flussufer sind mehrere 100 Schritt weit mit Quader- Mauerwerk eingefasst, das an manchen Stellen noch wohlerhalten ist. Das alte Bollwerk hat jedenfalls zur Vertheidigung einer einst hier über den Gandsha-Pluss geschlagenen Brücke gedient, deren Backsteinpfeiler-Fundamente im Flussbett zu bemerken sind. Ueber die Brücke führte die grosse Heerstrasse, an der Stadt Gandsha vorbei, nach Osten. Bei eingehender Besichtigung des Platzes zeigte sich, dass sowohl der ganze Raum innerhalb der Wälle, als auch diese selbst mit Bruchstücken eigen- thümlicher, schön glasirter, bemalter, hartgebrannter Thon-Gefässe übersäet waren. Zu meiner Ueberraschung fiel beim Betrachten der Topf-Scherben sofort die grosse Aehnlichkeit zwischen diesen und den im Jahre 1897 in der Mil'schen Steppe aus den oberen Schichten des Riesen-Kurgans Kala-Tapa ausgegrabenen keramischen Erzeugnissen in die Augen. Hier wie dort dasselbe vorherrschende Kerb- und Fingernageldruck-Ornament an den Randstücken; dieselben Farben unter der Glasur; Verhaiull. der Kerl. Anthropol. Gesellschaft 1901. _ (> (82) die gleiche Art der Bemalung der Gefässe; die unter dem Rande angebrachten arabischen Inschriften; die mächtigen Henkel in der Form gespaltener Nasen usw. : mit einem Worte — völlige Analogie, weshalb ich auch auf eine nähere Beschreibung, bezw. Abbildung der Sachen — unter Hinweis auf die betreffende Stelle meines Berichts vom Jahre 1897 — hier verzichten kann. Auch einige Schleuder-Steine von der Art der im Kala-Tapa gefundenen ent- nahm ich, bei flüchtigem Durchstöbern, der obersten Erdschicht des Trümmer- Feldes, sowie eine Kupfer-Münze. In der weiteren Umgebung fand ich unzählige Stücke grünglasirter, sich nach oben verjüngender Thonpfähle in Armesdicke, die — wie mir der Moliah in der bereits besprochenen sogen. „Grünen Moschee" mit- theilte — von Balkon-Geländern der alten Häuser von Gandsha herrührten. Zu regelrechten Ausgrabungen an dieser Stelle, wo — wie mir die Schüler versicherten — schon verschiedene interessante Gegenstände von Schatzgräbern er- beutet worden sein sollten, langte die Zeit bisher nicht; doch halte ich es der Mühe werth, auch hier einmal etwas tiefer zu sondiren, um so mehr als der Unter- suchung technische Schwierigkeiten nicht im Wege stehen. — B. Ausflug nach der Colonie Helenendorf und Untersuchung der dortigen Gegend in Bezug auf vorhistorische Denkmäler. Zeit: 1. October 1«99. In Erwartung des Empfanges des von mir für die Ausgrabungen im Elisabeth- pol'schen Bezirk erbetenen Erlaubniss-Scheines begab ich mich am 1. October, einem Feiertage, nach dem 10 Werst südlich von Elisabethpol gelegenen Colonie -üorfe, um dessen an vorgeschichtlichen Gräbern so reiche Umgebung kennen zu lernen. In Helenendorf angekommen, suchte ich den mir empfohlenen Colonisten Heinrich Hurr auf, einen so eifrigen Verehrer der Archäologie, wie man sich ihn nur wünschen kann. Hurr erklärte sich auf meinen Vorschlag gern bereit, sofort mit mir die Gegend zu durchstreifen. Ich überzeugte mich im Laufe des Tages von dem Vorhandensein eines fast unerschöpflichen Kurgan-Materials auf beiden Seiten des die Ansiedelung bewässernden Flusses Gandsha, nahe dem Dorfe uml meilenweit in der Steppe ringsherum^). Fast jede natürliche Boden-Erhebung trug auch einen Grabhügel. 1) Ich bin im Verlaufe meiner Ausgrabungen hier zu der Ueberzeugung gekomnier., dass die Niederlassung Helenendorf wohl ganz auf einem vorhistorischen Begräbuiss- platze errichtet ist. Bei Anlage der Weingärten ist man auf Schritt und Tritt auf alte Gräber gestossen, deren Inhalt im Laufe der Zeiten leider vernichtet worden ist. Hierbei sind oft sehr werthvolle Sachen verloren gegangen. So war z. B. vor 10 Jahren im Wein- garten des G. Hummel beim Rebensetzen ein Sarkopliag aus rothem Thon aufgedeckt worden. Derselbe hatte bei elUptisch geformter Basis eine Lmge von etwa 5 Fuss , eine (grösste) Breite von 3 Fuss und eine Höhe von 2^2 Fuss. Die Wandstärke des Sarges be- trug 3 ZoU. Der ihn schliessende Deckel war flach und mit umgelegtem überfassendem Rande versehen. Der Inhalt der durch Zusammenbruch des Deckels halb mit Erde ge- füllten Thonkiste bestand, soweit noch festzustellen war, aus einem mumienhaft erhaltenen Skelet in gekrümmter Lage, reich mit Glasperlen geschmückt. Auf Anordnung des Be- sitzers ist damals das interessante Stück nebst allem Inhalte wieder mit Erde bedeckt und der Platz mit Reben bepflanzt worden. Im Laufe der Jahre ist die Fundstelle, in Folge Vergrösserung des Gartens, dem G. Hummel aus dem Gedächtniss gekommen, so dass er sie mir nicht mehr genau anzugeben vermochte. — An einem anderen Platze, südlich vom Dorfe, wurde vor etwa 15 Jahren ein menschliches Skelet ausgegraben, zu dessen Füssen kunstvoll gearbeitete Thon-Stiefel standen. Letztere hat der glückliche Finder, ColoniÄt Hammer, für ein Geringes einem durchreisenden Antiquitäten-Liebhaber überlassen. (83) Nachdem ich mir einige beim Dorfe gelegene Kurgane zur nächsten Inangriff- nahme ausgesucht und Hrn. Hurr, der schon einige Uebung im Aufdecken von Gräbern besass, für die Dauer meiner bevorstehenden Ausgrabungen als Gehülfen «ngagirt hatte, kehrte ich Abends nach der Stadt zurück. — . C. Ausgrabungen in der Ruinen-Stadt Gandslia bei Elisabethpol. Zeit: 10. October 1899 (mit 4 persischen Hambals). Mein „Otkritij List" für Ausgrabungen war inzwischen aus Petersburg ein- getroffen. AufAnrathen eines mir aus Schuscha bekannten Beamten, des Vorstehers des statistischen Bureaus für das Gouvernement Elisabethpol, Hrn. Segal hier- selbst, der sich von Untersuchungen an jener Stelle viel versprach, veranstaltete ich an einem Sonntage eine Versuchs-Ausgrabung auf dem unter A erwähnten Trümmerfelde des alten Gandsha. Ich wählte einen Platz an einem halbverschütteten Canal aus und liess ein ziemlich grosses Loch in den Boden graben. Es kamen unter dem Schutt zum Vorschein: Knochen, Ziegel, Stücke eines in persischem Geschmack hübsch ver- zierten Kachelkamins; auch fand ich eine Kupfer-Münze von ovaler Form, an- scheinend mit kufischer Inschrift. In einer Tiefe von 3 Fuss stiessen wir auf die Mauer eines Gebäudes. — Wegen eintretenden Regens musste die Arbeit unter- brochen werden. — D. Ausgrabungen bei der Colonie Helenendorf bei Elisabethpol. Zeit: 17. October bis 5. December 1899 (mit zus. 327 persischen Hambals). 10 Werst, vom Stadt-Centrum aus gerechnet, in südlicher Richtung liegt die deutsche Colonie Helenendorf. Sie ist mit der Stadt durch einen Postweg ver- bunden, der zwischen ausgedehnten, sich von Elisabethpol auf dem rechten Ufer des Gandsha-Plusses bis zur Colonie fortsetzenden Weingärten über Helenendorf ins Gebirge zu der lauschigen, vielbesuchten Sommerfrische Adshikent fährt. Leider ist die Strasse auf der Strecke Elisabethpol bis zur Colonie -Grenze in einem unverantwortlich trostlosen Zustande; doch alle Bemühungen der um- wohnenden Bevölkerung, die Stadt- Verwaltung zur Chaussirung des von brücken- losen Canälen durchschnittenen, steinübersäeten, bei Regenwetter fast bodenlosen, dabei aber sehr belebten Weges zu veranlassen, waren bisher vergeblich. Hat man, aus Elisabethpol kommend, nun die durch diesen „Postweg" verursachte, grossartige Erschütterungs-Massage glücklich hinter sich, so macht sich der Eintritt auf das Colonie-Gebiet in angenehmer Weise sofort bemerkbar; denn ein breiter, gut geschotterter, mit schönen Baumreihen besetzter, von den Colonisten angelegter Fahrdamm löst die bisherige Marterstrasse ab. Auch hinsichtlich der Weingärten am Wege fällt uns schon im Vorbeifahren sofort der Uebergang von asiatischer Wirthschaft zu geordneten Zuständen auf. Während in den tatarischen und ar- menischen Gärten die schlecht oder gar nicht gestutzten krüppelhaften Rebstöcke an schwanken Rohrstäben chaotisch durcheinander wuchern, zeigen die schön um- mauerten Gärten der Colonisten verständnissvolle Anlage und liebevolle Hingabe an die Sache in Bezug auf die Pflege des edlen Weinstocks. Die stets sorgfältig be- schnittenen, an kräftigen Wacholder- oder Eichen-Pfählen kunstgerecht befestigten Reben sind so in den wohl gelockerten Boden gepflanzt, dass ihre Wurzeln auf allen Seiten vom Wasser der Canäle bespült werden können und die Trauben den feurigen Strahlen der transkaukasischen Sonne voll zugänglich sind. Und wie reich belohnt sich hier die Sorgfalt der Colonisten für ihre Gärten: nicht selten giebt (84) ein einziger Weinstoek in Höhe von 4 Fuss bis zu einem halben Pud (20 russ. Pfund) der köstlichsten Trauben. Je näher man der Niederlassung kommt, desto höher und klarer tritt die langgestreckte, sich von NW. nach SO. hinziehende Ge- birgskette des Murow mit den fast bis an die Colonie heranreichenden Vorbergen hervor. Unter den schneebedeckten Gipfeln bemerken wir rechts, dem imposanten Murow-dagh vorgelagert, den schon erwähnten „Köpass", dessen erdbeben- zerrissener Gipfel gleich einem ungeheuren Rachen gen Himmel schreit. Von den Vorbergen sticht besonders der Ssarial (tat. = gelber Berg) ins Auge, der mit seinem schöngewölbten waldbestandenen Rücken einen malerischen Hintergrund für die Ansiedelung abgiebt. Auf der rechten Seite dieses Berges öffnet sich eine mächtige Schlucht, aus welcher der Gandsha-Pluss hervorströmt, der bei Heleneu- dorf ein herrliches, wein- und fruchtgesegnetes Thal von etwa 300 Fuss Tiefe und Va Werst Breite bildet. Die im Jahre 1818 von württembergischen Auswanderern gegründete Colonie ist auf dem rechten (östlichen) hohen Ufer-Plateau des Flusses angelegt. Das Dorf hat 5, in der Richtung NNO. -SSW. parallel laufende Strassen und gegen 350 Häuser, sowie eine Einwohnerzahl von 1800 Seelen^). Nach schweren Zeiten der Noth und manchen erduldeten Drangsalen, von welchen ich nur den im Jahre 1826 erfolgten Ueberfall der Perser und die theil- weise Zerstörung des Ortes durch umwohnende Tataren-) erwähnen will, ist die 1) In Folge der UeberfüUung der Colonie musste, in Anbetracht des Landmangels, zur Gründung einer Zweig-Colonie geschritten werden, die unter dem Namen ..Georgsfeld'', etwa 35 Werst nordwestlich von Helenendorf, nahe der Bahnstation „Schamchor" ins Leben trat und rasch aufblühte. 2) Die Gefahr- für Leben und Eigenthum in der Umgegend der Colonie ist leider auch gegenwärtig noch gross. Natürlich sind es auch hier die Tataren, welche den Leuten das Leben sauer machen, und allen voran die Einwohner von Toi^al-Hassanli. Das Hören dieses Namens genügt, um jedem Heleuendörfer und Einwohner der umliegenden christlichen Dorfschaften schwere Seufzer auszupressen, die dann gewöhnlich in den Aus- druck des höchsten Absehens und Unwillens übergehen. Topal-Hassanli ist nehmlich der Name eines in unmittelbarer Nähe der Colonie flussaufwärts gelegenen tatarischen Dorfes. Die Einwohnerschaft desselben setzt sich aus den verwerflichsten Elementen der muhamme- danischen Bevölkerung des Kreises zusammen und bildet ein Conglomerat von Dieben, Räubern und Mördern. Es ist nach den Erzählungen der Colonisten unsagbar, was die benachbarten Ortschaften, und hauptsächlich die Colonie, unter dem frechen Gesindel zu leiden haben. Die Frucht- und "Weingärten Averden von den Topal-Hassanlinzen (die merk- würdiger Weise sämmtlich wohl mit Berdanka-Gewehren ausgerüstet sind, während den friedlichen Colonisten das Tragen solcher Waffen — sogar zur Vertheidigung ihres Eigen- thums — streng untersagt ist) oft am hellen Tage überfallen und geplündert. Widerstand von Seiten der Bestohlenen wh'd von den Räubern blutig geahndet, und mancher wackere deutsche Mann, der nicht gutwillig die Brandschatzungen dieser Horde dulden wollte, hat durch die Schandgesellen schon ins Gras beissen müssen. Beschweren sich mm die ge- schädigten Colonisten bei dem zuständigen Gericht, nehmlich dem Elisabethpoler Friedens- richter (der übrigens ganz sonderbare Begriffe von Recht und Unrecht zu haben scheint)» so kommen die mit allen Kniffen der Gesetzeskuude längst vertrauten Unholde fast stets entweder ganz, oder mit sehr gelinden Strafen davon, und dann — Wehe den Klägern! Wenn ihnen nicht aus dem Hinterhalt der Garaus gemacht wird, so müssen sie an ihrem Hab und Gut büssen: die Heu-Vorräthe werden ihnen angezündet oder bei Nacht werden die Fruchtbäume oder sämmtliche Rebstöcke ihrer Gärten mit dem Kinschall abgehackt. So rächten sich z. B. im letzten Frühjahre die Topal-Hassanlinzen an zwei Colonisten, Namens J. Andris und E. Beck, denen nächtlich gegen 2000 Rebstöcke an der Wurzel abgeschnitten wurden, bloss aus dem Grunde, weil die beiden Bürger, in ihrer Eigenschaft als Dorf- (85) Colonie — welcher von Seiten der russischen Regierung verschiedene Privilegien gewährt worden waren — durch den Fleiss, die Sparsamkeit und die zähe Aus- dauer ihrer Bewohner, auch dank der dem Weinbau, als dem Haupt-Erwerbszweig der Ansiedler, äusserst günstigen Boden-Beschaffenheit, zu hoher Blüthe gelangt. Mit den sauberen breiten Strassen, die sämmtlich mit schönen Baumreihen ein- gefasst sind, den hübsch gestrichenen, balcongeschmückten Giebel -Häusern und den lauschigen Gärten bietet diese kleine Oase in der Steppen -Wüste ein erfrischend anrauthendes Bild. Sicher haben die biederen Schwaben volles Recht, auf das Werk ihrer Hände stolz zu sein, wie denn die Colonie mit ihrer exacten Selbst- verwaltung, ihrem materiellen Wohlstande und der verhältnissmässig hohen Cultur- stufe^), auf welcher ihre Bewohner stehen, obwohl nur ein Dorf, nicht nur allen übrigen Ortschaften, sondern auch mancher Stadt Transkaukasiens als ein nach- ahmenswerthes Vorbild dienen könnte. — Die aus der württembergischen Heimath mit herübergebrachten Sitten und Ge- bräuche, die Redeweise und manche löbliche Stammes-Eigenart haben sich nun bald ein Jahrhundert lang ziemlich unverfälscht in der Colonie erhalten. Der Menschenschlag ist im Allgemeinen noch ein kräftiger und tüchtiger geblieben, wenn auch ein durch die Verhältnisse bedingter Umstand, nehmlich der, dass die Heirathen beinahe nur noch zwischen Bluts-Verwandten geschlossen werden (in Folge dessen die ganze Dorf-Bevölkerung fast schon miteinander verschwägert ist), auf die körperlichen und intellectuellen B^ähigkeiten der Einzel-Individuen nicht ohne schädigenden Einfluss geblieben zu sein scheint. Rechnet man dazu noch den täglichen Verkehr der Colonisten mit den verderbten Eingebornen: trägen wache, verdächtiges, in der Colonie herumstreichendes und Diebstahls-Gelegenheit aus- kundschaftendes tatarisches Gesindel pflichtgemäss aus dem Dorfe gewiesen hatten. — Und dies Alles geschieht den Helenendörfern zum Dank dafür, dass die gutmüthigen Leute die im Winter huugernden und frierenden Vagabunden im Dorfe beköstigen, be- herbergen und die Waisen der verschickten Verbrecher aufziehen. Wenn somit jemals das Sprüchwort vom Pfahl im eigenen Fleische oder von der am Busen genährten Schlange zutraf, so hier. Die Colonisten schmachten unter dem Terrorismus dieser Eotte Korah, und es ist unbegreiflich, wie alle, in Gestalt zahlloser mündlicher Vorstellungen und ein- gereichter Bittschriften gemachten Anstrengungen der Helenendorfer, von dem schweren Joche endgültig befreit zu werden, — durch Aufhebung des ßaubnestes und Verschickung solcher Galgenbrut an einen Platz, wo sie längst hingehört — , bei den administrativen Be- hörden bis dato ohne Erfolg bleiben konnten. 1) Die Colonie besitzt an öfl'entlichen Gebäuden u. a. eine schöne evangelische Kirche, eine Volksschule in G Abtheilungen mit 5 Lehrern und gegenwärtig o5<) Schülern beiderlei Geschlechts, ein Gemeindehaus und ein Vereins-Local mit Lese-Cabinet, wo viele deutsche und russische Zeitschriften aufliegen. Eine Sonntags-Schule ermöglicht den jungen Leuten, nach Absolvirung der Schule das Gelernte im Gedächtnisse zu bewahren und ihre Kennt- nisse zu erweitern. Auch die edle Musica erfreut sich nach alter deutscher Sitte einer be- sonderen Verehrung: in sehr vielen Häusern finden sich Harmoniums oder Klaviere. Es existiren ein respectabler gemischter Chor, der sich vornehmlich die Pflege des geist- lichen Gesanges zur Aufgabe gestellt hat, und ein strebsamer Männerchor, beide unter der zielbewussten Leitung des Hauptlehrers Kehr er stehend. Ferner giebt es einen Blech- bläser-Chor, der an Sonntagen im Verein seine munteren Weisen ertönen lässt. Auch fremde Künstler, ja sogar Weltreisende, produciren sich nicht selten am Ort oder halten Vorlesungen. — Ausser dem Weinbau blühen Handel und Gewerbe. An industriellen Etablissements sind hervorzuheben: eine mustergültig eingerichtete Mühle mit elektrischem Betriebe, eine Bier-Brauerei, Mineralwasser- und Cognac-Fabriken und die sehenswerthen Kellereien der bekannten Gross -Weiuhändler Vohrer und Hummel, die sich von ein- fachen Colonisten zu Millionären heraufgearbeitet haben. (86) Persern, gewissenlosen Armeniern und räuberischen Tataren, die sich leider zahl- reich in der Colonie eingenistet haben und unbegreiflicher Weise dort geduldet werden, so ist es ja kein Wunder, wenn die Sitten nach und nach verrohen und gewisse, sonst den Deutschen zugeschriebene löbliche Eigenschaften des Geistes und Gemüths, als da sind: Energie, Zähigkeit, Aufrichtigkeit, Treue und Wort- halten, bei dem leicht empfänglichen Charakter der Schwaben Gefahr laufen, all- mählich abhanden zu kommen. Eine einzige, von den Altvorderen ererbte Eigen- thümlichkeit haben die Colonisten sich dagegen, freilich zu ihrem und der Ansiede- lung Schaden, voll und ganz bewahrt. Das ist die böse altgermanische Uneinigkeit, die hier, namentlich bei der Entscheidung von w^ichtigen, auf das Wohl der Ge- meinde Bezug habenden Fragen, sehr störend zu Tage tritt. So hat sich z. B. die reiche Colonie bis heute noch nicht zu einer Wasserleitung aufzuschwingen ver- mocht, obgleich ein vortreffliches Trinkwasser von den nahen Bergen bezogen werden könnte, und die Kosten bei einigem guten Willen von der Gemeinde sehr wohl aufzubringen wären. Aber da begnügen sich die Helenendörfer — an denen sich das Sprüchwort „soviel Köpfe, soviel Sinne" bewahrheitet, und die nur von der Wichtigkeit einer Frage, nehmlich der „Weinfrage" absolut durchdrungen sind — lieber mit dem inficirten Wasser der Strassen-Canäle, und die Folge davon ist, dass alljährlich Pocken, Typhus, Diphtherie und Scharlach im Dorfe wüthen und zahlreiche Opfer dahinraffen. — Früh am Morgen des 17. October, eines Sonntags, traf ich in der Colonie ein. Mein Erstes war ein Gang zum Polizei-Pristaw, Hrn. Worobjew, um ihm meine Papiere vorzulegen. Auch dem damaligen Schulzen des Ortes, einem an Umfang und irdischen Gütern reich gesegneten Wein -Bauer Namens Gottlob Hummel, machte ich von meinem Vorhaben, im Weichbilde der Colonie Ausgrabungen vor- zunehmen, Anzeige, worauf das für das Wohl und Wehe seiner Unterthanen väterlich besorgte Dorf- Oberhaupt mir kopfschüttelnd im schönsten Reutlinger Dialekt zur Antwort gab: „Na, da wär'n Sie uns scheene Lächer ins G'maindland 'neigraba und uns d' ganze Colonie verwiaschta!" Ich beruhigte den Biedermann nach Kräften über das Maass des hereinbrechenden Verhängnisses. Mit meinem Gehülfen hatte ich wegen der zu beschaffenden Arbeiter alles Nöthige im Voraus geordnet. Da ich nur an dienstfreien Tagen die Arbeiten in eigener Person überwachen konnte, so war Hurr von mir gehörig angewiesen, die ihm vorher bezeichneten Kurgane nach meinen Intentionen während der Wochen- tage bis zu einer gewissen Tiefe abzugraben, ohne jedoch die Gräber selbst aus- zuräumen, welche Manipulation ich mir vorbehielt. Ich will hier gleich bemerken, dass Hr. Hurr sich als ein zuverlässiger Gehülfe erwiesen hat, der meinen An- weisungen stets mit Gewissenhaftigkeit und verständnissvollem Eifer nachzukommen bemüht gewesen ist. So fand ich ihn bei meinem Eintreffen in Helenendorf mit einer Schaar per- sischer Hambals — die in dieser arbeitslosen Herbstzeit in Hülle und Fülle für ein massiges Entgelt im Dorfe zu haben waren — auf dem Felde an dem be- zeichneten Grabhügel bereits in voller Thätigkeit. Die bei Helenendorf untersuchten Gräber vertheilen sich auf mehrere Plätze in der Umgegend des Dorfes. Da ich, durch Umstände gezwungen, bald hier, bald da gearbeitet habe, so fasse ich — die chronologische Folge ausser Acht setzend — die Gräber der Kürze wegen gruppenweise zusammen, indem ich bei jeder Gruppe die Beschreibung des jeweiligen Ortes meiner Thätigkeit voranschicke, sowie auch den betreffenden Situations-Plan zum Schluss anfüge. (87) I. (iräber südösllich von Helenendorf, auf dem rechten l'fer des Gandsha beim sogen. Thärie, nahe dem Kosaken -Ueusland. (Nr. 1, 2, 3, 18, 19, 26 und 27.) Während das Plateau, auf dem die Niederlassung gegründet ist, im Westen steil ins tiefe Thal des Gandsha-Tschai abfällt, wird es im Osten hinter dem Dorfe von einer nicht bedeutenden muldenartigen Schlucht von wechselnder Breite durch- schnitten. Die jetzt mit Weiden bestandene Einsenkung stellte dereinst wahr- scheinlich das Bett eines Gewässers dar. Die Colonisten haben sie zum Unter- schied von der Gandsha-Niederung, welche den Namen „Thal" trägt, mit dem Diminutivum „Thäl'Ie" benannt. Die den Ort umgebenden Weingärten ziehen sich hier bis unmittelbar an die Schlucht hin, an deren Rande sie mit einer den zahlreichen Windungen des Thäl'les folgenden Mauer eingefasst sind, welche so zugleich die Ortsgrenze nach dieser Richtung hin bildet. Jenseit des Thäl'les setzt sich das an Boden-Senkungen und Erhebungen reiche Terrain noch gegen 3 Werst weit nach Südosten fort, um dann in die Vorberge des Gebirgsrückens über- zugehen. Am Süd-Ende des Dorfes spannt sich eine steinerne Bogenbrücke über das Thäl'le, und ein Weg führt darüber nach dem etwa 3 Werst östlich entfernt gelegenen Colonie-Steinbruch, der auf einem der Bergrücken angelegt ist. In der Nähe der Brücke lagern die Heuvorräthe des in Helenendorf garnisonirenden Kosaken-Regiments, und weiter nach dem Gebirge zu befindet sich in einer durch zurücktretende Vorberge gebildeten Einbuchtung der Militär-Schiessstand. Auf dem so von dem Thäl'le und dem Steinbruch -Wege begrenzten hügeligen Landstrich, und zwar auf den hervorragenderen Punkten desselben, liegen 7 von mir unter- suchte Kurgane. Hügelgrab Helenendorf Nr. 1. Ausstich- Bestattungsgrab aus der Bronzezeit. Von den nächsten Gräbern: Nr. 3, 30 Schritt und Nr. 26, 150 Schritt entfernt, war der Hügel an einer Bodensenkung, mehr dem Steinbruch zu, gelegen. Die Basisform des Kurgans war rund. Der Umfang unten betrug 50 Schritt. Die Aufschüttung war durch den Pflug schon theilweise zerstört. Ihre Höhe betrug noch etwa 5 Puss. Die Untersuchung erfolgte mittelst Durchstichs von NO. nach SW., in einer Breite von 8 Fuss und einer Länge von 30 Fuss. Das Material der Auf- schüttung bestand aus gelbem Lehmsand, mit wenigen Feldsteinen darunter. Da keine Platten zum Vorschein kamen, so vermuthete ich ein Ausstichgrab. Durch die Sondirung an einer Stelle in der Mitte des Kurgans, woselbst der Stahl leichter in das dort dunkler gefärbte Erdreich eindrang, bestätigte sich meine Annahme. Das aus dem harten natürlichen Lehmgrunde ausgehobene Grab von länglich- viereckiger Form ergab nach Ausräumung der Füllung (bräunlichen Lehmsandes) folgende Grössen-Verhältnisse: Länge 2,55 m^ Breite 1,18 /«, Tiefe vom Rande des Kurgans bis zum Grunde des Grabes 2,98 ni. Das Grab barg ein fast ganz verwittertes Skelet, anscheinend in Rückenlage, in der Richtung W. (Kopf) — 0. (Füsse), 90°. An Beigaben sammelte ich Folgendes: Nr. 1. Eine Pfeilspitze (Fig. 1) aus grauem, durchsichtigem Obsidian, auf der südlichen Seite der Leiche, im Bereich der rechten Hand. Länge 3,5 cw, Breite 1,7 cm. Nr. 2. Einen vierkantigen Bronze-Pfriemen (Fig. 2) mit abgebrochener Spitze. Dieser lag auf der südlichen Seite am Kopfende der Leiche. — Länge 10,5 cm, grösste Breite 8 mm. (88) Nr. 3. Eine incrustirte Urne (Fig. 3), auf der nördlichen Seite am Kopfe. Das wohlerhaltene, schalenartige Gefäss, aus festgebranntem, gelbbraunem Material, hat eine Höhe von LS, 5 cm. Sein Durchmesser, über die Oeffnung ge- messen, beträgt 17,5 cm. Unter dem etwas nach aussen zurückgelegten Rande umzieht das Gefäss in der Schulter-Gegend ein Zickzack-Ornament, welches mit den unteren Spitzen auf einer Rille ruht. In der Bauch-Gegend ist ein zweites, breiteres Zickzack-Band angebracht, dessen obere Winkel mit Keilen verziert sind. Fiff. 2. 1 1% Fig. 3. V4 Fig. 1. V2 Weiter unten, über dem flachen Boden, befinden sich in gleichen Abständen drei vogelähnliche Figuren. Der auf langen, fast menschenähnlichen Füssen ruhende Rumpf einer solchen Figur ist durch ein mit der Spitze nach oben gerichtetes, mit 2 Keilen verziertes Dreieck dargestellt. Daran schliesst sich hinten ein keulen- artiger Schweif. Der lange, vorgestreckte, durch Zickzacke gebildete Hals läuft vorn in einen stumpfen Schnabel aus. Unter dem Halse sitzen zwei kleine Dreiecke und vor dem Schnabel eine Hirsekorn -Ausstichelung. Sämmtliche Verzierungen sind rillenartig in den Thon eingeschnitten und die Oeffnungen mit weisser In- crustationsmasse ausgefüllt. Ein zweites, einfaches, topfartiges Gefäss, auf dem Ornamente nicht wahrzu- nehmen waren, zerfiel bei der Berührung in kleine Scherben. Grabhügel Helenendorf Nr. 2. Ausstich-Bestattungsgrab mit Deckplatten aus der Bronzezeit. Der Hügel befand sich ziemlich dicht am Thäl'le, von den nächsten Gräbern: Nr. 19, 243 Schritt und Nr. 1, 246 Schritt abstehend. Die Basisform des Hügels war rund. Der Umfang unten betrug 44 Schritt, oben 10 Schritt; die Höhe 3 Fuss. Die oben abgeflachte Aufschüttung war aus gelbem Lehmsand errichtet, in dem sich wenige Feldsteine vorfanden. Beim Abgraben der Erhöhung mittelst Anlage eines Durchstichs von 7 m Länge und 2,G5 m Breite, in der Richtung NW. -SO., kamen in einer Tiefe von 2 Fuss 3 Kalkschiefer-Platten (Fig. 4) zum Vorschein, an welche sich auf der südöstlichen Seite des Kurgans eine grosse, bis zur Oberfläche (89) des Hügels reichende, aufrechtstehende Steinplatte schloss. Die 3 Haupt-Decksteine waren von fast gleichen Dimensionen: ihre Länge betrug bis 168 rm, die Breite äO cm^ und ihre Stärke 21 cm. Unter den Deckplatten lagen vereinzelt Rollsteine. Fier. 4. Fig. 5. ^-i. Orabhügel Nr. 2 mit den blossgelegten Deckplatten (Ansicht von oben). Das Grab darunter war aus der harten Muttererde in Form eines Oblongs aus- gehoben, ohne Seiten- und Grundplatten, und mit weisslicher Thonerde und etwas Kiessand gefüllt. Es ergab folgende Endmaasse: Länge 9,5 Fuss, Breite 3,5 Puss, Tiefe vom Rande des Grabhügels bis zum Grunde des Grabes 2,4 m. Von einem Skelet war, ausser Röhrenknochen in Stücken, nichts mehr vor- handen. Einige braune, ornamentlose Gefäss-Scherben lagen im Grabe zerstreut •herum. — Richtung des Grabes NW.-SO. (140°). Funde auf dem Grunde des Grabes Nr. 2: Nr. 1. Ein Hänge-Schmuckstück (Fig. 5) aus blaugrün patinirter Bronze, be- stehend aus einem gewölbten Hauptstück in Löffelform. An dem unteren Rande desselben sind 3 Ochsen angebracht, von denen jede an kurzem zweigliedrigem Kettchen wieder ein kleineres, in der Form dem Haupt- stück ähnelndes Anhängsel trägt. Der Stiel oder Hals des niedlichen Zieraths ist mit einem Schnurloch versehen. Ganze Länge des Artefacts 12 cm; der Breiten-Durchmesser, über die innere Hohlseite des Haupt- stückes gemessen, 4 cm. — Ueber den vermuthlichen Zweck dieses Schmuck- stückes theilte mir der bei der Ausräumung des Grabes anwesende Kosaken- Oberst, ein Tatar, mit, dass noch jetzt ähnliche, für Pferde-Geschirre be- stimmte Zierathe aus Leder im Kaukasus im Gebrauch seien. Nr. 2. Ein Fingerring aus gleichem Material, offen, leicht übereinanderfassend. im Querschnitt ein längliches Viereck bildend. Durchmesser des Ringes 2 cw. Grabhügel Helenendorf Nr. 3, zwei Ausstich-Bestattungsgräber aus der Bronzezeit enthaltend. Die von den Nachbar -Gräbern (Nr. 1, 30 Schritt und Nr. 26, 150 Schritt ent- fernt) am Steinbruch-Wege gelegene Aufschüttung hatte eine runde Basisform. Ihr (90) unterer Umfang betrug 60 Puss. Die Höhe des theilweise abgepflügten, aus gelbem Lehmsand und wenig Feldsteinen errichteten Kurgans betrug noch etwa 4 Fuss. Untersucht wurde der Hügel mittels Brunnen -Ausstichs in Form eines länglichen Vierecks von 17 Fuss Länge und 15 Fuss Breite, in der Richtung W.-O. In der Mitte desselben fand ich zwei, in einem Abstände von 3 Fuss, parallel angelegte, mit braunem lockerem Lehmsande gefüllte Ausstich-Gräber. Grab A, auf der Südseite des Brunnens. Die Länge des an den Enden etwas abgerundeten Grabes betrug 12 Fuss, die Breite 6,5 Fuss, die Tiefe vom Rande des Kurgans bis zum Grunde des Grabes 1,96 m. Ich fand ein gut erhaltenes kleines Skelet, anscheinend das eines jungen Weibes, in Seitenlage, die Füsse gegen den Leib gezogen, mit dem Gesicht nach Süden gekehrt. An Beigaben enthielt das Grab einige stark grünkörnig oxydirte Bronzesachen und 11 Urnen, von denen 6 zu Füssen der Leiche standen und 5 auf einer Art von Stufe an der West-Schmalseite des Ausstichs, welche dadurch entstanden war, dass man die harte Muttererde an dieser Stelle nicht ganz abgegraben hatte. Die Richtung der Leiche war NW. (Füsse) — SO. (Kopf), 130°. Funde aus Grab A: Nr. 1. 2 Bronze-Armringe (Fig. 6, a, b), beide an den Knochen eines und des- selben (rechten) Armes sitzend. Die Reifen sind offen, übereinander- greifend; der eine 6 mm, der andere 4 mni dick. Der stärkere ist an den Enden stumpf abgeschnitten und im Querschnitt kreisförmig, der dünnere spitz zulaufend und im Querschnitt D-förmig. Die grösste Weite der Ringe beträgt je 6 cm. Ausser diesen Arm- reifen sammelte ich auch noch Reste dünner Fingerringe. Nr. 2. Nadel aus Bronze (Fig. 6, c), oben verbogen. Länge 9,5 cm, Stärke unten 3 mm, oben 2 inm. Nr. 3. 35 mittelgrosse Bronze-Röhren- perlen und 36 kleinere, weisse, braune, grüne und rothe flachrunde Steinperlen. Nr. 4. 11 Urnen. Von diesen waren fünf heil, die übrigen mehr oder weniger defect. Die ersteren sind, ihrer inter- essanten Ornament-Motive wegen, nach- stehend in Fig. 7 — 10 wiedergegeben. Fig. 6. V2 Incrustirte Urnen aus Grabhügel Helenendorf Nr. 3, Grab A. Fig. 7: Höhe 10 cm, Mündungs-Durchmesser 17 cm, grösster Umfang 62 c???, Boden-Durchmesser 7 cm, Wandstärke 0,5 cm. Das Ornament besteht aus geometrischen Figuren, worunter Mäander und Rauten die Hauptmuster bilden. Ausserdem findet sich als Contouren-Decoration Hirsekorn -Ausstichelung, und in den Rhomben sind keilartige Füll -Verzierungen angebracht. (91) Fig. 7. V, Schalenförmige Urne mit concavem Boden aus bräunlichem Material. Fig. 8: Höhe 13 an, Mündungs-Durchmesser 17,5 cm, grösster Umfang (iS cm^ Boden-Durchmesser 11 cw, Wandstärke 0,8 cm. Fig. 8. V« Topf aus schwarzgrauem Material mit concavem Boden. Unter dem zurückgelegten schmalen Rande läuft ein Zinnen-Ornament. Der ganze Leib des Topfes ist bedeckt mit breiten Winkelbändern, die mit Rauten- ketten, Wellenlinien und Hirsekorn -Ornament ausgefüllt sind. In der Mitte der Bauch-Gegend befindet sich auf beiden Seiten des Gefässes je die Figur eines ge- streckten Rhombus, der eine Schlangen-Darstellung enthält. Ausserdem sehen wir noch ein merkwürdiges Motiv, ähnlich zwei Paaren über Kreuz gelegter Balken. — Ein Gefäss aus bräunlichgrauem Material. Höhe 14 cm, Mündungs- Durchmesser 22 cm, grösster Umfang 78 cm, Wandstärke 0,6 cm. Ornament: Bandmotiv in Mäander-Form, in breiter Zone um den Oberbauch des Gefässes herumgeführt. In der Mitte wird dies Ornament auf beiden Seiten unterbrochen durch eine an langem Zickzack-Band bis zum unteren Theil des Topfes herabhangende Schleife. (92) Fig. 9: Höhe 11 cm, Mündungs-Durchmesser 18 cm, grösster Umfang 65 cw, Boden-Durchmesser 5,5 cm, "Wandstärke 0,7 cm. Fig. 9. V, Fig. 10. 73 Schwarzes, glattes Gefäss mit kleinem flachem Boden. Unter dem Rande umzieht das Gefäss ein Wellen-Rillen-Ornament. Die Haupt- Decoration ist die Doppel-Darstellung eines Vierfüsslers und eines grossen Vogels mit spitzem Schnabel und Zickzack-Schweif. Die Thiere stehen einander wie kampf- bereit gegenüber. Fig. 10: Höhe 27 cm, Durchmesser am Halse 10 cm, grösster Umfang 85 cm, Boden -Durchmesser 9 ein, Wandstärke 0,7 cm. In der Schulter- und Ober-Bauch- gegend ist ein Hirsekorn-, Rillen- und Zickzack - Ornament angebracht. Die Haupt-Decoration besteht aus einer Thier- Figur, einer Antilope oder einem der- artigen Vierfüssler. Hier kommt an- scheinend auch einmal der Humor des Künstlers zum Ausdruck, indem das Thier als dem Drange einer natürlichen Verrichtung Folge leistend dargestellt ist. Neben der Thier -Abbildung be- findet sich eine geometrische Zier-Figur, die sich auf zwei schräggekreuzten Stäben aufbaut. Säramtliche Figuren sind mit Keulen oder Hirsekorn-Ausstich- Ornament ausgefüllt. — Grosse Urne aus braunem Material. Grab B, auf der Nordseite des Brunnens. Der etwas kleiner angelegte, ebenfalls an den Ecken abgerundete Grab-Ausstich hielt in der Länge 8,5 Fuss und in der Breite 4 B^uss. Die Tiefe vom Kurganrande bis zum Skelet, bezw. der Mutter-Erde, betrug 1,98 m. Im Grabe lag ein grosses, brüchiges Mannes-Skelet auf der linken Seite, die Püsse ausgestreckt, die Hände am Leibe, das Gesicht nach Süden gerichtet. In der Brust der Leiche steckte — bis ans Heft hineingesenkt — ein Dolch, und im Schädel fand sich eine Obsidian-Pfeilspitze. (93) Zu Häupten des Todten standen ö und zu Füssen desselben 4 Urnen. Die Richtung der Leiche war W. (Püsse) — 0. (Kopf) mit geringer Abweichung nach Süden (110°). Funde aus Grab B: Nr. 1. Bronze-Dolch in der üblichen Form mit Knauf (Fig. 11, ö, b). Länge 22,5 cm. Die "Waffe ist von der Wucht des Stosses, durch welchen wahrscheinlich dem Manne der Garaus gemacht worden, an der Spitze geborsten. Der Knauf ist mit Holz eingelegt. Nr. 2. Obsidian - Pfeilspitze aus grauem Material (Fig. 11, c). Länge 5 cm, Breite unten 2,2 on. Nr. 3. Ein vierkantiger Bronze - Pfrie- men. Länge 13 cm (Fig. 11, d). Nr. 4. Eine grosse Bronze-Nadel, unten mit langem, flachem Oehr-Ansatz. Die Spitze fehlt (Fig. 11, e). Länge des Stückes 15 cm, Breite am Oehr 0,5 cm, Breite oben 0,2 cm. Nr. 5. Steinbeil aus Diorit(?) mit Rille in der Mitte, zum Befestigen eines Stiels. Das Instrument ist an der Schneide und am Rücken beschädigt und wurde in den oberen Schichten des Grabes ge- funden. Nr. 6. 9 Urnen. Von diesen waren drei heil, die übrigen mehr oder weniger defect. Die interessanteren Ornamente sind in Fig. 12 — 14 wiedergegeben. Fiff. 11. \' Gefässe und Gefäss-Ornamente aus Grab B in Grabhügel Helenendorf Nr. 3. Fig. 12. V2 Aufgerollte Zeichnung an einer Schale, eine Reihe springender Thiere darstellend. (94) Fig. 13: Höhe 11 cm, Mündungs-Durchmesser 20 a7i, grösster Umfang 73 cm, Boden-Durchmesser 9,5 cm, Wandstärke 7 mm. Fig. 13. V2 Urne in Schalenform mit flachem Boden (enthielt Schildkröten -Schale und Bronze -Perlen). Das Gefäss hat an den zwei correspondirenden Stellen unter dem Halse je «in paar kleiner Henkel-Ansätze in Form von Stierköpfen. Unter dem geometrischen Rillen-, Zickzack- und Winkelband-Ornament findet sich auf einer hier wieder- §egebenen Seite des Topfes die Abbildung einer sich auf dem Schwanzende empor- schnellenden Schlange. Flg. 14: Höhe 10 cm, Durchmesser der Mündung 18 cm, grösster Umfang 64 cm, Durchmesser des Bodens 8,5 cm, Wandstärke 0,5 on. Fig. 14. V2 Schalenartiges Gefäss aus grauschwarzem Material mit concavem Boden. Auf dieser Schale präsentirt sich als Unicum ein Hirsch: ein stattlicher Acht- ender. Als decoratives Beiwerk dienen Dreiecke und andere sonderbare phan- tastische Figuren. (95) Ausserdem wurde der obere Theil eines grösseren Kruges mit In- crustations-Ornament gefunden. — Fig. 15. Skizze der o^eöffueten Gräber A und B im Grabhügel Helenendorf Nr. M. Grabhügel Helenendorf Nr. 18 aus der Bronzezeit. Dieser Kurgan enthielt 3 Ausstich-Bestattungsgräber unter Platten. Er lag auf einer massigen Boden-Erhebung, die sich auf der nordöstlichen Seite des Gräber- feldes längs dem Steinbruch-Wege hinzieht. Von den nächsten Grabhügeln Nr. 1 und Nr. o war er je 244 Schritt entfernt und von Nr. 2 durch eine o30 Schritt breite Thalsenkung getrennt gelegen. Die ziemlich bedeutende, oben abgeflachte, noch gegen 5 Puss hohe Aufschüttung hatte bei 54 Schritt Umfang eine runde Basis form. Nach Aussage meines Gehülfen hatte der Hügel früher gegen 10 Fuss Höhe und eine gewölbte Oberfläche gehabt; er war aber von den Colonisten zur Gewinnung des weissen Thonsandes, aus welchem er in seinen oberen Schichten bestand, im Laufe der Jahre zum grossen Theil schon abgetragen worden. Es wurde ein 2,5 m breiter und 5 m langer Durchstich in der Richtung NW.- SO. durch den Hügel gemacht. Bei 2 Puss Tiefe zeigten sich o Deckplatten-Gräber: eines an der nordöstlichen Seite mit drei (einer grossen und zwei kleineren) Platten, eines an der südwestlichen mit zwei grossen Platten, und eines an der südöst- lichen Seite der Aufschüttung mit einer Platte. Sämmtliche Decksteine bestanden aus ziemlich glattem gelblichem Sandstein, wie man solchen noch jetzt weit oben im Gebirge bricht. Die Stärke der Platten variirte zwischen ^4 — 2 Fuss, ihre Länge betrug 7 — 9 Fuss, bei einer Breite von 5 — 6 Fuss. (96) ¥is. 16. Unmittelbar über jedem der Platten-Gräber fand ich einen oder zwei aufrecht- gestellte, keilartig geformte, bis 2 Fuss lange weisse Steine (Fig. 16). Das Vor- kommen derartiger Merkzeichen ist eine eigenthümliche Erscheinung, die — wie es sich in der Folge ergab — fast bei allen Gräbern dieser Gegend wiederkehrt. Die persischen Arbeiter pflegten beim Abgraben eines Grab- hügels später immer zu sagen: „Ah, da kommen schon die Todtensteine I Seht, gleich wird sich das Grab zeigen!" Mit dem Zertrümmern der grossen Platten — an ein Hinwegschaffen derselben durch die ausgemergelten schwächlichen Tat's (wie die persi- schen Arbeiter hier genannt werden) war ihres ungeheuren Gewichts halber nicht zu denken — hatten wir unsere Noth. Endlich waren 3 Ausstich-Gräber frei- gelegt: zwei grössere, parallel laufende, durch eine Erd-Zwischenwand von 7 Fuss Dicke von einander getrennte, und ein kleineres, vor den beiden anderen befind- liches. Sämmtliche Gräber in diesem Hügel waren — wie sich später heraus- stellte — in Form eines länglichen Vierecks ausgehoben. Gleich unter den Platten lagen mehrere grosse Feldsteine, dann kam lockerer gelber Lehmsand mit zahl- reichen Knochen vom Schaf und von Hühnern. Typische Todten- oder Phallus-Steine. Die drei Platten-Gräber A, B und C aus dem aufgeschnittenen Grabhügel Helenendorf Nr. 18. Grab A, auf der südwestlichen Seite des Hügels. Das 3,5 m lange und 3 m breite Grab enthielt ein auf dem harten natürlichen Lehmgrunde hockendes, kleines brüchiges Skelet, die Hände auf die Erde gestützt, den Kopf auf die Brust herabgesunken und — soviel sich noch erkennen Hess — nach S\V. gerichtet. An Beigaben wies es nur incrustirte Urnen verschiedener Form auf, die an der nordwestlichen Seite des Grabes neben- und aufeinander ruhten. Die Richtung des Grabes war NW.-SO. (130°). Die Tiefe vom Kurganrande bis zur Muttererde betrug 1,73 m. Funde aus Grab A: 9 Urnen, davon vier heil, die übrigen mehr oder weniger defect: darunter: ein schalenförmiges Gefäss mit concavem Boden aus schwärz- lichem Thon (enthielt Knochen- und Bronze-Perlen). Höhe 12 an, Durchmesser der Mündung 10 cm, grösster Umfang 72 cm, Durchmesser des Bodens 10 cm, Wandstärke 0,7 cm. Die Urne war mit geometrischen Mustern der mannigfaltigsten Art verziert. Schöne Urne mit Ornament aus glänzend schwarzem Thon, mit einem Knopf henkel und flachem Boden (Fig. 17). Flöhe 26 cm, Mündungs-Durchmesser 10 cm, grösster Umfang 83 cm, Basis-Durchmesser 10 cm, Wandstärke 0,7 cm. (97) Das Ornament besteht aus einer Schulter -Decoration von zwei Reihen züngelnder Nattern. Geometrische Schmuckgebilde umziehen den ganzen übrigen Fig. 17. V, Fig. 18. Skizze des geöffneten Grabes A. Körper der Urne. Vom Knauf hängt ein Schleifen -Ornament bis zum Boden hernieder. Grab B, auf der nordöstlichen Seite des Hügels. Das Grab war S Fuss lang und 3 Puss breit. Die Tiefe vom Kurgan-Rande bis zur Muttererde betrug 1,71 m. Auf einer Schicht von kleinen Kieseln ruhte in der Mitte des Grabes ein grosses Hocker-Skelet in derselben Lage und Richtung, wie das in Grab A, an- scheinend das eines noch jungen Mannes. Zu bemerken ist dabei der Interesse verdienende Umstand, dass der Unter- kiefer des ganz zwischen Feldsteinen fest eingekeilten und stark beschädigten Schädels an dem sonst wohlerhaltenen Skelet fehlte. Ein Stück des Kiefers fand sich später bei sorgfältigem Nachsuchen abseits von der Leiche, weiter nach dem Rande des Grabes zu. Dieser eigenthümliche Bestattungs- Befund mit den vielen Steinen um den oberen Theil der Leiche machte fast den Eindruck, als ob der Kopf des Todten im Grabe noch gesteinigt worden sei. An Beigaben enthielt das Grab nur einen Pfriemen an der südlichen, und 7 incrustirte Urnen aus braunem oder schwärzlichem Material, meistens in Topf- Form, an der nördlichen Seite. Von diesen war ein kleines Gefäss in einem grösseren enthalten. Die Gefässe waren zum Theil mit Aschenerde, Schaf- und Hühner-Knochen gefüllt; einige hatten am Boden feuergeschwärzte Stellen. Funde aus Grab B: Nr. 1. Ein vierkantiger Bronze-Pfriemen. Länge 7,5 cw, Stärke 4c mm. Nr. 2. 7 Urnen. Urne aus gelbbraiinem glänzendem Material in Topf-Form, mit con- cavem Boden (Fig. 19). Höhe 10 c/«, Mündungs-Durchmesser 18 c/?<, grösster Um- fang 64,5 cm, Basis-Durchmesser 10 cm, Wandstärke 5 mm. Verhandl. der Berl. Authropol. Gesellschaft 1901. 7 Fig. 20. Skizze dfs geöffneten Grabes B. Das Haupt-Ornament besteht aus zwei mit den Spitzen gegeneinander gerichteten Winkelband-Streifen, die mit Mäander-Mustern gefüllt, und an den Aussen- rändern mit Hirsekorn-Ausstiche- lungen besetzt sind. Ueber den sich berührenden Spitzen der Bandstreifen ist eine mit zwei Keilen verzierte Raute angebracht. In diesem Gefäss stand ein kleineres Töpfchen, mit folgenden Maassen: Höhe 7,5 cm^ Mün- dungs-Durchmesser 1 1 cw(, grösster Umfang 37 cm^ Boden -Durch- messer 6 cm, Wandstärke 0,4 cm. Kleine Urne aus grauem Material, mit concavem Boden. Das Gefäss hat unter dem Halse eine, am Unterbauche zwei Rei- hen aus Winkelhaken-Ornament. In der Schulter-Gegend umzieht eine wellenförmige Rille die Urne. Höhe 7,5 cm, Mündungs- Durchmesser 14 cm, grösster Um- fang 54 cm, Durchmesser der Basis 8 cm, Wandstärke 0,5 cm. St. Steine, U. Unterkiefer. GrabC, auf der südöstlichen Seite des Hügels. In den obersten Schichten des das Ausstichgrab ausfüllenden Lehmsandes lagen Scherben glänzend schwarzer incrustirter Urnen und sehr viele Yogelknochen ver- streut herum. Die Grössen-Verhältnisse des Grabes waren folgende: Länge 8 Fuss, Breite SVg Fuss, Tiefe vom Kurganrande bis zum Grunde* des Grabes 2 m. Auch dies Grab barg ein zerfallenes Hocker-Skelet, den Kopf nach SW. ge- richtet. An der Nordseite des Ausstichs lagen ausserdem auf dem weissen harten (99) Thongrunde einige Knöchelchen und ein winziger Säuglings-Schädel. Die mensch- lichen Ueberreste hatten durchweg eine grünliche Färbung angenommen in Folge des Zersetzungs-Processes der zahlreichen Bronzen in Gestalt von Medaillen an langen Ketten und anderem Schmuck, womit der Beigesetzte behängt gewesen ist. An der Nordseite des Grabes standen 6 Urnen von schöner Form, sämmtlich incrustirt; neben einem Topfe kratzte ich einen Bronze -Vogel heraus und an einem anderen ein grosses Medaillon mit zwei über Kreuz daraufgelegten Bronze- Stäbchen. Einige 100 Perlen aus Bronze und Carneol, viele Metall-Gewandknöpfe rings um die Leiche und über das ganze Grab hin verstreut, — vervollständigten die Ausstattung. Auch fanden sich in einer Urne viele Perlen und kleine Knöpfe. Die Richtung des Grabes war NW.-SO. (120°). Funde aus Grab C: Nr. 1. Bronze-Figur eines Vogels (Fig. 21, a). Der unten flache Rumpf ist durch vorwiegend dreieckige Ausschnitte verziert. Der Hals des Thieres ist lang und dünn, ebenso der Kopf, an dem zwei hervorquellende Augen sitzen. Der Schwanz ist fächerartig geformt. Auf dem Rücken ist ein Schnur-Oehr angebracht. Die Füsse fehlen, doch sitzen unter dem Bauche 2 Oehsen, darin noch Reste eines Kettchens haften. Der Vogel dürfte wohl an einen Fasan oder die hier häufige Trapj)-Gans erinnern. Fiff. 21. 2' Die Länge des Artefacts, von der Brust bis zum Schwanzende gemessen, be- trägt 5,3 c»(, die grösste Breite des Rumpfes 2 cm, die grösste Schwanzbreite 1,3 cm, die Höhe 4,5 cm. Nr. 2. Ein stark oxydirter Bronze-Pfriem. Länge 7cm, Stärke unten 4 w?«. Nr. 3. Medaillon, bestehend ans einer runden Bronze-Platte mit Oehsen-Aufsatz (Fig. 21, i) und den Ueberbleibseln einer dazugehörigen Halskette (Fig. 21, r), welche ganz ineinander oxydirt sind. Die Scheibe hat in der Mitte ein kreisrundes Loch und um dieses herum zwei Zonen von Ausschnitten in Dreieckform. Der Durchmesser beträgt 8 cm, die Stärke 2 mm. (100) Nr. 4. Etwas kleineres Medaillon von ähnlicher Beschaffenheit wie Nr. 3. Der Durchmesser beträgt 6,5 cm, die Stärke 2 mm. Nr. 5. Schmuckstück (Ohr-Gehänge?), bestehend aus einer durch flachen Schnitt geöffneten Muschel mit daran befestigtem Gliede eines Bronze -Kettchens. Die Länge des Artefacts beträgt 2 c/«, die Breite 1,7 cm. Nr. 6. Eine grobe Bronze-Nadel (Fig. 21, d), unten breitgeschlagen und zu einem grossen runden Oehr umgebogen. Die Länge beträgt 8,7 cm, grösste Stärke 5 mm. Nr. 7. Eine feinere Bronze-Nadel mit Oehr. Länge 8 cm, grösste Stärke 3 mm. Nr. Sa. Zwei kleine Gegenstände aus Antimon(?), jedes in Form eines Hütchens oder Deckels mit Knopf-Aufsatz und buckelbesetztem Kande (Fig. 21, e). Die niedlichen Stücke sind an der unteren Seite mit einer Rille versehen, die von einem Rande zum anderen unter einem im Centrum befindlichen kleinen Buckel hinläuft. Der Durchmesser beträgt 1,4 cm, die Höhe 7 mm. — Derartige kleine Artefacte habe ich im Jahre 1894 in dem reichen Kistengrabe Dawschanli- Artschadsor Nr. 1 gefunden. Nr. 8b. Ein ähnliches Stück in Scheibenform aus gleichem Metall. Auf der unteren Seite ist ebenfalls eine schmale Rille eingeschnitten, über der zwei bandartige Bügelchen angenietet sind. Der Durchmesser beträgt 1,4 cm. Nr. 9. Ein grosser, runder, gewölbter Bronzeknopf, oben mit ein- geritzten concentrischen Kreisen verziert. Der ursprünglich hohle Kopf ist mit Email-Masse ausgegossen. Beim Guss wurde auch der gewölbte runde Bügel ver- deckt, und man sieht deutlich, dass die Füllmasse unter dem Bügel durchstochen worden ist, um den Faden zum Befestigen des Knopfes am Gewand oder Geschirr durchzubringen. Durchmesser unten 3 cm, Höhe 1,2 cm. Nr. 10. 52 Bronze-Röhrenperlen mit kleinen Buckeln um die Mitte herum. Nr. 11. Eine grosse und zwei kleine Carneol-Perlen.^ Nr. 12a. 10 mittlere gewölbte Bronze-Knöpfe (Fig. 21,/'). Auch diese Knöpfe sind unten mit Email gefüllt und mit geschwungenem Bügel versehen. Durchmesser 1,2 cm. Nr. 12b. 109 kleine gewölbte Bronze-Knöpfe (Fig. 21, g), hohl, mit geradem Bügel. Durchmesser 9 mm. Stücke von Bronze-Blech mit ausgepressten buckelartigen Erhöhungen und Fragmente zweier ganz verwitterter dünner Bronze-Stäbchen. Nr. 13. 6 Urnen, davon drei heil, die übrigen mehr oder weniger defect. Urnen aus Grab C in Grabhügel Nr. 18. Fig. 22. 72 (101) Henkelloser Topf aus schwärzlichgrauem Thon, mit flachem Boden. Höhe 14 cm, Miindungs-Durchmessor 19 cm, grösster Umfang 68 cm, Boden-Durch- messer 9 rm, Wandstärke 6 mm. Der obere Theil des Gefässes enthält geometrisches Orna- ment. Auf der unteren ürnen- hälfte bemerken wir Abbildun- gen von fliegenden Vögeln oder Insecten. Flache Schale aus har- tem grauem Material, mit flachem Boden (Fig. 22). Höhe 7 cm, Mündungs-Durch- messer 20 cm, grösster Um- fang 63 cm, Boden -Durch- messer 8 i-m, Wandstärke 7 mm. Das Haupt- Ornament ist die Darstellung eines Men- schen zwischen zwei Thier- Figuren. Der Kopf scheint mit einem grossen Hute oder Helm bekleidet zu sein. Die Ex- tremitäten sind unvollkommen, pfotenartig. Grosse Urne aus har- tem grauem Material, mit convex geformtem Boden und enger Hals-Oeffnung (Fig. 23). Höhe 23 cm, Durch- messer der Mündung 10 cm, grösster Umfang 86 cm, Boden- Durchmesser 11 cm, Wand- stärke 0,6 cm. Um die Schulter läuft ein breites, mit sparren- ähnlichem Ornament verzier- tes Band. In der Oberbauch- gegend sitzen in gleichen Ab- ständen von einander einge- stempelte Scheiben - Figuren. Zwischen je zwei Scheiben be- findet sich eine von der rechten unteren Seite einer Scheibe bis zum linken oberen Rande der nächsten führende Linie, die auf ihrer oberen Seite mit Punktstrichen verziert ist. Fig. 23. V, Fig. 24. Skizze des geöffneten Grabes C in Grabhügel Nr. 18. kl. U. kleine Urne, K. Kinder-Skelet. Hügelgrab Helenendorf Nr. 19. Ausstich - Bestattungsgrab aus der Bronzezeit. Die kleine Aufschüttung war von den nächsten Kurganen: Nr. 27, 112 Schritt und von Nr. 26, 162 Schritt entfernt, an der NW.-Seite des Gräberfeldes, nahe dem (102) „Thäl'Ie" belegen. Bei schwacher Wölbung ihrer Oberfläche und runder Basisform hatte sie einen Umfang von 23 Schritt. Das Material des Grabhügels war weiss- gelber Thonsand mit Feldsteinen. Die Untersuchung geschah mittels Ausschachtung eines Canals in der Richtung W.-O., der in einer Länge von 15 Fuss und einer Breite von 9 Fuss gezogen wurde. Bei einer Tiefe von 3 Fuss stiess ich in der Mitte der Aufschüttung auf ein Ausstichgrab, welches mit braungelbem lockerem Lehmsande und wenig Feldsteinen gefüllt war. Die Maasse des in Form eines länglichen Vierecks angelegten Grabes waren folgende: die Länge 2^2 "^ die Breite l^Um, die Tiefe vom Rurgan-Rande bis zum Grunde des Grabes IY2 m. Ich fand wieder ein männliches Skelet in hockender Stellung, den Kopf nach SW. vorgeneigt. — Die Richtung des Grabes war XW.-SO. (155°). Die menschlichen Ueberreste mussten wohl die eines Häuptlings oder einer sonstigen hervorragenden Person gewesen sein, denn der Schädel trug als Ehren- Schmuck ein hinten offenes Bronze-Stirnband (Fig. 25 a). Auch ein schönes Medaillon an einer Gnadenkette ruhte in der Gegend des Leibes; Rings sassen an jedem Unterarm, und viele hundert Perlen lagen rings um den Todten herum. An der Nordseite des Ausstichs standen neben- und aufeinander 13 Urnen und schalenartige Ge- fässe, die — nach den zahlreich in ihnen vorgefundenen Schaf- und Vogel-Knochen zu schliessen — wohl die übliche Wegzehrung für die letzte grosse Reise des Ver- storbenen ins Schattenreich enthalten haben. Fig. 25 a. Schädel mit Bronze- Stirnreif. Funde aus Hügelgrab Nr. 19. Bronzen: Nr. 1. Ein Stirnband (Fig. 25 0), aus einem glatten ornamentlosen, 1 mm starken, sich nach den mit Schnurloch versehenen Enden hin etwas verschmälernden Blechreifen bestehend. Die gänzlich morsche Bronze konnte nur in Bruchstücken gehoben werden. Nr. 2. Ein starker Armring (Fig. 25i), geschlossen, innen flach und schön geglättet. An der Aussenseite ist der Reif von einem etwas spitz verlaufenden Wulst umgeben, der — aus vielen Gliedern bestehend — an vier correspondirenden Fig. 25 c. Vs Fior. 2b b. Ansicht von vom (103) Stellen noch je einen Buckel -Aufsatz von länglicher Form trägt. Die grösste Weite des Ringes ist 8 cm, die Stärke an der Innenseite 0,7 cm. Das Stück zeichnet sich durch besonders kunstvolle Arbeit aus. Nr. 3. Glatter, schwerer, offener Armreif (Fig. 25c). Grösste Weite 7 cw. Stärke an der Innenseite 9 mm\ im Querschnitt D-förmig. =Nr. 4. Zwei glatte, offene Armreifen, nach den Enden hin sich ver- jüngend. Im Querschnitt D-förmig. Grösste Weite 7 cm, Stärke an der Innenseite ^/a cm. Nr. 5. Medaillon, ähnlich dem in Grab C, Grabhügel Nr. 18, gefundenen und daselbst unter Nr. 3 beschriebenen, nur in feinerer Ausführung. Die Mitte des Medaillons wird durch eine Art von Wappenschild gebildet, welches mit kleinen dreieckigen und rundlichen Ausschnitten verziert ist. Durchmesser der Platte 7,3 cm. Stärke der Bronze 3 7nm. Nr. 6. Viele Perlen und Knöpfe. Nr. 7. 13 Thon-Gc fasse, davon 9 erhalten. Grab Nr. 19 erweckte ausser seinem Inhalt an schönen Bronzen noch be- sonderes Interesse durch seine reiche keramische Ausstattung. Fast alle Gefässe waren mit den seltsamsten phantastischen Ornament-Motiven versehen. Ein be- sonders interessantes Stück ist die hier zunächst abgebildete engmundige Urne (Fig. 26 f/); denn ausser sonderbaren Thier-Darstellungen von anscheinend im Fluge begriffenen Insecten mit stelzenartigen Füssen und ruderähnlichen Schwänzen, welche die Haupt-Decoration an der weiten Bauchpartie des Topfes ausmachen, sowie einem nicht minder eigenthümlichen, aus einer baumähnlichen Figur mit beigefügten Keilen und Halbmonden bestehenden, wohl symbolischen Ornament auf den Knäufen in der Schulter-Gegend, trug der Krug eine um den kurzen Hals des Gefässes herumlaufende feine Inschrift, die ich beim Reinigen entdeckte, gleichsam zur Belohnung für die zeitraubende mühevolle Arbeit^), welche die Säuberung, Prüfung und Skizzirung der in den Gräbern dieser Gegend gefundenen zahlreichen Urnen (im Ganzen gegen 150) mit sich brachte. Die Randschrift ist von mir auf das Sorgfältigste copirt worden und bei Abbildung der betreffenden Urne vergrössert und aufgerollt wiedergegeben (Fig. 26, b). Mit was für Schrift-Charakteren wir es hier zu thun haben, wird hoffentlich herauszubringen sein. Die Zeichen er- innern etwas an hebräische, griechische und arabische Buchstaben, zum Theil auch an Hieroglyphen oder Keilschrift. Es ist ja möglich, dass die Inschrift für die Bestimmung des Volkes, welches in diesen Gegenden einst ansässig gewesen ist und so Originelles auf keramischem Gebiet geleistet hat, vielleicht wichtige Aufschlüsse zu geben geeignet wäre. Abbildung von Urnen und Ornamenten auf denselben aus dem Hügelgrabe Helenendorf Nr. 19. Grössere Urne aus grauem Thon mit zwei oben flachen Henkel- Knäufen (Fig. 26, a). 1) Die Töpfe waren fast alle mit einer Schicht von äusserst zähem Lehmsande oder weissem Thon überzogen, die durchaus entfernt werden musste, um die stets wechselnden Ornamente auf den Urnen erkennen und mit dem Zeichenstift tixiren zu können. Der Eeinigungs - Process mittels warmen "Wassers und eines weichen Pinsels war um so schwieriger, als bei Ausserachtlassen der grössten Vorsicht die weisse Incrustations-Masse aus den eingeschnittenen Umriss-Linien sich zu lösen und abzufallen begann. Es dauerte volle 8 Tage, bis ich diese Topf-Gesellschaft salonfähig gemacht hatte. (104) Höhe 24 cm, Durchmesser der Mündung- 10 cm, grösster umfang 85 cm, Boden- Durchmesser 9 cm, Wandstärke 8 m?«. Fig. 26 a. V, Fig. 2G6. <^l ^=^. Die aufgerollte Inschrift. Fiff. 26 c Ornamentlose Urne ohne Henkel aus röthlichgrauem Thon. Höhe 26 cm, Mündungs- Durchmesser 7 cm, grösster Umfang 69 cm, Basis -Durchmesser 10 cm, Wandstärke 0,5 cm. Doppelhenklige Urne aus grauem Thon mit convexem Boden (Fig. 26, c). Höhe 17,5 cw, Durchmesser der Mündung 7,5 cm, grösster Umfang 57 cm, Durchmesser des Bodens 7,5 on, Wandstärke 0,4 cm. Das Ornament besteht aus- schliesslich aus tief eingeschnittenen, nicht incrustirten Rillen, die in drei Zonen: einer breiten in der Schulter- Gegend, einer weniger breiten in der Mittelbauch-Region und einer (105) schmalen am Unterbauch — das Gefäss umziehen. Je weiter unten die Rillen sitzen, desto schmaler werden sie. — Drei kleine einfache Töpfe aus gelbem Thon. Fig. 26 d: Das Gefäss ist an seinem oberen Theil durch eine Wellenrille ver- ziert, in deren unteren Ausbuchtungen je ein Korn-Ornament sitzt. Noch weiter abwärts befinden sich in gleichen Abständen von einander mit den Spitzen nach oben weisende Doppel-Winkelhaken. Fig. 26 d. Fig. 26e. '/, Fig. 26c: Der weitmundige Napf ist mit einem Standring versehen. In der Mitte umgiebt das Gefäss ein schrägliniges geometrisches Ziermuster. Das dritte, kleinere Gefäss umziehen in der oberen Bauchgegend zwei wellen- förmig geführte Rillen. Kleine Urne aus gelblichem Thon (Fig. 27, er, 6). Höhe 7 cm, Durch- messer der Mündung 13 cm, grösster Umfang 48 oii, Durchmesser der Basis 7 cm, Wandstärke 0,5 cm. Fig. 27 a. Fi?. 276. Eine Meute springender Vierfüssler (bellende Hunde) kommt auf diesem Gefäss zur Darstellung. f (106) Kleine Urne aus gelbgrauem Material mit concav geformtem Boden. Höhe 7,5 cm, Durchmesser der Mündung 14 cm, grösster Umfang 49 cm, Durch- messer des Bodens 6,5 cm, Wandstärke 0,7 cm. Das schalenartige Gefäss 'trägt ein sich auf den Urnen von Helenendorf öfter wiederholendes Ornament-Muster, das sich auf zwei Paaren sich in der Mitte kreuzender Linien aufbaut, deren be- nachbarte Endpunkte zu Dreiecken mit einander verbunden sind. Die so ent- standenen Dreiecke sind mit Keilen, Dreiecken und Winkelhaken ausgefüllt. Fig. 28. Skizze des geöffneten Grabes Nr. 19. Hügelgrab Helenendorf Nr. 26. Bestattungsgrab. Die Aufschüttung, deren Umrisse in Folge theilweiser früher stattgehabter Zer- störung zur Lehmsand-Gewinnuug schon ziemlich verwischt waren, befand sich auf einer Boden-Erhebung nahe dem Steinbruch- Wege. Von den nächsten Kurganen Nr. .3 und 19 war sie 150, bezw. 162 Schritt entfernt. Der untere Umfang des noch erhaltenen Theils des aus gelbbraunem Lehmsande mit Feldsteinen construirten Hügels betrug 40 Schritt. Ich liess ihn mittels eines durch die Mitte des Kurgans in der Richtung NW.-SO. geführten Canals von 20 Fuss Länge, 9 Fuss Breite und 5,5 Fuss Tiefe untersuchen. Bis auf den harten natürlichen Grund wurde der Hügel abgetragen, doch stiess ich weder auf Platten, noch auf ein Ausstichgrab; wohl aber enthielten die unteren Erdschichten in der ganzen Breite des Aus- schachtung viele Knochenreste und ornamentlose Urnen-Stückchen. Hügelgrab Helenendorf Nr. 27. Ausstich -Bestattungsgrab. Dieser 2 Fuss hohe, aus gelbweissem Sande errichtete Hügel von ovaler Basis- form lag 160 Schritt nordöstlich vom Kosaken-Heustand und 112 Schritt von Grab (107) Nr. 19 entfernt. Sein Umfang betrug 34 Schritt. Ein Canal wurde in der Richtung W.-O. angelegt, wobei die Arbeiter auf ein Ausstichgrab stiessen, dessen Maasse folgende waren: Länge 7,5 Puss, Breite 2,5 Fuss, Tiefe vom Kurganrande bis zum Grunde des Grabes 1,3 ?/(. Die Richtung des Grabes war SW.-NO. (30°). Die Vertiefung war mit weissem Thonsande gefüllt. Auf dem aus Kieselerde gebildeten Grunde des Ausstichs lagen gänzlich verwitterte Skelet-Theile und wenige Scherben röthlicher hartgebrannter Thon-Gefässe. Auch dieses Grab war ohne weitere Ausstattung. Rückblick auf die Gräber am Thäl'le. Mit Grab Nr. 27 sind die in der Gegend am ThäVle gelegenen Hügelgräber, soweit sie äusserlich noch als solche wahrnehmbar gewesen, sämmtlich untersucht. Wie die Colonisten versichern, waren hier dereinst viel mehr Kurgane, die jedoch im Laufe der Zeit abgeackert und deshalb jetzt fast nicht mehr aufzufinden sind. Fig. 29. Situationsplan der Gräber südöstlich von Helenendorf am sogen. Thäl'le. V .^'''"'""O/fr TS. '///. V %.. %, IIIIUV\\\\V- Erklärung der Buchstaben-Zeichen: H. Häuser, W. Weingärten, B. Brücke, 5. Schlucht, T. ThäFIe (Schlucht), H. St. Kosaken -Heustaud, A. Ackerland, A. W. Alter Wasserlauf, St. W. Steinbruch-Weg, B.S. Boden-Senkung, M. Mauer, T. S. Tschaparen- Schiessstand, I^ Yorberge. Die Anlage der Bestattung ist fast immer ein etwa 3 Puss tiefer Ausstich aus der Muttererde in Porm eines gestreckten Vierecks, meistens ohne, selten mit Deck- platten, stets ohne Grund- und Seitenplatten. Die Leichen sind gewöhnlich] in (108) hockender Stellung in der Grube untergebracht, in welchem Falle die Gesiebter nach S\V. gewandt sind; nur zweimal hatte man die Bestatteten auf die linke Seite gebettet und ihre Köpfe nach Süden gerichtet. In den Gräbern ohne Platten finden sich ziemlich reiche Metall-Beigaben vor, während es um die, Decksteine tragenden Ruhestätten in dieser Beziehung nur ärmlich bestellt ist. Es scheint, als habe man den Umstand der mangelnden Metall-Ausstattung durch verschwenderische Anbringung colossaler Stein-Denkmäler in den betreffenden Gräbern wieder aus- gleichen wollen, wozu der in nächster Nähe liegende Kalkschiefer-Steinbruch jederzeit ja das schönste Material lieferte. Interessant sind die in den Platten-Gräbern hier auftretenden, mir in meiner Praxis bis jetzt noch nicht begegneten „Todten"- Steine in Keil- oder Phallus (?)- Form (Fig. 15). Die Metall-Beigaben bestehen fast aus- schliesslich aus Bronze-Artefacten (Eisen kommt nicht vor) mehr friedlichen Charakters. Hängestücke und andere Schmucksachen überwiegen, Waffen fehlen fast ganz. Die Ausführung der Metall-Sachen sowohl, als auch die der keramischen Producte mit ihren oft bizarren Ornament-Motiven ist vorzüglich und verräth einen hohen Grad technischer Entwickelung und ein originelles Erftndungs-Talent. II. Gräber südüstlich von Heleneudorf am Colonie-Steinbruch. Wie schon erwähnt, wird das Colonie-Gebiet nach Süden hin durch den stattlich gewölbten Bergrücken „Ssarial" abgeschlossen. Von diesem zweigt sich auf dem rechten Ufer des Gandsha eine ganze Reihe langgestreckter Vorberge ab, die — allmählich verflachend — sich mehrere Werst in nordöstlicher Richtung in die Kura-Ebene gegen die Magistral- Bahnlinie hinziehen. Die sich aus Kuppen und Graten zusammensetzenden Ausläufer bestehen vorzugsweise aus Ralkschiefer- Gestein, welches den Colonisten ein treffliches Material beim Bau ihrer Häuser bietet; auch Seifenmergel-Erde, die sich ohne weitere chemische Behandlung zur Wollwäsche aufs Beste eignet, wird in jener Gegend gefunden. Auf dem ersten der Höhenzüge, vom Dorf aus gerechnet, und etwa eine kleine Wegstunde in südöstlicher Richtung davon entfernt, liegt der sogen. Colonie-Stein- bruch. Schon in vorhistorischer Zeit ist derselbe in Betrieb gewesen, wie zahl- reiche, in den alten verfallenen Stollen aufgefundene Hämmer beweisen. Es gelang mir, beim Durchwandern der Brüche noch einige solcher primitiver Schlag-Werk- zeuge aufzustöbern. Sie sind von ver- schiedener Grösse, theils in Beil-, theils in Hammerform, ohne Durchbohrung, mit rund um die Mitte gehender Rille zum Befestigen eines Stieles. Die Masse ist gewöhnlich Diorit oder Porphyr. Ich gebe die Abbildung zweier Stein- beile (Fig. 30, a, b). Das Gewicht des grösseren betrug 15 Pfund. Ausser diesen wurden noch viele andere Stein-Geräthe gefunden in. Gestalt von Messern, Schabern und Sägen. Verfertigt wurden diese Werk- zeuge aus den in Hülle und Fülle vor- kommenden Flintknollen, die sich in dem örtlichen Kalk -Gestein eingesprengt vor- finden. Hat man nun, von der Colonie kommend, den Steinbruch -Berg überstiegen, so überschaut man eine endlose Flucht von parallel laufenden, mehr oder weniger Fig. 30. Vs (109) hohen Hügelketten, die von tiefen, schluchtartigen Boden -Senkungen begrenzt, bezw. durchschnitten sind. Auf diesem stark coupirten Terrain ist dereinst ein gewaltiger Friedhof angelegt worden. Fast jedes ins Auge fallende Plateau, jede natürliche Anhöhe ist mit einem oder mehreren Kurganen besetzt, derea im Ganzen viele Hunderte sich auf einem verhältnissmässig kleinen Räume von nur wenigen Quadrat -Kilometern zusammendrängen. Oft liegen 10 und mehr Grabhügel in einer Reihe auf einem und demselben Bergrücken. Mitten durch diese, vom Standpunkte des Archäologen recht anziehende, im Uebrigen aber bei dem herrschenden Mangel an Wasserläufen und der Seltenheit atmosphärischer Niederschläge ganz ausgedörrte und reizlose Steppen-Hügellandschaft schlängelt sich ein von Elisabethpol kommender Weg hin, auf dem die Tataren bei Beginn der warmen Jahreszeit über das Dorf Tschai Kent den grasigen Matten des Köpass zu ins Sommerlager hinaufwandern. Bald nach ihrem Eintritt in das Berg-Gelände führt diese Nomaden-Strasse durch einen tiefen Hohlweg, der in der Richtung von Norden nach Süden sich einige 100 Schritte lang zwischen zw^ei parallel laufenden, nicht sehr steil abfallenden Hügelrücken hinzieht. Der Platz dort heisst „Gül- Lik-Dagh" (tatar. = Rosengarten-Berg). Die dominirenden Punkte beider Höhen- züge sind mit Grabhügeln gekrönt. Auf dem westlich vom Hohlwege gelegenen Grat befanden sich 4 Kurgane, die ich alle untersucht habe. Auf der gegenüber- liegenden Seite wählte ich aus der grossen Zahl der das Plateau bedeckenden Kur- gane deren ebenfalls 4 aus. Die erforschten Gräber tragen die Nrn. 4, 5, 6, 7, 14, 15, 16 und 17. — A. Gräber auf der westlichen Seite des Hohlweges, bei „Gül-Lik-Dagh«, nahe den Steinbrüchen (Nr. 4, 5, 6 und 7). Grabhügel Helenendorf Nr. 4, enthaltend 2 Ausstich -Bestattungsgräber mit Deckplatten, aus der Bronzezeit. Der Umfang der aus gelbem Lehmsande Fig. 31. bestehenden, wenige Fuss hohen, oben ab- geflachten Aufschüttung betrug bei kreisrunder Basisform 56 Schritt. Von den nächsten Gräbern Nr. 5 u. 6 war der Hügel 21, bezw. 80 Schritt entfernt gelegen. Von der Sohle des Hohlweges, über die Böschung gemessen, betrug sein Ab- stand 100 Schritt. Es wurde ein Durchstich in der Richtung O.-W. angelegt, der eine Länge von 127« Schritt und eine Breite von 7 Schritt erhielt. Nach Abgraben der oberen Schichten des Kurgans stiess ich an der südlichen und nördlichen Seite desselben auf je eine Schüttung von grösseren Kalksteinen, nach deren Wegräumen sich zwei H hl 1 t durch die Deckplatten geschlossene Gräber offen- pi^tten-Lä\^rirG?abhügel]Kr.4. harten. Grab A, auf der nördlichen Seite des Grabhügels Nr. 4. Der quadratisch geformte Ausstich war mit drei je 6 cm starken Kalkstein- Platten gedeckt und mit lockerem gelbem Lehmsand gefüllt. Die Länge des Grabes (110) Fig. 32. jV Skizze des geöffneten Ausstich- Grabes A in Grabhüsrel Nr. 4. betrug 156 cm\ die Tiefe von der Oberfläche des Kurgans bis zu den Deckplatten 43 cm\ die Tiefe von den Decksteinen bis zum Grunde des Grabes Wl cm. In der nordwestlichen Ecke befand sich ein Hocker-Skelet, welches mit der Schädeldecke des nach SO. gewandten Kopfes auf dem Boden des Ausstichs auflag. Die Reste haben anschei- nend einem jungen Weibe angehört. Das Ge- biss war tadellos, schneeweiss, mit halb durch- gebrochenen Weisheits-Zähnen. Unter dem Kopfe lag ein kleiner verbogener Pingerring, und das Handgelenk des rechten, auf den Boden ge- stützten Armes umspannte ein offener Reif. Keramische Beigaben fehlten. Die Richtung des Grabes war N. — S. mit 10° östlicher Ab- weichuns:. Funde aus Grab A: " Nr. 1. Ein verbogener Pingerring aus Bronze. Nr. 2. Ein Bronze-Armreif mit etwas übereinander greifenden, spitz zu- laufenden Enden. Das Stück war ein wenig zusammengedrückt. Grösste Weite € cm. Stärke V2 ^^^t i^^ Querschnitt D-förmig. Grab B, auf der südlichen Seite des Grabhügels Nr. 4. Der mit 6 kleinen Deckplatten geschlossene Ausstich hatte eine Länge von 160 und eine Breite von 150 cm. Von Grab A war er durch eine 6 Puss starke Erd-Zwischenwand getrennt. Die Tiefe von der Oberfläche des Kurgans bis zu den Deckplatten betrug 35 cm und von da bis zum harten Grunde des Grabes 150 cm. Das noch gut erhaltene, 6 Puss lange Skelet mit mächtigem Lang-Schädel und ziemlich abgenutzten Zähnen war anscheinend das eines kräftigen Mannes von mittleren Jahren. Der Bestattete lag auf der linken Seite, mit dem Kopfe nach Norden, dem Gesicht nach Westen und den gegen den Leib gezogenen Füssen nach Süden. Die Hände waren neben dem Körper ausgestreckt. Zu Häupten der Leiche standen 4 Thon-Gefässe, mit Rillen verziert, ohne Incrustation; davon 3 vor dem Gesicht in der nordwestlichen, und eines am Hinterkopfe in der nordöstlichen Ecke des Grabes. An sonstigen Beigaben fand sich nur noch in der Handgegend ein Bronze- Pingerring vor. Die Richtung des Ausstichs war wie in Grab A. Funde aus Grab B: Nr. 1. Ein Bronze-Fingerring. Nr. 2. 4 Urnen, davon 3 heil. Urnen aus Hügelgrab Nr. 4B. Grosse Urne mit Knauf und flachem Boden aus hartem gelblichem Thon (Fig. 33). Höhe 25 c?«, Durchmesser der Mündung 10,5 c///, grösster Umfang 88 cm, Boden-Durchmesser 13 cm., Wandstärke 1 cm. (111) Das enghalsige Gefäss weist ntir eine horizontale Schulter-Decoration auf, aus gerade und wellenförmig geführten Rillen bestehend. Fig. 33. V4 Fig. 34. V. Schwärzlicher Topf mit convexera Boden (Fig. 34). Höhe 10 cm, Durch- messer der Mündung 14,5 cm, grösster Umfang 56 cm, Basis -Durchmesser 8 cm, Wandstärke 0,7 cm. Den oberen Theil des weitmundigen Topfes umzieht ein aus Wellenlinien und Rillen gebildetes Band, das durch ein auf die Spitze gestelltes Quadrat agraffenförmig in der Mitte zusammengehalten wird. Das Viereck enthält kleinere Quadrate, mit denen es einen gemeinsamen Mittelpunkt hat. Grabhügel Helenendorf Nr. 5. Ausstich -Bestattungsgrab. Der oben abgeflachte, 2 Fuss hohe, 30 Schritt im Umfang messende, auf ellip- tischer Basis angelegte Kurgan bestand aus gelbweissem Lehmsande mit Kalk- steinen untermengt. Von den benachbarten Grabhtigeln Nr. 4 und 7 war er 21, bezw. 56 Schritt entfernt gelegen. Ich Hess einen Brunnen von 13 Fuss Durchmesser ausheben. Selten habe ich so harte Erdmassen gefunden, wie in diesem Grabhügel: es war, als ob der Boden dereinst mit Wasser begossen und dann sorgsam festgestampft worden sei. An der Westseite sondirte ich ein Ausstichgrab, das mit etwas weniger zähem Lehm- sande gefüllt war. Der Ausstich hatte die Form eines länglichen Vierecks: Er maass 8 Fuss in der Länge und SVg Fuss in der Breite. Die Tiefe vom Kurgan- Rande bis zu dem mit Kies bestreuten Grunde des Grabes betrug 1,59 m. Von menschlichen Ueberresten fanden sich nur noch Bein-Röhrenknochen vor. An dem NW.-Rande des Grabes standen vier ganz gebrechliche, schwarz gebrannte, mit Incrustations-Ornament versehene Thon-Gefässe, die bei der Berührung zer- fielen. Auch mehrere Stücke Ocker lagen bei den Urnen. Die Richtung des Grabes war NW.-SO. (150°). Funde aus Grab Nr. 5: 4 Urnen, zerbrochen. (112) Grabhügel Helenendorf Nr. 6, enthaltend 2 Ausstich-Bestattungsgräber unter zahlreichen Deckplatten aus der Bronzezeit. Der nächste Grabhügel Nr. 4 war 80 Schritt entfernt gelegen. Man sah es der von aussen recht harmlos erscheinenden, gegen 3 Puss hohen und 54 Schritt im Umfang haltenden, auf kreisrunder Grundlage errichteten Aufschüttung wahrlich nicht an, was für ein colossales Stück Arbeit ihre Untersuchung kosten würde. Beim Abgraben der oberen Schicht aus gelbem Lehmsande kamen bald Hunderte von fest im harten Thonboden eingebetteten Kalksteinen in der Grösse von einem Puss Durchmesser und darüber zum Vorschein. Diese Steinmassen nahmen den vollen Umfang der Aufschüttung ein, so dass ich den erst durch die Mitte an- gelegten breiten Canal zu einem den ganzen Hügel aushöhlenden Brunnen er- weitern musste. Nachdem die Steine mit grosser Mühe entfernt worden waren, stiessen wir auf ein Lager von gewaltigen Felsplatten, bezw. Blöcken, 18 an der Zahl, die — sorgfältig neben- Fig. 35. Ansicht von oben. Skizze des mit 18 Plattten gedeckten Grabes Nr. 6, nach Entfernung der oberen Erdschicht. einandergefügt und zum Theil geglättet — den Zugang zur Tiefe versperrten (Pig. 35). Das Grab bot einen geradezu imposanten Anblick mit diesen stummen Zeu- gen einer vorhistorischen Riesen- arbeit. Ich maass Stein-Colosse von 11 Puss Länge, 5 Fuss Breite, und über 1 Puss Dicke. Zuerst wusste ich allerdings nicht, wie ich mit meinen hohl- wangigen kraftlosen Persern — die mich, angesichts des ihnen Bevorstehenden, ganz entsetzt an- starrten — es möglich machen sollte, diesen wuchtigen Grab- deckel zu lüften. Es ist dann aber doch fertig gebracht worden, namentlich auch dank der Findig- keit und dem energischen Ein- springen meines Gehilfen. Das Hemmniss war endlich glücklich überwunden, doch zu unserem Schrecken dräute unter einer wenige Zoll starken Sandschicht ein zweites Flattenlager, welches sich in der Folge jedoch als nicht so mächtig erwies und daher leichter bewältigt werden konnte. Erst am Mittag des zweiten Arbeitstages war der Zugang ins Innere freigelegt, und ich hatte bald mit der Sonde zwei, durch eine Erd-Zwischen- wand von 6 Fuss von einander getrennte grosse Ausstich-Gräber an der nordöst- lichen und südwestlichen Seite der Aufschüttung entdeckt. Beide waren mit gelbem Lehmsand gefüllt. Grab A an der nordöstlichen Seite des Kurgans Nr. 6. Der Ausstich war in Form eines Oblongs mit etwas abgerundeten Ecken an- gelegt. Die Länge betrug l^j^ Puss, die Breite SVa Puss, die Tiefe vom Kurgan- rande bis zum Grunde des Grabes 2,06 m. Die Richtung war N\V.-SO. (130°). (113) De/ Inhalt des Grabes bestand zunächst aus dem Skelet eines vermuthlich schon bejahrt gewesenen Mannes. Der zusammengekrümmte Oberkörper ruhte halb auf der linken Seite, der Kopf hing nach vorn, mit dem Gesicht nach SW. ge- wandt; die Hände stützten sich auf die Erde; die Beine waren gekreuzt. Der Todte trug als Zeichen seines hervorragenden Standes oder seiner Würde einen Bronzereif um die Stirn, analog dem Insassen des Grabes Helenendorf Nr. 19. Zu beiden Seiten des Kopfes hafteten ringartige Schmuckstücke; Kettenreste, an welchen Bronze-Rundtheile in Form von Medaillons hingen, fanden sich in der Leibgegend. Den linken Arm schmückten 3, den rechten 2 Reifen. Grosse und kleine Knöpfe, mit und ohne Email; Nadeln; grosse, runde Bleche mit Ausbuckelungen; Doppel- Spiralen in Brillenform; Pingerringe; Bruchstücke von kleinen Röhren und anderen Bronze -Arte facten, zum Theil noch mit daran haftenden vermoderten Holzfasern; ferner zahllose Perlen der mannichfaltigsten Art und andere Zierathe lagen um die Leiche herum. Die Metallsachen waren mit dicker, hellgrüner Oxydations-Schicht bedeckt und mehr oder -weniger verwittert. Ausser dieser reichen Ausstattung an Bronzen barg der Ausstich noch 10 schöne Thon-Gefässe, von denen 6 auf der nordwestlichen Schmalseite des Grabes, je eines zu beiden Seiten des Todten und zwei im Rücken desselben standen. In zweien dieser Töpfe waren Knochen von Hausthieren, namentlich vom Schaf. Funde aus Grab A: Wo nichts anderes angegeben, ist das Material Bronze. Nr. 1. Ein Stirnband, dem in Grab Nr. VJ ähnlich, nur von etwas grösserer Breite. Nr. 2. Zwei runde Bleche, beschädigt (Fig. 36a). Ein solches Blech hat bei 1 mm Stärke 10,5 cm im Durchmesser. 8 mm vom Rande der Scheibe entfernt, läuft ein ausgepresster Wulst herum. Innerhalb desselben, ungefähr 1 cm von ihm abstehend, befinden sich auf der Scheibe vier ausgepresste Buckel von 9 mm Durch- messer, die — zum Theil mit einem Löchlein versehen — die Eckpunkte eines fast quadratisch geformten Vierecks einnehmen. Der eine dieser Buckel ist kranz- artig von einem 2,5 C7ji im Durchmesser haltenden Wulst umgeben, an dessen Aussenrande in gleichem Abstand vom grossen Randwulste zwei kreisrunde OefT- nungen von 7 mnt Durchmesser so ausgeschnitten sind, dass sie mit dem kranz- umschlossenen Buckel eine gerade Linie bilden. Die Bleche lagen aufeinander in der Magengegend des Bestatteten. Welchem Zwecke sie gedient haben können, vermag ich nicht zu sagen. Vielleicht waren sie auch Abzeichen einer Würde. I Nr. 3 a — e. 5 Armreifen: a) ein offener Reif, grösste Weite 6,5 cm; im Querschnitt kreisförmig; b) und c) zwei offene Reifen, grösste Weite 6,2 cm; im Querschnitt D-förmig; d) ein offener Reif, grösste Weite 6,5 ein; elliptisch; e) ein offener Reif, grösste Weite 6,7 cm; im Querschnitt oblong. Der Reif verjüngt sich nach den Enden hin etwas und ist auf der Aussenseite mit horizontal laufenden Rillen verziert. Nr. 4. Gewölbtes rundes Blech mit abgeflachtem Rande. Der Deckel hat unten eine Oehse zum Durchziehen einer Schnur. Der Niet der Oehse geht durchs Blech und bildet oben einen flachen Knauf. Durchmesser des Stückes 9 cjit. Nr. 5. Zwei paar Schläfenringe (Fig. BC)b). Ein solches Artefact besteht aus einem dünnen offenen Reifen, der — in Form einer Ellipse gebogen — an einem Ende sich verjüngend in schlangenartigen Windungen in der Richtung der Verhaiicll. der Berl. Anthropol. Gesellschaft 1901. 8 (114) Längenachse der Ellipse sich bis zum gegenüberliegenden Ringtheile fortsetzt. Die Bronzen sind von verschiedener Grösse. Ihre Maasse sind folgende: grösste Weite 5, bezw. 4,2 cm. Stärke 4, bezw. .3 mm. Ausser diesen heil herausbekommenen sind noch Theile solcher Schmuck-Stücke vorhanden. Im Ganzen werden wohl drei Paar Ringe mit ins Grab gegeben worden sein. Ich habe die interessanten Zierathe, denen ich zum ersten Mal in den Gräbern des Elisabethpolischen Gouvernements begegnet bin, „Schläfenringe" benannt, weil ich sie von den Schläfen des Verstorbenen abgehoben habe. Da ich mich übrigens entsann, ähnliche Bronzen schon abgebildet gesehen zu haben, so blätterte ich in den Berichten der Kaiserl. Commission und fand, dass Hr. Graf Bobrinski im Jahre 1891 bei „Redkin-Lager" derartige Stücke einem Kistengrabe entnommen hat. Nr. 6. Zwei Medaillons, ein grosses und ein kleineres, den in Grab Nr. 18c unter Nr. 3 u. 4 aufgeführten gleichend. An dem stark vom Rost zerfressenen grösseren Stück fehlte das Oehr zum Anhängen. Die Durchmesser der Medaillons betragen 7, bezw. 5 cw, die Stärke 2, bezw, 1,5 mm. An der Seite des grossen Medaillons, mit welcher es auf der Brust des Bestatteten gelegen, hafteten noch vermoderte Reste einer, anscheinend seidenen, Gewandung. Nr. 7. Ein knopfartiger gewölbter Deckel (Fig. 36c) mit erhabenem, durch Einschnitte verziertem Rande. Unten ist der Deckel mit einer harten schwarzen Masse ausgefüllt und mit einer Oehse versehen. Der Durchmesser beträgt 5 cm, die Höhe 1,8 cm. Nr. 8. Kleiner massiver Gegenstand in der Form eines oben zu- sammengedrückten Trichterchens mit noch schwach gewölbten Wänden (Fig. 36 d). Der breite, an beiden Seiten in je einen horizontal gelochten ohren- artigen Ansatz auslaufende Obertheil hat drei kleine vertical gebohrte Löcher, von denen die beiden den Ohren- Ansätzen zunächst gelegenen nur etwa 1 cm tief ge- führt sind, während das mittlere Bohrloch — sich nach unten hin konisch er- weiternd — durch den ganzen Körper des Stückes läuft. Es scheint, als ob dies Artefact ein Musik -Instrument vorgestellt hat. Wenn man scharf in die Löcher hineinbläst, so giebt es einen pftffähnlichen Ton von sich. Die Länge des In- struments beträgt 3 cm, die grösste Breite 4 cm, die grösste Weite 0,9 cm. Nr. 9. Ein grosser gewölbter Knopf, durch zwei mit dem Rande parallel laufende Rillen verziert, unten hohl und mit Oehr versehen. Durchmesser 4,3 cm, Stärke "2 mm. Nr. 10. Desgl., nur flacher und etwas kleiner. Durchmesser 4 cm. Stärke 2 mm. ifr. 11. Desgl., mit gelbem Email gefüllt. Durchmesser 3,4 cm, Stärke 1 mm. - Nr. 12. Eine Doppel-Spirale in Brillenform aus rundem, 3 mm starkem Draht (Fig. 36 e). Grösste Breite 6,5 cm, Höhe ^,>^ cm. Nr. 13. Zwei flache dünne, nach der Mitte stärker werdende Bleche in Halbmondform (Helmzier?) mit einem senkrecht laufenden Bohrloch in der Mitte, wahrscheinlich um das Blech auf einen Stift aufzusetzen (Fig. Bö/). Grösste Weite 4,3 cm. Stärke 3 mm. Nr. 14. Ein glatter offener Reif mit nach aussen umgelegten, schmaler werdenden Enden. Im Querschnitt oblong. Grösste Weite 7 cm. Stärke 1 mm. Nr. 15. Eine Nadel (Fig. 3G.7). Länge 11,5 cw. Stärke 3 mm. Das untere, 2,3 cm lange Ende der Nadel besteht aus vier perlenartig aneinandergereihten Gliederchen, oberhalb welcher die Bronze sich abplattet und ungefähr die Form (115) einer Raute annimmt, um alsdann in die langgestreckte Spitze überzugehen. In der Mitte der breitesten Stelle sitzt das Oohr. Nr. 16. Ein vierkantiger Pfriemen. Länge 7,5 o/h, grösste Stärke 4 mm. Nr. 17. Ein flacher runder knopfartiger Gegenstand, innen hohl und mit zwei Oehsen versehen. Auf der Innenseite ist nahe dem Rande ein kurzes Stäbchen angelöthet. Durchmesser 5 cm. Nr. 18. Ein offener Ring mit übereinanderfassenden, sich verjüngenden Enden. Im Querschnitt kreisförmig. Grösste Weite 4,5 cm. Stärke 4 mm. Nr. 19. Sieben Fingerringe. Vier davon sind offen und drei mit über- einanderfassenden, sich verjüngenden Enden. Die Form im Querdurchschnitt 8* (116) ist bei sechs Reifen die eines Kreises, und bei einem die eines Oblongs. Die grösste "Weite variirt zwischen 1,5 und 2 cm, die Stärke variirt zwischen 2 und 3 cm. Nr. 20. Stücke von cylindrisch geformten kleinen Röhren mit über- einanderfassenden Rändern. Die Länge der wieder zusammengesetzten Röhren bewegt sich zwischen 2 u. 3,5 cm. Der Durchmesser beträgt 7 mm. Nr. 21. 13 mittlere und 32 kleine gewölbte Knöpfe (Fig. 37s, t\ meistens mit Email gefüllt und unten mit Querriegel versehen. Der Durchmesser beträgt 8 mm bis 1 cm. Nr. 22. 422 Perlen, und zwar: A. aus Bronze: 24 grössere glatte Röhren-Perlen, 26 mittlere, mit kleinen Zierbuckeln versehene (Fig. 37//) und 31 kleine gerillte (Fig. 37 i). B. aus Stein, Anthracit(?) und Knochen. Wo ich das Material nicht anders bezeichne, ist es Stein. 3 grosse Knochen-Perlen in Sanduhr-Form mit kraterähnlichen Bohrlöchern an beiden Seiten (Fig. %lk). 44 grössere und mittlere Perlen von grüner, gelber und weisser Farbe (Fig. 37 Z). Die Perlen sind an den Polen stark abgeplattet und haben ein Bohrloch von 6 mm Durchmesser. © Die Masse ist oft sehr bröcklig und mit dem Messer leicht abzuschaben. 5 mittlere glänzend schwarze Röhren-Perlen aus Anthracit (?) (Fig. 37 m), 3 mittlere weisse Röhren-Perlen, 1 mittlere gelbbraune, mit 5 Buckeln verziert (Fig. 37/?), 1 mittlere gelbe, mit Strichen verziert (Fig. 37 o), 1 mittlere graue in Fassform, 1 kleine weisse Röhren-Perle mit Strich -Verzierung, 1 kleine gelbe Röhren-Perle mit Strich- Verzierung (Fig. 37??)? 4 kleine weisse Röhren-Perlen, 4 kleine weisse fassartige Perlen, G kleine, flache, graue Perlen, 2 kleine blaue Röhren-Perlen mit Strich- Ornament (Fig. 37 g), 41 kleine blaue glatte Röhren-Perlen (Fig. 37 r). C. aus Carneol: 49 mittlere und 175 kleine Perlen, mit wenigen Ausnahmen flachrund oder röhren artig geformt. Dazu eine durch flachen Schnitt geöffnete Muschel. Nr. 23. Zehn Urnen, davon 6 heil. Urnen aus Grab Nr. 6A. Henkellose Urne aus glänzend schwarzem Material, mit concavem Boden; enthielt viele Knochen kleiner Thiere (Fig. 38). Höhe 12 cm, Durch- messer der Mündung 17 cm, grösster Umfang 70 cm, Boden -Durchmesser 7,8 cm, Wandstärke 6 mm. Das schön erhaltene Gefäss ist gut gebrannt, mit etwas schräg (117) nach oben abstehendem Rande. Die in der Skizze reproducirte Urnenhälfte ent- hält als Ornament die Figur eines menschenähnlichen Individuums. Der vom vorhistorischen Künstler im Profil ge- p^o. 3g zeichnete kleine Kopf hat die Form eines Dreiecks. Der Hals ist dünn und gestreckt. Der Oberkörper ist unver- hältnissmässig lang. Die kurzen Beine sind durch dreieckförmige Stümpfe angedeutet. Die wie zum Gebet er- hobenen Arme laufen ohne Handflächen unvermittelt in je drei krallenartige Finger aus. Die Umrisse der Gestalt sind durch besonders kräftig ausge- stochene Linien markirt. Der Rumpf ist mit einem Füll-Ornament von kleinen runden Löchern versehen. Diese Ver- zierung setzt sich auch zu beiden Seiten der Arme und des Halses fort. Links neben der menschlichen Figur befindet sich eine geometrische Decoration. Dieselbe baut sich auf einem sich in der Mitte schräg kreuzenden Linienpaar auf. Zur Rechten und Linken der so gebildeten Rautenfigur schliessen sich zwei gleichseitige Dreiecke an, oberhalb und unterhalb derselben je ein breites sparrenförmiges Band. Der Rhombus enthält als Ornament eine Thier-Figur: eine Schildkröte oder etwas Aehnliches. Die doppelcontourirten Dreiecke sind mit senkrechten, keilartigen Ausschnitten verziert; die Bänder tragen Loch-Ornament. Auf der Rückseite des Topfes wiederholt sich die Darstellung des Beters, das geometrische Ornament kommt dort jedoch nur in unvollkommener Weise zum Ausdruck. Sämmtliches Tief- Ornament des Gefässes ist mit weisser Incrustationsmasse ausgefüllt. Incrustirte Urne aus glänzend braunem Material, mit flachem Boden (Fig. ;39). Höhe 10 cm, Durchmesser der Mündung 15,5 cm, grösster Umfang 60 cm, Flor. 39. Boden -Durchmesser 6,5 cm, Wandstärke 7 mm. Die Decoration stellt vielleicht eine Jagdscene dar; die menschliche Figur, deren Rumpf durch zwei mit den (118) Spitzen gegeneinandergerichtete Dreiecke gebildet wird, hat aul langem Halse einen durch einen kleinen Kreis angedeuteten Kopf. Die Gestalt ist anscheinend im Laufe dargestellt, wie sie auf vier, die Füsse markirenden Stümpfen einem ge- hörnten Thiere zustelzt. Das Füll -Ornament ist in der menschlichen sowohl, als auch in der Thier-Figur dasselbe, wie bei der vorbeschriebenen Urne. Unter dem schmalen Rande ist ein Rillen -Wellenornament in Unterbrechungen angebracht, welches, falls zur Scene gehörig, möglicher "Weise einen Strick (Lasso?) vorstellt, mit dem der Mann das Thier zu fangen trachtet. — Schale aus dunkelbraun glänzendem Material, mit flachem Boden (Fig. 40). Höhe 9,5 cm, Durchmesser der Mündung 16,5 cm, grösster Umfang 55 ciUy Fis:. 40. Boden -Durchmesser 5,5 cm, Wandstärke 0,7 cm. In dieser Urne lagen einige Bronze-Perlen und ein Schildkröten-Skelet. Auf dieser Urne sind durch einen Menschen angetriebene gehörnte Vierfüssler zur Darstellung gelangt. Fig. 41. Skizze des geöffneten Grabes A in Grabhügel Nr. 6. (119) Grab B, an der südwestlichen Seite des Grabhügels Nr. 6. Der in seiner Anlageform dem benachbarten Grabe A gleichende, aber viel umfangreichere Ausstich raaass in der Länge 3 m. und in der Breite '2 m. Die Tiefe vom Kurgan-Rande bis zu den Deckplatten, bezw. bis zum Grunde des Grabes betrug 7 1 , bezw. 226 cm. Die Grube enthielt ein grosses männliches Skelet in Rücken- lage. Die Füsse waren ausgestreckt, die Hände lagen am Rumpfe, der Kopf ruhte auf der Seite, mit dem Gesicht nach SW. gewandt. Die Richtung der Leiche war NW. (Kopf) — SW. (Füsse), 130°. Rechts neben dem Bestatteten fand ich zwei Obsidian -Pfeilspitzen und einen Bronze-Pfriemen; zu Häupten standen 7 schön verzierte Urnen und am rechten Oberarm ein Topf, dessen Inhalt aus Aschenerde, Schaf- und Geflügel-Knochen bestand. Funde aus Grab B: Nr. 1. Ein Bronze-Pfriemen der gewöhnlichen Form. Nr. 2. Zwei scharfgezähnte Pfeilspitzen aus grauem Obsidian. Länge 4,2, bezw. 3,6 cm, grösste Breite 1,7 cm, Stärke 3 mm. Nr. 3. Acht Urnen, davon 4 heil. Urnen aus Grab Nr. 6B. Urne aus festem schwarzem Material, mit einem Knubben (Fig. 42a). Höhe 21 cm, Durchmesser der Mündung 10 cm, grösster Umfang .s4 cw, Basis- Durchmesser 9,5 cm, Wandstärke 0,7 cm. Das prächtige, wohlconservirte, auf ver- Fig. 42/!'. Fiff. 42 a Fig. 42 rf. Figuren-Ornament auf der anderen Seite der Urne. hältnissmässig kleiner ebener Standfläche ruhende Gefäss ist weitbauchig, mit kurzem, engem, etwas eingezogenem Halse und zurückgelegtem Rande. Anstatt des Henkels sitzt in der Schulter-Gegend ein oben flacher, runder, mit Strich- und (J20) Loch-Ornament verzierter Knauf-Ansatz. Unter dem Halse läuft ein zur Hälfte mit Winkelhaken und zur Hälfte mit grätenartigen Schrägstrichen besetztes Band herum. Etwas weiter unten, in der Oberbauchgegend, folgt ein breiterer Bandstreifen, be- stehend aus vier, in geringem Abstand von einander angebrachten Rillen, deren oberste und unterste von je einem Flecht- Ornament aus länglichen Maschen be- grenzt sind. Der Bandstreifen wird an zwei gegenüberliegenden Stellen der Urne durch ein Ornament unterbrochen, das — aus zwei concentrischen, doppelt um- rissehen Kreisen bestehend — in der Art einer Agraffe oder Schnalle das Rillen- band zusammenfasst. Diese scheibenartige Kreis- Verzierung bildet anscheinend den Kopf einer en face dargestellten phantastischen, bis in die Unterbauchgegend der Urne hinabreichenden Götzen (?)- Figur. Der Hals derselben ist lang und dünn. Ueber den Schultern sitzt je eine kleine Kreisdecoration. Der unproportionirt ge- staltete eckige Rumpf hat — wenn die betreffenden Stümpfe eine solche Deutung zulassen — zwei Paar Arme untereinander. Bei der einen, auf dem Gefäss abge- bildeten Figur hangen die beiden (vom Beschauer aus gerechnet) linken nach unten, während die beiden rechten nach oben zeigen. Zwischen den im Knie rechtwinklig gebogenen Beinen hängt — gleichsam als schwanzartige Verlängerung des Rückgrats — eine dreizinkige Gabel herunter. Bei der anf der entgegen- gesetzten Seite des Gefässes angebrachten Figur ist die Haltung der Doppelarme umgekehrt: das Linkspaar weist nach oben und das Rechtspaar nach unten. Ausser dem Kreis-Ornament über den Schultern findet sich bei dieser Figur an den Umrissen stellenweise noch ausgestichelte Punktverzierung vor. Eine dritte, in den unteren Theilen augenscheinlich wiegen Platzmangels nicht ganz vollendete, ähnliche Darstellung ist am Unterbauch des Topfes zwischen den beiden anderen placirt. Hier ist zur Abwechslung das obere Armpaar wie betend erhoben, das untere abwärts gerichtet. Das Schulter- Ornament sowie der Centrum -Kreis im Scheiben-Kopf fehlen hier. Sämmtliche Verzierungen auf der Urne sind kräftig eingeschnitten, jedoch ohne Incrustation; nur die auf dem Knauf befindlichen haben ein Füllsel aus weisser Masse. — Grosse Urne aus braunem, steinhart gebranntem glänzendem Material, mit flachem Henkelknauf unter dem engen Halse und etwas convex geformtem Boden (au die Artschadsorer Gefässe erinnernd). Höhe 24 cm, Durchmesser der Mündung 9 cm, grösster Umfang ^-^:^^-^^ dort fand sich ein grosser Stein- 4~Vr^^^^^^§r^ kern im Innern und inmitten r\\;:^:--%v>JtfVi y'--^ desselben verwitterte Pfahlreste,. ^!\ÖjÄ\|if^.?J' ( J Leichenbrand und unter dem ^.^ ^^\V>lrV^;7 Steinhaufen ein gelbrother, zäher r J ^^^^^iii^-f"^ Grund. Auch Grabhügel Cho- /^~^ dshali Nr. 10 bot gleiche Erschei- ^^ /£=% — nungen. Damals dachte ich frei- C_y *^-^-^^ lieh nicht daran, dass die Holz- ^ , , .. 1 -KT o stücke, die ich als durch Zufall Skizze des grossen Grabhügels JNr. S . ,- oi. ■ o u-^^ ^, v,;.,«^., . , ., , 1 TT n • in die Stein-Schuttungen hinein- mit dem ihu umgebenden Kranze von kleinen. ,,,-,/-, gerathen wähnte, bei der Con- struction der Beisetzungs-Stätten eine ähnliche Rolle gespielt haben könnten, wie eine solche den im vorliegenden Trichter-Grabe gefundenen Balken zuertheilt ge wesen ist. Nun fragt man sich unwillkürlich: wozu sind die Pfähle in dem (129) Rollstein -Krater angebracht worden? Sollten sie diesem etwa als Stütze dienen, oder wäre der Ceder, die hier zu Lande unter der Bezeichnung des „unvergäng- lichen Baumes" bekannt ist, gleich dem Keilstein vielleicht eine symbolische Be- deutung beizumessen? Es dürfte übrigens wohl von Interesse sein, zu erfahren, ob dieser eigenthümliche prähistorische Bestattungs-Modus nur in Transkaukasien vorkommt, oder ob derselbe in anderen Gegenden gleichfalls beobachtet worden ist. Fig. 48. Der Kurean Nr. 8 im Profil-Durchschnitt. H. Humus, L. Lehm, R. Rollsteine, B. Bluterde, G. Grab (Trichter). Fig. 49. Grundriss des geöffneten Grabes Nr. 8. A. Ausstich, T. B. Tiefer Brunnen, G. Grab, B. Blutboden, R. Rollstein-Schüttung. Nach beendigter Untersuchung des Haupt-Kurgans ging ich an die Erforschung einiger anderer Gräber in seiner Nachbarschaft. Hügelgrab Helenendorf Nr. 9. Ausstich-Bestattungsgrab unter einer Platte aus der Bronzezeit. Von Nr. 8 war die Grabstätte 38 Schritt in südöstlicher Richtung entfernt am Wege gelegen. Aus der durch die Einwirkung des Pfluges schon fast ganz ver- wischten, vermuthlich auf runder Basis errichteten Aufschüttung ragten zwei grosse Steine hervor, die ein Grab anzudeuten schienen. Beim Nachgraben stiess ich auf eine Platte aus schwarzem granitartigem Stein, die von einem Kranze kleiner Verhaiull. der BerJ. Antliropol. Gesellschaft 1901. 9 (130) Fels-Trümmer am Rande getragen wurde. Die Länge der Platten betrug 4 Fuss, die Breite SVg Fuss, die Dicke 1 Fuss, die Tiefe vom Erdrande bis zum harten Grunde des Grabes 2 cm. Das Grab barg 1 Skelet in hier noch nicht beobachteter Position: es ruhte nehmlich umgekehrt in gestreckter Bauchlage — das Gesicht nach unten gerichtet — auf der Erde. Die gebogenen Arme waren vom Körper nach beiden Seiten weggestreckt, und jede Hand fasste in eine in der Schulter-Gegend stehende Urne, die mit Knochen von kleinen Thieren und Aschenerde gefüllt war. An jedem Arme sass ein Reif, und an jeder Hand befanden sich 3 Ringe, davon je zwei auf dem Zeige- und einer auf dem kleinen Pinger. Im Bereich des Halses sammelte ich viele Carneol-Perlen; an der rechten Brustseite lag eine Nadel, und zu Häupten des Todten 2 schaienartige incrustirte Gefässe. Die Richtung der Leiche war SW. (Kopf) — NO. (Füsse). Funde aus Grab Nr. 9: Nr. \. 2 glatte Bronze-Armreifen mit sehr starker hellgrüner Oxydations- schicht. Die Reifen sind an den spitz laufenden Enden offen. Die grösste Weite beträgt je 6 cm. Im Querschnitt sind sie D- förmig. 6 Bronze-Fingerringe. 1 Bronze-Nadel. Unten ist sie umgelegt, wodurch das Oehr ge- bildet wird. Länge 10 cm; grösste Stärke 4 uun. Viele Carneol-Perlen von gew^öhnlicher Form. 4 Urnen aus gelblichem Material; davon zwei mit und zwei ohne Incrustations-Ornament. Nr Nr Nr. 4 Nr. 5 Urnen und Ornamente darauf aus Grab Nr. 9. Henkellose Urne aus gelblichgrauem Thon, mit etwas concav ge- formter Basis (Fig. 50). Höhe 11,5 c/«, Mündungs- Durchmesser 15 c/«, grösster Umfang 59,5 c/», Basis-Durchmesser ^'-- •">''• 7 c/«, Wandstärke 0,6 cm. Unter der weiten Mündung ist ein kranzartiges Ornament aus Hirse -Körnern an- gebracht. Weiter unten folgt eine Rille, an die sich grosse Zickzacke schliessen. Die so entstandenen Dreieck -Figuren enthalten je ein zweites Dreieck, welches — mit seinen Ecken die Seiten des grossen berührend — mit der Spitze nach oben gerichtet ist. Das FüU-Orna- ment der grossen Dreiecke sind Schrägstriche. — Das Ornament auf einer an- deren Urne besteht aus einem un- defiairbaren Ungeheuer mit Eiephanten-Füssen und Glotzaugen. Vor ihm ist ein Kriechthier, anscheinend eine Arachnide abgebildet. — Flache Schale aus gelblichem Thon, mit etwas concav geformter Basis, ohne Ornament. Höhe 6 cm, Durchmesser der Mündung 20 c/«, Durch- messer der Basis 7 c///, Wandstärke 5 mm. (131) Hügelgrab Helenendorf Nr. 10. Ausstich- Bestattungsgrab ohne Deckplatten; aus der Bronzezeit, Von den benachbarten Kurganen Nr. 8 u. Nr. 12 war der Hügel 152, bezw. 372 Schritt entfernt gelegen. Die schwachgewölbte, aus gelbem Lehmsande und Feldsteinen errichtete Aufschüttung hatte bei runder Basis 40 Schritt im Umfang. Der Durchstich erfolgte in der Richtung WSW.-ONO. in einer Länge von 23 Puss und einer Breite von 147« Fuss. An der südöstlichen Seite des Hügels fand ich ein Ausstichgrab in der Form eines Oblongs. Es mass 2,6 m in der Länge, 2 m in der Breite und 2 /// in der Tiefe, vom Rande der Hügeloberfläche bis zum Grunde gerechnet. An menschlichen Ueberbleibseln wurden 2 Skelette ausgegraben. Auf der östlichen Seite der Grube befanden sich die Reste eines anscheinend kräftigen Mannes. Der Körper ruhte auf der rechten Seite; die Beine waren gegen den Leib gezogen, das linke (obere) mehr als das rechte gekrümmt. Die Hände lagen nach vorn weggestreckt; der Schädel fehlte. Ich fand ihn mehrere Fuss w^eit vom Rumpfe entfernt an der nordwestlichen Seite des Grabes in einer kleinen nischenartigen Vertiefung der harten Lehmwand, auf dem Oberkiefer stehend, mit nach SSW. gerichteten Augenhöhlen. Am Kopfe hafteten viele Carneol- und Thon-Perlen; neben ihm lag das Fragment eines Bronze-Ringes. Der narben- reiche Schädel war ohne Unterkiefer. Dieser, gleichfalls tüchtig zerhackt, lag auf einer Urne, die auf den linken Hüftknochen des Todten gestellt war. In der Hals- gegend stand eine mit der Oeffnung nach unten zeigende Thonschale. Vor dem gekrümmt liegenden, etwas weiter nach der Westseite des Grabes zu, hockte das andere Skelett mit gekreuzten Beinen und vorn übergeneigtem Ober- körper. Der nach SSO. gerichtete, auf die Brust gesenkte Kopf des Hockers war auch stark zerhauen und ebenfalls ohne Unterkiefer. Die Hände stützten sich neben dem Rumpfe auf die Erde. Ein Finger der linken Hand trug einen Bronze- ring. Zwischen den Schenkeln stand ein Krug, ein zweiter vor der Leiche mit nach oben gekehrtem Boden. Auf diesem Topfe lag der Unterkiefer des Hockers. Die ganze südwestliche Seite des Ausstichs wurde von Urnen eingenommen, von denen s Krüge und 9 schalenartige Gefässe noch so ziemlich erhalten waren; nach der Mitte zu aber deckte ich ein ganzes Chaos von zerfallenen Töpfen aus grobem, schwach gebranntem braunem, grauem und schwärzlichem Material auf, die — zum Theil unten von Russ geschwärzt — mit Aschenerde und den Ueber- bleibseln von Schaf, Hund, kleinen Vierfüsslern und Vögeln angefüllt waren. An der Südostseite lag das ganze Skelet eines Schafes; in der Nordwestecke fand ich Knochenreste von einem jungen . Rinde. Die Richtung des Grabes war NO.-SW. (37°). In Bezug auf die sonderbare Erscheinung der isolirt placirten Unterkiefer beider Skelette bemerke ich noch, dass hier nicht etwa ein Irrthum meinerseits vorliegt. Bei der von mir, wie immer, persönlich und sorgfältig vorgenommenen Ausräumung des Grabes haben wir zu dritt — meine Frau, m.ein Gehilfe und ich — die Situation ganz genau geprüft und alle denkbaren Eventualitäten einer möglichen Verschiebung der Skelettheile im Laufe der seit der Bestattung ver- strichenen langen Zeit ins Auge gefasst; doch alle Erwägungen führten zu der Ueberzeugung, dass hier factisch und wohl absichtlich den betreffenden Kopftheilen besondere Ruheplätze angewiesen worden sind. Angesichts der vielen Narben an den Schädeln der Beigesetzten möchte man annehmen, dass ihnen die Unterkiefer im Kampfe, der ihr Ende herbeigeführt zu haben scheint, abgehauen worden waren, oder dass sie bei der Bestattung losgelöst und auf die mit Esswaaren reichlich (132) gefüllten Urnen gelegt worden sind, vielleicht, um den erschlagenen Feinden die Möglichkeit zu nehmen, sich der für die grossen Jagdgründe ins Grab mitgegebenen Wegzehrang bedienen zu können. Funde aus Grab Nr. 10. Nr. 1, Fragment eines dünnen, oval geformten Bronze-Ringes. Im Querschnitt kreisrund. Nr. 2. 129 Perlen und zwar: 37 mittlere und 89 kleine aus fleckigem Carneol, grob geschnitten; 2 kleine weisse Steinperlen in Sternform und 1 Bronze- Perle. Nr. 3. Ein Bronze-Fingerring. Nr. 4. Urnen, mit den zerbrochenen wohl gegen 30, davon 17 heil oder wenig beschädigt. Urnen aus Hügelgrab Nr. 10. Der enghalsige Topf (Fig. 51) trägt als einziges Ornament in der oberen Bauchgegend ein breites, oben und unten durch eine Rille eingefasstes Horizontal- Band, welches mit vielen vertical laufenden, dreifach gebrochenen Zickzack-Streifen ausgefüllt tst, die ihrerseits wieder durch tief ausgestochene Löchlein verziert sind. — In der Schulter- Gegend des weitmundigen Töpfchens (Fig. 52) sind 2 horizontale Rillen in geringem Abstände von einander angebracht, darunter 2 aus ausgestochenen Löchern sich zusammensetzende, parallel laufende Zickzack -Linien. Unter dem Fiff. 51. Gefässrande sitzen schräggeführte derbe Kerb-Ein schnitte. Die Haupt-Verzierung besteht aus einem dreizeiligen Zickzack-Band in der Schulter-Gegend. Das Ornament auf den Gefässen in Grab Nr. 10 besteht vorzugsweise aus Kreis- oder senkrecht geführten Zickzack-Fguren, die mit ausgestichelten Punkten (133) und Kreisen ausgefüllt sind. So fand ich hauptsächlich die Gefässe in Knigform verziert. Auf den schalenartigen Töpfen kommt ausserdem auch Rillen-Ornament vor: gewöhnlich sind 2 Rillen unter dem Gefäss-Rande angebracht und darunter wagerecht geführte, doppeltcontourirte Zickzack-Linien, deren Umrisse mit ausge- stichelten Tupfen besetzt sind. Die Urnen waren, mit Ausnahme einer einzigen, nur geringen Umfangs, ohne Henkel und mit kleinem flachem Boden. Die Höhe der Schalen bewegte sich zwischen 9 u. 10 cm, der Mündungs- Durchmesser zwischen 14 u. 18 cm, der grösste Umfang zwischen 53 u. 66 cm, der Boden-Durchmesser zwischen 7 u. 1» cm und die Stärke der Wandung zwischen 6 u. 8 7nm. Die Höhe der Krüge bewegte sich zwischen 13 u. 21 cm, der Mündungs- Durchmesser zwischen 9 u. 10,3 cm, der grösste Umfang zw^ischen 49 u. 63 cm, der Boden-Durchmesser zwischen 8 u. 9,5 cm, die Stärke der Wandung zwischen 5 u. 7 tum. Hügelgrab Helenendorf Nr. 11. Ausstich-Bestattungsgrab ohne Deckplatten. Der 2 Fuss hohe, oben flache Hügel liegt 50 Schritt links vom Wege ab. Seine Entfernung von den nächsten Grabhügeln Nr. 13 u. Nr. 12 betrug 24 Schritt in nordöstlicher bezw. ISO Schritte in südöstlicher Richtung. Der Umfang der aus gelbem Lehmsand und wenigen Feldsteinen auf ovaler Basis construirten Auf- schüttung maass 25 Schritt. Der Hügel wurde mittels Brunnen-Ausschachtung von 5,1 m Durchmesser untersucht. Es enthielt ein mit weissem lockerem Sande gefülltes Ausstichgrab in oblonger Form, dessen Maasse sich wie folgt ergaben: Länge 7 Fuss, Breite S^/^; Tiefe vom Kurgan-Rande bis zum Grunde des Grabes 2,5 m. An der südöstlichen Seite lagen auf dem harten Lehragrunde sehr morsche Knochen und Scherben dick- wandiger gehenkelter ornamentloser Gefässe aus röthlichgrauem Thon. Die Richtung des Grabes war NW.-SO. (150°). Hügelgrab Helenendorf Nr. 12. Ausstich-Bestattungsgrab ohne Deckplatten. Der P/a Fuss hohe, oben durch den Pflug abgeflachle, aus gelbem Lehmsand aufgeführte Hügel hatte bei runder Basis 25 Schritt Umfang. Seine Entfernung von dem nächsten Kurgan Nr. 13 betrug 170 Schritt in nordwestlicher Richtung. Die Untersuchung wurde mittelst Brunnen -Ausschachtung im Durchmesser von 3,5 m bewerkstelligt. Das Grab bestand aus einem grossen viereckigen, mit gelbem Lehmsande gefüllten Ausstich aus dem schneeweissen, äusserst harten Thonboden. Die Maasse des Grabes notirte ich, wie folgt: Länge 3 m. Breite 2 ?«, Tiefe vom Rande der Aufschüttung bis zum Grunde 2 m. In den oberen Schichten des Füllsandes kamen uns viele Scherben von grossen, 1 cm starken Thongefässen mit schwarzglasirter Oberfläche auf die Schaufel. Bei tieferem Eindringen fand ich auch ganze Urnen, doch waren sie grösstentheils in einer recht gebrechlichen Verfassung. In drei Etagen waren die Töpfe an der NW.-Seite des Grabes in- und übereinandergestellt. Dort, hart an den Wänden des Ausstichs, standen zwischen schönen ijicrustirten Urnen drei Gefässe mit gussartigen Ansätzen. Inh habe derartige originelle keramische Erzeugnisse bisher noch nicht gefunden, erinnere mich auch nicht, solche je gesehen zu haben. Zum Unglück aber waren sie mit dem Kiessande des Grundes und dem Thon der Grab- (134) wände im Verlauf der Jahrhunderte so innig verwachsen, dass sie damit fast nur noch eine einzige feste Masse bildeten. Ich gab mir die grösste Mühe, die seltenen Stücke unversehrt herauszuschälen. Nach anderthalbstündiger harter Arbeit war es mir endlich gelungen, eine dieser Urnen heil ans Tageslicht zu fördern; allein die trockene frische Luft bewirkte, dass das Artefact nach kurzer Zeit in sich zu- sammenfiel. Beim Ausräumen der südöstlichen Seite des Grabes stiess ich auf ein Häuflein Beinknochen; dabei standen zwei flache thönerne Schalen mit Randstreifen-Ornament: eine aus röthlichem, die andere aus schwärzlichem Material. Nach der südlichen Ecke zu lag das Skelet eines Vierfüsslers. Der mit gewaltigen Hauern bewehrte Kopf verrieth die Abstammung des Thieres aus dem Geschlechte der Grunzer. Metall - Beigaben enthielt das Grab keine. Die Richtung des Ausstichs war NW.-SO. (130°). Die überaus reiche Ausstattung des Grabes Nr. 12 an Urnen — im Ganzen wohl gegen 50, von denen jedoch nur 21 noch ziemlich erhalten waren bezw. geleimt werden konnten — ruft besonderes Interesse wach. Alle möglichen Arten von Gelassen waren in verschiedenen Grössen vertreten: flache Schalen, Töpfe, Krüge, Terrinen und kürbisartig gestaltete, ein- und zwei- fach gehenkelte, ungehenkelte, mit Knöpfen und Knubben versehene, wurden aus der schier unerschöpflichen Grube herausgekratzt. Ebenso mannichfaltig, wie die Form der Gefässe, war auch ihre Farbe: es gab da Töpfe von gelblicher, bräunlicher, röthlicher, grauer, tiefschwarzer und anderer Färbung. Nicht weniger reichhaltig war auch die zeichnerische Ausschmückung der Urnen, welche sich aus wunderlichen und phantastischen Motiven und Figuren zu- sammensetzte. Zur Veranschaulichung sind einige der interessanteren Töpfe ab- gebildet und näher besprochen. — Urnen und Ornamente auf solchen aus Grab Nc. 12. Urne aus grauem Thon mit flachem Boden (unten geschwärzt). Höhe 15,.5 cm, Mündungs-Durchmesser 1 1,-5 cm, grösster Umfang 59,5 cm, Basis-Durchmesser 8 cm, Wandstärke 0,9 cm. Die Schulter setzt sich vom ausladenden Halse durch eine kräftig gezogene Rille ab, worunter zwei parallel laufende Lochreihen folgen. In der Oberbauchgegend ist das Gefäss von einem breiten Zickzackband umzogen, dessen Contouren mit ausgestochenen Löchern besetzt sind. — Urne in Terrinen-Form (Fig. 53). Höhe 15,5 cm, Mündungs- Durchmesser 20 cm, Boden -Durchmesser 15 cm, Wandstärke 1,2 c/«, Stärke des Bodens 2 cm. Das Material der von mir aus Bruchstücken reconstruirten dickwandigen Terrine ist graubräunlichor, anscheinend nicht besonders hart gebrannter Thon. Unter dem weiten, kurzen, nur wenig ausladenden Halse befinden sich vier Ansätze, in gleichen Abständen von einander angebracht. Zwei derselben, sich gegenübersitzend, sind massive, rippen- oder wulstartig geformte Vorsprünge, die — am Gefäss-Rande eine kleine, im gleichen Niveau mit diesem abschliessende Plattform bildend — bis ungefähr in die Mittelbauchgegend herabreichen. Diese Ansätze dienten jedenfalls als Handhaben. Die beiden anderen haben die Form von kuglig vorspringenden Näpfen mit kurzem cylindrischem Halse. Die Tiefe der Näpfe beträgt*3 cm, der Durchmesser der Hals-Oeffnungen 6 cm. Das sehr massive, sich nach unten etwas verjüngende Bodenstück der Terrine ist flach. Das Haupt-Ornament besteht aus einem mehrzeiligen Zickzack-Band aus kräftig ausgestichelten Punkten und kurzen Strichen, welches in drei Zonen um (135) den liauch der Urne sich herumzieht. Auch die Näpfe tragen in der Mitte einen solchen Zickzack-Streifen. Ausserdem ist in der Schultergegend und am Fusse noch je eine tief geführte Rillen -Verzierung angebracht. Fi?. 53. Man denkt beim Anblick des Gefässes unwillkürlich an eine Suppen-Schüssel, wobei dann vielleicht die zu beiden Seiten placirten Näpfe die Rolle von'Gewürz- Behältern gespielt haben könnten. Sollte diese Deutung richtig sein, so hätten wir in diesem kunstgewerblichen Erzeugnisse einen Beweis für den praktischen Sinn der hiesigen prähistorischen Bevölkerung. — Urne aus bräunlichgrauem Thon mit flachem Knauf. Höhe 25 cm, Mündungs-Durchmesser 10 c/«, grösster Umfang 84 cm, Boden-Durchmesser 12 c/«, Wandstärke 0,9 cm. Der Krug hat unter dem engen Halse in der Knauf-Gegend ein Zinnen-Omament. An dem weiten Bauche ist die phantastische Haupt-Decoration sichtbar: zwei sich ungefähr in der Mitte schräg kreuzende Stäbe bilden die Grund- lage der Figur. Von den so entstandenen 4 Winkeln sind 2, sich gegenüberliegende, ne°hmlich der links- und der rechtsseitige, an ihren Schenkeln mit je einem fünffach gebrochenen Zickzack-Band besetzt. Als Neben-Motiv geht von dem Kreuzungs- punkte der Stäbe aus durch die Mitte dieser Winkel je ein schmales wellenförmiges Band, an dem ein mit der Spitze gegen das Centrum der Figur gerichteter Winkel- Bandstreifen sitzt. Durch die Mitte der beiden anderen Winkel (des oberen und des unteren) läuft je ein schmales Zickzack-Band, an dessen Enden ein mit der Spitze gleichfalls dem Centrura der Figur zugewandtes Dreieck sitzt. Als Füll- Ornament finden sich in den Zickzacken, Dreiecken und Winkelband-Streifen Keil-, Keulen- und Hirsekorn-Ausschnitte. Unter dem Knauf ist ein mit Hirsekorn -Ausstichelung gefüllter Schleifen- Ornament-Streifen angebracht, in der Form einem Omega ähnlich. Die Schleife ist noch durch 3 Winkelband-Streifen, die in der Mitte untereinander sitzen, decorirt. Zwischen den beiden obersten ist ebenfalls Korn-Ornament. Links von der Haupt- Figur befindet sich ausserdem ein auf der Basis ruhendes, mit Keilschnitten ver- ziertes Dreieck. — (136) Urne aus graubraunem Material mit flachem Boden (Fig. 54). Höhe 25 c/H, Mündungs-Durchmesser 20 cm, grösster Umfang !»4 cm, Basis -Durchmesser 9 cm, "Wandstärke 0,9 cm. Das Ornament ist dem auf einer Urne aus Grab Nr. IsA ähnlich. Gefäss in Arbusenform aus gelblichem glattem, gut gehärtetem Material mit convex geformtem Boden (Fig. 55). Höhe 25 cm, Durchmesser der Mündung 8,5 cm, grösser Umfang 71 cm, Boden -Durchmesser 10 cm, Wand- stärke 0,5 cm. Das einzige Ornament-Motiv ist eine an dem oberen Theile des Fig. 54. Gefässes an 3 Stellen in gleichem Abstände von einander und in gleicher Höhe sich wiederholende, anscheinend eingepresste Kreis-Verzierung. Dieselbe besteht aus je 2, fast vertical unter einander angebrachten, aus concentrischen Kreisen ge- bildeten Scheiben, die durch ein schmales Band verbunden sind, welches von der linken Seite der oberen Scheibe zur rechten der unteren führt. — Fig. 56. Skizze des geöffneten Grabes Nr. 12. (137) Brandhügelgrab Helenendorf Nr. 13. Von den nächsten Gräbern Nr. 11 u. Nr. 12 war der Hügel 24 Schritt in süd- westlicher, bezw. 170 Schritt in südwestlicher Richtung entfernt gelegen. Er befand sich 40 Schritt links abseits vom Wege. Die Aufschüttung war schwach gewölbt und hatte eine Höhe von 3^2 Fuss. Ihr Umfang betrug 50 Schritt. Ich liess einen Durchstich von Nordwesten nach Südosten in einer Länge von 9 m und einer Breite von 4 m graben. Der schwarzgelbe zähe Lehnisand war mit zahl- losen Feldsteinen durchsetzt. In einer Tiefe von 0,5 m unter der Oberfläche begann eine 83 cm starke Brandschicht, die au» grossen Massen calcinirter halb- verkohlter Knochen, aus Holzkohlen, Ziegelsteinbrocken, Russ und Asche bestand. Unter der Brandlage zeigte sich alsdann dfer feste natürliche Lehmgrund. An Funden wurde folgendes ausgegraben: ein Keulenkopf oder Spinnwirtel in der Mitte des Aschenlagers, sowie eine ornamentlose Urne nebst einem kleinen Napfe an der Nordwestseite des Durchstichs. Scherben von dickwandigen, nicht ver- zierten Gefässen aus graubraunem Material lagen in und unter dem Leichenbrand verstreut herum. Metallgegenstände waren nicht vorhanden. Fig. 57. V, Funde aus Grab Nr. 13: Nr. 1. Keulenkopf oder wahrscheinlicher Spinnwirtel aus alabaster- ähnlichem Stein (Fig. 57). Das Artefact ist an einer Seite rauh, an der anderen geglättet und hat ein glattes cylindrisches Bohr- loch, das an der unteren Oeffnung, augenscheinlich in Folge von Abnutzung, sich etwas erweitert hat. Höhe des Stückes 5,5 cm^ grösster Durchmesser 6 cm, Durchmesser des Bohrlochs oben 1,5 cm, unten 1,75 cm\ Gewicht etwa 325 ,7. Nr. 2. Kleiner Napf aus gelblichem hartem Thon in Kesselform. Höhe 3 cm, Boden-Durchmesser 67^ c^'-, Durchmesser, über den Rand der Mündung gemessen, 5^4 ) mit Klinge in Weidenblatt-Form. Die nach der Klingenspitze in eine sich verjüngende rundliche Rippe übergehende Tülle hat an ihrem Ende 2 Nietlöcher zum Befestigen der Waffe an einen Schaft. Länge 17 cm, grösste Breite 3,6 cm, Durchmesser der Tüllen -Oeffnung 1,5 cm, Gewicht 150 g. Nr. 3. Drei gewölbte Emailknöpfe (Fig. 66c, rf), 1 grösserer und 2 kleinere. (Wahrscheinlich Theile eines Pferdegeschirrs.) Der eigentliche Knopfkern, aus einer gelben glatten Masse mit in der Mitte eingesetztem Carneol-Stein bestehend, ruht auf einem Bronze-Rahmen, der einen runden Ausschnitt in der Mitte hat und mit einem Bügel versehen ist. Bei dem grösseren Knopf ist der Bügel gerade, bei den beiden kleineren gewölbt. Durchmesser: einer 4 cm., 2 ä 3,5 cm, Höhe der Knöpfe mit Bügel 2 cm. im / 10^ (148) Nr. 4. Oberer Theil (Kern) eines Knopfes aus grauem Stein, in der Mitte gelocht. Oben trägt er kreuzweise geführtes Strich-Ornament. An der Unter- fläche des Knopfes haftet eine glänzende leiuiartige Masse. Durchmesser 3,4 cm, Höhe 1 cm. Nr. T). Ein wohl zu einem Pferdegeschirr gehörender Gegenstand. Das Stück besteht aus einem flachen grösseren Ringe, auf dem 5 kleine, nach oben sieh verjüngende Stützbalken sitzen, die einen Aufsatz tragen in der Form eines mit der Innenseite nach oben gekehrten Casseroll-Deckels, der in der Mitte mit einem runden Ausschnitt versehen ist. Der Aufsatz hat vermuthlich eine Einlage gehabt. Durchmesser oben 4 cm, unten 4,2 cm, Höhe 2 cm. Nr. 6. Eine Dolchklinge, in der Mitte mit Rippen und Blutläufen (Fig. 66/'). Ganze Länge 24,5 cm, grösste. Breite 3,8 ctw. Gewicht 200 ,7. Nr. 7. Zwei Messer, nur der untere Theil erhalten. Räckenbreite 2, bezw. 3 mm. Nr. 8a — d. Vier Reifen; a) massiver Armring (Fig. 66,7), offen, nach den Enden sich etwas verjüngend; an der Aussenseite mit verticalen Kerbschnitten und gewundenen Rillen verziert. Im Querschnitt hat er die Form eines Quadrats mit einer abgerundeten Ecke. Grösste Weite 5,8 cm. Stärke 9 mm; b) ein schlangenartig geformter Armring. Im Querschnitt wie a. Grösste Weite 5,8 cw, Stärke Q mm; c) kleiner geschlossener Ring. Im Querschnitt hat er die Form eines Deltoids. Grösste Weite 3 cm, Stärke 1 cm; d) kleiner offener Ring. Im Querschnitt rund. Grösste Weite 2,6 cm. Stärke 4 mm. Nr. 9. Zwei halbmondförmige flache Zierbleche (Fig. 66//) unten mit umgelegtem Oehsenansatz zum Befestigen des Stücks an einer Sturmhaube oder einem Lederhelm. Grösste Breite der Artefacte je 9,5 cm. Stärke 1 mm. Nr. 10. Ein Stück Draht mit umgelegtem Ende, vielleicht von einer Fibel herrührend. Nr. 11. Theile von Röhrchen. Nr. 12. Fragmente eines Schildbeschlages, einer Sturmhaube, eines Halskragens oderdergl. An einzelnen Stücken sitzen eng nebeneinander ganze Reihen von hohJköpfigen Eisen-Nägeln. Nr. 13. Ein eiserner massiver Ring. Grösste Weite 2,7 cm. Stärke 3 mm. Im Querschnitt oblong. Nr. 14. Massives Aufsatzstück in trichterähnlicher Form mit Nieten am oberen Rande znm Festhalten einer Einlage. Nr. 15. Theile einer Blech-Einfassung mit noch darin haftenden Holzresten. Nach Zusammensetzung der aufgelesenen, aneinander passenden Fragmente ergaben sich zwei grössere Stücke. Das eine ovalgeformte hat wohl die Randeinfassung eines schildartig gestalteten Brettchens gebildet. Das andere Blech war in einer Form gebogen, die ungefähr der eines im Profil gedachten Schlangenkopfes entsprach. Leider fehlen die übrigen Theile dieser in ihrer Un- vollständigkeit keine Deutung zulassenden Artefacte. Nr. 16. Theile einer feingliedrigen Kette. Nr. 17. Unterer Theil einer Eisen-Nadel. Das Oehr wird durch das um- gebogene Ende gebildet. Länge des Bruchstücks 4 cm, Stärke 2 mm. Nr. 18. 20 Perlen und Angehänge (Fig. 66?'). Aus hartem grünem Stein: 1 grosse, in der Form eines sich nach beiden Enden hin etwas erweiteri^en (149) Oylinders. Das Stück war mit Rillen und sich krouzenden Strichen verziert und der Länge nach durchbohrt. Länge 3 rm, Durchmesser an den Enden je 1,3 cm. — 2 mittlere längliche Hänge-Schmuckstücke, annähernd in Birnenforrn, mit Grübchen und gewundenen rillenartigen Einschnitten verziert. — 2 kleinere desgl. — 1 kleine Eisen-Perle u. 14 kleine flache rothe Carncol-Perlcn; ferner: Urnen-Scherben von Gefässen der bekannten Artschadsorer Form. Grabstätte Helenendorf Nr. 2l>. Ausstichgrab aus der Bronze-(Eisen?)-Zeit. Am 28. December 1899 lud mich der Besitzer des in Helenendorf, Stadt- strasse Nr. 30, gelegenen Grundstücks, Hr. Jakob Hurr, zur Besichtigung eines Grabes ein, auf welches die Erdarbeiter bei Anlage eines Weinkellers neben seinem Wohnhause gestossen waren. Ich begab mich bei erster Gelegenheit an Ort und Stelle und sah Folgendes : Ein gewaltiger Erdaushub war in der Richtung SO. -NW. gemacht worden. Das Grab, ein colossaler, die ganze Tiefe der Baugrube einnehmender Ausstich, befand sich in deren Nordwestecke. Wie man noch deutlich sehen konnte, war es in der Form eines Vierecks angelegt gevvesen. Die Länge des bei meinem Eintreffen abgeschnittenen Stücks vom Grabe betrug 17 Puss, die Breite '8 Fuss. Wie bei Grab Oesterle, erregte auch hier die bedeutende Tiefe der Beisetzungsstätte meine Verwunderung, denn sie betrug vom Niveau der Muttererde bis zum Grunde des Kelleraushubs, unter welchem sich das Grab noch weiter fortsetzte, schon über 11 Fuss. Der Riesenausstich war ganz bis oben mit graugelbem lockerem Lehm- sande gefüllt, so dass seine Umrisse sich von den angrenzenden natürlichen Erdschichten, weissem Thon und Kies, unter der gemeinsamen Humusschicht scharf abhoben. Nach Aussage des Hrn. Hurr hatte über der Stelle der Ausschachtung sich dereinst ein mehrere Meter hoher Hügel gewölbt. In den unteren Regionen des Grabes waren viele Fragmente von Bronze-Blechen und ein kleiner Bronze-Griff gefunden worden, welche Gegenstände mir Hr. Hurr gern überliess, wofür ich ihm hier bestens danke. Ich war natürlich begierig, was die weitere Ausräumung des Grabes bringen würde, zumal da Hr. Hurr sich freundlich bereit erklärte, meine in Bezug hierauf geäusserten Wünsche berücksichtigen zu wollen. Allein die Ausschachtungs-Arbehen konnten, wenigstens im Bereich des Bestattungs-Ortes, nur noch ein Geringes weiter fortgeführt werden, da die unmittelbare Nähe des Wohnhauses, nach welchem sich dieser hinzog, die grösste Vorsicht heischte. Das Grab hat übrigens die zu erwartenden Schätze nicht herausgegeben. Gleich am nächsten Tage stürzte eine, den noch unerschlossenen Theil desselben begrenzende, alte Speicher-Mauer mit dem ganzen Fundament in den Aushub hinunter, so dass schleunigst eine Stützmauer vor der betreffenden Stelle aufgeführt werden musste, um ein grösseres Unglück zu verhüten. Funde aus Grabstätte Nr. 29. Die Bronze ist mit körniger schrautziggrüner Patina überzogen. Nr. 1. Geschweifter Bronzegriff eines Pfriemens oder derartigen Instruments mit Nietlöchern und Einsatz-Oeffnung für die Klinge. Länge 4,7 cm/, grösste Breite 1 im. Nr. 2. Stücke von geschlossenen Bronze-Röhrchen. Durchmesser 4 mtn. (150) Fipr. G7. Photographischo Abbildung vorhistorischer Tlion-Gcfässe, die im Jahre 1899 bei der Colonie Helencndorf, Kreis Elisabethpol, ausgegraben worden sind. Schluss-Benierkung. Die Ausgrabungen bei Helenendorf denke ich im kommenden Jahre fort- zusetzen, damit durch die systematische Untersuchung einer grösseren Anzahl von Grabstätten an verschiedenen Stellen der ausgedehnten Nekropole ein möglichst erschöpfendes Bild von dem Wesen und der Cultur der vorhistorischen Bewohner dieses Districts gewonnen werde. Noch eines Umstandes will ich schliesslich Er- w-ähnung thun. Während der Arbeiten an den hiesigen Bestattungs-Plätzen ist eine eigenthümliche Erscheinung zu Tage getreten. Ich meine das häufige Vorkommen von mehreren Ausstich-(Familien-?) Gräbern unter einer und derselben Aufschüttung. Da dieser Umstand, meines Erachtens, wohl eine etwas nähere Beleuchtung verdient, so behalte ich mir vor, im Laufe der Zeit, wenn sich durch weitere Forschungen meine aus den bisherigen bezüglichen Beobachtungen resultirenden Vermuthungen auch ferner bestätigen sollten, meine Ansichten darüber mit- zutheilen. — (11) Hr. Dr. Georg Huth sprach über die neuesten archäologischen Entdeckungen in Ost-Turkistän, die von englischer und russischer Seite gemacht worden sind. Einleitend verbreitete sich der Redner über die geographischen, physischen und historischen Verhältnisse des Landes. (151) Ost-Turldstän, im Norden, Westen und Süden vollständig, im Osten theilvveise von Gebirgen umgeben, wird in der Mitte von der Sandwüste Tukla Makun ein- genommen, welche nur am Fusse der Gebirge und an den Ufern der Flüsse schmale Streifen anbaufähigen Landes freilässt. Aus den Schilderungen von Sven Hedin kennen wir die schrecklichen Verheerungen, welche die Sandstürme in der Wüste anrichten. Die ganze Sandmasse befindet sich in Folge der starken Frühlings- und Sommer-Winde in einer langsamen Bewegung (nur etwa IGO Fuss jährlich). Da nun die Flüsse in dieser Wüste allmählich ihren Lauf von Westen nach Osten verändern, und dadurch die an ihnen angelegten Städte immer mehr entblösst werden, so müssen diese naturgemäss von den langsam vordringenden Sanddünen schliesslich begraben werden. Dies ist denn in der That auch das Schicksal vieler alter Ansiedelungen gewesen. Allerdings sind an dem Untergang dieser Ortschaften, wie überhaupt an der Vernichtung der einst hier vorhanden gewesenen reichen Cultur, auch die politischen Verhältnisse mit schuld, insofern als die Bewohner des Landes, durch die Angriffe der Muhammedaner im Mittelalter und durch neuere Kriege in Anspruch genommen, die Bewässerungs-Anlagen fast vollständig in Verfall gerathen liessen und so den Sandmassen ein immer weiteres Vordringen in das Culturland ermöglichten. Woher kommt es nun, dass sich trotz dieser ungünstigen physischen Verhält- nisse eine blühende Cultur in Ost-Turkistän entwickeln konnte? Die Erklärung hierfür haben wir in dem Umstände zu suchen, dass Ost-Turkistän von hoch- cultivirten Ländern — China, Indien und den griechischen Staaten des westlichen Asiens — umgeben war, und dass es ferner gerade auf dem Wege zweier grosser Handelsstrassen lag, welche diese Länder miteinander verbanden. Die eine von liesen lief nördlich, am Fusse des Thian-schan-Gebirges entlang, über Kaschghar und Kutschär; die andere südlich, am Fusse des Kuen-luen-Gebirges, über Chotan. Dieser Umstand erklärt zugleich auch die ausserordentiche Mannichfaltig- keit in der Zusammensetzung der ostturkistänischen Cultur. So finden wir nebeneinander die Zeugnisse und Spuren römischer Kunst, chinesischen Münzwesens, indischer Religion und Litteratur; mittelpersische, indische, arabische und chinesische Sprache und Schrift neben der alttürkischen und uigurischen; hierzu kommt ferner noch eine ganze Menge von Handschriften und Holzdrucken in einer geradezu verwirrenden Menge neuer, völlig unbe- kannter Schriftarten und Sprachen, von denen allen (bis auf eine früher unbekannte Abart einer bekannten indischen Schrift) bisher noch keine einzige entziffert worden ist. Die Hauptmasse der heutigen Bevölkerung Ost-Turkistäns stammt von den üigurcn ab, einem hochberühmten türkischen Culturvolke, welches, durch die Hiungnu aus seiner Heimath, der heutigen Mongolei, vertrieben, im zweiten vor- christlichen Jahrhundert in Ost-Turkistän einwanderte. Fast zu demselben Zeit- punkte bereits nahm das ganze uigurische Volk die durch indische Missionare aus Kaschmir eingeführte buddhistische Religion an, die in Folge dessen in Ost- Turkistän frühzeitig zur Blüthe gelangte. Die chinesischen Pilger Fa-Hian (5. Jahrhundert nach Chr.) und Hiuen-Tsiang (7. Jahrhundert) geben eine be- geisterte Schilderung hiervon. Es gab zahlreiche buddhistische Klöster in diesem Lande, und die Hauptorte für den Cultus waren im Norden Kutschär, im Nord- osten Turfan und im Südosten Chotafi. Indische Schrift und Literatur waren weithin im Lande verbreitet. Im 8. Jahrhundert jedoch begann der Buddhismus in Ost-Turkistän in Verfall zu gerathen, namentlich in Folge davon, dass er durch die muhammedanische Invasion unter Qutaiba von seinem Mutterlande Indien (152) abgeschnitten wurde. Schliesslich wurde er durch den Islam fast vollständig aus dem Lande verdrängt. Nachdem Marco Polo im 13. Jahrhundert auf dem Wege nach China durch Ost-Turkistän gereist war, wurde dieses Gebiet, hauptsächlich in Folge politischer Wirren, ein verschlossenes Land. Erst im letzten Drittel des lli. Jahrhunderts wurde dasselbe wieder von Europäern bereist und erforscht, in systematischer Weise allerdings erst durch Sven Hedin. Die erste wirkliche archäologische Durch- forschung, wenigstens eines Theiles, wurde jedoch erst 1898 von dem um die Kunde der sibirischen und mongolischen Alterthümer so überaus verdienten russischen Archäologen Demetrius Klementz in und um Turfan (im Nordosten von Ost- Turkistän) ausgeführt. Ferner haben seit 1890 englische Reisende und Missionare, vor Allem aber die anglo-indische Regierung, durch Vcrraittelung ihrer politischen Agenten in Kaschghär und Kaschmir, von Eingeborenen Alterthümer aus Kutschär und weit mehr noch aus Chotan erworben und auf diese Weise eine gross- artige Sammlung von centralasiatischen archäologischen und littera- rischen Gegenständen zusammengebracht. Dieselbe besteht aus Handschriften und Holzdrucken, Münzen und Siegeln, Terracotten und Figuren aus Stein, Metall oder Holz, sowie sonstigen Gegenständen mannichfachster Art, die theils in den vom Sande verschütteten Ortschaften, theils in Grabmälern und buddhistischen Gedenk-Thürmen (Stüpa's) gefunden, bezw. ausgegraben wurden. Diese der britischen Regierung gehörigen Alterthümer hat Prof. Hoernle in Oxford in mehreren Abhandlungen einer überaus bedeutsamen und ergebnissreichen Unter- suchung unterzogen. I. Handschriften und Holzdrucke. Die britische Sammlung enthält neben zahlreichen Sanskrit- und chinesischen Manuscripten eine grosse Anzahl von Handschriften und Holzdrucken, die theils in einer indischen Schrift (bezw. Abarten derselben), aber in einer unbekannten, wenn auch mit Sanskrit-Worten untermischten Sprache abgefasst sind, theils eine staunenerregende Menge der verschiedenartigsten un- bekannten und bis jetzt völlig unentziffert gebliebenen Schriftarten aufweisen. Einige von diesen räthselhaften Schriftarten zeigen zwar eine entfernte Aehnlichkeit mit der chinesischen, mongolischen, nestorianischen (uigurischen), liharoschthi-indischen, Pehlevi- (mittelpersischen) und griechischen (Uncial-) Schrift; jedoch ist diese nicht sehr grosse Aehnlichkeit in den meisten Fällen wahrscheinlich eine nur zufällige. Die Sanskrit-Handschriften sind buddhistisch und enthalten theils Legenden, theils Beschwörungs-Formeln und Medicinisches. Nach Hoernle' s Unter- suchungen stammt eins dieser Manuscripte aus dem 5., ein anderes gar aus dem 4. Jahrhundert nach Chr. Wahrscheinlich wurden dieselben also von den buddhistischen Missionaren selbst aus Kaschmir nach Central -Asien ge- bracht. Dasselbe hohe Alter kommt übrigens auch dem in der Bodleiana zu Oxford befindlichen berühmten Bower-Manuscript zu, welches in altindischer Schrift auf Birkenrinde geschrieben ist und offenbar von einem Missionar von Kaschmir nach Ost-Turkistän gebracht wurde. Dieser war sicherlich zugleich auch ein Arzt und Wahrsager; denn die Handschrift enthält in Sanskrit abgefasste Abhandlungen über Medicin, Wahrsagerei und Zauber-Sprüche. Unter den chinesischen Schriftücken finden sich — neben 13 fragmentarischen — auch 3 vollständige, amtliche Dokumente, davon eines 768, ein anderes 7n(> nach Chr. datirt; in dem ersteren von diesen beiden ersucht ein Beamter seinen (153) Vorgesetzten, den Einwohnern einer von Räubern ausgeplünderten Stadt die Steuern zu erlassen. Manche Manuscripte haben eine sonderbare Form: mehrere sind kegelförmig- gestaltet, eins oval, ein anderes endlich zeigt die Gestalt einer Flasche mit rundem Boden und schmalem Halse. Dieses letztere, das wahrscheinlich als Amulet ge- dient hatte, entdeckte man — eingehüllt in ein Säckchen, auf welchem ein Schädel ruhte — in einem Grabe, in welchem zugleich auch zwei kleine Reiter-Figuren (aus Messing oder Bronze) mit ganz un-arischen Gesichtszügen gefunden wurden. In einem Manuscript hat die Schrift eine eigenthümliche Anordnung: sie läuft nehmlich auf zwei aufeinanderfolgenden Seiten in entgegengesetzter Richtung; auf der linken Seite beginnt sie oben, auf der rechten dagegen unten. Dem entsprechend muss man beim Lesen alle linken Seiten zuerst vornehmen, hierauf das Buch rechts herumdrehen und dann alle rechten Seiten lesen, die nunmehr natürlich ebenfalls links stehen. Oder — was noch wahrscheinlicher — die Umdrehung des Buches muss nach dem Lesen jeder einzelnen Seite, also fortwährend stattfinden (mit- hin in gewisser Hinsicht ähnlich, wie bei den tibetischen Gebetsmühlen). Die Holzdrucke enthalten lediglich Formeln (wahrscheinlich Gebetssprüche), und zwar kehrt in jedem von ihnen eine und dieselbe Formel oder Gruppe von Formeln immer und immer wieder und bildet seinen einzigen Inhalt. Zuweilen sind die Drucke in regelmässiger Ordnung arrangirt, oft aber fehlt eine solche gänzlich; dieser Umstand scheint darauf hinzudeuten, dass diese Bücher nicht zu verstandesmässigem Lesen, sondern nur zu mechanischem „Herunterleiern" (durch blosses Herumdrehen) — etwa wie die tibetischen Gebetsmühlen — dienen sollten. Diese Holzdrucke können nicht vor dem 9. Jahrhundert entstanden sein, denn die Kunst des Holzdrucks kann in Ost-Turkistän nur aus China eingeführt worden sein; in China aber wurde derselbe in Büchern nicht vor dem 8. Jahrhundert angewandt. II. Münzen, Siegel und geschnittene Steine. Unter den insgesamrat 486 Münzen finden sich alte: chinesische (meist aus der Zeit der Thang- und der Sung-Dynastie, 7. bis 11. Jahrhundert), kharoschthi- chinesische, skythobaktrische, indoskythische, sassanidische; mittelalterliche: hinduische und muhammedanische; moderne: türkische, indische und europäische. Besonders beachtenswerth sind die zahlreichen, aus den beiden ersten nachchrist- lichen Jahrhunderten stammenden Kupfermünzen aus Chotan mit einer altindischen Aufschrift auf der einen Seite und einer altchinesischen auf der anderen; jene giebt den Namen und Titel des einheimischen uigurischen Königs an, diese be- zeichnet den Werth der Münze. Während die chinesische Aufschrift auf die seit 73 n. Chr. bestehende Oberhoheit Chinas über das uigurische Reich hindeutet, stellt die indische einen Ueberrest aus der für die Uiguren so glorreichen Zeit (1. vorchristi. Jahrhundert) dar, in welcher ihre Herrschaft ausser Chotan auch Kaschmir und vielleicht auch noch andere Theile des nördlichen Indiens um- fasste. Die zu der britischen Sammlung gehörigen 65 Siegel und geschnittenen Steine sind den in denStüpa's (Topen) von Afghanistan gefundenen, die aus den ersten Jahrhunderten n. Chr. stammen, grösstentheils sehr ähnlich; viele zeigen auch eine griechische, buddhistische oder zoroastrische Zeichnung. III. Terracotten. Figuren aus Stein, Metall oder Holz. Sonstige Gegenstände. Besondere Erw^ähnung verdienen vor Allem die zahlreichen Bruchstücke runder Thon-Gefässe, deren Ornamentirung an die bei den griechisch-buddhistischen Kunst- (154) Denkmälern des nordwestlichen Indiens übliche erinnert: zu beachten sind in dieser Hinsicht die griechischen Pfeiler und Bogen, sowie, als buddhistische Momente, das Gitterwerk und die auf den Hals des Gefässes aufgesetzte Figur. Vgl. die nach- stehende Abbildung einer aus den aufgefundenen Fragmenten reconstruirten Urne — wahrscheinlich einer Aschen-Urne — , die zugleich auch durch die sonst nirgends vorkommende Dreizahl ihrer Henkel bemerkenswerth ist; diese sind in Greifen- Gestalt gebildet, ganz wie auch anderwärts Henkel in Form von Thier-Figuren vor- kommen. Unter den als Ornament auf Gefässen angebrachten Figuren sind be- sonders ein Flöten-Spieler, ein Syrinx-Bläser, ein Sklave, der auf der Schulter ein Gefäss trägt, und eine Frau, die ihr Haar flicht, bemerkenswerth. Die uns von den Griechen her wohlbekannte Hirten-Flöte ist in der indischen Kunst völlig un- bekannt; in dem Vorkommen des Syrinx- Bläsers verräth sich also griechischer Einfluss, wenn auch auf indirectem Wege, nehmlich durch Vermittelung der römischen Kunst, bezw. ihrer Ausläufer: der palmyrenischen und sassanidischen. Nun ist aber sehr interessant, dass sich häufig auch Affen als Syrinx-Bläser dar- gestellt finden, die offenbar also Satyrn und Faune repräsentiren. Da der Affe in Indien, nicht aber in Chotan heimisch ist, so müssen wir in derartigen Darstellungen Spuren indischen Einflusses, neben dem griechisch-römischen, erblicken. Auf ersteren deutet auch die Verwendung des Elephanten zu ornamentalen Zwecken. Die Affen werden ferner in zahlreichen anderen Stellungen und Beschäftigungen dargestellt: auf einem Baume sitzend, essend oder in Betrachtung versunken oder (155) zu zweien in zärtlicher Umarmung; zuweilen spielen sie Guitarre, Sackpfeife oder Trommel. Sehr zu beachten ist ferner, dass die menschlichen Figuren zwei verschiedene Typen zeigen: einen mit kriegerischen Zügen und einen verweichlichten. Die Haartracht der Männer der letzten Gattung gleicht der der Frauen und er- innert an die bei dem berühmten chinesischen Pilger Hiuen Tsiang (7. Jahr- hundert) vorkommende Schilderung der Haartracht der männlichen Bewohner Chotans. Die Buddha- Darstellungen in der britischen Sammlung zeigen einen ent- schiedenen griechischen Typus und ähneln in Stoff' und Ausführung den gräco- buddhistischen Sculpturen des nordwestlichen Indiens; jedoch zeigt eine von diesen Darstellungen eine auf indischen oder halbindischen Buddhabildern unbekannte Anordnung des Haares. Neben diesen, mehr oder minder indischen Einfluss verrathenden Gegenständen, finden wir aber auch Figuren ganz abweichender Art, darunter einige aus Kupfer und Lehm, rohe Darstellungen unbekleideter Menschen, die wir wohl mit Hoernle als Götzen eines auf niedriger Culturstufe stehenden Volkes anzusehen haben werden. Wahrscheinlich gehörten als Amulete demselben Volke die mehrfach in der britischen Sammlung vorkommenden Zwillings-Figuren an: zwei Fische aus Hörn; zwei missgestaltete Menschen, mit Köpfen so gross wie ihr ganzer übriger Körper, mit nur einem Beinpaar, aber vier Armen; endlich eine Gruppe, welche zwei Afl'enköpfe und zwei Vogelleiber, jedoch nur zwei Flügel und zwei Arme aufweist. — Hiermit können wir die Betrachtung der die britische Sammlung bildenden verschiedenartigen ostturkistänischen Alterthümer schliessen und uns einer kurzen Schilderung der Entdeckungen und Ergebnisse der oben erwähnten Klementz'schen Expedition nach Turfan (im Nordosten von Ost-Turkistan) zuwenden, die sich nach Art und Herkunft in vielen Beziehungen an erstere annähern. Obwohl jene Expedition nur sechs Monate dauerte und nur eine vorläufige Untersuchung und Orientirung zum Zwecke hatte, hat sie doch ein überraschend reiches und werthvolles Material für das Studium des uns bisher ganz un- bekannt gebliebenen Buddhismus in Ost-Turkistän und seiner Beziehungen zu seinem Ursprungslande Indien, sowie zu China geliefert. Ganze Stadt- Ruinen, Klöster, Tempel, Topen, die an indische Vorbilder, namentlich an den be- rühmten Bodhi-Tempel in Buddha-Gayä, erinnern, wurden aufgefunden und nicht weniger als 160 Höhlen-Anlagen entdeckt, denen off'enbar die herrlichen indischen Höhlen-Klöster und Höhlen -Tempel von Adschanta und Ellora als Vorbilder (die allerdings nicht erreicht wurden) gedient haben. Es konnte festgestellt werden, dass diese Höhlenbauten und die mit ihnen in Verbindung stehenden oberirdischen Anlagen die verschiedenartigsten Einrichtungen — von der einfachsten bis zu sehr • complicirten — aufweisen, und dass viele von ihnen mit gemalten und plastischen Buddha-Bildern oder grösseren Darstellungen religiösen Inhalts (Buddha's Tod; eine Procession; Schilderungen aus der Mythologie des Buddhismus), theil weise aber auch mit profanen Malereien (Jagdscene, Schlacht) geschmückt sind. Ein Theil der Buddha-Bilder verräth chinesischen, ein anderer indischen Einfluss, ein dritter keinen von beiden. Daneben finden wir einige wenige, die eher auf vorder- asiatische, als auf indische oder chinesische Einwirkung schliessen lassen. Interessant, zum Theil sehr originell sind auch die durch grosse Mannichfaltigkeit ihrer Formen und Combinationen bemerkenswerthcn Ornamente. Von den auf den Stuck der (156) Wände aufgetragenen Fresken hat die Expedition 40 im Original, von vielen anderen ausgezeichnete Copien mitgebracht. Unter den von Klementz heimgebrachten zahlreichen Inschriften (unter diesen 59 im Original), Handschriften und Holzdrucken sind die meisten chinesisch und uigurisch; daneben finden sich jedoch auch Sanskrit- und alttürkische Inschriften. Als sehr beachtenswerth hebt Klementz mit Recht den Umstand hervor, dass. bisher in den Ruinen des Turfan- Gebietes noch nicht ein einziger Buchstabe in tibetischer Schrift entdeckt worden ist, obgleich das West-Gebiet im 7. Jahrhundert den Chinesen von den Tibetern entrissen wurde. Unter den uigurischen Handschriften verdienen zwei geschäftliche Schriftstücke besondere Beachtung: das eine, ein Vertrag zwischen zwei Uiguren über den ab- geschlossenen Verkauf einer Sklavin, zeigt eine staunenswerthe Genauigkeit in der Ausdenkung aller möglichen Eventualitäten, für welche der Wechsel des Besitzrechts, gesichert werden muss, und weist damit — wie Radioff, der diese Documente unter- sucht hat, zutreffend betont — auf sehr geordnete Verhältnisse des socialen Lebens bei den Uiguren hin. Dass aber dieses auch manche uns seltsam berührende und gewiss recht bedenkliche Erscheinungen aufwies, zeigt das zweite Schriftstück (das im übrigen jene erste Wahrnehmung bestätigt); dasselbe betrifCt nehmlicb den Verkauf eines jüngeren Sohnes durch den Vater an dessen Bruder znr Begleichung einer Schuld; als Mitverkäufer werden die älteren Söhne des Schuldners angeführt und als Vorbedingung für den Verkauf die Einwilligung der Brüder des Ver- käufers, sowie der Gemeinde-Genossen (oder: der Beamten?) der verschiedenen Volks-Abtheilungen bezeichnet. Von hervorragendster Wichtigkeit ist ferner die durch Radloff's Untersuchung der mitgebrachten uigurischen Holzdrucke festgestellte Thatsache, dass in den uigurischen Schrift-Denkmälern von Turfan Erzeugnisse der uns bisher völlig unbekannten türkisch-buddhistischen Litteratur vorliegen, von der wir bis jetzt nur die blosse Thatsache, dass sie einst existirte, (aus chinesischen Quellen) kannten, und zwar auch, diese erst seit kurzer Zeit. Von chinesischen Manuscripten sind nur wenige grössere zusammenhängende Stücke von der Klementz'schen Expedition gefunden und mitgebracht worden, während Tausende von abgerissenen Fetzen sich im Schutte der Höhlen -Tempel fanden; aber auch von diesen brachte Klementz eine Anzahl heim, aus deren Untersuchung durch Prof. Hirth sich die überaus wichtige Thatsache ergeben hat, dass bei weitem der grösste Theil dieser Fragmente Bestandtheile wohl- bekannter chinesischer Umschreibungen indischer Laute aus gewissen buddhistischen Sütra's, Gebets -Formeln und Ordens-Regeln enthält; dazu kommen als weiteres Hülfsmittel einzelne wohlerhaltene Titel -Fragmente. Alle diese Materialien ent- halten werthvolle Fingerzeige dafür, welche buddhistischen Werke (die in einer der Wissenschaft bekannten Sprache vorliegen) wir als die wahrschein- lichen Originale der oben erwähnten türkisch - buddhistischen Litteratur a priori werden ansehen und demgemäss für deren Erforschung werden heran- ziehen müssen. Den indischen Typus mancher Gemälde aus Turfan glaubt Hirth dem Ein- flüsse einer chotan'schen Malerschule des 7. Jahrhunderts, die eine Wanderung des indischen Stils über Central-Asien nach China, Korea und Japan veranlasste, zuschreiben zu sollen. Ueberblicken wir die Ergebnisse der von Hoernle, Klementz, Radioff und Hirth angestellten Untersuchungen in ihrer Gesammtheit, so erkennen wir, (157) dass sie — neben einer ansehnlichen Zahl vverthvollster positiver Aufschlüsse — eine Fülle von Hinweisen auf zukünftige Aufgaben der sprachlichen, paläo- graphischen, inschriftlichen, litterarischen, ethnologischen, archäo- logischen, religions-, kunst- und politisch-geschichtlichen Forschung im Westen, wie im Osten von Ost-Turkistän in sich bergen, — Aufgaben, deren Be- arbeitung und Lösung nicht minder der indologischen Wissenschaft zu Gute kommen würden, als der mittel- und ostasiatischen. — (12) Hr. Otto Helm in Danzig und Prof. Hilprecht in Philadelphia über- senden unter dem 1. Februar folgende Mittheilung über die chemische Untersuchung von altbabylonischen Kupfer- und Bronze -Gegenständen und deren Alters-Bestimmung. Das Vorkommen von Bronze -Artefacten unter den vorgeschichtlichen Funden der ältesten Zeit in Klein -Asien, Cypern und den Ländern des Kaukasus, gegen- über dem Fehlen des zu seiner Herstellung nöthigen Zinn-Erzes in den genannten •Gebieten, hat von jeher die Aufmerksamkeit der Alterthums-Forscher auf sich gelenkt und zu mannichfachen Erklärungen und Erörterungen A''eranlassung ge- geben. Ohne Zweifel musste angenommen werden, dass zur Erlangung des in der Bronze befindlichen Zinns schon in der ältesten Bronze -Periode, die sich etwa €UüO Jahre zurückdatirt, Handels-Verbindungen mit weiter abgelegenen Ländern bestanden, bei denen das fern gelegene eigentliche Zinn-Land, Britannien, in erster Linie in Betracht kam. In zweiter Linie forschte man nach näher gelegenen Ländern, in denen Zinn-Erze vorkommen und in alten Zeiten ausgebeutet wurden. Man fand solche im Toscanischen, wo ein allerdings wenig bedeutendes Zinn- Bergwerk schon bei den Etruskern in Betrieb war, dann in Spanien und Portugal, in den französischen Departements Allier und Grenze Hautvienne, wo ebenfalls alte Zinn-Bergwerke entdeckt wurden, endlich auch im Herzen Deutschlands, dem Erz- und Fichtel-Gebirge. Es liegt nicht in meiner Absicht, hierüber noch Weiteres zu berichten; ich wende mich vielmehr zu einem anderen, mit dem Vorkommen von Bronze in ältester Zeit in Zusammenhange stehenden Forschungs-Gebiete, welches nicht ohne Einfluss auf die Herstellung von Bronze war: es ist das die Ermittelung derjenigen Bestandtheiie, welche ausser Kupfer in den betreffenden Legirungen enthalten sind, «nd welche im Stande sind, dem Kupfer die Eigenschaften einer Bronze zu er- theilen, d. h. das Kupfer härter, leichter schmelzbar und gussfähiger zu machen. Hier kommen ausser dem Zinn hauptsächlich noch drei Metalle in Betracht, das Antimon, das Arsen und das Blei. Man achtete auf diese letzteren, in den alten Kupfer-Legirungen enthaltenen Bestandtheiie im Allgemeinen wenig, ja man übersah sie oft, und hielt das Zinn allein für dasjenige Metall, welches ehedem, wie auch heute noch, zur Bronze- Fabrikation Verwendung finde. Es liegen auch einige chemische Analysen vor, welche den Gehalt an Zinn in alten Bronzen angeben; man fand meist sehr geringe Mengen in den ältesten Bronzen und allmählich steigende in den darauffolgenden. Vermisst habe ich in den mir bekannt gewordenen Anführungen von chemischen Untersuchungen genaue quantitative chemische Analysen der ältesten babylonischen Bronzen, und das ist um so bedauerlicher, als Babylonien im Allgemeinen als der Ausgangsptmkt, als das Stammland der Bronze-Fabrikation angesehen wird. Ich habe es mir deshalb nicht entgehen lassen, diese Lücke auszufüllen und >den Anfang mit solchen Untersuchungen zu machen. (158) Hr. Prof. Hilprecht hatte die grosse Freundlichkeit, mir einige Stücke alt- babylonischer Bronze-, bezw. Kupfer-Gegenstände für diesen Zweck zur Verfügung- zu stellen. Ich übergebe die Resultate meiner damit vorgenommenen Untersuchungen der Oeffentlichkeit. Bekanntlich wurden unter der Oberleitung des Hrn. Prof. Hilprecht, im Auf- trage der Universität Pennsylvanien, in dem ausgedehnten Trümmerfelde von Nuffar in Babylonien (dem alten Nippur) seit 11 Jahren Ausgrabungen ausgeführt, welche ganz hervorragende Resultate ergaben. Unter Hilprecht's Leitung wurden die gewaltigen Tempel-Ruinen von Nippur und andere benachbarte Backsteinbauten blossgelegt. Er entdeckte in ihnen u. A. in neuester Zeit die alte Tempel-Bibliothek, aus der bis jetzt mehr als 17 000Thon- Tafeln mit Keil-Tnschriften geborgen wurden, ausserdem in den untersten Schichten des Bel-Tempels zahlreiche Texte aus der vorsargonischen Zeit [vor 3800]^); aus späteren Zeit- Abschnitten der babylonischen Geschichte wurden noch etwa 4000 Texte gefunden. Im Ganzen hat Nipput der Hilprecht'schen Expedition nahezu (iOOOO Keilschrift-Texte in Thon und etwa 1000 in Stein bis heute geliefert. Die werthvollsten Ueberlieferungen wurden aus diesen Arohiven entnommen, von denen ohne Zweifel die wichtigste ist, dass schon vor Sargon I., dessen ge- waltiges Reich sich vom Persischen Meerbusen bis zum Mittelmeere erstreckte, in Babylonien eine Cultur-Epoche bestand, welche sich durch geregelte Verwaltung, Kunstfleiss und Geistesleben auszeichnete. Mehr als 1000 Gräber wurden durch Hilprecht im Laufe des letzten Peldzuges allein aufgedeckt. Die rein archäo- logischen Fxmde sind so zahlreich und bedeutend, wie kaum an einem andern Orte des altbabylonischen Reiches; darunter befinden sich die verschiedenartigsten Ge- brauchs-Gegenstände, U.A. Vasen, leer und mit Inhalt, Schmuck-Gegenstände, Waffen und Bronze-Geräthe. Nach diesen Vorbemerkungen gehe ich nun zu der Beschreibung derjenigen: Bronze- und Kupfer-Gegenstände über, welche mir Hr. Prof. Hilprecht übergab, und theile die Resultate der mit ihnen vorgenommenen chemischen Unter- suchungen mit. Leider musste ich bei diesen Untersuchungen fürlieb nehmen mit zum Theil sehr corrodirten Stücken; doch suchte ich dieselben so gut wie angängig von dcr auf ihnen befindlichen erheblichen Patinaschicht zu befreien, um entweder zu reinem Metall oder zu der braunrothen Oxydulschicht zu gelangen. Ich sage: leider, denn die chemische Analyse derartiger Metalle oder Metallgemische giebt zu gewissen Fehlerquellen Veranlassung. Bekanntlich wittern beim längeren Lagern in der feuchten und zugleich lufthaltigen Erde gewisse Bestandtheile von Metall-Legirungen leichter aus, als andere. Zu den leichtesten in der Erd- Feuchtigkeit löslichen Metallen gehört das Kupfer, während Zinn, Blei und Antimon in oxydirtem Zu- stande zurückbleiben. Bei der chemischen Analyse derartiger, zum Theil oxydirter Metall-Legirungen wird deshalb stets verhältnissmässig weniger Kupfer gefunden, als ursprünglich in den Legirungen enthalten war. Dieser Umstand hat auf die hier folgenden chemischen Analysen einen wenn auch nicht bedeutenden Einfluss gehabt. 1) An diesem aus Nabuna'id's Inschriften für Sargon I. gewonnene Datum hält Hilprecht (gegenüber Lehmann's und Anderer Versuchen, dasselbe herabzusetzen) gerade auf Grund seiner ^ippur-Funde fest. (159) Gleichzeitig- mit dem Austreten von Kupfer aus den verwitternden Bronzen dringen andere erdige und gasige Bestandtheile in dieselben ein; so vor allem Sauerstoff, dann Kohlensäure, Wasser, Ammoniak und Kalk-Salze, organische Sub- stanzen u. a. Ich habe diese Substanzen nicht nnr in der grünen Patina der Bronzen nachweisen können, sondern auch in der darunter liegenden rothbraunen Oxydschicht. 1. Der erste Gegenstand, welchen ich untersuchte, war ein von Hrn. Prof. Hilprecht mit eigener Hand aus den ältesten Schichten unterhalb des Ziggurrat (Etagen-Thurms) in Nippur entnommenes Bruchstück eines Schwertes. Das Stück ist 4 cm lang, SYs cm breit; es ist mit einer dicken, grünlich und grau melirten Patinaschicht überzogen, welche leicht abtrennbar ist; darunter befindet sich eine braunrothe Oxydschicht (Kupfer- Oxydul) und gclbrothes Metall, zum Theil noch durchwachsen von dem Oxydul Das so gut wie angängig von den Oxydations-Producten gereinigte Metallstück besteht in 100 Theilen aus: 96,38 Theilen Kupfer, 1,73 ,, Antimon, 0,24 „ Eisen, <\-l-2 „ Nickel, 1,43 „ Sauerstoff und Verlust, Spuren von Blei. Nach dieser Analyse liegt hier ein mit einer geringen Menge von Antimon ver- mischtes Kupfer vor. Zinn ist nicht darin enthalten, vielmehr vertritt das Antimon die Stelle desselben. Da Roh-Kupfer mit einem so hohen darin vorkommenden natürlichen Antimon-Gehalt bisher nicht beobachtet wurde, so nehme ich an, dass das Antimon dem Kupfer einst entweder in Form von Metall oder bei Zubereitung der Bronze in Form eines Antimon-Erzes beigemischt wurde, um der Mischung nach dem Gusse eine grössere Härte und leichtere Schmelzbarkeit zu verleihen. Die Form des Schwertes ist aus dem Bruchstück nicht zu ersehen. Hr. Prof. Hilprecht schreibt mir über dasselbe: „Das Bruchstück eines Schwertes wurde in meiner Gegenwart am 20. April 1900 in einer in nachsargonischer Zeit nicht wieder gestörten Erdschicht, tief unterhalb des massiven Etagen-Thurmes des Königs Ur-Gur, und mehrere Fuss unterhalb der Backstein-Plattform Sargon's I. gefunden. Als ich vermittels eines hori- zontalen Laufgrabens (den ich auf der NO. -Seite des Ziggurrat nach dem Innern desselben trieb) festzustellen suchte, ob bereits in sumerischer (also vor- sargonischer) Zeit, d. h. im 5. vorchristl. Jahrtausend, der für die spätarische, semitische Occupation Babyloniens charakteristische Etagen-Thurm für Nippur nachzuweisen sei, — eine BVage, die, entgegen allen bisherigen Anschauungen, mit einem entschiedenen „ja" beantwortet werden muss, — stiess ich auf mehrere Blöcke aus Diorit mit zahlreichen Spuren von Holzasche im Umkreis. Innerhalb dieses eng begrenzten Lagers, das ich persönlich untersuchte, fand ich mehrere Stücke des Ihnen zur Analyse übersandten Bruchstückes eines Schwertes. Gemäss der Form zweier von mir aus einer anderen Ruine entnommenen gut erhaltenen vorsargonischen Schwerter dürfte auch das Nippur-Sch wert ein sogen. Krumm- oder Sichel-Schwert gewesen sein." (IGO) 2. Theilstück eines stilusartigen Instruments, aussen mit einer sehr zerfressenen graugrünen Patina bezogen, in welcher noch Sandtheile und andere erdige Substanzen eingeschlossen liegen. Innen ist das Metall fast völlig in braunrothes Oxyd (Kupfer-Oxydul) umgewandelt. Von röthlich- gelbem Metall hebt sich nur ein geringer Kern ab. Das Innere besteht in 100 Theilen aus: 80,52 Theilen Kupfer, 5,45 „ Zinn, 3,05 -, Antimon, 0,55 „ Nickel, 0,35 „ Eisen, 0,18 „ Schwefel, 9,90 ^ Sauerstoff, eingedrungenen erdigen Theilen und Verlust. Dieses stilusartige Instrument stammt, wie mir von Hrn. Prof. Hilprecht mit- getheilt wurde, aus einem südbabylonischen Ruinen-Hügel, etwa SOengl. Meilen südlich von Nippur, welcher mit den mittleren Tempel-Schichten Nippurs gleichalterig ist. Hr. Hilprecht bemerkt noch: "* „Ueber Ort und Alter dieses Stückes vermag ich Ihnen nichts Definitives anzugeben. Es wurde mir in Nippur von den Arabern mit Angabe des Ruinen- Feldes übergeben. Als ich dasselbe in einer Parforce-Tour von 2 Tagen und 2 Nächten, theils mit einheimischem Erdpech-Boote durch die Sümpfe und Canäle rudernd, theils zu Fusse durch die Wüste und Moräste vordringend, um die Osterzeit 1900 untersuchte und aufnahm, constatirte ich, dass die Ruine Abu Ilatab heisst, etwa 30—35 engl. Meilen südlich von Nippur und etliche Meilen vom Shatt-el-Kahr entfernt ist, und in ihren obersten Schichten der Periode 2500 — 2000 v. Chr. angehört (ich fand unter Anderem beschriebene Back-Steine des Königs Ishme-Dagän). Auch liess ich mehrere Stunden von den Arabern Ausgrabungen daselbst vornehmen zur Bestimmung des allgemeinen Inhalts der Ruine, über die ich in meiner Geschichte der Expedition eingehend berichten werde. Dabei wurde eine grosse Kupfer-Schale innerhalb der ersten 5 Minuten gefunden, welche die Araber leider sofort vollständig zertrümmerten und an sich rissen, da keiner dem anderen das übliche Trinkgeld gönnte. Haben also die Araber nicht geschwindelt betreffs des Fundortes jenes oben analysirten Stückchens — und dringende Gründe liegen vor, dass sie diesmal die Wahrheit geredet haben — , so würde das Fragment kaum älter als 2500, vielleicht aber noch ^500 Jahre jünger sein." 3. Ein kleines Stück vom Rande einer aus Metall gearbeiteten Schale (Patena). Es ist fast vollständig in röthlichbraunes Oxyd umgewandelt, welches aussen mit einer dünnen grünlichgrauen Patina bezogen ist. Das Innere besteht in 100 Theilen aus: 80,35 Theilen Kupfer, 2,24 55 Antimon, 1,15 55 Blei, 0,87 y> Nickel, 0,40 n Eisen, 0,06 » Schwefel, 14,93 5) Sauerstoff, eingedrungenen erdigen Theilen und Verlust. (161) Die Schale wurde an demselben Orte gefunden, wie das vorbeschriebene Stück. Hr. Prof. Hilprecht berichtet mir hierüber: „Auch dieses Stück stammt aus Abu-IIatab und gehört derselben all- gemeinen Zeit an, wie das vorhergehende, ist aber eher etwas älter, als das letztere. Denn nur an einer Stelle hatten die Araber die Ruine etwas tiefer durchwühlt, eben an demselben Orte, an dem ich selbst graben liess und an dem nach Angabe meiner Gewährsleute die Pate na mit den charakteristischen kurzen, nach oben zu (wie ein umgekehrter Trichter) einwärtsgerichteten Seiten- wänden gefunden wurde. Die von mir (vgl. Nr. 2) daselbst alsbald blossgelegte grössere Patena (etwa 1 Fuss im Durchmesser) hatte genau dieselbe Form, wie die mir von den Arabern in Nippur überreichte, als deren Herkunfts-Ort man mir eben Abu-Hatab bezeichnete. Sie ist nicht jünger, als 2500 v. Chr., wahr- scheinlich aber etwas älter.'' 4. Ein Stückchen Kupfer vom Fusse der Ostmauer, nördlich vom Ost- Thore in Nippur. Das kleine, nur 0,82 g wiegende Metallstück war so sehr durch den Sauerstoff der Luft und andere in dasselbe eingedrungene, zum Theil erdige Substanzen ver- ändert, dass eine genaue quantitative Bestimmung der einzelnen darin enthaltenen Metalle zu keinem nur einigermaassen sicheren Resultate führen würde. Sie unter- blieb deshalb. Ich constatirte nur, dass in dem Stücke, ausser Kupfer, eine sehr geringe Menge von Eisen und Antimon enthalten war; dagegen fehlten Zinn, Arsen, Blei, Silber, Nickel, Kobalt und Zink. Hr. Prof. Hilprecht bemerkt dazu: „Dieses Stück gehört der Zeit zwischen Naram-siu und Ur-Gur, also Mitte bis Ende des 4. Jahrtausends, an." ö. Theilstück eines Kupfer-Nagels, gefunden an der w^estlichen Seite der etwa 2200 v. Chr. restaurirten östlichen Tempel-Mauer von Nippur^). Das Stück ist aussen mit einer hellgrünen, sehr zerfressenen Patina über- zogen, innen kupferfarbig. Das Metall besteht in 100 Theilen aus: 98,27 Theilen Kupfer, 0,39 n Nickel, 0,30 n Antimon, 0,17 T) Eisen, 0,87 n Verlust. b) I. Münze, II. Nagel, von Hrn. Prof. Hilprecht bezeichnet mit: Stratum nach 300 n. Chr. (Ref. vom 12. März 1901.) Die Münze war vollständig in eine hellgrüne Substanz umgewandelt; sie ge- langte nicht zur chemischen Untersuchung. Das Nagel-Stückchen war ebenfalls hellgrün überzogen; innen war das Metall fast völlig in braunrothes Oxydul übergeführt. 1) Prof. Hilprecht bemerkt dazu: „In der Nähe eines eigenthümlichen , aus Thon und Erdpedi hergestellten Gefässes gefunden, welches mehrere Keilschrift-Texte aus der Zeit der ersten Dynastie von Babylon (etwa 2350—2100 v. Chr.) enthielt." Verhandl. der Berl. Authropol. Gesellschaft 1901. 11 (162) Das Innere besteht in lOU Theilcn aus: 77,G8 Theilen Rupfer, 5,22 „ Zinn, 0,G3 „ Blei, 0,78 ,,, Antimon, 0,88 y, Eisen. 0,06 „ Nickel, 14,75 „ Sauerstoff und anderen eingedrungenen Substanzen, und Verlast. Nach den Resultaten dieser chemischen Untersuchung liegt hier eine durch natürliche Beimischungen verunreinigte Zinn-Bronze vor. Tis- 1- -/a 7. Von einem aus Kupfer gegossenen Gazellen-Kopfe analysirte ich ein vom Hörn abgebrochenes Stück. Es war mit einer V« bis 1 mm starken graugrünen Patina überzogen; darunter befand sich eine roth- braune Oxydul-Schicht, abwechselnd mit kleinen Partien röthlichen Kupfers. (163) Das Innere besteht in 100 Theilen aus: 82,97 Theilen Kupfer, 1,33 „ Nickel, 0,86 „ Eisen, 0,23 „ Antimon, 14,61 „ Sauerstoff und anderen eingedrungenen or- ganischen und unorganischen Substanzen, u. A. 1,06 pCt. Kalkerde und Verlust. Bcmerkenswerth ist dies Resultat der chemischen Analyse insofern, als das zur Herstellung des Kopfes verwendete Kupfer einen ungewöhnlich hohen Gehalt an Nickel besitzt. Es wäre von Interesse zu ermitteln, von welchem Orte das Kupfer-Erz einst bezogen wurde, aus denen der Gazellen-Kopf gegossen wurde. Fig-. 2. 2/3 Hr. Prof. Hilprecht berichtet mir über diesen bedeutungsvollen Fund Folgendes: „In meinem Privatbesitze befinden sich zwei aus Kupfer gegossene Gazellen-Köpfe, der eine fast in Lebensgrösse, der andere der einer jungen 11^ (164) Gazelle. Sie gehören zu dem Schönsten der vorsargonischen Cultur-Periode, als wahre Meisterstücke dieser hochentwickelten untergegangenen Cultur-Epoche. Das Ihnen zur Analyse übersandte Fragment gehört zu dem kleineren Kopfe. Beide Köpfe (mit einer Reihe anderer werthvoller Kunst-Gegenstände und zweiKrumm- Schwertern aus Kupfer) stammen aus Fära, einer unter den Assyriologen so gut wie gar nicht bekannten südbabylonischen Ruine, die etwa 35 engl. Meilen SSO. von Nippur liegt, halbwegs zwischen zwei Canälen, von denen der nordöstliche, der Shatt-el-Kahr, (seit Regulirung des Euphrat- Wassers oberhalb Babylons) wieder schiffbar ist. Sie wurde von mir zum ersten Male untersucht und aufgenommen. Näheres über Fära und sein hohes Alter in meiner „Ge- schichte der Expedition nach Nippur", Der Gazellen-Kopf wurde in dem chemischen Laboratorium der babylonischen Section des Philadelphia-Museums gereinigt. Die vorstehenden Abbildungen (Fig. 1 und 2) zeigen den Kopf vor und nach Abnahme der graugrünen Pathia- Schicht, die sich verhältnissmässig leicht ablösen liess. An einer Stelle unter der Patina, nahe dem rechten Nasenflügel, war noch die ursprüngliche gelblich- weisse Polirung erhalten. Die Augen sind aus dem weissen Theil derselben Muschel gebildet, die in den ältesten Zeiten zur Fabrication von Siegel-Cylindern benutzt wurde. Die Pupille und eine Reihe von eingelegten Verzierungen sind, wie es scheint, aus einer röthlichbraunen Muschel hergestellt. Der Halstheil des Kopfes ist in beiden Fällen hohl und enthält einen langen Stift im Innern, war aber offenbar damit an den aus Holz gefertigten und mit Kupfer-Platten be- legten Körper des Thieres befestigt. Der Kopf gehört ins 5. vorchristl. Jahr- tausend." „Meiner Ansicht nach war das Kupfer, aus dem die Köpfe hergestellt wurden, aus dem Lande Kimash (d.i. Central-Arabien, etwa das Gebiet des heutigen Djebel Shammar) oder Melukh (d. i. Nordwest-Arabien, einschliesslich Midian bis zur Sinaitischen Halbinsel) bezogen worden. Denn lebendige Handels- Beziehungen zwischen diesen Theilen Arabiens und Süd-Babylonien sind seit den ältesten historischen Zeiten inschriftlich beglaubigt. Ueberdies erwähnt der um 2800 V. Chr. anzusetzende Priester-Fürst von Lagash (dem heutigen Tello) in seinen Inschriften wiederholentlich ausdrücklich, dass er aus Kimash Kupfer und aus den Bergen von Melukh Eisen und Gold bezog. Es ist also nur nothwendig, in Paris die seiner Periode angehörenden zahlreichen Kupfer-Statuetten und andere Gegenstände analysiren zu lassen und mit Ihren Resultaten auf den Nickel-Gehalt zu vergleichen." Wenn aus den vorstehenden chemischen Analysen auch nicht weitgehende Folgerungen gezogen werden können, so ist das eine doch sicher, dass die alten Erz-Giesser Babyloniens zur Herstellung ihrer Bronze nicht allein das Zinn ver- wandten, sondern auch Antimon. Welchem Zusätze das höhere Alter zuzuerkennen ist, bleibt weiteren Untersuchungen vorbehalten; doch will es fast scheinen, als ob der Zusatz von Antimon gerade für die älteste babylonische Periode besonders häufig nachzuweisen ist, sei es, weil man Zinn noch gar nicht oder nur in recht beschränktem Maasse kannte. — (13) Hr. Rud. Virchow übergiebt im Namen des Hrn. Lehmann-Nitsche ein Stück aus dem Schilde eines Gryphodon aus den Pampas von Argentinien. (1G5) (14) Hr. Ä. Götze legt ein schwedisches Werk vor über die Felsen -Zeichnungen in Schweden. (15) Das Comite für die Feier der 40jährigen Lehrthütigkeit des Professors Paolo Mantegazza in Florenz übersendet eine Einladung zur Theil- nahme an dieser Feier am 30. April, welche zugleich das 30jährige Bestehen der italienischen anthropologischen Gesellschaft festlich begehen soll, und ersucht um Beihülfen zur Vollendung des neuen Laboratoriums für Anthropometrie, welches dem dortigen Museum angeschlossen werden soll. Da zugleich die Ent- sendung eines Delegirten für diese Feier gewünscht wird, so überträgt die Gesell- schaft ihre Vertretung ihrem Vorsitzenden Hrn. R. Virchow, der sich zur üeber- nahme des ehrenvollen Auftrages gern bereit erklärt. — (16) Die uralische Gesellschaft der Freunde der Naturwissen- schaften in Ekatherinenburg ladet für den 4.(17.) Juni zu der Feier des 50jährigen Doctor-Jubiläums ihres Präsidenten, des Dr. A. A. Mislawsky, ihres 30jährigen Präsidenten seit Eröffnung der Gesellschaft am 29. December 1870, ein. — (17) Die städtischen Behörden von Berlin haben zur Feier der Zweihundert- Jahrfeier der Königlich Preussischen Akademie der Wissenschaften 100000 Mk. zu freier Verwendung dieser Akademie überwiesen zu einer dauernden Stiftung, welche den Namen „Akademische Jubiläums- Stiftung der Stadt Berlin" führen und insbesondere zur Förderung der Natur- wissenschaften Verwendung finden soll. In jedem vierten Jahre sollen die an- gesammelten Zinsen, und zwar mit dem auf 100 Mk. abgerundeten Gesammtbetrage von 4 vollen Jahren, zur Ausführung eines wissenschaftlichen Unternehmens zur Verfügung gestellt werden, in der Art, dass je zweimal Unternehmungen aus dem Bereich der physikalisch-mathematischen Classe, das dritte Mal solche aus dem Bereich der philosophisch-historischen Classe ausgeführt werden. — (LS) Hr. Bürgerschul-Lehrer Hermann Schmidt berichtet unter dem 2. Februar, im Anschluss an seine Mittheilungen über die Schlackenwälle auf dem Stromberge bei Weissenberg und auf dem Löbauer Berge, dass er vorläufig durch Krankheit an der Fortsetzung seiner Untersuchungen ge- hindert worden ist. „Betreffs des Schlackenwalles auf dem Löbauer Berge theile ich mit, dass ich noch zwei charakteristische germanische Scherben im Durchstiche an der SW.- Ecke in der Tiefe von 80, bezw. 100 cm fand. Durch diese Kunst-Erzeugnisse im Innern des Walles ist meine Annahme vollauf berechtigt und sicher, dass die Ent- stehung des Walles mit den im Wallraume gehobenen Artefacten durchaus iso- chronisch ist, ganz abgesehen von dem vollständigen Mangel an Kunst-Erzeugnissen aus späterer Zeit. .,0b auch auf dem Stromberge die Mauer, die Schlackenschicht und die Wohnungen (nebst den darin gefundenen Geräthen aus slavischer Zeit) gleich- zeitig sind, Hess sich bis jetzt nicht nachweisen. Die Gleichzeitigkeit oder das Gegentheil davon lässt sich erst dann mit Sicherheit behaupten, wenn in und unter der Mauer und der Schlackenschicht charakteristische Kunst-Erzeugnisse gefunden (166) werden. Besondere Aufgabe für mich soll es sein, gerade in dieser Hinsicht meine Forschungen auf dem Stromberge fortzusetzen. „Noch will ich meine jetzige Ansicht über das auf dem Löbauer Berge von Hrn. Berndt gefunde, von mir in den Yerhandl. 1900, S. 325 erwähnte Näpfchen mittheilen. Weil dieses Gefäss innen vollständig glatt ist, aussen aber auf seiner ganzen Fläche eigenartige Eindrücke zeigt, wie von einem Korbgeflecht herrührend, so schliesse ich, dass es in einem Körbchen oder Netzwerk geformt worden ist. Der Engländer Tyler berichtet in seinem Werke: ,Urgeschichte der Mensch- heit', p. 348, dass in Süd-Indien, auf den Fidschi-inseln, in America und auf den Freundschafts-Inseln in früherer Zeit von den Eingebornen auf diese Weise Ge- fässe aus Thon gefertigt wurden, und Dr. Daniel Wilson schreibt: „Es ist gewiss, dass sehr viele der eingekerbten Muster auf britischem Topf-Geschirr durch den Eindruck geflochtener Stricke auf den feuchten Thon hervorgebracht worden sind." — Auf jeden Fall ist das auf dem Löbauer Berge im Wallraum gefundene Gefäss. ein äusserst interessanter Fund, und es ist wohl anzunehmen, dass es aus ältester Zeit stammt. Ebenso sind die auf dem Löbauer Berge im Durchstiche an der Ostseite des Walles (Verhandl. 1900, S. 328) gefundenen, 22 mm starken Gef^ss-Trümmer innen glatt, aussen jedoch rauh und unberäuchert. Sie machen den Eindruck, als seien sie Trümmer eines grösseren Wasser-Behälters, den man in einer Erd-Vertiefung modellirt hat. — (19) Hr. E. Baelz aus Tokyo spricht unter Vorführung von Licht-Bildern über die Menschen-Rassen Ost-Asiens mit specieller Rücksicht auf Japan. (Hierzu Tafel I — V und verschiedene Text-Figuren.) Ost-Asien spielt in letzter Zeit in unserem öffentlichen L'eben eine solche Rolle, dass eine üebersicht über seine Bewohner nicht unwillkommen sein dürfte. Da ich nun einen grossen Theil meines Lebens in jenen Gegenden verbracht und mich die ganze Zeit mit Rassenstudien abgegeben habe, so hoffe ich im Stande zu sein, ein im Wesentlichen richtiges Bild von den Ost- Asiaten entwerfen zu können. Ein im Wesentlichen richtiges Bild, denn der Gegenstand ist ein so grosser, das Gebiet ein so weites, dass ein Einzelner es nicht völlig beherrschen und noch weniger erschöpfen kann, namentlich wenn er, wie ich, genöthigt ist, die freie Zeit für solche Studien von einer ziemlich anstrengenden Berufsthätigkeit absparen zu müssen. Andererseits aber hat mir gerade meine 24jährige Thätigkeit an der Universität zu Tokyo und an dem grössten Krankenhause Ost -Asiens das Menschenmaterial in einer Reichhaltigkeit und in einer Art zugänglich gemacht, wie es Anderen nicht vergönnt ist. Ausserdem habe ich mich jederzeit bemüht, durch Reisen und durch möglichst eingehende physiologische und psychologische Studien meine Kenntnisse zu vervollkommnen. Einen Theil des Materials habe ich schon in den „Körperlichen Eigenschaften der Japaner, Tokyo 1.S82 und 1883" und in einem Vortrag über denselben Gegen- stand auf dem Anthropologen -Congress in Karlsruhe 1885 behandelt. Das dort Vorgebrachte hat sich als ganz richtig erwiesen. Es ist aber zu bedauern, dass sich seither keine anderen Forscher genauer mit diesem interessanten Gebiet be- fasst haben. Nur die Aino haben inzwischen durch Koganei (Tokyo 1893 und 1894) ein eingehendes Studium erfahren. (167) Wie die meisten anderen anthropologischen Forscher habe ich damit ange- fangen, die Rassen-Merkmale im Hirnschädel zu suchen; aber die Völker sind auch in Ost-Asien so gemischt, dass man einen charakteristischen Rassenschädel nicht finden kann. Es sind im Allgemeinen wohl Mittelschädel oder Kurzschädel, aber das ist in Süddeutschland ebenso und in noch höherem Grade der Fall. Es giebt auch einzelne Langschädel; aber irgend etwas Charakteristisches hat sich nicht ergeben. Die Untersuchung des Gesichtsschädels war schon etwas frucht- barer. Jeder weiss, dass der Ausdruck der Ost-Asiaten im Gesicht etwas Eigen- thümliches hat. Es zeigt sich da, dass auch am Schädel das Gesicht vorn viel flacher ist, als beim Europäer, und dass die Augenhöhlen anders geformt sind. Auch noch sonstige Unterschiede finden sich, worauf nachher noch zurückzu- kommen ist^). Aber auch der Gesichtsschädel und das Skelet geben nicht völlig befriedigende Resultate, selbst wenn es gelingt, solche Mengen Material zu erhalten, dass man berechtigte Schlüsse daraus ziehen kann, was nicht immer leicht möglich ist. Die Skelette in der Anatomie in Tokyo z. B., die ich 1880 — 1S'S3 zu meinen Unter- suchungen über die Japaner benutzte, gaben, obwohl sehr zahlreich, kein richtiges Bild der procentarischen Häufigkeit der einzelnen Typen; denn der feinere, so scharf markirte Typus, den ich nachher als koreo- mandschurischen anführe, ist dort zu spärlich vertreten, weil er sich in den das Material für die Anatomie liefernden niederen Classen sehr selten findet. Freilich, wenn wir von früheren Rassen nichts anderes besitzen als Schädel und Skelette, so müssen wir uns damit begnügen lassen und froh sein, dass wir sie überhaupt verwerthen können. Sie haben ja in der That in den Händen einer Reihe hervorragender Männer, nicht zum Wenigsten deutscher, Resultate von grösster Bedeutung ergeben, die als Grundlage für weitere Forschungen mannig- fachster Art dienten und uns die Urzustände des Menschengeschlechts ebenso wie seinen heutigen Bau erschlossen und verständlich machten. Trotzdem muss die Noth wendigkeit des Studiums des lebenden Menschen mehr als bisher betont werden. Mir wenigstens hat sich dasselbe fruchtbarer erwiesen für die Charaktcrisirung der Rassen, namentlich nachdem uns durch Röntgen gewisse Eigenthümlichkeiten des inneren Körpers zugänglich geworden sind, die bis vor Kurzem für immer ein Buch mit sieben Siegeln zu sein schienen. Lebende Menschen kann man ja auch in weit grösserer Zahl beobachten und sie durch mehrere Generationen verfolgen, was unter Umständen ein nicht hoch genug zu schätzender Vortheil ist. Aber auch das Studium des Körpers noch so vieler Individuen genügt an sich nicht; man muss, um den Menschen richtig aufzufassen, ihn in seiner Beziehung zur Umwelt betrachten. Schon allein bessere äussere Lebensverhältnisse rufen in wenigen Generationen eine solche Veränderung der Gesichtszüge und des ganzen Baues (Verfeinerung der Nase, schlankere Gestalt usw.) hervor, dass es die Pflicht eines Menschenforschers ist, diesen Einflüssen nach Kräften nachzugehen. Ja man soll, wenn möglich, noch weiter gehen und auch dasjenige, was eigentlich den höheren Menschen ausmacht, nehmlich seine psychische, sociale und culturelle Thätigkeit mit in Betracht ziehen. Thut man das, so thut man den Schritt von der Somatik in das Gebiet der Ethnik, und nur die Vereinigung 1) Grössere Reihen von Schädelmcssungen an Ost-Asiaten findet man bei Baelz: „Die körperlichen Eigenschaften der Japaner", I. TheiL Tokio 1SS3, und bei Koganei: „Mit- theilimgen der medicinischen Facultät zu Tokyo", Bd. II, Nr. 1, 1893. (168) beider macht die wahre Anthropik. Das höchste Ziel dieser Wissenschaft müsste eine vergleichende Anthropik und Psychologie sein; aber das ist ein schönes Ideal, von dem Avir leider noch weit entfernt sind, wenn auch der Weg durch Bastian' s Arbeiten über die Volksseele und den Völkergedanken klar ge- wiesen ist. Gerade in Ost-Asien ist es noch mehr als anderswo nothwendig, die Umwelt und die socialen Verhältnisse mit in den Kreis der Beobachtung zu ziehen; denn der Ost-Asiate ist in viel höherem Grade ein Diener, man möchte beinahe sagen, ein Sklave seiner Cultur, als wir es sind. Bei uns hat sich die Cultur im Laufe der Zeit ausserordentlich verändert. Was die alten Römer und die Griechen Cultur nannten, bezeichnete man im Mittelalter ganz anders, und fast alle unsere An- schauungen haben sich in den letzten Jahrhunderten bis in die Gegenwart hinein ständig geändert und entwickelt. Bei unserer Cultur wirken verschiedenartige Factoren mit: erstens der Staat, sodann die Kirche als Trägerin der Religion, und neuerdings wichtige sociale Einflüsse, die oft miteinander in Streit liegen und in verschiedener Weise unser ganzes Leben beeinflussen. Alles ist sozu- sagen in Fluss bei uns, unsere Civilisation und mit ihr auch mehr oder weniger der einzelne Mensch, der ihr angehört. Bei den Ost-Asiaten handelt es sich da- gegen um eine seit Jahrtausenden gewissermaassen fest krystallisirte Cultur, eine Cultur, die die grossen bei uns getrennten Factoren, nehmlich Staat, Kirche und sociale Einflüsse, noch heute miteinander vereinigt, die sich also nicht geändert hat. Die Folge davon ist, dass in Ost -Asien das Individuum von seiner Cultur viel abhängiger ist als bei uns und sich ihr widerspruchsloser hingiebt. Das ver- leiht ihm aber zugleich eine mächtige Widerstandskraft gegen alle von ausserhalb seiner Cultur kommenden Einflüsse, und darum bleibt z. B. der Chinese unter jeder Sonne, unter jedem Volk, unter jeder Civilisation derselbe und beinahe un- beeinflusst. Wenn aber schon der einzelne Mensch eine solche passive Widerstands- kraft gegen äussere Einwirkungen besitzt, wie gross muss erst die summirte Kraft von 400 Millionen Menschen sein! Es liegt wirklich in unserem eigensten Interesse, dass wir uns über diese Verhältnisse klar werden. Der Bereich und die Ausdehnung dieser ganzen Cultur sind jetzt zum ersten Male durch die vortrefilichen Bastian'schen Karten „über die Ausdehnung Chinas und des chinesischen Einflusses in verschiedenen Zeiten" allgemeiner anschaulich gemacht worden, und es ist wünschenswerth, dass sich unsere Gebildeten mit dieser Cultur und ihrer Bedeutung mehr als bisher befassen. Denn es ist kein Zweifel, dass unser Jahrhundert im Zeichen des Zu- sammenstosses dieser beiden Culturen, der westlichen und der öst- lichen, steht, und dass die letztere auf unsere eigene Civilisation in viel aus- gedehnterer Weise einwirken und rückwirken wird, als man sich gewöhnlich vorstellt. Es scheint sehr einfach, den lebenden Menschen zu studiren, ist es aber gar nicht. Mit blossen Zahlen kommt man nicht aus; die reichlichsten, besten und genauesten Messungen geben nur dem, der sie selber macht, eine Vorstellung von dem betreffenden Individuum; wer sie nur hört oder liest, kann sich danach noch kein Bild entwerfen. Damit aber eine klare Vorstellung entsteht, ist Anschauung nothwendig, und dazu wieder gehört ein Bild. Wir haben nun in der Photographie ein ausgezeichnet günstiges Hülfsmittel hierfür, und sie wird mit vollem Rechte in ausgedehntem Maasse benutzt. Aber auch die Photographie lässt einen noch oft im Stich, denn wir sehen auf der Photographie das Gesicht häufig durch einen Bart vergrössert, und meist haben ja die Leute auch Haare auf den Köpfen. Nun (160) liegt uns aber viel daran, zu wissen, wie die wahre Gestalt des ganzen menschlichen Kopfes aussieht, und das können wir aus einer Photographie nicht erfahren. Ich bin nun schon vor 20 Jahren auf eine sehr einfache Methode verfallen, um diesem Uebelstande abzuhelfen. Dieselbe ist seither wiederholt mit Erfolg angewendet worden, aber noch nicht in dem Maasse, wie sie es nach meiner Auf- fassung verdient. Ich habe nehralich einen biegsamen Draht benutzt (und zwar zuerst einen Bleidraht; jetzt ist mir aber, wofür ich sehr dankbar bin, dünner, ge- glühter Kupferdraht als reinlicher empfohlen worden). Damit kann man beim Lebenden ebenso wie beim Skelet, genaue Umrisse abzeichnen. Es besteht viel- fach ein gewisses Misstrauen gegen die Methode, weil der Draht zu biegsam sei. In- dessen kann man Unsicherheiten, die dabei etwa entstehen, sofort und leicht durch controlirende Messungen mit dem Maassstab oder dem Bogenzirkel corrigiren. Auf diese Weise sind die beigegebenen Umrisse gemacht (Fig. 1, 2, und 3). So ein Umriss Fig. 1. Feiner mandschu-koreaniseher Typus bei einem Japaner. a b c a senkrechter Gesichts-Umfang, b sagittaler Kopf-Umfang, c Schädel-Umfang (Längenbreiten-Index über 90). Fig. 2. Japanerin, malayomongolischer Typus. a senkrechter Gesichts-Umfaug, b sagittaler Kopf-Umfang, c Horizontaler Umfang über Nase und Hinterhaupt gemessen. z. B. des Schädels am Lebenden hat, wie die mit dem vortrefflichen Lissauer'schen Instrument genommenen Umrisse des skeletirten Schädels, vor einem Bilde den Vorzug, dass nur das Wesentliche, die Umfangslinie, gegeben ist und daher sofort ins Auge fällt. Das Verfahren ist aber nicht auf den Schädel beschränkt; es soll auch auf den ganzen Kopf, also auf das Gesicht ausgedehnt werden, wie die Ab- bildungen (Fig. 3) zeigen. Der grösste Querumfang des Kopfes gestattet jederzeit, (170) den Kopf-Index durch directe Messung festzustellen, und dazu kommt noch der grosse Vortheil, dass man die wahre Form des Kopf-Umfanges, alle etwaige Asymmetrie und dergleichen auf den ersten Blick erkennt. Zahlreiche Control- messungen haben gezeigt, dass die Verhältnisse bei einiger üebung bis auf einen Millimeter richtig wiedergegeben werden, und das ist sicherlich alles, was man verlangen kann. Nimmt man ausser dem den Längenbreiten-Index gebenden grössten Horizontal-Umfang auch noch den Höhenbogen über den Schädel und den senk- Fig. 3. / Gesichtsforrn über Jochbeinen und Nasen- rücken mit dem biegsamen Draht ge- messen, beim Europäer. 2 und 3 bei Japanern. Die umrisse zeigen die Flachheit des Ge- sichts der Japaner im Vergleich zum Europäer. Alle Umrisse (Fig. 1, 2, 3) sind mit dem bieg- samen Draht genommen. rechten Umfang des Gesichtes, sowie den sagittalen Umriss des ganzen Kopfes (über welche Dinge noch nachher bei der Besprechung der Nützlichkeit von alle paar Jahre wiederholten Messungen ausführlicher die Rede sein wird), so hat man eine genügende Anzahl von Formen und Daten, die sehr leicht gewonnen werden und doch übersichtlicher und anschaulicher sind, als die mit den com- plicirtesten Methoden gewonnenen Resultate von Bestimmungen der Schädel-Obcr- flächenform. Auf diese Weise kann man die Umrisse des lebenden Menschen, und, was namentlich wichtig ist, das Verhältniss von Hirnschädel und Gesicht am Kopfe feststellen, ausserdem den Halsansatz, der ebenfalls sehr verschieden geartet und anthropologisch von grösserer Bedeutung ist, als man gewöhnlich annimmt. Hr. Boas hat vor Kurzem die Forderung gestellt, dass man, wenn man Menschen- rassen untersucht, von jetzt ab Kopf-Umfänge am Lebenden graphisch darstellen soll; er hat wohl nicht gewusst, dass ich dies schon vor 20 Jahren gethan und publicirt und seit dieser Zeit ununterbrochen fortgesetzt habe. Trotz aller technischen und mechanischen Hülfsmittel muss man sich bei solchen Studien immer noch auf etwas verlassen, was ein sehr vages Ding zu sein scheint, nehmlich auf den sogenannten Blick. Natürlich verstehe ich unter Blick in diesem Fall nicht bloss ein einfaches Ansehen, sondern den geschulten Blick, d. h. die Manchen angeborene, meist aber durch längere Uebung erworbene Fähig- keit, eine grosse Menge von Einzelheiten in einem Moment zu erfassen, und zwar richtig in ihrer Bedeutung und ihrem Verhältniss zu einander zu erfassen. Ohne dieses Hülfsmittel kommt man wirklich nicht aus. Wenn man sich aber übt und es sich zur Regel macht, überall die Gesichter, den Ausdruck und die Köpfe der Menschen zu studiren und zu analysiren, so kann man es darin weit bringen, wofür ich ein gutes Beispiel anführen kann. Ich war unter den Aino in Yeso und ging in eine japanische Schule, in der sich reine Aino-Kinder, rein japanische Kinder und Misch-Kinder zwischen beiden befanden. Ich sortirte die Kinder nach ihren Rassen und beging dabei keinen einzigen Irrthum; nur in einem Falle konnte ich mich nicht entscheiden. Es war bei einem kloinen Mädchen von (171) 7 Jahren mit ganz japanischen Gesichtszügen, aber mit blau tätowirter Oberlippe, was bestimmt auf Aino hinwies. Der Lehrer gab die Erklärung: das Mädchen w'ar von Geburt Japanerin, war aber von einem Aino adoptirt worden, daher die Tättowirung. Ich könnte noch mehr Beispiele dafür anführen, dass man, wenn man sich einübt, schon durch den Blick mit grosser Geschwindigkeit werthvolle Schlüsse ziehen kann, die aber dann natürlich durch exactere Methoden controlirt werden müssen. Wenn wir nun auf unser eigentliches Gebiet übergehen, so können wir sagen, dass, wie es auf der Bastian'schcn Karte vorgezeichnet ist, die ostasiatische Rasse mit dem ostasiatischen Culturkreise in sofern zusammenfällt, als es sich im Grossen und Ganzen um die gelbe, die mongolische Rasse handelt. Die mongolische Rasse im weiteren Sinne umschliesst fast ganz China, Japan, Korea, Formosa, dann nach Westen zu die Mongolei, nach Süden Tibet, die hintcr- indischen und indonesischen Völker und auch dieMalayen. Eine principielle Unterscheidung zwischen Malayen und Mongolen zu machen, ist schwer, wenn überhaupt möglich, und ich freue mich, darin mit dem grössten Kenner Malayiens, A. Wallace, übereinzustimmen, der angiebt, dass er nach löjährigem Aufenthalt in jenen Gegenden nicht mehr unterscheiden könne, wer ein Malaye und wer ein Chinese sei. Ausser der mongolischen Rasse kommen noch einige sehr wichtige andere Rassen-Elemente in Frage, vor Allem in Nord-Asien, in der Mandschurei, in einem Theil von Korea und in dem Korea benachbarten Stück der West-Küste von Japan. Dort lebt ein anderer Menschenschlag, der grösser und schlanker ist, und den ich in Ermangelung eines besseren Namens den m and schu- korea- nischen Typus nenne, weil er in der Gegend des Sugariflusses und der mandschu- risch-koreanischen Grenze seine Heimat hat und dort am verbreitetsten und reinsten ist. Dieser Typus steht dem Europäer näher als der eigentliche Mongole, mit dem er freilich allerlei gemein hat oder stark vermischt ist. Die Leute sind grösser, schlanker, ihre Gesichter länger, die Jochbeine ragen weniger vor, und ihre sämmtlichen Proportionen sind mehr kaukasisch. Sie sind offenbar den soge- nannten Turk Völkern, die im Laufe der Zeit ihren Sitz im mittleren und nörd- lichen Asien sehr oft gewechselt haben, nahe verwandt. Ich werde nachher auf sie zurückkommen. Drittens haben wir noch Menschen in Betracht zu ziehen, die man altasiatisch, paläoasiatisch genannt hat, ein sehr wenig zahlreiches, aber viel besprochenes Völkchen, die Aino. Diese Aino gelten heutzutage als beschränkt auf die Insel Yeso (japanisch Hokkaido), die zu Japan gehört, und auf die Insel Sachalin, die russisch ist. Je mehr ich mich aber mit dem Studium dieses Gegenstandes befasste, desto mehr fand ich, dass unter den Japanern noch ziemlich viel Ainn- blut vorhanden ist, und es war mir besonders interessant, nachweisen zu können, dass auf den Liu-Kiu-Inseln, südlich von Japan, eine ausserordentlich reiche Bei- mischung von Aino existirt, der Art, dass, wenn man die jungen Rekruten von Liu- Kiu neben Aino stellen würde, es schwer fallen sollte, zu sagen, wer vom Süden und wer vom Norden kommt. Es existiren ferner noch in China einige Urvölker, die Miaotse, die Lolo usw\, über die noch wenig Sicheres bekannt ist; und sodann ist ohne Zweifel in Süd-China, in Ost-Formosa und wahrscheinlich auch zum Theil in Süd-Japan spärliches polynesisches Blut. Man sieht da Gesichter, die den Kanaken ähnlich sind, und ganz ausnahmsw^eise Negrito-Typen, wie sie in Indo- nesien und auf den Philippinen vorkommen. (172) Das sind die Elemente, die in die Bevölkerung Ost-Asiens eingehen; die wesentlichen davon sind sowohl in China als in Japan und in Korea vertreten. Es ist zwar Sitte selbst unter den Europäern in Ost-Asien, zu sagen, dass die Chinesen ganz anders aussehen, als die Japaner und die Koreaner; aber das ist nur insofern der Fall, als sie eine verschiedene Haartracht und verschiedene Kleidung haben. "Wenn ein Chinese oder ein Koreaner europäische Kleider anzieht und sich die Haare so schneidet, wie ein Europäer und wie auch die Japaner es heute thun, so können die Japaner, wie mir zahllose Male auf meine Frage ver- sichert worden ist, ihn nicht von ihren eigenen Landsleuten unterscheiden. Der japanische Consul in Mokpho, Korea, gab zu, oft genug Koreaner, die aus Japan zurückkehrten, für Japaner gehalten und als solche angeredet zu haben, und der japanische Kriegsminister hat mir gesagt, dass die chinesischen Cadetten, die in die japanische Militär-Schule eintraten, von dem Augenblicke an, wo sie wie die Japaner gekleidet waren, von ihm nicht mehr von seinen Landsleuten unterschieden werden konnten. Wie sehr die Haar-Tracht in dieser Beziehung die ganze Eigen- art des Ausdrucks beeinüusst, das kann man ja bei uns jeden Augenblick auf der Bühne an den Schauspielern sehen. "Wer diesen Einfluss nicht berücksichtigt, der wird allerdings finden, dass der Chinese bei seiner verschiedenen Haltung und Kleidung anders aussieht, als der Japaner. Im Wesentlichen sind aber in den drei ostasiatischen Reichen dieselben Rassen-Elemente vorhanden, nur in verschiedenen Proportionen. Namentlich in Mittel- und Süd-China überwiegen die eigentlichen Mongolen; je mehr nach Süden, desto mehr tritt der sogenannte malayische Typus hervor, der grössere, rundere und weniger schiefe Augen hat, im Uebrigen aber mit jenen fast identisch ist. Weiter nach Norden herrschen die Mandschu-Koreaner vor; besonders in Mittel- und Nord-Korea ist dieser Typus überwiegend, Süd-Korea dagegen ist mehr von Malayo-Mongolen be- wohnt. In China selber ist auch die grosse Masse des Volkes ein Gemisch von Mongolen und Malayen mit diesem nördlichen, sehlankeren und feineren Typus (vgl. unten). In Japan ist er dort, wo es Korea am nächsten liegt, am meisten vertreten; auch weist die älteste japanische Geschichte immer und immer wieder auf die Berührung jener Gegenden mit dem Pestlande, namentlich mit Korea hin. Dort muss also diese schlanke Rasse früher gelandet sein. Wenn man die (zum Theil legendären) ältesten japanischen historischen Werke, „das Kojiki", das an Bedeutung für Japan ungefähr unserer Bibel entspricht, und das „Nihongi" darauf- hin besonders prüft (vras bisher niemand gethan hat), so findet man, dass un- zweifelhaft an der japanischen Westküste, bei Idzumo, einst ein Reich existirt hat, welches von Korea stammte und mit ihm in beständiger Wechselwirkung war. Wie kamen nun diese verschiedenen Völker an ihre Wohnsitze? 1. Die Aino. In einzelnen Strecken von Yeso, z. B. in ihrem alten Haupt- ort Piratori, waren sie bis vor wenigen Jahren so absolut rein und unvermischt, wie man heutzutage kaum mehr ein Urvolk findet. Darum habe ich besonders dort Studien gemacht, wobei meine Eigenschaft als Arzt die Scheu der Aino gegen alle Fremden überwinden half. Im eigentlichen Japan sind sie rein nicht mehr vertreten, aber ihr Blut ist natürlich mehr oder weniger da. Ausserdem findet man sie ziemlich reichlich auf den Liu-Kiu-lnseln (wohin ein Theil von ihnen durch die malayo-mongolischen Eroberer gedrängt wurde, w'ährend die grosse Masse nach Norden auswich), ferner auf dem Festlande noch den Giljaken und anderen Stämmen am Amur beigemischt. Auch in der Mandschurei und in Nord- Korea sind sie noch zu spüren, wenn auch spärlich. Früher waren sie mehr ver- (173) breitet; sie haben einst ganz Japan bewohnt und zwar noch in historischer Zeit. Wenn man die japanische Geschichte des 6. und 7. Jahrhunderts studirt, so er- fährt man von zahh-eichen Kämpfen mit den Aino in Mittel-Japan, die man, nach- dem sie unterworfen waren, freundlich und rücksichtsvoll behandelte, indem man ihren Häuptlingen japanischen Rang verlieh, genau so, wie es jetzt die Russen machen: streng im Kriege, aber dann, wenn der Krieg vorbei ist, freundliche Be- handlung der Besiegten, um sie zu assimiliren. Auf diese Weise ist es den Japanern gelungen, ohne allzu grosses Blutvergiessen die Aino entweder zurück- zudrängen oder aufzusaugen. Ich glaube nun, dass früher einmal ganz Nordost-Asien von einer der kau- kasischen verwandten Rasse bewohnt gewesen ist, und dass diese Rasse durch die erobernden Mongolen und Turkvölker, die sich in immer neuen, gewaltigen Scharen von Tibet oder benachbarten Gebieten nach Norden und von der Sugari- Gegend nach Süden ergossen, in zwei Theile gespalten wurde. Die Aino, der östliche Theil, sind an das Meer und auf die japanischen Inseln zurückgedrängt, und die übrigen sind durch die Völker- Wanderung immer weiter nach Westen geschoben worden. Die Völker-Wanderung nehmlich, die wir vom Jahre 378 datiren, beginnt in der West-Mandschurei schon im ersten Jahrhundert. Damals sind die Hunnen von hier aufgebrochen und nach Westen gewandert, bis sie schliesslich an die Bewohner des heutigen Russlands und an die germanischen Völker kamen, die sie zum Theil in ihren Wohnsitzen unterwarfen, zum Theil weiterdrängten, oft auch als Bundesgenossen und Lehenspüichtige aufnahmen, wie denn der grösste germanische Fürst jener Zeit, Theodorich, in unserem Nationalepos als Lehens- mann des Königs Attila erscheint. Die Masse der heutigen Bauernrussen stellt mit mehr oder weniger mongolischer Beimischung den wesentlichen Antheil jener erwähnten Rasse dar, und auf diese Weise erklärt sich einfach die wirklich frappante Aehnlichkeit zwischen den Aino und den Russen, namentlich den russischen Bauern (vergl. Taf. I). Damit' wird auch der Nothbehelf entbehrlich, die Aino für ein besonderes paläoasiatisches Volk zu halten. — Soviel über die Abstammung der Aino und ihren Zusammenhang mit den Europäern. Ob sie über die Meerenge nach Sachalin und von da nach Süden, oder über Korea nach Japan wanderten,, ist heute nicht mehr zu entscheiden. 2. Die Mandschu-Koreaner nehmen, mehr oder weniger mit Mongolerk gemischt, die Länder ein, die ihr Name bezeichnet. Ferner ist bereits erwähnt, dass diese Rasse auch im Südwesten der japanischen Haupt- Insel ziemlich reichlich vertreten ist. Wie kamen sie dahin? Ich habe, um diese Frage zu beantworten, die Meeres-Strömungen studirt, und da zeigt sich, wie sich aus Tafel II ergiebt, dass die kalte Polar-Strömung, von der sibirischen Küste kommend, an der Küste von Korea heruntergeht, dann einen grossen Bogen macht und direct auf die er- wähnte Stelle des südwestlichen Endes der japanischen Haupt-Insel führt, an welcher sich historisch und anthropologisch dieser koreanerähnliche Stamm nach- weisen lässt. Noch heute kommt es jedes Jahr vor, dass verschlagene koreanische Schiffe an diese Ufer getrieben werden. •>. Die eigentlichen Mongolen und die Malayo-Mongolen (Taf. IV,. Fig. 4 u. 5). Der Weg der Mongolen nach China liegt auf der Hand. Nach Korea sind sie von Osten her gewiss nur in geringer Zahl gekommen, da sie dort die Mandschu- Koreaner fanden. Der südliche Zweig der mongolischen Rasse, der malayische, gelangte nach Süd-Japan und auch nach Süd-Korea durch den Kuroschiwo, die nordwärts gehende Aequatorial-Strömung, den Golf-Strom des Stillen Oceans. Der (174) Kuroschiwo, dieser warme, starke Meeres-Strom, entsteht in der Nähe der Philippinen, geht an der Ost-Rüste von Formosa und an den Liu-Kiu-Inseln vorbei und trifft die südliche Haupt-Insel von Japan, Kiushiu. Hier theilt er sich (vergl. Taf. H) in zwei Arme, von denen der stärkere, an der West-Küste entlang fliessende, die Provinz Hyuga berührt. Hyuga ist aber nach der japanischen Mythologie der Ort, wo der erste, mythische, Kaiser vom Himmel gekommen sein und sein Reich begründet haben soll. Nun, vom Himmel wird er wohl nicht gekommen, sondern er wird dort gelandet sein; aber für die Leute, die seine Herkunft nicht kannten, ist das gerade so gut, als wenn er vom Himmel gefallen wäre. Auf diese Weise kann man die verschiedene Dichtigkeit der einzelnen Typen in den verschiedenen Theilen des japanischen Reiches ohne Schwierigkeit erklären. Der schwächere Arm des Kuroschiwo fliesst an der Ost-Küste von Kiuschiu nach NO. und trifft an der Süd-Spitze Koreas mit dem kalten Polar-Strom zu- sammen. So ergiebt sich aus dem Lauf dieser Strömung auch die auf der süd- lichen Hälfte von Korea so starke Vertretung des malayischen Elements. Wir gehen nun über zur Beschreibung dieser drei hauptsächlichen Rassen; denn sich über die spärlichen polynesischen Elemente zu verbreiten, hat keinen Zweck. Die Aino (Taf. I und UI). üeber sie kann ich mich verhältnissmässig kurz fassen, da sie von allen Be- wohnern Ost-Asiens am häufigsten und eingehendsten beschrieben worden sind, obwohl sie an Zahl ganz minimal dastehen und kaum 2000 Köpfe zählen. Seit den vortrefflichen Schilderungen v. Schrenk's ist durch die späteren Forscher, auch durch Scheube und Koganei, nicht viel Neues beigebracht worden und auch meine während zweier Sommer unter sehr günstigen Verhältnissen be- triebenen Studien haben nur in einigen Punkten wesentlich Neues ergeben oder bisherige Angaben corrigirt. Wichtig ist zunächst die endliche Feststellung ihrer 'Rassen-Zugehörigkeit. Wie man sie einfach den Mongolen zuzählen kann, wie das 'manche Autoren thun, ist bei auch nur einigermaassen aufmerksamer Beobachtung völlig unver- ständlich. Ich bin in Yeso in drei Elementar-Schulen gewesen, in denen Aino- Kinder, japanische Kinder und Misch-Kinder beider zusammen unterrichtet wurden, und ich habe, wie schon erwähnt, sie stets in diese drei Gruppen sortiren können, ohne einen Irrthum zu begehen. Freilich war mein Blick durch jahrelange, be- sonders auf die genaue Unterscheidung von Körper-Merkmalen gerichtete üebung geschärft; aber die einfache Thatsache, dass eine solche Scheidung überhaupt, sogar bei Kindern möglich ist, beweist, dass die Masse der heutigen Japaner von -den Aino grundverschieden ist, dass also das Aino-Blut unter denselben zurücktritt. Damit fällt auch die Ansicht von Griffis, dass die Aino die Basis der heutigen japanischen Bevölkerung bilden, in sich zusammen. Dass man unter den Sachalin- Aino öfters mongolische oder mandschu-koreanische Züge findet, erklärt sich durch die historisch nachweisbare spätere reichliche Beimischung vom Festlande aus. Mehr Aehnlichkeit, als mit den heutigen Japanern, haben die Aino in mancher Hinsicht, namentlich auch was die Haarigkeit und die Form der Nase betrifft, mit manchen Südsee-Insulanern; aber v. S ehren k hat doch ganz Recht, wenn er die Hypothese vom oceanischen Ursprung zurückweist und ihnen einen con- tinentalen Ursprung zuerkennt. Schon ihm sind die kaukasoiden Züge aufgefallen, und für mich wenigstens besteht kein Zweifel, dass sie unter allen Rassen der kaukasischen am nächsten stehen und in der oben angegebenen Weise nach Osten gelangten. Ich glaube, die hier vorgelegten Bilder (Demonstration, vgl. Taf. I) zu- i (175) sanimen mit den sofort zu erörternden körperlichen Merkmalen rechtfertigen diese Auffassung. Nicht bloss den russischen Bauern, sondern überhaupt den Süd-Slaven und auch manchen Deutschen (z. B. Oberbayern, die ja auch zur alpinen oder keltisch-slavischen, also den Mongolen relativ nahestehenden Rasse gehören), sehen diese Aino so ähnlich, dass wohl jeder unter diesen Aino-Gesichtern den einen oder anderen Bekannten zu finden glauben wird. Taf. I zeigt einen alten Aino, der das Urbild eines altgermanischen Barden sein könnte; ferner einen anderen typischen Aino, und neben ihm das Bild des Grafen Tolstoi, der ihm zum Ver- wechseln ähnlich sieht. Die weiblichen Bilder zeigen die Sitte der Aino, dass die Frauen sich tättowiren (die Männer nicht), und zwar tättowiren sie sich einen grossen Schnurrbart, der, obwohl mit Kohle gemacht, wie alle in der Lederhaut (Cutis) abgelagerte schwarze Farbe, lebhaft blau erscheint. Man tättowirt zuerst bei 7jährigen Mädchen einen schmalen Streif auf der Oberlippe, der in jedem Jahre verbreitert wird. Gegen das 20. Jahr ist dann der volle blaue Schnurrbart mit den aufwärts gekehrten Enden „erreicht". Auch die Unterlippe wird mit ein- bezogen, wie die Figuren zeigen. Ausserdem tättowiren sich die Aino -Frauen bei Mororan einen Verbindungs-Strich zwischen beiden Augbrauen, und überall tättowiren sie die Hände. Gerade die Thatsache, dass in Liu-Kiu die Frauen ganz ähnliche Zeichnungen auf den Händen und Vorder-Armen haben, wie im äussersten Norden die Aino-Weiber, während dazwischen nichts dergleichen existirt, hat mich zuerst auf die Idee gebracht, nachzuforschen, ob nicht auch ethnographisch oder anthropologisch ein Zusammenhang zwischen den Liu-Kiu -Insulanern und den Aino existirt. Er existirt in der That; ja sowohl der Anblick, als die genaue somatische Untersuchung zeigen sogar, dass ein grosser Theil der Einwohner von Liu-Kiu (die Japaner haben sie jetzt auch zum Militär-Dienst herangezogen, und ich hatte Gelegenheit, -iOO solcher Soldaten aus Liu-Kiu nackt zu untersuchen und ihre Rassen-Charaktere festzustellen) eigentlich ganz identisch mit den Aino sind. Eine ausführliche Beschreibung der Liu-Kiu-Leute werde ich später geben. Merkwürdig ist, dass von Reisenden und Forschern, welche die Aino kennen gelernt oder über sie geschrieben haben, keiner einen Mann ohne Bart dargestellt hat, obwohl man natürlich nur bei Bartlosen die wahre Gestalt des Gesichts fest- stellen kann. Der Bart ist eben beim haarigen Aino das Auffallende, und darum wurden immer nur die bärtigsten abgebildet. Erst als ich junge, bartlose Männer untersuchte und photographirte, wurden mir viele Gesichter klar, die mir unter den Japanern als auffallend erschienen waren. Im Allgemeinen finden wir: die Aino sind ein kleiner Menschen -Schlug (Männer im Durchschnitt 157, Weiber 146 cm), der kleinste in Ost-Asien, aber ausser- ordentlich gedrungen, mit starkem Hals und grossen Händen und Füssen. Der Kopf ist etwas länglich, meist mesocephal, der Längenbreiten-Index des Schädels am Lebenden im Durchschnitt etwas unter 78, also etwas kleiner, als bei den meisten Japanern, die einen Durchschnitts-Tndex von fast 80 haben. Der Gesichts-Aus- druck vieler Aino ist eigenthümlich traurig, ernst, oft scheu, fast wie der eines ängstlichen wilden Thieres, während doch der Grundzug ihres Charakters grosse Gutmüthigkeit und Unterwürfigkeit ist. Das Gesicht der Männer erscheint durch den Bart lang; wenn man aber die bartlosen Aino-Typen betrachtet, so findet man, dass in Wahrheit das Gesicht nicht lang, sondern mehr rundlich und unten viel breiter, viereckiger als das der eigentlichen Japaner ist. Sehr deutlich bemerkt man das an den Frauenköpfen. Die Stirn der Aino ist quergewölbt, und wie beim Europäer ragt die Superciliar-Gegend deutlich hervor; die knöchernen Arcus super- ciliares sind stark entwickelt und die Glabella wohl raarkirt, ganz im Gegensatz (176) zu den Mongolen. Die Augenbrauen sind sehr dicht, buschig, oft in der Mitte verwachsen und bedecken manchmal fast die ganze äussere Hälfte des oberen Lids. Die Augen liegen hinter den Augenbrauen zurück, wie beim Europäer. Auch das ist ein fundamentaler Unterschied von den eigentlichen Mongolen. Ferner ist der Abstand von den Brauen bis zum freien oberen Lidrande beim Europäer sowohl, als beim Aino klein, beim Mongolen dagegen sehr gross. Dieser Unterschied ist auf Taf. IV, 6— !l, und in der Figur 6 auf S. 187 mit den Mongolen- Augen, wo auch ein Europäer-Auge abgebildet ist, klar zu sehen. Auge: Die Lid-Spalte der Aino liegt, gleich der des Europäers, horizontal, und nicht schief, wie bei den Mongolen. Die Aino haben sehr lange Cilien, welche gleich denen des europäischen Auges divergiren, während die kurzen Cilien der Mongolen, wie wir nachher sehen werden — und dass ist sehr interessant — ganz anders gestellt sind. Die Grösse der Lid-Spalte ist beim Aino gewönlich bedeutender, als beim Japaner; bei Kindern sind die Augen oft geradezu unheimlich gross und rund, ganz so wie sie unsere Maler an italienischen Hirten-Knaben darzustellen pflegen. Die für den Mongolen so charakteristische Falte am inneren Augenwinkel fehlt den Aino gewöhnlich; bei den mit Mongolen reichlicher ge- mischten Aino aus Sachalin dagegen ist sie gar nicht selten, und bei ihnen ist oft auch die Lid-Spalte niedriger. Bei älteren Aino wird, wie bei zahlreichen älteren Europäern, die Haut des oberen Lides schlaff und sinkt dann über die äussere Hälfte des freien Lid-Randes herab; doch darf man natürlich diese Alters-Schlaff- heitsfalte, durch welche der äussere Augenwinkel tiefer zu stehen scheint, nicht verwechseln mit der am inneren Winkel liegenden Mongolen -Falte, welche den äusseren Winkel höher macht. Die Japaner unterscheiden scharf zwischem dem „aufsteigenden Auge" (agari me) und dem nach ihrer Ansicht unschönen „ab- steigenden" (sagari me). Was die Farbe der Iris betrifft, so muss ich Koganei direct widersprechen, wenn er sagt, sie sei durchweg dunkelbraun. Im Gegentheil ist es auffallend, wie häufig man graubraune, graue und gelbe Augen findet; ja ich habe drei erwachsene Aino gesehen, deren Augen ich nicht anders, denn als blau oder blaugrau bezeichnen kann. Die Jochbeine stehen kaum oder wenig vor; ihre grösste Breite liegt weiter nach hinten, als bei den Mongolen; dadurch erscheint das Gesicht weniger breit, in Wahrheit aber ist es ebenso breit, wie das der letzteren, oft sogar breiter. Vgl. die Umrisse der Gesichter in Fig. 3 auf S. 170, wo das europäische Gesicht auch für die Aino gelten kann. Die Nase ist meist gut gebaut: sie ist gegen die Stirn im Winkel abgesetzt, nicht im Bogen, wie bei den Mongolen; ihr Rücken ist hoch, gerade. Eigentliche Fig. 4. Profile. Japaner mit Aino-Typus. Japaner mit maadschu-koreanischem Typus. Japaner mit niedrigem malayischem Typus (pithecoid). (177) Stumpf-Nasen sind selten; edle, und bei älteren Individuen selbst aquiline Nasen sind ziemlich häufig. Die Nasen-Flügel sind meist scharf abgesetzt und laden breit aus, ähnlich wie bei den Kanaken. Wer Samoaner oder Hawaier gesehen hat, wird verstehen, was ich meine; denn die haben alle diese Eigenthümlichkeit der Nase und zwar in plumperer Form, als die Aino. Die Nasenlöcher sind länglich- rund. Bei Frauen ist eine etwas stumpfe Nase nicht selten, so dass die Nasen- löcher von vorne sichtbar werden. Prognathismus ist nur gering, wo er überhaupt vorhanden ist. Der Mund der Aino ist durchweg gross, auffallend gross, mit derben, ziemlich wulstigen Lippen. Das ganze Gesicht ist überhaupt unten sehr breit, und diese Breite erstreckt sich auch auf die Zähne, während bei dem eleganteren mongo- lischen oder vielmehr korea-mandschurischen Typus die Zähne lang und schmal sind. Die Zahnform der Aino ist eine mehr quadratische, und sehr häufig berühren sich die Schneidezähne gar nicht (Diastema). Ferner haben die Aino ein ver- hältnissmässig breites, kräftiges Kinn (Fig. 4 auf S. 17()), während bei allen anderen ostasiatischen Rassen das Kinn gewöhnlich schmal ist und zurücktritt. Der Hals ist, wie schon gesagt, bei allen Aino sehr kurz, die Schultern sehr stark, ebenso ist der Brustkorb oft enorm. Mit der grossen Brustbreite hängt wohl auch wenigstens zum Theil zusammen, dass bei den Aino durchweg die Spannweite die Körperlänge übertrifft und zwar bis zu 16 cw, was in Anbetracht der niedrigen Statur ein ausserordentlich hoher Werth genannt werden muss. Die Hautfarbe der Aino ist an den Stellen, wo der Körper bedeckt ist, heller, als die der Mongolen; es ist nicht der gelbliche, sondern ein mehr röthlicher Ton in Folge des Durchschimmerns des Blutes (wie beim Kaukasier), der bei der gelben Rasse durch Pigment verdeckt wird. Bei den Frauen ist die Haut ebenso weiss, wie bei dunkelhaarigen Europäern. Die später zu beschreibenden Mongolen-Flecke fehlen bei den Aino-Kindern; nur bei einzelnen der Sachalin-Aino sind sie in Andeutung vorhanden. Das Auffallendste aber bei den Aino ist ihre Behaarung. Zwar habe ich unter meinen Patienten ebenso haarige Süd-Europäer, Juden, Inder, Parsi gesehen; die vielfach, u. A. von Macrichie copirton Bilder Landor's in seinem „The Hairy Ainos" sind stark übertrieben. Aber immerhin ist die Behaarung im Ver- gleich zu den anderen Bewohnern Ost-Asiens höchst auffallend und selbst vom europäischen Standpunkt aus als sehr stark zu bezeichnen. Namentlich ist der Bartwuchs intensiv; der Schnurrbart hängt oft so weit über die Unterlippe, dass man bei dem Anblick factisch nicht weiss, ob die Menschen einen Mund haben oder wo er liegt. Die Aino sind daher auch wohl die einzigen Menschen, die ein eigenes Instrument besitzen, um sich zum Zweck des Essens und Trinkens den Schnurrbart in die Höhe zu heben: ein papiermesserartiges, mit Schnitzereien versehenes Holzstück, das ja in allen europäischen Aino-Sammlungen vertreten ist. Der Bart bedeckt die ganze Wange bis auf die Jochbeine (Gagensatz zum Mongolen), und auch der haarlose Raum zwischen Augenbrauen und Ohrgegend ist sehr klein. Ein alter Aino hatte auf seiner Nase 1 cm lange Borsten; er pflegte sich seit 40 Jahren diese Haare von Zeit zu Zeit zu schneiden. Der Bart ist wellig oder lockig, genau wie der des Europäers; straffe, dicke, spärlich stehende Barthaare weisen auf mongolische Beimischung. Die Farbe des Bartes ist meist schwarz oder dunkelbraun, auch wohl rothbraun. Beim Ergrauen findet sich zwischen schwarz und weiss oft als Uebergang eine röthliche, dann Verhandl. der Berl. Anthropol. Gesellschaft 1901. 12 (178) strohgelbe, ja zuweilen deutlich grüngelbe Farbe, was übrigens auch bei Europäern vorkommt. Das Kopfhaar ist, wenn es wie gewöhnlich ziemlich lang getragen wird, selten glatt, meist wellig oder auch lockig, nie kraus. Seine Farbe ist meist schwarz, öfters dunkelbraun. Es fühlt sich derb an; die einzelnen Haare sind auf dem Quer- schnitt elliptisch. Der Körper ist bei älteren Männern auf seiner ganzen vorderen Oberfläche stark behaart, am stärksten natürlich (abgesehen von Scham- und Achselhöhlen) in der Umgebung der Brustwarzen und des Nabels. Bei sehr haarigen Männern findet man auch zolllange Haare auf den Schulterblättern; die Arme sind bis auf den Fingerrücken und die Beine bis auf den Fussrücken behaart. Die Haarigkeit erstreckt sich auch auf die Frauen, soweit ich das überhaupt habe feststellen können. Diese Feststellung ist nehmlich ungemein schwierig, denn die Aino-Frauen sind von einer, man kann es nicht anders nennen, geradezu un- glaublichen Schamhaftigkeit: wenn sie ihr hemdartiges Gewand anziehen, nähen sie es am Halse fest und behalten es auf dem Leibe, bis es in Stücken herunter- fällt; sie gehen also noch weiter, als Königin Isabella ihrer Zeit gegangen ist. Im Sommer baden sie — sie baden leider sehr selten — in den Kleidern. Soweit ich habe sehen können, ist also auch die Behaarung der Aino-Frauen sehr stark, und selbst junge Mädchen und Frauen von vielleicht 20 — 25 Jahren, die ich nur bis etwas über die Knöchel sehen konnte, zeigten diese Gegend so haarig, wie man es nur ausnahmsweise bei europäischen Männern sieht, und sonderbarer Weise schnitt die Behaarung über den Knöcheln scharf ab, also anders als beim Europäer. Möglicher Weise hängt das mit der hosenartigen Kleidung zusammen, die sie au den Knöcheln festbinden. Auffallend ist, dass man nie eine Aino-Frau sieht, die im Gesicht viele Haare hat, obwohl sie behaupten, sich nicht zu rasiren, während man doch in Süd-Frankreich und in Italien eine ganze Masse von Frauen mit recht stattlichen Schnurbärten sehen kann. Bei Kindern von etwa 10 Jahren sieht man oft deutliche Behaarung der Arme und der oberen AVirbelsäule. Siehe darüber im Anhang „Ueber Haarwirbel auf der Wirbelsäule und über Kachexie-Haare". Wie weit die Scheu der Aino-Frauen vor der Entblössung geht, habe ich einst in sehr charaktöristischer Weise erfahren. Ich kam in eine Missions-Schule, in der Aino-Kinder unterrichtet wurden; dort sah ich ein Mädchen, das auf einem Bein hinkte und einen schmerzhaften Buckel hatte, also offenbar an Wirbelentzündung litt. Ich wurde gefragt, ob man da etwas thun könne; natürlich sagte ich, erst müsse ich das Mädchen untersuchen. Darauf erklärte dasselbe, das bereits 7 Jahre in der Missions-Schule war, lieber würde es sterben, ehe es seinen Rücken ent- blössen und einem Manne, auch wenn er Arzt sei, zeigen würde. Diese übertriebene Angst vor Entblössung ist um so auffallender, als sie zur japanischen Auffassung in schroffem Gegensatz steht; denn in Japan gilt die Nacktheit an und für sich durchaus nicht als unanständig. Aber allerdings, wenn die Japanerin Kleider trägt, so thut sie es, um den Körper zu verhüllen, und das eigenthümlichste japanische Kleidungsstück, der bekannte Gürtel (Obi) hat den Zweck, die weiblichen Formen unsichtbar zu machen, indem er die Taille ausgleicht, und der grosse Lappen, der hinten herunterhängt, hat ebenfalls einen verhüllenden Zweck. In Ost-Asien findet man überall, nicht bloss bei den Japanern, sondern auch bei den Chinesen, eine Kleidung, welche die Körperform verhüllt und verdeckt; ein „Zurschautragen der weiblichen Geschlechts-Abzeichen", um einen schopenhauerischen Ausdruck zu gebrauchen, widerstrebt allen dortigen Anschauungen. In der That hat mir einmal (179) ein vornehmer Chinese, der lange Zeit in Europa war, gesagt: „Ich habe allmählich eure Auffassungen verstehen gelernt; aber in die Köpfe meiner Landsleute zu Hause wird es niemals hineingehen, dass ein Wesen, welches die Kleider benutzt, nicht um die weiblichen Formen zu verhüllen, sondern um sie zu zeigen und so zu sagen dem Blick eines jeden Mannes auf der Strasse preiszugeben, auch nur eine Spur von Schamhaftigkeit haben könne." Dies ist auch einer der Gründe für die be- sondere Abneigung gegen die weiblichen Missionare. Die Japanerinnen aber sind mit Unrecht häufig verurtheilt worden, weil sie die der unserigen entgegengesetzte Anschauung haben, dass die Nacktheit an und für sich nicht unsittlich sei. Wenn man so auf der einen Seite die Aino-Frauen, auf der anderen die Japanerinnen sieht, und dann in Ost-Asien wieder europäische Frauen findet, die selbst stark decollctirt zum Balle gehen und doch an dem halb- nackten Kuli Anstoss nehmen, dem Kleider seine ohnehin anstrengende Arbeit in der Sommerhitze erschweren, dann muss man sich wirklich fragen, wie sich Nacktheit und Sittlichkeit zu einander verhalten. Ich glaube, man kann diese Frage einfach so beantworten: die Nacktheit, so lange sie unbewusst ist (wie bei Adam und Eva vor dem Fall), ist absolut harmlos und ungefährlich; von dem Augen- blick an, wo sie bewusst wird, ist sie verführerisch und fängt an, unsittlich zu werden. Ein geistreicher Franzose hat daher auch von der Japanerin gesagt, sie sei Eva vor dem Sündenfall. In dieser Beziehung ist mir namentlich auch das ür- theil einer englischen berühmten Schriftstellerin, der vielgereisten Mrs. Bishop, vorher Miss Bird, sehr interessant gewesen. Diese Dame hatte in ihrem weit ver- breiteten, auch ins Deutsche übersetzten Buche: „Unbetretene Pfade in Japan'-, sehr hart über den Mangel an Schamhaftigkeit der Japanerinnen geurtheilt. Zwanzig Jahre später, nachdem sie in allen möglichen Ländern der Welt gewesen war, traf ich sie in einem japanischen Gebirgs- Badeorte. Wir wohnten in demselben Hotel, und als wir einst beide zufällig Zeugen einer Scene von fast unglaublicher Naivität waren, sagte Frau Bishop: „Ich fürchte, ich habe diesen Menschen Unrecht gethan; ich Aveiss jetzt, dass man nackt sein und sich doch wie eine Lady benehmen kann." Gerade aus dem Munde einer Frau, die, so lange sie in ihren europäischen Vor- urtheilen von Prüderie befangen war, so herb geurtheilt hatte, ist ein solches Wort doppelt bedeutungsvoll. Ursprung des "Wortes Wodjin für die Japaner. Nach diesem „Ausflug in's Sittliche" möchte ich nun einen Abstecher in ein anderes Gebiet machen, auf dem ich mich allerdings nicht sehr zu Hause fühle, nehmlich in das sprachliche. Allen Spiachforschern Ost-Asiens hat die Bezeichnung der Chinesen für die Japaner: „Wodjin*', viel Kopfzerbrechen bereitet. Dieses Wort bedeutet einen kleinen gebückten Menschen. Man hat das so erklärt, dass man sagt: das Wort kennzeichnet einen sklavischen Charakter, indem die Leute sich gebückt halten, weil sie nicht wagen, aufrecht zu gehen. Es ist nun kein Wunder, dass die Japaner sich schon von ihrem ersten officiellen Verkehr mit China an, vor mehr als tausend Jahren, geweigert haben, diesen Namen anzuerkennen. Wer die Japaner und ihre Geschichte kennt, wird auch nimmer glauben, dass sie jemals ein sklavisches Volk waren; sie sind im Gegentheil immer kriegerisch und stolz gewesen. In Folge dessen war man bisher gänzlich im Unklaren, wie diese Bezeichnung ent- standen ist. Ich glaube nun, ich kann den Schlüssel dazu geben. Das Wort Wodjin stammt offenbar aus der Zeit, in der die Chinesen zuerst mit Japan in Berührung kamen; damals war Japan noch ganz oder fast ganz in den Händen der Aino. Nun ist aber das Eigenthümliche, dass kein Volk der Welt so gebückt geht, wie 1-2* (180) die Aino. Ohne Ausnahme geht der Aino in der AVeise, dass er die Arme, im Ellen- bogen gebeugt, an den Leib hält, den Oberkörper vorn überneigt und ihn dabei ganz starr hält. Diese charakteristische Eigenschaft der Aino ist auf allen Aino-ßildern der Japaner vorzüglich dargestellt. Ich habe den berühmten alten Häuptling Penri, den einzigen Aino, aus dem man überhaupt etwas Yernünftiges herausbringen kann, gefragt: „Warum gehen selbst die kräftigsten Leute so?" „So sind die Aino ge- gangen, seit es Aino gegeben hat", war die Antwort. Auf solche Weise, glaube ich, lässt sich diese Crux der Sprachforscher ohne Schwierigkeit erklären, um so mehr, als ja die Aino sehr klein sind. Es wird nun oft behauptet, die Aino seien ein im Aussterben begriffenes Volk; sie seien so dumm und verkommen, dass aus ihnen nichts zu machen sei. Gewiss, sie haben die zwei grossen Laster der meisten Naturvölker: sie sind faul, und sie trinken alles, was sie irgend bekommen können, wenn es nur Alkohol enthält. Jetzt aber, wo die Japaner auch bei den Aino den Schulzwang und die allgemeine Wehr- pflicht einführen, werden die Aino -Kinder zur Ordnung und zur Arbeit erzogen. Sie besuchen 6 — 8 Jahre die Schule, später müssen sie 3 Jahre als Soldaten dienen, und das genügt vollständig, um richtige Japaner aus ihnen zu machen. So glaube ich allerdings, dass etwa in 30 Jahren die Aino als solche und namentlich die Aino- Sprache verschwunden sein werden, zumal da die japanischen Schullehrer, die ich kennen gelernt habe, ebenso wie die Beamten, freundlich mit den Aino-Rindern umgehen, so dass diese gern die Schule besuchen. Was den immer wieder be- tonten Mangel an Intelligenz betrifft, so habe ich davon nichts bemerkt; auch haben mir japanische sowohl, als englische und amerikanische Missions-Lehrer, namentlich z, B. J. Bachelor, „der Apostel der Aino", versichert, dass die Aino genau ebenso intelligent seien, wie die Japaner. In einer Stadt mit einer Aino-Colonie fragte ich den japanischen Besitzer des Hotels, ob die Aino wirklich so dumm seien, wie gewöhnlich behauptet werde. „Nein," sagte er, „sie sind gar nicht dumm; früher waren wir die Schlauen und haben sie betrogen, jetzt sind sie aber so gerieben, dass sie oft genug uns betrügen." Die Behauptung, dass Natur- völker, weil sie eine geistige Cultur und Civilisation nicht aufnehmen, auch virtuell hierzu nicht befähigt seien, ist für die Aino jedenfalls zurückzuweisen. Die Leute sind an Körper- und Geistesgaben und überhaupt in jeder anderen Beziehung, ausser etwa an Energie und Kriegslust, so gut wie die Japaner. Wenn auch nach einem Menschenalter die Aino als gesonderte Rasse verschwunden sein werden, ihr Blut wird fortbestehen. Dafür sorgen ausser den oben erwähnten Einflüssen die immer zahlreicheren Ehen und Concubinate zwischen ihnen und den Japanern. — Aino -Friedhöfe (Fig. 5, S. 182 und Taf. III). Niemand scheint sich bisher um die Friedhöfe der Aino bekümmert zu haben. Auch Koganei, der doch so viele Schädel und Skelette ausgrub, sagt nichts von dem Zustande der Grabstätten. Man wusste nur, dass die Aino ihre Todten in der Wildniss begraben und dass sie nachher vermeiden, die Gräber wieder zu besuchen. Selbst Bachelor, der die Aino in vieler Hinsicht besser kennt, als sonst irgend ein Europäer, wusste nichts darüber und hatte nie einen Friedhof nichtchristlicher Aino besucht. In Tsuishikari bei Sapporo in Yeso, wo die bei der Abtretung von Sachalin an die Russen von dort ausgewanderten Aino angesiedelt wurden, gelang es mir, in der Wildniss einen Begräbniss-Platz (Taf. III, Fig. 1) zu finden, der sogar dem japanischen Aufseher der Aino unbekannt war. Der Ort war in der That des Be- suches wohl werth. Es mochten 30-40 Gräber in der Lichtung sein; weit mehr lagen vielleicht noch im Dickicht unkenntlich und unzugänglich versteckt. Einzelne neuere Gräber (181) trugen, wie frische japanische, ein schmales, langes, senkrecht in die Erde ge- stecktes Brett, auf dem in japanischer Katakana-Schrift der Name des Verstorbenen geschrieben stand (die Aino haben keine eigene Schrift). Also selbst hier machte sich schon der Einfluss der herrschenden Rasse geltend. Was aber das Interesse fesselte, waren Grab-Denkmiilerganz anderer Art: es fand sich nehmlich auf 8 Gräbern, was man wohl kaum anders denn als Phallus bezeichnen kann (Taf. III, Fig. 2 und S. 182, Fig. 5, 2): ein noch mit Rinde versehener, an Ort und Stelle gewachsener Baum von Arm- bis Schenkeldicke war mannshoch über dem Boden abgeschnitten und seiner Aeste beraubt. In halber Höhe hatte man einen pcnisartigen Ast von etwa 25 (7)1 Länge stehen lassen und ihn an der Spitze, der Eichel entsprechend, entrindet und abgerundet. An dem Vorsprung hing als Symbol der Heiligkeit des Grabes ein Bündel der dünnen, gekräuselten Holzschnitzel Qnado, japanisch f/ofiei), welche die Aino an allem anbringen, was mit Religion oder Aberglauben im Zusammenhang steht. Der Stamm selber war mit allerlei rohen Linien-Schnitten geziert und trug oben eine Ai't von Oehse, ein beliebtes Motiv der Aino-Schnitzkunst. Es ist schwer zu sagen, wie man ein solches Grabmal anders deuten soll, denn als Symbol, dass hier ein Mann ruht. Diese Deutung gewinnt noch an Wahrscheinlichkeit dadurch, dass sich andere Gräber fanden, die durch ein mit einem oder zwei länglichen Löchern versehenes Brett -bezeichnet waren (Taf. III, Fig. 3, vergl. Fig. 3, S. 182), was den Gedanken nahe legen muss, dass es sich um Frauen-Gräber handelt. Die Derbheit der Symbolik würde dem Wesen der Aino nicht widersprechen, deren Mythen und Erzählungen sich gleich denen der alten Japaner (und übrigens auch der alten Griechen) durch eine verblüffende Indecenz oder, vielleicht richtiger, Naivetät aus- zeichnen. Auffallend war nur die geringe Zahl der Lochbretter im Vergleich zu den phallusartigen Grabmälern, während man doch eine annähernd gleiche Zahl er- warten sollte, wenn es sich um Geschlechts-Abzeichen handelte. Von den Aino selbst irgendwelche Auskunft in dieser Hinsicht zu erhalten, war unmöglich. Sie erschraken, als sie hörten, dass ich den Friedhof aufgefunden hatte, und waren zu keiner Antwort zu bewegen. Der Aino vermeidet nehmlich ängstlich, von Todten und von Gräbern auch nur zu sprechen, aus Furcht, die Geister der Abgeschiedenen zu beunruhigen oder zu reizen. Hr. Dr. Takenaka in Yeso, den ich bat, sich weiter mit dieser Frage zu befassen, hat mir später geschrieben, dass meine Deutung richtig sei. In der sehr guten Sammlung des Museums zu Sapporo (Hauptstadt von Yeso) fand ich ein solches Phallus-Grabmal; aber weder die Beamten des Museums, noch sonst irgend jemand hatten sich bemüht, seinen Sinn zu erforschen.| Da die eigentlichen Yeso -Aino ihre Gräber nicht so zieren, so wäre es wünschenswerth, zu erfahren, ob in Sachalin, von wo die Tsuishikari-Leute vor 30 Jahren kamen, solche Grabmäler unter den Aino allgemein sind; auch auf dem SachaUn gegenüberliegenden Pestlande, bei den Giljaken usw., sollte man Nachfrage halten. Fig. 5, 1 (S. 1S2) zeigt das Grabmal eines männlichen Yeso-Aino in der Wildniss hei Piratori, zu welchem mich der Häuptling Penri schliesslich führte, nachdem ich sein Vertrauen gewonnen hatte. Es war nur mit grosser Mühe durch das Ge- strüpp zu erreichen und bestand aus einem 1 m hohen Holzpflock, auf welchem ein spitzer, bayonnettartiger Pfahl steckte, der mit den Holzschnitzeln versehen war wie die Phallus-Gräber in Tsuishikari. Etwas über weibliche Grab-Symbole konnte oder wollte mir auch Penri nicht sagen. Auf dem Friedhofe in Tsuishikari war noch eine ganz andere Art von Grabmal in zwei Exemplaren vorhanden (Taf. III, 1). Es war ein 4 m langer, an beiden (182) Enden aufwärts gekrümmter Baumstamm von Mannesdicke, der an der oberen Fläche einen recht geschmackvoll geschnitzten, 10 — 15 ou hohen Holzkaram von etwa 5 cm Dicke trug. Das Ganze stand in der Form und Ausführung so hoch über Allem, was ich je von Aino-Decoration gesehen hatte, dass ich, ebenso wie meine japanischen Begleiter, nicht wenig betroffen war. Ueber den Sinn eines solchen Monuments konnte ich nichts erfahren; doch muss es einen bedeutenden Mann bezeichnen, da es durch Eleganz und Grösse so weit abstach gegen das, was man auf den übrigen Gräbern sah. Fig. 5. Aino-Grabmäler, schematiscli. —ZM^J:^ J5^^^^g i. Grabmal eines Mannes in'der Wildniss in Piratori in Yeso, - 2. „ eines Mannes, 3. „ einer Frau auf dem Friedhofe der aus Sachalin eingewanderten Aino in Tsuishikari. An Beigaben fand man auf den Gräbern kleine oder grössere Ruder, Angel- haken, Pfeile oder Pfeilspitzen, Trink-Geschirre, Glas-Perlen, Alles auf einem kleinen niederen Tischchen liegend oder auf der Erde zerstreut. Es muss übrigens erwähnt werden, dass jetzt in Tsuishikari viele Aino An- hänger der Mo nto- Sekte des Buddhismus geworden sind und, deren Ritus ent- sprechend, verbrannt und begraben werden. Auf meine Frage, warum sie die Buddha-Lehre angenommen haben, bekam ich die Antwort: „Weil unser Herr (d. h. der japanische Unternehmer, der sie beschäftigte) diesen Glauben hat." Auch das Christenthum hat durch die unermüdliche Thätigkeit des vortreff- lichen Bachelor manche Aino bekehrt, namentlich in Piratori und Umgebung, und diese werden natürlich christlich begraben. Wenn man also noch etwas von den alten Bräuchen finden will, muss man sich beeilen. Ich hoffe, im nächsten Jahre im Stande zu sein, diese Forschung an Ort und Stelle wieder aufzunehmen. 2. Der koreanisch-mandschurische Typus (Taf. IV, Fig. 1 und 3; S. ITG, Fig. 4, b). Hierher gehören die heute in China herrschenden Mandschu, viele Nord-Chinesen überhaupt, der grössere Theil der Koreaner und ein nicht sehr grosser Theil der (183) Japaner. Es ist ein stattlicher, im Vergleich mit anderen Ostasiaten aristokratischer Menschenschlag, der in Nord- China und Korea ganz prächtige Gestalten hervor- bringt, sowohl was Grösse und Wuchs, als was die Gesichtszüge betriflt. In Japan ist dieser Typus fast ausschliesslich auf die höheren Stände beschränkt und hat sich trotz seiner geringen Zahl in einer etwas verzarteten Form ziemlich rein er- halten in Folge einer Art geschlechtlicher Zuchtwahl. Da nehmlich Frauen mit schlankem Bau, langem schmalem Gesicht und Adlernase, langem Hals, schmalen Schultern und Hüften, zierlichen schlanken Armen und Beinen für fein und schön gelten, so haben die Vornehmen und Reichen in Japan immer ihre Frauen und, was hinsichtlich der Zahl weit wichtiger ist, ihre Nebenfrauen aus den zarten Exemplaren dieses Typus recrutirt, und dadurch und in Folge der unhygioinischen Lebensweise der japanischen Aristokratie in den letzten hundert Jahren ist aus dem ursprünglich kräftigen Schlag ein meist schwächliches, muskelarmes Geschlecht geworden. Der koreo-mandschurische Typus vereinigt die Eigenschaften der Turk -Völker, die mehr oder weniger kaukasisch sind, mit einzelnen Eigenthümlichkeiten der Mongolen, ist aber im Ganzen von den letzteren so verschieden, dass er schon auf den ersten Blick als etwas Anderes imponirt, und dieser erste Eindruck erscheint durch genaues Studium vollauf gerechtfertigt. Die starke Durchsetzung der Turk- Völker mit semitischen Elementen erklärt auch das oft so auffallende Judenähnliche in diesen Ost-Asiaten, das schon vor zweihundert Jahren den trefflichen E. Kämpffer verleitete, sie direct von den verlorenen zehn Stämmen Israels abzuleiten, eine Idee, die neuerdings wieder von Mr. Leod aufgenommen und in phantastischer Weise ausgearbeitet wurde. Gar manche Individuen aus der Mandschurei und Nord- Korea sehen auch aus, als ob vielleicht noch etwas Ainoblut in ihren Adern flösse. Der Kopf ist brachycephal (oft in sehr hohem Grade), dabei sehr hoch (Taf. IV, Fig. 1 und S. 169, Fig. 1. h). Das Gesicht ist lang, schmal; die Stirn meist breit, die Augenbrauen -Wülste sind wenig entwickelt, die Vertiefung der Glabella fehlt; die Jochbeine treten namentlich bei jüngeren Individuen gar nicht oder wenig vor; das ganze Gesicht bildet ein nach unten spitzes Oval. Die Augen sind oft deutlich mongolisch lang und niedrig (geschlitzt), aussen oben aufsteigend, wenig zurück- liegend, so dass die Stirnlinie sich bis zum Auge fortsetzt (siehe die Figuren der Mongolen-Augen, Taf. IV, Fig. 6 und S. 187, Fig. G, 2 w. 3)\ die Falte am inneren Winkel und am oberen Lide ist oft deutlich, die Cilien sind kurz, convergirend, spärlich; man findet bei diesem Typus oft so zu sagen die idealisirte Form des Mongolen-Auges. (Eine eingehende Beschreibung der Einzelheiten dieses Auges muss einer Special-Arbeit vorbehalten bleiben, die ich im nächsten Jahre zu liefern hoffe.) Die Farbe der Iris ist dunkel, nur in Korea habe ich eine nicht ganz kleine Anzahl von Leuten gesehen mit graubraunen oder gelbbraunen Augen; diese hatten dann aber mehr den kaukasischen Schnitt der Augen, der natürlich überhaupt in Nord-Korea und Nord-China häufig ist, weil sich dort so viel centralasiatisches (Turk-) Blut findet. In Japan ist durch die lange Inzucht das kaukasische Element mehr eliminirt worden; doch beobachtet man auch dort unter der hohen Aristokratie noch heute eine ganze Anzahl von Männern mit grossen runden Augen, Gesichter, wie man sie bei Mittel-Europäern, Kelten, die ja wohl sicher asiatischen Ursprungs sind, findet (Aino-Blut dürfte hier kaum wesentlich in Betracht kommen.) Die Nase ist meist aquilin, d. h. schön scharf gebogen mit eingezogener Spitze, dabei bald schmal, fein, bald unten breit ausladend; sie geht seitlich allmählicher in die Wangen über, als die europäische. Die Nasenflügel sind nicht scharf abgegrenzt. Der Rücken (184) der Nase hat nicht, wie bei den meisten Europäern, eine kleine Längsfläche, sondern ist seitlich abgerundet. In einzelnen Fällen freilich sieht es aus, als ob die Nase gar nicht natürlich aus dem Gesicht herausgewachsen, sondern in dasselbe eingesetzt sei. Wer einmal japanische Puppen gesehen hat (die alle diesen Typus haben), weiss, was damit gemeint ist. Die Nasenlöcher sind meist rundlich, von vorne und von der Seite her nicht oder kaum sichtbar. Die Nasen-Scheidewand läuft von der Spitze zur Oberlippe wagerecht oder etwas aufwärts (den Gegensatz dazu bildet das von der Nasenspitze absteigend in die Oberlippe übergehende Septum des typischen Angel- Sachsen, was extrem ausgebildet u. A. dem Gesicht des englischen Colonial- Ministers Chamberlain den charakteristischen Ausdruck verleiht). Die Oberlippe ist kurz und fein. Das bis hierher in seiner Art feine und edle Gesicht wird aber häufig unschön durch die Gestalt des Mundes und der Kinn-Gegend. Es besteht nehmlich ganz gewöhnlich ein- massiger alveolarer und ein starker dentaler Progna- thismus. Ausserdem sind die Schneide-Zähne sehr lang, und die Oberlippe reicht nicht aus, sie zu bedecken. Der Mund steht so meist offen und erscheint gross durch die hängende und den Zähnen nicht anliegende Unterlippe. Bei den Zähnen ist noch hervorzuheben, dass in Folge extremer Leptostaphylie die oberen Schneide- Zähne häufig nicht nebeneinander Raum haben, so dass die beiden äusseren weit hinter den inneren stehen. Das Kinn ist fast ausnahmslos schvvach, wenig ent- wickelt und sehr schmal, fast spitz, indem der Unterkiefer- Winkel nur angedeutet ist und die Kieferlinie vom Ohr bis zum Kinn fast gerade verläuft. Das Gesicht geht vom Unterkiefer in den Hals nicht allmählich über, sondern eckig, was nach unseren Begriffen recht unschön ist. Der Brustkorb ist schwächlich, sehr lang, zartknochig, und häufig findet sich eine fluctuirende. also nicht mit dem Rippen- bogen verwachsene 10. Rippe, was in Europa selten ist und als ein Zeichen von neurasthenischer Disposition gilt. Die Schultern und Arme sind oft schwach, dünn, die Hände schmal, lang, meist mager und knochig. Die Hüften sind schmal und bei den Frauen sehr fettarm. Der vierte Finger ist bald ebenso lang, wie der zweite, bald etwas länger, selten kürzer. Die Beine, obwohl länger, als bei den eigentlichen Mongolen, erreichen doch nur ausnahmsweise die Hälfte der Körperlänge, welclv letztere sie beim Europäer bedeutend überschreiten. Die Beine sind nicht sehr muskulös und gewöhnlich etwas krumm als X -Beine. Auch die Tibia verläuft selten gerade; die Knöchel sind stark. Die Füsse sind schmal, aber ziemlich lang, mager, knochig. Plattfuss ist selten. Die zweite Zehe ist meist ebenso lang, wie die erste, manchmal etwas kürzer oder länger. Die kleine Zehe ist, auch wenn die Leute nie Schuhe getragen haben, so ziemlich ebenso verkümmert, wie beim Europäer. Die Hautfarbe ist ein gleichmässig blasses, oft etwas schmutziges Gelb, gleich- massig im Gesicht und an den von den Kleidern bedeckten Stellen. Der bei den Aino-Frauen so deutliche röthliche Ton der Haut ist bei diesem Typus nie vor- handen. Dagegen ist die Haut, wie die aller Mongolen und Mongolo-Malayen, glatt, viel glatter und sammetartiger, als die der Europäer und die der Aino. Dies hängt nach meiner Ansicht zusammen mit der geringen Entwicklung der kleinen Lanugo-Härchen. Die blauen Flecke auf der Haut der Neugeborenen, von denen nachher aus- führlicher die Rede sein wird, finden sich bei allen Kindern des koreo-mandschu- rischen Typus, was beweist, dass sie wirklich genetisch den Mongolen irgendwie verwandt sind. (185) Die Haare des Kopfes sind braun bis schwarz, bei auffallendem Licht öfters mit röthlichem Schein. Nicht selten findet man auch, dass die sonst schwarzen Haare handbreit von der Spitze deutlich rothbraun sind. Die Haare sind straff, selten leicht wellig, sehen, wenn sie nicht eingefettet sind, ganz wie rohe Seide aus und fühlen sich entsprechend „knusperig" an. Ihr Querschnitt ist rundlich. Der Bartwuchs ist nicht stark, aber charakteristisch vertheilt (vergl. die Gesichtstypen). Er wächst nicht, wie beim Kaukasier, zusammenhängend über das ganze üntergesicht, sondern es wächst, ausser dem ziemlich langen, starken Schnurr- bart, ein Büschel straffer, dünn stehender Haare vor und unter dem Ohr; ein anderes am Kinn. Die eigentliche Wangengegend bleibt ganz oder fast ganz haar- frei, ebenso die seitlichen Theile der Untei-lippe. Bei älteren Männern, etwa vom 40. Jahre an, werden die Barthaare oft sehr lang, so dass der Bart bis auf die Brust reicht. Auch sind ja die langen Schurrbartzipfel alter Chinesen bekannt. Die Körper-Behaarung ist sehr gering: die Brauen sind dünn und spärlich, ebenso die Achsel- und Genitalhaare; die letsteren fehlen bei vielen Frauen durch das ganze Leben. An den weiblichen Genitalien ist auffallend die minimale Entwickelung der grossen Labien, zwischen denen die langen, meist dunkel pigmentirten kleinen Labien lappig hervorhängen. Wenn Haare da sind, sind sie straff und stehen alleeartig entlang den grossen Labien, während der fettlose Mons Veneris (wenn man überhaupt von einem solchen sprechen kann) fast unbehaart bleibt. Bei der schwächlichen japanischen Form dieses Typus, besonders bei den Frauen (und auch oft bei den ein ganz unthätiges Leben führenden koreanischen Frauen) sind noch besonders hervorzuheben: übermässig zarter, schlanker Bau, dihine, zarte Knochen, durchweg dürftige Arme und Beine, überhaupt allgemeine Fett-Armuth, grosses, langes Gesicht auf dünnem, magerem Halse. — Ich habe von den Ur-Chinesen bisher nicht gesprochen, weil ich nicht viel von ihnen weiss. Sicher ist, dass dieses Volk, der Culturträger für ganz Ost- Asien, welches alle die zahlreichen Eroberer-Stämme im Laufe der Zeit civilisirt und assimilirt hat, in der Dämmerung der Geschichte im Hoangho-Thale ge- wohnt hat; aber niemand weiss recht, von wo es dorthin gekommen ist. Die neuesten Forschungen machen es wahrscheinlich, dass es aus der grossen Yölker- wiege Mesopotamien stammt, wie ja augenscheinlich die heutige chinesische Schrift nur die Modification der alten Keilschrift darstellt. In der That, wenn man die alten babylonischen Keil-Inschriften, die etwa aus dem 4. Jahrtausend vor Christus stammen, mit der heutigen chinesischen Schrift vergleicht, so wird wohl jeder von der Aehnlichkeit beider betroffen sein. Interessant ist ferner, dass die Keilschrift, die ja indirect auch für unsere Schrift den Ausgangspunkt bildete, ur- sprünglich von oben nach unten und von rechts nach links geschrieben wurde, genau in der Weise, wie heute noch Chinesisch geschrieben wird. Ich will indessen, weil auf diesem Gebiete nicht bewandert, mir kein Urtheil erlauben, sondern er- wähne nur, dass viele Sinologen das heute als feststehend anerkennen. Ohne Zweifel sind die ürchinesen den Koreo-Mandschuren stammverwandt; auf alle Fälle sind sie heute so innig mit denselben und auch mit den Mon- golen vermischt, dass sie somatisch überhaupt als besonderer Typus nicht mehr existiren. 3. Die Mongolo-Malayen (Tafel IV, Fig. 4 u. 5; Textfigur S. 169, Fig. 2). Sie bilden das Gros der ostasiatischen Völker. Der Mongole ist im Durch- schnitt ein kleiner Mensch, meist unter 160 cm, also bedeutend kleiner, als der (186) Nord- und Mittel-Europäer, ungefähr so gross wie der Ungar, mit welchem den Japaner auch die Sprache zusammenstellt. Denn das Ungarische, das Türkische, das Finische und das Japanische sind heute die Hauptrepräsentanten der ural-altaischen Sprachclasse. Der Bau des Mongolen ist kräftig, untersetzt, der Hals mittellang, die Schultern sind bei guter Ernährung ebenfalls kräftig und stark entwickelt. Die Extremi- täten, namentlich die Beine sind sehr kurz, der Rumpf ist lang. Das Bein erreicht fast niemals die Hälfte der Körperlänge, was einen wichtigen Unterschied vom Europäer bedeutet; Hände und oft auch Füsse zeichnen sich durch auffallende Kleinheit und Zierlichkeit aus. Diese Bevölkerung bildet in Japan mindestens zwei Drittel und in China wahrscheinlich einen noch grösseren Procentsatz der Be- wohner. In Korea sind sie nur im Süd -Westen reichlich vertreten. Ihre Haupt- eigenthümlichkeiten sind der Gesichtsausdruck, das Auge und die Hautfarbe. Das europäische Gesicht verschmälert sich von der Ohr-Gegend aus nach vorn allmählich, das mongolische Gesicht ist vorn flach. Wenn man den biegsamen Draht von einem Ohr über Jochbein und Nase zum anderen führt, so sieht der so erhaltene quere Durchschnitt des Gesichts beim Europäer aus, wie in Fig. 3, y, und beim Mongolen, wie in Fig. 2 u. 3, S. 169 u. 170. Dabei kann dje grösste Gesichts- breite bei beiden gleich sein, sie erscheint aber beim Mongolen grösser. Diese Flachheit vorn, die auch an dem Skelet ganz deutlich ausgeprägt ist^), ist eines der Haupt-Merkmale; sie ist bedingt durch die grosse Breite des Oberkiefers und die starke Entwickelung der Jochbeine. Auch bei manchen Europäern springen letztere seitlich vor, aber doch nicht so sehr, weil ihre grösste Breite mehr hinten liegt. Bei starkem Vorstehen der Jochbeine gewinnt das Gesicht, von vorne gesehen, eine eigenthiimliche Gestalt, indem es sich von den Jochbeinen nach oben und unten gleichmässig verjüngt (siehe Taf. I). Die bei den Japaner- Schädeln so oft beobachtete Spaltung des Jochbeines (Os japonicum) rührt wahrscheinlich von der Beimischung von Aino-Blut her, da bei den Aino die Spaltung dreimal so häufig ist, als bei den Japanern (Koganei). — Das zweite wichtige Merkmal ist das Auge. Ueber das Mongolen-Auge ist schon viel geschrieben und gesprochen worden. Zunächst ist zu bemerken, dass schon am Schädel nicht bloss die Orbital-Oeffnung rundlicher ist als beim Kau- kasier, sondern dass die Orbital-Höhle kleiner ist. Virchow machte zuerst auf ihre Schmalheit aufmerksam, die nach meinen Untersuchungen auf der starken Entwicklung des Sieb-Beins beruht. Weil nun der Augapfel selbst nicht kleiner ist, als beim Kaukasier, so muss er weiter nach vorne liegen, und dies erklärt, zusammen mit der geringen Ausbildung des Arcus superciliaris, eine der Besonder- heiten des mongolischen Auges, nehmlich das Fehlen der Einsenkung zwischen Stirn und Augenlid. Das letztere bildet die gerade Fortsetzung der Stirnfläche, wie aus Taf. IV, Fig. 6, u. S. Ls7, Fig. 6, 2 u. 3 ohne Weiteres klar ist. Zugleich ist wegen der grossen Höhe der mongolischen Augen-Höhle (Orbital-Index durchschnittlich «8) und weil es nicht unter den Brauen eingeknickt ist, das obere Lid lang und daher der Abstand zwischen Brauen und freiem Lidrande sehr gross. Dies ist ebenfalls ein Haupt-Merkmal das Mongolen-Auges und zeigt sich deutlich auf den beigegebenen Bildern. Was aber das mongolische Auge am meisten von dem europäischen unterscheidet, ist die Lid-Spalte, ihre Form und ihre Um- gebung (Taf. IV, Fig. 4 u. 5). Der Augapfel hat damit nichts zu thun. Die Lid- 1) Vgl. die Figuren in Baelz, „Die körperlichen Eigenschafteu der Japaner", I, 1882. (187) Spalte des Mongolen ist gewöhnlich ebenso lang, wie beim Kaukasier, aber sie ist vie niedriger, innen rund, aussen spitz; wenn ein Mensch mit einem solchen typischen Mongolen-Auge lacht, verschwindet oft die Lid-Spalte völlig, und an ihrer Stelle ist nur ein feiner schwarzer Strich, die Cilien, zu sehen. Beim Europäer steht die Lid-Spalte wagerecht, und die Verbindungs-Linie zwischen den beiden Lid- Spalten verläuft gerade, weil innerer and äusserer Augen-Winkel gleich hoch stehen. Beim typischen Mongolen-Auge steht der äussere Winkel höher, als der innere, und daher schneiden sich die Verlängerungs-Linien beider Lid-Spalten auf dem Nasen-Rücken unter einem Winkel (Fig. 3, 2—3 u. Fig. 6, 4). Diese Schiefe der Augen hat auch ein scheinbares Schielen zu Folge, das ich Pseudostrabismus mon- Yia:. 6. Augeuformcn. J. Europäisches Auge, geradeaus blickend. 2. Mongolisches Auge, geradeaus blickend. 3. ^ „ abwärts blickend. Man beachte die Falte am oberen Lide bei 2, am unteren bei 3, sowie die Convergenz der Cilien beim ^Mongolen. 4. Pseudostrabismus mongolicus. Durch^die schiefe Stellung der Augen tritt schein- bares Schielen ein (vergl. den Text, und Taf. IV). 5. Eundes japanisches Kinderauge, wie es nicht selten vorkommt. o-olicus nennen möchte. Wenn ein Europäer geradeaus sieht, so ist das Weisse zu beiden Seiten der Iris symmetrisch vertheilt und gleichmässig geformt; beim Mongolen dagegen steht die Iris dem inneren Winkel näher, das Weisse daselbst ist klein, medialwärts abgerundet, aussen ist es lang und nach oben spitz. Eine unsym- metrische Vertheilung der sichtbaren Sclera kommt aber beim geradeausblickenden Europäer nur beim Schielen (Strabismus) vor, und daher erscheinen Leute mit aus- gebildetem Mongolen-Auge wie convergirend schielend, während doch ihre Seh- axen ebenso stehen, wie die unsrigcn, und nur ihre Lid-Spalte anders ist. Der Grund der Schiefe liegt in der Mongolen falte (s. Fig. 6, S. 187 u. Taf. IV), d. h. in einer den inneren Augenwinkel umschliessenden Palte des oberen Lids, welche nach aussen oben divergirt und so die Lidöffnung einerseits niederer, andererseits länger erscheinen lässt, indem sie sich in der Haut nach aussen all- mählich verliert, so dass es eigentlich zwei äussere Winkel giebt, den wirklichen und einen nach aussen davon (Fig. 6, 4). Die alten Aegypter pflegten dieses Verhalten durch Farbe hervorzurufen, und daher erinnern die Augen feiner Japaner nicht selten auffallend an- die Augen ägyptischer Statuen. AVeil aber der innere Winkel und das obere Lid von der Falte bedeckt sind, so liegt das Auge tiefer hinter der Haut- Oberüäche als das europäische; die Lichtreflexe erscheinen anders und auch das giebt dem Blick oft etwas Eigenthümliches, Geheimnissvolles. Beim Abwärts- (188) blicken verschwindet die Falte am oberen Lid und kommt am unteren zum Yor- schein (Fig. 6). Die Cilien sind kurz und convergiren, während sie beim Europäer und beim Aino lang sind und divergiren. Wer über diesen Gegenstand genauere Auskunft wünscht, findet sie in meiner erwähnten Arbeit. Die Haut der Mongolen. Die gelbliche Farbe beruht auf Ablagerung von bräunlichen FarbstofTkörpern in den tiefsten Zellenreihen der Oberhaut. Es ist der- selbe Farbstoff, wie bei den dunklen Rassen, nur ist er in geringerer Menge vor- handen. Bei den Mongolen, die sich viel der Sonne aussetzen, vermehrt er sich, und die Hautfarbe kann dann ein tiefes Gelb oder Braun werden, wie bei den Singhalesen oder selbst wie bei den Somali. Im Gesicht sieht man bei den relativ hellen nordmongolischen Mädchen und jungen Frauen in Japan und Nord-China, die viel arbeiten, oft eine überaus lebhafte rothe Farbe der Wangen, die sich bis zum Unterkiefer-Rand erstreckt, während beim koreisch-mandschurischen Stamm rothe Wangen fast nie beobachtet werden, sondern das Gesicht ein gleichmässiges, fahles Gelb zeigt. Die Haut der Mongolen ist glatt; sie fühlt sich an wie mit Fott eingerieben. Diese Glätte ist nicht, wie Rohlbrugge meint, der sie bei den Malayen beob- achtete, eine Folge des tropischen Klimas, sondern sie ist Rassesisache. Denn der Japaner hat im bitterkalten Klima von Nord-Yeso dieselbe glatte Haut, wie der Malaye, und der Aino im heissen Liu-Kiu dieselbe rauhe Haut, wie in Yeso. Es ist schon erwähnt, dass nach meiner Auffassung die Glätte mit der geringeren Ent- wicklung der Flaumhaare und der dazu gehörigen Drüsen und Muskeln zusammen- hängt. — Ich komme zu einem Merkmal, das wohl eines der interessantesten in der ganzen Anthropologie ist, nehmlich zu den blauen Hautflecken der Mongolen -Kinder (Taf. Y). Bis ich sie vor 18 Jahren makroskopisch und mikroskopisch beschrieb (Körper- liche Eigenschaften der Japaner, 188-3, ü, S. 7), waren diese Flecke merkwürdiger Weise nie beachtet worden und scheinen auch heutzutage den meisten Anthro- pologen und Anatomen unbekannt zu sein. Jeder Chinese, jeder Koreaner, jeder Japaner, jeder Malaye wird geboren mit einem dunkelblauen, unregelmässig ge- stalteten Fleck in der unteren Sacral-Gegend. Derselbe ist bald symmetrisch, bald unsymmetrisch auf beiden Seiten vertheilt; er ist bald nur markstückgross, andere Male fast handgross, daneben kommen an vielen anderen Stellen des Rumpfs und der Glieder — nie im Gesicht — mehrere oder zahlreiche solche Flecke vor, ja sie können so reichlich und gross werden, dass sie fast die Hälfte der Körper- Oberfläche bedecken. Es sieht aus, als ob das Kind durch einen Stoss oder Fall Beulen bekommen hätte. Diese Flecke verschwinden in der Regel ganz von selber in den ersten Lebens-Jahren. Bei dem Kinde im Alter von sieben Jahren, dessen Bild auf Taf. Y gegeben ist, sind sie bisher geblieben, werden aber auch hier bald verschwinden. Wenn es zutreffen sollte — was ich glaube — dass solche Flecke aus- schliesslich bei den Mongolen vorkommen, dann muss man sagen, dass dies das wichtigste Unterscheidungs-Merkmal zwischen den Mongolen und den übrigen Rassen ist. Die Aino haben die Flecken nicht, nur in vereinzelten Fällen finden sich leichte Andeutungen davon (Mischung mit Mongolen- Blut?). Unter den japanisch-europäischen („eurasischen") Kindern haben die, welche dem europäischen Erzeuger nachschlagen, keine Spur von den Flecken, die Kinder, die die Eigenthümlichkeiten von Yatcr und Mutter gleich geerbt haben, eine An- I (189) deutun. März 1901. Vorsitzender: Hr. R. Yircliow. (1) Der Vorsitzende gedenkt mit AVorten warmer Anerkennung des am 22. Februar zu Kasan verstorbenen Professors Tolmatscheff. Er war ein treuer Anhänger unserer Schule, manches Jahr Mitglied der Gesellschaft und selbst ein fleissiger Forscher in den Alterthümern seines Landes. Als Begleiter des Vor- sitzenden auf seiner kaukasischen Reise war er uns besonders nahe getreten. — Am 21. Februar hat unsere Universität den nach kurzer Krankheit in seinem 67. Lebensjahre gestorbenen Professor der classischen Philologie, Br. Emil Hübner verloren. Er war der anerkannt beste Kenner der römischen Alterthümer auf der iberischen Halbinsel und der erste, welcher die Aufmerksamkeit auf die alten Felsen-Burgen (Citaniae) von Portugal gelenkt hat. — (2) Hr. Director Prof. F. Blumentritt in Leitmeritz dankt in einem Schreiben vom 10. März in wärmster Weise für seine Erwählung zum correspoudirenden Mitgliede. — (;!) Als neue ordentliche Mitglieder werden angemeldet: Hr. Verlags-Buchhändler Alfred Pätel in Berlin, „ Oberlehrer Dr. Jumpertz in Gross-Lichterfelde b. Berlin. (4) Die nächste ordentliche General-Versammlung der Deutschen Anthropologischen Gesellschaft ist für den 4. bis S. August nach Metz ein- berufen worden. Zahlreiche Ausflüge in die Nachbar-Gebiete sind in Aussicht ge- nommen. — (5) Die 73. Versammlung der Gesellschaft Deutscher Naturforscher und Aerzte wird am 22. bis 28. September in Hamburg stattfinden. Gleichzeitig wird daselbst auch die Deutsche Pathologische Gesellschaft tagen. Das vorläufige Programm ist von dem f. Geschäfts-Führer, Prof. Dr. Voller, und dem n. Geschäfts-Führer Medicinalrath Dr. Rein ecke unterzeichnet. Die Einführenden für die Abtheilung für Anthropologie und Ethnologie sind Dr. Prochownick und Dr. K. Hagen. — (6) Der Vorstand des Vereins Deutscher Irren-Aerzte ladet zu einer Jahres- Versammlung am 22. und 23. April in Berlin ein. Der Director der psychia- trischen und Nerven-Kunde in der Charite, Hr. Jelly theilt zugleich mit, dass die Einweihung des Hör-Saales im neuen Gebäude der Klinik am 22. April stattfinden wird. — (7) Der V. internationale Congress für Physiologie wird am 17. bis 21. September in dem Laboratorium der Physiologie zu Turin stattfinden. Das Präsidium führt Prof. A. Mos so. — (192) (8) Am 30. April feiert die Anthropologische Gesellschaft zu Florenz ihr 30 jähriges und gleichzeitig deren Vorsitzender, Hr. Paolo Mantegazza, sein 40jähriges Jubiläum. — (9) Die HHrn. Prof. A. Döring, K. Ivehrbach, A. Lesson und Ferd. Jasso Schmidt erlassen im Auftrage der Philosophischen Gesellschaft in Berlin einen Aufruf zur Errichtung eines Ehren-Denkmals für Joh. Gottl. Fichte in der Hauptstadt des deutschen Reiches. Den nächsten Anlass dazu hat die hundertjährige Wiederkehr der Ankunft Fichte's in Berlin gegeben. Die Unter- zeichner wünschen, dass das Denkmal auch in wirklichen Zusammenhang gebracht werde mit der Universität, die den gefeierten Mann zu ihren Vätern und Führern zählt und die in diesem Jahrzehnt des ersten Jahrhunderts ihr Bestehen als eine der glanzvollsten und wichtigsten Stätten wissenschaftlicher Arbeit wii-d feiern dürfen. — (10) Die Druckerei der Mekhitaristen auf der Insel S. Lazzaro in Venedig theilt mit, dass sie eine Ausgabe der urartischen Keil-Inschriften mit einer dreifachen Uebersetzung in classischem Armenisch, Lateinisch und Fran- zösisch vorbereitet, zugleich mit einem Glossarium und einer Gvammatik in fran- zösischer Sprache. Verfasser ist Joseph Sandalgian, ein armenischer Geistlicher. — (11) Pastor Carl Meinhof zu Zizow bei Rügenvvalde übersendet ein Manu- script, betitelt Ndalama. Im Globus, Bd. LXXVIII, Nr. 13, S. 203 f. habe ich ein Wort durch die Bantu- Sprachen Ost-Ofrikas verfolgt, das ich als Fremdwort sicher glaube nachgewiesen zu haben. Das griechische öpa/^/^.v5 ist durch Vermittelung des arabischen dirhem pl, darahim in die Bantu - Sprachen eingedrungen und bedeutet in der Form ndarama oder ndalama „Geld", „Gold", „Silber". Eigenthümliche Abweichungen in der Bedeutung des Wortes ndalama habe ich in der Sprache der Bawenda (Nord-Transvaal) gefunden. Wie es scheint, ist der Begriff des „Runden" hier mit dem Worte verknüpft, was sich aus dem „runden" Geld erklären lässt. Das ndalama bezeichnet u. A. grosse runde Steine, die für glückbringend gelten. Dieselben werden bei den Ruinen, z. B. von Nzelele, gefunden, welche die Stätte alter Goldgruben bezeichnen. Ich habe zur Sache noch Einiges gefunden, was die Brücke bildet, zwischen den Vorstellungen, welche die Bawenda mit dem Wort ndalama verbinden, und der Bedeutung „Geld, Gold", welche nf/a/ß/na in den nördlicheren Sprachen zweifellos hat. W. A. EUiot, Dictionary of the Tebele and Shuna languages, London, David Nutt, Strand WC , führt unter „Gold" S. 77 an: 1. Tebele: (ein Dialekt des Zulu) Imali ebomvu, rothes Mali, d. h. „Geld" (arab.), "2. unter Shuna: ?\-durama^ I-habu, 1-tjerege. N-durama ist ein Druckfehler. Das Wörter- Verzeichniss Shuna-English hat auf S. 273 Ndarama „Gold, Money". Nach meinen früheren Ausführungen ist dies Wort also mit dem Arabischen eingedrungen und gleich dirhem pl. darahim. I-habu ist auf S. 295 aufgeführt als „Gold, money". / ist Klassen -Präfix, hahu wohl zweifellos identisch mit arabisch dahab (zahabu):^ vgl. Suaheli in der landläufigen Schreibweise thuhabu (dhahabu), „Gold". Itjereye heisst ebenfalls Gold — ich weiss es bisher nicht zu erklären. Jedenfalls sind also im Tebele und Shuna drei arabische Worte für „Geld" im Gebrauch. (193) Uebrigens kehrt das arabische Wort maU „Geld" im Hottentottischen wieder [vgl. J. G. Kroenlein, Wortschatz der Khoi-Khoin (Namaqua-Hottentotten), Berlin 1889, S. 231]: marib „Gold"; r steht im Nama regelmässig für /, b ist der Artikel masc. sing. Ich hatte, wie gesagt, darauf aufmerksam gemacht, dass im Tsivenda, der Sprache der Bawenda, ndaktma nicht „Gold", sondern „Rundes" bedeutet und für gewisse runde Steine gebraucht wird. Ich freue mich, einen ähnlichen Gebrauch des Wortes in einer anderen Sprache nachweisen zu können. Henri A. Junod spricht in seiner Grammaire Ronga (Lausanne, Bridel 1896) ausführlich über ndalama. Er gebraucht die Schreibung ndjalama. Wie er aber selbst S. 12 an- giebt, wechselt in den Dialekten des Ronga (Delagoa-Bai) die Aussprache nda mit ndja und ndzu. S. 30 führt er an, dass cerebrales d ähnlich wie dj klingt, mit ganz leisem ,;'. Diese Bemerkung zeugt von guter Lautbeobachtung. Die Cere- bralen werden auch im Tsivenda so gesprochen, dass man ein leises seh oder französisches ,/ dabei zu hören meint. Die Identität von ndjalama mit ndalama ist zweifellos. Es bedeutet aber in Ronga nicht „Gold", dafür sagt man qole, das englischen Ursprunges ist. Unter dem Schmuck der Ronga führt Junod p. 18 die ndjalama auf und sagt (ich gebe seine Worte in üebersetzung): „Die ndjalama waren Scheiben von po- lirtem Metall, welche man sich auf dem Kopf und an den Armen befestigte und welche die Strahlen der Sonne zurückwarfen und schon sehr weit zu sehen waren. Der Häuptling schenkte sie den Kriegern, die sich wohl um das Vaterland ver- dient gemacht hatten. Heute sind diese Schmuckstücke aus Eisen oder Kupfer ganz verschwunden und werden ersetzt durch die Krone von schwarzem Wachs, dem Klebstoff der Zulu, welche man wie ein Diadem auf dem Kopfe trägt, und welche an den Haaren fest klebt" .... „Wir haben von ndjalama gesprochen. Dies Wort bezeichnet, ausser den Scheiben von glänzendem Metall, Perlen von der Grösse eines 10-Francs-Stückes, welche man sich in Inhambane beschaffte und die für einen sehr seltsamen abergläubischen Gebrauch angewandt wurden. Die Zauberer thaten eine davon ins Ziegen-Fleisch und Hessen sie von dem Häuptling ver- schlucken. Er musste sie während seines ganzen Lebens in seinem Innern be- halten. Wenn sie eines Tages wieder zum Vorschein kam, musste er sie von Neuem verschlucken. Wenn sie immer wieder kam, drei oder vier Mal hinter- einander, so war das eine Voraussage auf den Tod. Der König musste seine Kinder rufen, von ihnen Abschied nehmen, seinen Nachfolger ernennen und sich auf den Tod bereiten. Diese Gewohnheit existirte in den Ländern Djonga, Nwa- lungo und Hlengwe. Pukuane, der Vater von Magudju, der vorletzte König von Cossine, hat noch das ndjalama verschluckt." Da Junod die Metall Scheiben als disques bezeichnet, werden wir nicht fehl gehen, wenn wir sie als rund annehmen. Die Perlen vergleicht er selbst mit einem Geldstück, also wird die Aehnlichkeit mit dem runden Gelde ihnen wohl zu ihrem Namen verhelfen haben. Die glückbringende Eigenschaft des ndalama, die die Bawenda annehmen, wie wir aus den in dem früheren Aufsatz mitgetheilten Sprichwörtern sahen, kann nicht besser illustrirt werden als durch den seltsamen Gebrauch, von dem Junod berichtet. Wie sind jene Leute darauf gekommen, das ndalama für glückbringend zu halten? — Wenn sie Geldstücke bei fremden Händlern gesehen und das Wort ndalama von ihnen gehört haben, dann haben sie auch zweifellos bemerkt, wie sorgsam man das ndalama verwahrte. Da sie den Werth des Geldes nicht Verhaiidl. der Berl. Anthropol. Gesellschaft 19U1. lo (194) kannten, mussten sie annehmen, dass es irgend ein grosses Gut, ein mächtiger, glückbringender Zauber sei. Diese alte Vorstellung blieb haften, auch als eine spätere Zeit sie gelehrt hatte, was Geld und Geldeswerth ist. — (12) Hr. Ober -Stabsarzt Dr. Wilke übersendet aus Grimma, K». Februar, folgende Mittbeilung: Der „Hohe Stein" von Döben bei Grimma. An der Strasse Döben-Grechwitz steht, etwa 200 m vom SO.-Rand des erst- genannten Dorfes entfernt, ein eigenthümlich geformter Stein, der im Volke von Alters her der „Hohe Stein* genannt wird und unter diesem Namen auch auf der Generalstabs-Karte verzeichnet ist (vergl. Fig. 1). Es ist dies eine vierseitige Fig:. 1. 1 : 50000. Situations-Skizze. Säule (Fig. 2), deren freie Höhe über dem Erdboden 1,90 m beträgt, während die nicht ganz regelmässig gestalteten Seiten 50—55 cm breit sind. Die nach SW. wie SO. gerichteten Seitenflächen sind ziemlich glatt und regelmässig; dagegen sind die nach N. zugewendeten Seiten ziemlich stark zerklüftet, und namentlich lässt die nach NW., also der Wetterseite zugekehrte Fläche tiefe, glatte Auswaschungen vom Regen erkennen. Auch die Oberfläche erscheint nicht regelmässig, und es macht den Eindruck, als ob sich die Spitze früher einmal losgelöst habe und der Stein daher ehedem noch erheblich grösser gewesen sei, als gegenwärtig. Den Fuss des Steines umgiebt ein niedriger Erdhügel von IV2 "* Durchmesser und etwa V3 m Höhe, so dass unter Hinzurechnung dieses Hügels die Säule sich etwas über 2 m über dem umgebenden Erdboden erhebt. Das Gelände, auf dem der Stein steht, bildet ein im allgemeinen ziemlich flaches, von niedrigen Wällen bedecktes Plateau, welches nach der Mulde zu steil abfällt und verschiedentlich von kleinen tief- eingerissenen Thal-Schluchten durchschnitten wird. Die Lage des Hohen Steines entspricht nicht dem höchsten Punkte des Gelände-Abschnittes oder einer Terrain- (195) Welle; vielmehr befindet sich die Spitze der nächsten Erhebung etwa 100 m NO. davon entfernt. Sie überragt den Stein um 3 — 4 tn. Das Material, aus dem die Steinsäule hergestellt ist. ist Quarzit, der in der Umgebung von Grimma ziemlich häufig vorkommt. Besonders prächtige Blöcke mit auffallend schönen Gletscher- Mühlen finden sich östlich vom Dorfe Burgberg unweit eines vermuthlich der Lausitzer Zeit angehörigen, z. Th. noch vorzüglich erhaltenen Burgwalles, zu dessen näherer Untersuchung ich vom Eigenthümer, Hrn. Ritterguts-Besitzer Platzmann auf Hohen- stätt, die Erlaubniss zu erlangen hoffe und über den ich daher noch besonders be- richten werde. Fig. 2. Aufiialiuie von SO. Im Hintergruude das Dorf Döbeu. Links die Strasse Döben-Grechwitz, von welclier am Stein ein Feldweg abgeht. Irgend welche Spuren von Zeichnungen (Hufeisen, Fuss-Eindrücke oder sonstige bildliche Darstellungen) sind nirgends zu bemerken. Auch von Schriftzeichen finden sich keinerlei Andeutungen. In älteren und jüngeren Urkunden habe ich den Hohen Stein nirgends erwähnt gefunden, und auch die von dem verstorbenen Prof. Lorenz herausgegebene, sehr gründlich bearbeitete Chronik von Grimma, in welcher eine Anzahl zur Zeit des 13* (196) Verfassers bekannte Alterthüraer aus der Umgebung von Grimma angeführt werden, gedenkt des Hohen Steines mit keinem Worte. Einige ältere Bauern aus Döben wusßten mir nur zu erzählen, dass der Stein schon immer dagewesen sei, und dass früher, als es noch keine Kirchen im Lande gegeben, an seiner Stelle eine Capelle gestanden habe. Allerdings liegt hier vielleicht, wie Hr. Pastor Kühn in Döben mir mitzutheilen die Freundlichkeit hatte, eine Verwechselung vor, insofern der 1853 verstorbene Pastor Hammer dort die Stelle einer alten Capelle vermuthete, die im Jahre 1507 nach TOjährigem Bestehen als baufällig abgebrochen worden war. Doch scheint, wie Hr. Pastor Kühn weiter berichtet, auch die Hammer' sehe Vermuthung nicht richtig zu sein. Vielmehr ist der Standort dieser Capelle nördlich vom üorfe Döben auf dem südlichen Abhänge der „Zetten-Schanze" zu suchen, die noch heutzutage im Volke der „alte Kirchhof" genannt wird ^). Ferner wurde mir von älteren Leuten erzählt, dass früher am Hohen Stein ein Hund mit feurigen Augen gespukt habe, welcher die Nachts Vorübergehenden bis an das Dorf begleitete, um dann plötzlich zu verschwinden. Auch diese Sage knüpft sich, nach Mittheilung des Hrn. Pastor Kühn, noch an eine andere Stelle, nehmlich an den 200 Schritt westlich davon befindlichen Kreuzweg. Dass aber diese Sage wirklich auch vom Hohen Stein gilt, geht aus der Bemerkung hervor, mit welcher ein alter Mann seine Erzählung hierüber schloss: „Obwohl, wie er jung gewesen, der Hund vielen seiner Bekannten erschienen sein solle, habe er selbst nie recht daran ge- glaubt, denn er sei sehr oft Nachts dort vorbeigekommen, habe aber niemals die Spuk-Gestalt gesehen." Eine systematische Untersuchung der näheren Umgebung des Steines habe ich leider bisher nicht vornehmen können. Ich habe mich daher darauf beschränkt, die benachbarten Felder abzugehen, und dabei einige wenig charakteristische, aber sicher vorslavische Gefäss-Scherben gefunden. Ueber die Chronologie und die Bedeutung dieses eigenthümlichen Stein- Monumentes wird sich wohl kaum jemals etwas Bestimmtes ermitteln lassen. Als sicher darf man wohl annehmen, dass der Stein schon viele Jahrhunderte alt ist und seine Errichtung in die Zeit vor Einführung des Christenthums fällt. Das er- giebt sich nicht nur aus den im benachbarten Dorfe darüber gehenden Sagen, sondern' vor allem aus dem sehr starken Verwitterungsgrade der NO.- und NW.- Seiten. Auf die gefundenen prähistorischen Scherben möchte ich keinen allzu- grossen Werth legen, da diese nicht unmittelbar neben dem Stein, sondern über 100 Di davon entfernt lagen; auch würden sie bei ihrer Kleinheit und dem Fehlen charakteristischer Verzierungen und sonstiger Merkmale noch keine genauere Zeit- bestimmung ermöglichen. Analogien zu unserem Monolithen scheinen in Sachsen vollständig zu fehlen, wenn nicht etwa der von Preussker in seinem Buche „Blicke in die vaterländische Vorzeit", Bd. II, S. 220 erwähnte und auf Taf. III, Fig. 6, in einem leider ganz kleinen Maasstabe abgebildete Plintstein im Spreethal bei Bautzen, den Preussker mit einem früheren wendischen Opferplatz in Verbindung bringen möchte, dem Hohen Stein an die Seite zu stellen ist. Auch in den benachbarten Gebieten scheinen ähnliche Stein-Säulen nicht vorzukommen; denn der von Hrn. v. Schulen bürg be- 1) Ich vermuthe jedoch, dass auch Hr. Pastor Kühn mit seiner Annahme irrt. Denn der Name „alter Kirchof" bezieht sich vielleicht nicht auf einen Gottesacker der christ- lichen Zeit, sondern vielmehr auf einen alten Urnen-Friedhof, der sich wahrscheinlich, wie wir dies auch bei anderen Burgwällen finden, im Innern der, übrigens schon von Lorenz erwähnten, gegenwärtig fast völlig eingeebneten Zetten-Schanze befand. O07) schriebene ^Parbenstein" bei Görbitzsch') ist von dem „Hohen Stein" so wesentlich verschieden, dass er mit ihm kaum in Parallele gebracht werden kann. Dass die im westlichen Europa, namentlich in der Bretagne, sowie in England so häufig vorkommenden, aber auch in aussereuropäischen Ländern viellach ver- breiteten Menhirs mit dem Hohen Stein irgend etwas zu thun haben sollten, halte ich für mehr als unwahrscheinlich. Denn abgesehen von der riesigen räum- lichen Trennung unseres ganz vereinzelt dastehenden Monolithen von den mega- lithischen Denkmälern des Westens, welche bei dem Fehlen irgend welcher ver- bindenden Zwischenglieder einen Zusammenhang an sich schon ausgeschlossen erscheinen lässt, sind die französischen Denkmäler nach einer freundlichen Mit- theilung des Hrn. Prof. Deichmüller, dem ich im vorigen Sommer unseren Stein gezeigt habe, von diesem in ihrer Form grundverschieden; auch treten jene ja bekanntlich meist in mehr oder weniger grossen Gruppen auf. Eher scheinen mir noch die nordischen Bautasteine, die namentlich auf Born- holm und in Schweden, verhältnissmässig selten auf den dänischen Inseln und in Jütland angetroffen werden, zu einem Vergleich mit dem Hohen Steine geeignet. Nach Sophus Müller-) wurden diese vereinzelt bereits in der Bronzezeit als Gedenksteine für die Todten über den Hügelgräbern errichtet. Doch erst in der Vikingerzeit wurde dieser Brauch allgemeiner, und zugleich scheint man in dieser Periode angefangen zu haben, Bautasteine nicht nur als Denkmäler zum Gedächt- niss von Todten, sondern auch zu Ehren noch lebender Personen und zur Er- innerung an wichtige Begebenheiten zu errichten (Runen-Steine). Aber auch die Bautasteine unterscheiden sich, wenn schon sie in Form und Grösse unserem Hohen Steine ziemlich ähnlich erscheinen mögen, doch in manchen wichtigen Punkten von letzterem ganz wesentlich, namentlich dadurch, dass die nordischen Denksteine, wie die französischen Menhirs, meist zu dichten Gruppen vereinigt sind oder doch wenigstens in grösserer Anzahl über ausgedehntere Flächen zerstreut erscheinen. Es scheint mir daher auch zwischen den nordischen Stein- denkmälern und unserem Monolithen keine nähere oder directe Beziehung zu be- stehen, und wir bleiben daher sowohl bezüglich der Frage seiner Zeitstellung, als des Zwecks noch immer auf blosse Vermuthungen angewiesen. Die Bestimmung konnte aber eine sehr verschiedenartige sein, denn der Hohe Stein konnte ebenso wohl als Heiligthum, als Thingstätte, als Gedächtniss- Stein oder dergleichen dienen, wie er eine rein symbolische Bedeutung haben oder als Grenzmarke dienen konnte. Die zuletzt genannte Auffassung bietet allerdings von vornherein, schon mit Rücksicht auf den Standort des Hohen Steins, die geringste Wahrscheinlichkeit dar. Denn schon in der ältesten Zeit, wie bei den verschiedensten Völkern pflegte man, soweit dies überhaupt möglich war, die Grenzen des Gebietes den natürlichen Bodenverhältnissen anzupassen und entweder über die höchsten Punkte der Boden- erhebungen oder die niedrigsten Punkte der Einsattelungen und Senkungen, am liebsten wohl entlang von Wasserläufen zu ziehen, während doch unser Stein unterhalb der Scheitelhöhe einer freilich nur ganz niedrigen und ganz sanft ab- fallenden Bodenanschwellung steht. Thatsächlich geht denn auch weder jetzt eine Grenze über ihn weg, noch ist aus den Urkunden ersichtlich, dass jemals eine solche, sei es Dorf-, Guts- oder Flurgrenze, darüber gegangen sei. Er liegt in- 1) Verhandl. 1897, S. 4S2. 2) Sophus Müller, Nordische .\lterthümer. Deutsche Ausgabe vou Jiriczek, Bd. IL S. 260 ff. (198) mitten der Ritterguts-Pluren. etwa gleich weit von dem Orte Döben und der Orts- flur-Grenze zwischen Döben und Grechwitz. Letztere ist jedenfalls uralt, da sie einfach der tiefsten Lage einer Boden-Einsenkung folgt. Ebenso wenig liegen irgend w^elche Anhaltspunkte dafür vor, dass wir es hier mit einer Gedenk-Säule, die zur Erinnerung an irgend eine Person oder an ein wichtiges Ereigniss errichtet worden wäre, zu thun haben. Zw^ar hat Benedict Wilhelm^), freilich ohne Gründe dafür anzugeben, den Schauplatz der von Tacitus^) erwähnten Schlacht zwischen dem Markomannen-König Marbod und dem Cherusker-Fürsten Armin an die Mulde in die Nähe von Grimma verlegt, und es würde daher unsere Gegend, wenn sich für die Yermuthung Wilhelms Beweise beibringen Hessen, schon frühzeitig Zeuge eines Ereignisses gewiesen sein, dessen hervorragende politische Bedeutung wohl die Errichtung eines bleibenden Denkmals rechtfertigte. Aber abgesehen davon, dass sich die Orts-Bestimmung Wilhelms aus den Worten des Tacitus, des einzigen Berichterstatters über die Schlacht, in keiner Weise begründen lässt, und manches im Gegentheil sogar dafür spricht, dass der Kampf nicht an den Ufern der Mulde, sondern in der Nähe der Elbe stattfand, so kann, selbst wenn die Yermuthung Wilhelms sich als richtig erweisen Hesse, der „Hohe Stein" doch keinesfalls den Ort des Schlachtfeldeij bezeichnen, da dieses zweifellos in einer Thalebene, nicht aber auf der Höhe eines Plateaus ge- sucht werden muss. Ich habe daher die Vermuthung Wilhelms, die auch Lorenz'') in seiner Chronik von Grimma anführt, nur der Vollständigkeit wegen erwähnen wollen. Die grösste Wahrscheinlichkeit bietet wohl die Annahme, dass wir es hier mit einer alten Cultusstätte, vielleicht der symbolischen Darstellung irgendeiner Gottheit zu thun haben. Dann aber müssen wir sofort der vielumstrittenen Irminsül gedenken, obwohl wir weder eine genauere Beschreibung, noch eine Abbildung*) von ihnen besitzen, noch irgendwo ein Stein-Denkmal bekannt geworden ist, das man mit einiger Wahrscheinlichkeit als eine derartige Säule ansprechen könnte. Noch gegenwärtig gehen die Ansichten der Gelehrten darüber auseinander, ob man überhaupt unter den Irmin-Säulen, insbesondere unter der berühmten, von Karl dem Grossen im Jahre 772 zerstörten Irminsül zu Eresburg (dem jetzigen Stadtberg an der Diemel) eine wirkliche Säule zu verstehen habe. Gerade mehrere der ältesten Berichte reden nur von einem heiligen Orte oder Haine, der Irminsül genannt werde^). Auch hat man sich auf die bekannte Stelle in der Germania*^) berufen, nach der es die Germanen nicht der Würde ihrer Götter angemessen erachteten, sie in Tempel einzuschliessen oder in menschlicher Gestalt darzustellen. Schon der gelehrte fuldaische Presbyter Rudolf (f 865), der in seiner Einleitung zu 1) Aug. Bened. Wilhelm, Germanien imd seine Bewohner, S. 196. 2) Tacitus, Annal. II, 44—46. 3) Lorenz, Chronik von Grimma, Bd. II, S. 365. 4) Die von späteren Geschichts-Scüreibern gegebenen Abbildungen hat schon J. Grimm als ersonnen bezeichnet und für eine Täuschung erklärt: J. Grimm, Irmin-Strasse und Irmen-Säule, S. 40. 5) Annal. Petaviani (bis 799), Tiliani (bis 808), Loiseliaui (bis 814) u. A.: „per- venit ad locum Irminsül dictum" (soll vielleicht .heissen: ad lucum?), und weiter in den Annal. Petaviani: „et succendit hunc locum"; nach v. d. Hagen, Irmin, seine Säule, seine Strassen und seine Wagen, S. 9, Anmerk. 13. 6) Tacit., Germ. 9: „ceterum neque cohibere parietibus deos, nee in ullam humani oris speciem assimilare ex magnitudine caelestium arbitrantur. Lucos ac nemora con- secraut, deorumque nominibus appellant secretum illud, quod sola reverentia vident. (199) der Beschreibung der Wunder des von ihm aus Rom gebrachten Leichnams des Heiligen Alexander die erwähnte Tacitus-Stelle fast wörtlich wiedergiebt^), er- klärt, offenbar beeinflusst von den Berichten der römischen Geschichts-Schreiber, die Irminsül ausdrücklich nur für einen gewaltigen, unter freiem Himmel errichteten Baumstamm, dessen Name so viel als „allgemeine, gleichsam alles stützende Säule" bedeute^). Indessen scheint sich schon Tacitus in dieser Beziehung mehrfach zu wider- sprechen; denn wir lesen beiihm nicht nur von der Zerstörung eines Tempels der Tanfana bei den Marsen (i. J. 17 nach Chr.), sondern finden auch verschiedentlich — wenigstens bei einzelnen Stämmen — einige Bilder von Gottheiten ausdrücklich erwähnt oder doch angedeutet^). Mögen aber selbst diese Stellen, wie man es versucht hat*), in anderer Weise ausgelegt werden können, so steht doch jeden- falls soviel fest, dass wenigstens von der Zeit der Völker-Wanderung an von dem ursprünglichen Wald- und Hain-Cultus, wie er uns in den Schilderungen Caesar 's und des Tacitus' entgegentritt, kaum mehr die Rede sein kann, sondern dass sich vielmehr um diese Zeit bereits ein ausgeprägter Tempel- und Bilder-Dienst heran- gebildet hatte. Dann aber dürfen wir wohl auch annehmen, dass man von den Gottheiten nicht nur wirkliche Bildwerke herstellte, sondern, ehe man überhaupt hierzu kam, die Götter bloss in symbolischer Weise in Säulenform zur Darstellung brachte. Entsprechend dieser Auffassung finden wir denn auch schon in sehr alten Schriften die Irminsül als wirkliche Säulen erklärt^), und selbst der gewaltige Baum- stamm, für welchen der oben erwähnte Fuldaer Mönch die Eresburger Irminsül er- klärt, ist doch, im Grunde genommen, nichts weiter, als eine riesige hölzerne Säule. Endlich stimmt zu unserer Annahme auch vorzüglich der Bericht Wite- kind's von Corvey (10. Jahrb.), der in seiner Geschichte der Sachsen, wenn auch nach alten Sagen erzählt, dass die Sachsen nach einem Siege über die Thüringer bei Schiedingen an der Unstrut um 531 einen Sieges-Altar errichtet und ihren Mars in Säulen -Gestalt und ihren Hercules anstatt des Sonnen-Gottes Apollo verehrt hätten; und diesen Mars nennt er Hirmin*'). Und sollten nicht schliesslich 1) In Meginhardi bist, de translat. S. Alexaudri Wildhusam: „Deos suos neque templis includere neque uUae humani oris speciei adsimilare ex magnitudine et dignitate caelestium arbitrati sunt. Lucos ac nemora consecrautes deorumque nominibus appellantes secretum illud sola reverentia contemplantur." 2) „Truncum quoque ligni non parvae magnitudinis in altum erectum sub divo co- lebant, patria eum lingua Irminsül appellantes, quod latine dicitur universalis columna, quasi sustinens omnia." 3) Tacit., Aimal I, 50, 51; Germ. 7, 9, 40, 45. 4) Behla, Die vorgeschichtl. Rundwälle, S. 62, Anmerk. 1. 5) Glossae Florentinae: Colossus, altissima columna, Irminsül. ,. Blasianae: Colossus Irminsül altissima columna est. „ Mondseens: Pyramides, Irmansuli. bei Spalmann: Hermen-sul, colossus altissima Hermini columna (nach V. d. Hagen, S. 10). PoetaSaxo: Gens eadem coluit simulacrum quod vocitabant Irminsül, cujus factura simulque columna Non operis parvi fuerat, pariterque decoris. 6) Mane autem facto, ad Orientalem portam ponunt aquilam, aramque victoriae con- struentes, secundum errorem paternum, sacra sua propria veneratione venerati sunt: no- mine Martern effigie columnarum innitcntes, Herculem loco Solis, quem Graeci appellant Appollinem. Ex hoc aestimationem illorum apparet utcunque probabilem, qui Saxones originem duxisse putant de Graecis, quia Hirmin, vel Hermes Graecis Mars dicitur: quo vocabulo ad laudem vel ad vituperium usque hodie etiam ignorantes utimur. (200) auch die von Tacitus erwähnten Hercules-Säulen, von denen die Sage berichtete, in Wirklichkeit existirt haben, nur dass die Römer, wie sie es ja auch sonst vielfach thaten, den einheimischen Namen der damit symbolisch dargestellten Gottheit durch einen ihnen geläufigeren Namen aus ihrer eigenen Mythologie ersetzten?^). Dürfen wir nach den vorstehenden Ausführungen, dem l^eispiele so bewährter Autoritäten, wie Priedr. v. d. Hagen^) und Jakob Grimm^), folgend, in den Irminsül wirkliche Säulen erblicken, welche, wie die sagenhaften Hercules-Säulen, die Hermes-Säulen u. a., ein uraltes Symbol der Gottheit bildeten und als solches verehrt wurden, so sehe ich keinen Grund ein, warum man nicht auch den „Hohen Stein" als eine solche Irmin-Säule auffassen könnte. Allerdings werden ja Irmin- Säulen von den Chronisten der Karolinger-Zeit nur bei den Sachsen erwähnt; doch liegt dies wohl nur daran, dass von den Schriftstellern aus dieser Zeit nähere Nachrichten über die ürbewohner, die vor der slavischen Einwanderung die Gegenden zwischen Elbe und Saale innehatten, überhaupt nicht überliefert worden sind, und dass bei der Rückeroberung der von den Slaven occupirten Gebiete durch die Deutschen bereits eine vollständige Christianisirung derselben erfolgt war. Da- gegen scheint mir gerade der Name des Volkes, welches nach der allgemeinen Annahme in den ersten Jahrhunderten unserer Zeitrechnung die westliche Hälfte des heutigen Sachsens bewohnte und das noch im 6. Jahrhundert' im Wesentlichen seine alten Sitze innehatte*), die Hermunduren, sehr gut zu unserer Auffassung zu stimmen. Schon Schriftsteller des 17. Jahrhunderts haben diesen Namen in die beiden Bestandtheile Hermin und Durus, Duringer (Thüringer) zerlegt'^), ein Gedanke, der dann später von Adelung*^) weiter ausgebildet und von H. Müller und J. Grimm') etymologisch begründet worden ist. Die erste Hälfte des Wortes würde danach dem Namen eines Haupt-Stammes, den Hermionen, ent- sprechen, die sich ja nach Tacitus^) von Hermin oder Jrmin, einem Enkel Tuisko's, ableiteten, und die naturgemäss auch ihrem Stammvater göttliche Ver- ehrung erwiesen. Auffallend könnte es erscheinen, dass, wenn der „Hohe SteiTi" wirklich als Irminsül aufzufassen wäre, nicht auch anderwärts wenigstens Reste derartiger Säulen erhalten geblieben sind. Indessen ist es ja sehr wohl denkbar, dass viele solcher Säulen, wie nach der Meinung des Fuldaer Mönches die Irminsül Karls des Grossen, thatsächlich nur aus Holz hergestellt waren, und dass sie daher nicht, wie ihre steinernen Schwestern, den Jahrhunderten zu trotzen vermochten. Wahrscheinlicher ist es aber, dass alle solche Erinnerungen an altheidnischen Gottesdienst ein Opfer zelotischer christlicher Missionare wurden. Wo immer eine neue Glaubenslehre ihren Einzug hielt, da wurde durch gewaltsame und brutale Zerstörung aller bestehenden Heiligthümer der Boden für den neuen Cultus vor- bereitet, wie man den Wald vernichtet, um das Land dem Ackerbau dienstbar zu 1) Tacit., Germ. 34. 2) V. d. Hagen a. a. 0. S. 11. 3) J. Grimm a. a. 0. S. 40ff. 4) Jemandes de rebus Goticis, §43 bestimmt nehmlich die Grenzen der Vandalen so: Erant namque illis (Vandalis) tunc ab Oriente Gothi, ab occidente Marcomauni, a septeu- trione Ermunduri, a meridie Hister. 5) Casp. Sagittarii Epist. de antiquo statu Thuringiae sub iudigenis Francorura Geraianiaeque regibus: Jenae 1675, p. 8. 6) Adelung, Aelteste Geschichte der Deutschen, S. 214. 7) Geschichte der deutschen Sprache, 11, 414 ff. 8) Tacit., Germania, cap. 2. C20\) machen. So fielen schon im 8. Jahrh. vor Chr. die heiligen Haine und die Menhirs der vorisraelitischen Bewohner Palästinas dem blinden Eifer und der Zerstörungs- wuth mosaischer Reform-Könige zum Opfer i), und mit gleichem Fanatismus haben dann mehr als 1000 Jahre später christliche Bekehrer alles zerstört und aus- gerottet, was irgendwie mit dem früheren Cultus zusammenhing und an allheidnische Bräuche erinnerte. Wie viele Menhirs und Stein-Säulen mögen , wie es das Concil von Nantes im Jahre 658 verordnete, so beseitigt und in Graben versenkt worden sein, über denen sich dann später eine christliche Capelle erhob. Mit den Irmin-Säulen auf das Engste verknüpft sind die Irmin-Strassen. „Die Götterbilder und ihre Säulen standen aber, sagt J. Grimm 2), auf dem Hauptplatz des Ortes, von dem aus die Strassen und Thore gingen, an der Wegscheide und an den Wegen selbst; noch heutzutage in katholischen Ländern ist der Gebrauch geblieben, und häufig sieht man Christus-Bilder auf der grossen Landstrasse ein- gepfeilt. Natürlich also wurden die heiligen Säulen zu gleicher Zeit Wegsäulen, wodurch wir die Irmen-Säule in einem nothwendigen Zusammenhang mit der Irmen- Strasse erblicken." Schon zu Beginn unserer Zeitrechnung hat jedenfalls von der Gegend von Halle aus, dessen Salz-Quellen schon zur Zeit der Lausitzer Gefässe die Entwickelung eines bedeutenden Industrie- und Handels-Centrums begünstigt hatten^), ein lebhafter Verkehr nach dem Elbthal zu bestanden, der sich wahrschein- lich über die Gegend von Leipzig (Lupfurdum) und Oberholz nach SO. erstreckte und den Bewohnern des westliehen Theiles des Königreichs Sachsens eines der wichtigsten und nothwendigsten Lebens-Bedürfnisse, das Speise-Salz, zuführte. Es klingt daher nicht ganz unwahrscheinlich, dass der „Hohe Stein" zugleich einen Anhaltspunkt für eine alte wichtige Hauptstrasse oder vielleicht ein Strassen-Kreuz bietet, in welchem sich die von W. nach 0. führende alte Handels-Strasse mit einer von N. nach S. entlang der Mulde ziehenden Strasse schneidet. Die Sage von dem Hunde mit den feurigen Augen knüpft sich, soweit ich die sächsischen Orts-Sagen kenne, gerade mit Vorliebe an alte Kreuzwege. Wenn ich in den vorstehenden Zeilen versucht habe, den „Hohen Stein" als eine Irmin-Säule zu deuten, so bin ich mir wohl bewusst, dass keines der von mir geltend gemachten Momente meine Auffassung als zwingend begründet erscheinen lässt, und dass daher diese Annahme, so lange es nicht gelingt, weiteres Beweis- Material herbeizuschaffen, immer nur einen hypothetischen Werth besitzt. Anderer- seits aber glaube ich, dass meine Deutung mit keiner bekannten Thatsache in Widerspruch steht und das ihr daher wenigstens eine gewisse Berechtigung nicht wird abgesprochen werden können. Jedenfalls halte ich es für ziemlich sicher, dass unser Monolith irgend einen alten Cultus-Gegenstand bedeutet. Dafür sprechen schon die Sagen, welche sich an den ., Hohen Stein" geheftet haben. Vielleicht bringen fernere Untersuchungen, zu welchen ich von dem Schloss-Besitzer in Döben, Hrn. V. Bö hl au, die Erlaubniss zu erlangen hoffe, weitere Aufklärung. — (lo) Hr. Hermann Busse bespricht Gräber-Funde von Willielmsau und einige andere märkische Fundstätten. Abgedruckt in den Nachrichten über deutsche Alterthumsfunde 1901, Heft 1, S. 14—16. — 1) Moses V, Cap. 12, V. 2 und B; Chronica II, Cap. 31, V. 1. 2) Grimm a. a. 0. S. 45. 3) Credner, „üeber das Gräberfeld von Giebichenstein bei Halle a. S.", Verh. 1879, S. 47ff. (202) (14) Hr. Rud. Virchow legt zwei Gyps-Abgüsse von einem mit Ein- ritzungen versehenen Stein vor, die Hr. Verworn mit dem Ersuchen um eine Besprechung eingesandt hat. Eine bestimmte Deutung wird von den Mitgliedern der Gesellschaft nicht ge- geben. Hr. Voss findet, dass die vorgelegten Stücke an merowingische B^ormen erinnern. Hr. Karl von den Steinen macht darauf aufmerksam, dass auf der einen Platte die Buchstaben H M zu erkennen seien. — (15) Hr. E. Baelz aus Tokyo erörtert im Anschluss an seinen Vortrag in der Sitzung vom 16. Februar (S. 166) verschiedene Punkte aus der Anthropologie der Menschen-Rassen Ost-Asiens. Im Folgenden bespreche ich gesondert einige körperliche Eigenthümlickeiten der Japaner und einige Dinge, die in das Gebiet der allgemeinen Anthropologie ge- hören. I. Die japanische Schnürfurche am Brustliorb (vergl. Fig. 1). Schon in dem Vortrage war die Rede von der Dünne und Biegsamkeit der Knochen bei den höheren japanischen Ständen, sowie von dem häufigen Vorkommen einer freien 10. Rippe bei langem, schmalem Thorax und mädchenhaft schlanker Taille, auch bei jungen Männern. Fig-. 1. Die japanische Seh nur furche bei einem öjährigen Knaben. Bei zahlreichen Kindern nun kommt es durch den Hinzutritt äusseren Druckes zu einer sehr charakteristischen Veränderung des Thorax, die wir in Europa, dem (203) Anblick nach, ohne Weiteres als Rachitis bezeichnen würden, die aber mit dieser in Japan unbekannten Krankheit nichts zu thun hat, und die ich als Schnür- furche des Thorax bezeichnet habe. Die vorstehende Fig. 1 zeigt einen solchen ausgeprägten Fall bei einem 5jährigen Kinde zarter Eltern mit schwachem Brustbau. Die Ursache der Deformität ist ein durch die Bänder der Kinder-Kleider ringförmig unter den Brustwarzen geübter Druck. Damit derselbe wirksam wird, ist die er- wähnte Weichheit der Knochen nöthig, und diese wiederum ist nach meiner An- sicht bedingt durch die Kalk-Armuth des Reises, der bei den höheren Ständen das Wesentliche der ganzen Nahrung ausmacht, während die ärmeren Stände viel Gerste und Bohnen geniessen, die an Salzen weit reicher sind. Wenn nun eine an und für sich zarte Mutter über 1 oder selbst 2 Jahre lang ihr Kind säugt und dabei von Reis lebt, so kann dieses Kind keine festen Knochen bekommen, und die Bänder der zahlreichen, zwiebelschalenartig übereinander getragenen Kleider (ich habe im Winter bis 11 gezählt) verhindern nicht bloss die Ausdehnung des unteren Thorax beim Einathmen, sondern drücken die seitlichen Theile ein, so dass unter den Brustwarzen der Thorax-Ümfang kielförmig wird, während im Gegensatz zur Rachitis der obere Theil des Thorax sich weniger an der Deformität betheiligt. Es wirken also die Rockbänder ähnlich, wie das Corset, nur noch schlimmer. Aus- nahmsweise entsteht aber eine solche Furche auch durch innere Ursachen, nehmlich durch tiefe Athem-Bewegungen bei erschwertem Luft- Eintritt in die Athemwege oder in die Lunge, also bei Diphtherie, bei capillärer Bronchitis, bei Pneumonie. Hier wird durch Hülfe der accessorischen Athem-Muskeln der obere Thorax mit Macht ausgedehnt und das Zwerchfell aspirirt, wodurch eben eine solche Furche unten am Bogen entsteht. Bei kräftigem Thorax verliert sich die Furche, falls sie überhaupt da war, mit der Heilung der Krankheit wieder; bei Kindern mit dem weichen, federnden Thorax aber kann sie im Laufe von einer Woche zu einem dauernden Zustande werden. Massige oder selbst ziemlich hohe Grade dieser Deformität können sich völlig oder fast völlig verlieren, wenn der Druck der Bänder entfernt und rechtzeitig mit passender Gymnastik des Thorax begonnen und gleichzeitig roborirende Nahrung gegeben wird. Schwimmen ist, beiläufig ge- sagt, eine fast ideale Gymnastik für einen schwachen Thorax. Verliert sich aber die Furche nicht rechtzeitig, so ist grosse Gefahr späterer Tuberculose vorhanden, wie das alle Aerzte in Japan wissen, seitdem, ich die Aufmerksamkeit auf den Gegen- stand gelenkt habe. 2. Das japanische Sitzknie. Eine Eigenthümlichkeit der Japaner oder noch mehr der Japanerinnen ist die Folge ihres Sitzens oder vielmehr Knieens. Die Japanerin kniet — sie hockt nicht — dea grössten Theil des Tages über, und zwar in der Art, dass sie die Füsse so weit nach einwärts rollt, bis die beiden grossen Zehen sich kreuzen und die Fersen möglichst divergiren; in der so entstehenden halbkreisförmigen Höhlung ihrer eigenen Fuss-Sohlen ruht das Gesäss. Durch die scharfe Knickung im Knie wird ein Druck auf die Nerven und Gefässe in der Kniekehle ausgeübt, und der Blutlauf muss in erheblichem Grade gestört werden. Während die Japaner sich durch zierliche Arme und Hände auszeichnen, sind darum die Kniee und Unter- schenkel in der Regel ungewöhnlich plump. Das vorgeführte Bild zeigt, wie vorn an dem Knie die Haut eine Art schlaffen Sackes bildet, infolge der Dehnung beim Knieen, und auch die Kniescheibe findet man beim Durchleuchten mit Röntgen-Strahlen weiter von den Condylen abstehend, als beim Europäer. An der demonstrirten Figur sieht man in der unschön dicken Kniekehle Fettwülste, die (204) eine natürliche Schutz-Vorrichtung' für die Nerven und Blut-Gefässe daselbst dar- stellen, analog wie beim Last-Tragen auf der Schulter sich ein Fett-Höcker bildet, eine Art von Gummi-Kissen, wodurch die unterliegenden Knochentheile gegen den Druck geschützt werden. Röntgoskopisch schien es mir, als ob die Condylen der Kniegelenk-Knochen abnorm dick und als ob das obere Ende des Schienbeins etwas abweichend gestaltet sei; aber vielleicht habe ich mich getäuscht, da ja Hr. Hans Virchow^ bei seinen erschöpfenden und für mich in hohem Grade interessanten anatomischen Untersuchungen an mehreren japanischen Sitzknioen irgend welche Besonderheiten nicht finden konnte. Sicher ist indessen, dass bei den japanischen Frauen ein gewisser Grad von Genu valgum die Regel und ein schön gerade gebautes Bein eine grosse Aus- nahme ist. Dass ferner durch diese Art zu sitzen auch die Unterschenkel plump werden, ist bereits gesagt. Die Knöchel sind dick, namentlich der äussere ist sehr gross und ragt weit nach unten. Das Auffallendste aber ist, dass sich die Haut und das Subcutan-Gewebe an der unteren Hälfte des Unterschenkels so stark ver- dicken, dass man denken könnte, es mit einem leichten Grade von Elephantiasis zu thun zu haben; die Kante der Tibia ist daselbst gar nicht fühlbar. Ausserdem ist der Fussrücken gewöhnlich plump, und durch das Unterschlagen der Fuss-Sohlen bilden sich bei Manchen in der Gegend des oberen Endes des 4. Mittelfuss-Knochens grosse Schwielen, manchmal 5 mm und mehr hervorragend, von der Ausdehnung eines Markstückes. 3. Ueber die Einwirkung der Sonnen-Strahlen auf verschiedene Rassen und über Pigment-Bildung. Die grössere oder geringere Neigung und Fähigkeit der Rassen, reichlichen Haut-Farbstoff zu bilden, liegt im menschlichen Keim, sowohl im Samen, als im Ei. Die Pigment-Bildung findet aber nur theilweise schon im Mutterleibe statt, denn auch die Neger-Kinder werden relativ hell geboren, und namentlich die ganz haar- freien Stellen — Hand-Teller und Fuss-Sohle — zeichnen sich durch helle Farbe aus. Schon kurz nach der Geburt beginnt das Nachdunkeln unter der Einwirkung des Tageslichts, und bald sind die Neger-Kinder so dunkel, wie ihre Eltern. Die Thatsache, dass die Bewohner der Tropen im Allgemeinen pigmentreiche Haut, Haare und Augen haben, hat von jeher die Ansicht nahegelegt, dass die dunklere Farbe wesentlich ein Resultat des heissen Klimas sei; aber ganz abgesehen davon, dass die Eskimos und Lappen dunkler sind, als die weiter südlich wohnenden Kaukasier, so zwingen die Erfahrungen in den Tropen selbst, auf die angeborenen innew^ohnenden Eigenthümlichkeiten der Rassen den Haupt-Nachdruck zu legen. Denn trotzdem, dass sie Jahrhunderte lang unter derselben tropischen Sonne leben, sind noch heute die Neger schwarz, die Indianer rothgelb, die Malayen braun. Ver- erbung erworbener Eigenschaften kommt hierbei kaum in Betracht: die Kinder des aus den Tropen sonnverbrannt oder vergilbt zurückkehrenden Europäers sind ebenso hell, wie die seiner daheimgebliebenen Brüder, und der Neger bleibt Neger, auch im kalten Klima; ja es ist geradezu erstaunlich, mit welcher Hartnäckigkeit sich selbst nur eine geringe Beigabe von Neger-Blut bei den Mischrassen zum Ausdruck bringt, worüber in Nord-America reichliche Erfahrungen vorliegen. Beim Mongolen ist die Menge des wirklich in der Haut vorhandenen Farb- stoffes gering und beschränkt sich anf eine Ablagerung von ziemlich spärlichen, feinen, braunen Farbstoff-Körnern in der tiefsten, cylindrischen Zellenlage der Ober- haut, Körner, die schon beim Fötus andeutungsweise vorhanden sind. Doch hat dies sowenig Einfluss auf das Aussehen, dass das mongolische Neugeborene, wie das (205) kaukasische, zunächst einfach roth aussieht, wie denn die japanische Bezeichnung für kleine Säuglinge einfach „rothes Kind" bedeutet. Aber auch der Mongole hat eine grössere Fähigkeit, Pigment zu bilden, als der Kaukasier. Diese Fähigkeit wird durch Reize activ, die beim Kaukasier nicht wirken: bei gleichem Reiz ist die Pigment-Bildung beim Mongolen stärker. Der bei weitem wichtigste und gewöhnlichste dieser Reize ist das Tageslicht, namentlich directe Besonnung. Sie dunkelt beide Rassen, aber in verschiedener Weise. Der Europäer verbrennt durch die Sonne roth, der Mongole und der ihm näherstehende Süd-Europäer (Grieche, Malteser, Sicilianer) braun. Wenn ein Mongole und ein hellblonder Europäer sich gleichzeitig intensiver Sonne aussetzen, so ist die Wirkung auf beide verschieden: der erstere wird einfach braun, beim Europäer bildet sich eine intensive schmerzhafte Röthung, und wenn die Sonnen-Wirkung lange dauert, so kommt es zu einer Schwellung, ja es tritt Blasen-Bildung auf (also das, was der Arzt eine Verbrennung zweiten Grades nennt), die später unter Abschuppung heilt. Ich fuhr an einem heissen Sommertage mit einem Japaner und einem hellblonden Engländer auf das Meer hinaus. Wegen der grossen Hitze entblössten beide ihre Oberkörper. Nach einer halben Stunde klagte der Europäer bereits über Unwohlsem, bald bekam er auch Fieber, und am Abend war sein Puls 120, die Temperatur 39,2° C; die Arme waren geschwollen, ebenso das Gesicht, das aussah, wie bei Erysipehis. Die Haut der entblössten Stellen war roth, wie bei Scharlach, und selbst gegen leise Berührung empfindlich; an den Armen waren da und dort Blasen, und in der Nacht fing der Kranke sogar an zu deliriren. Ganz anders der Japaner: der war einfach an den der Sonne ausgesetzten Stellen dunkler geworden und zwar ganz gleichmässig dunkler, ohne jeden Schmerz oder Entzündung. Diese bräunende und verbrennende Wirkung der Sonne wird nicht durch die Hitzestrahlen (den rothen Theil des Spectrums) hervorgerufen, sondern durch die blauen und ultravioletten Strahlen. Wenn ich die Haut meines Armes mit ver- schiedenen Farben blau, roth, gelb, schwarz bemale, so werden die gelb und roth bemalten Steilen nicht verbrannt, wohl aber die blauen, weil die chemisch wirk- samen blauen Strahlen von Roth und Gelb zurückgeworfen werden. Wäre die Hitze wirksam, so müssten die rothen und namentlich die schwarzen Stellen besonders intensiv verbrannt werden, da bekanntlich schwarze Flächen die Hitze besonders absorbiren. Freilich kann auch durch Wärme allein Pigmentirung hervorgerufen werden, z. B. durch lange dauernde heisse Umschläge, aber schon der Anblick zeigt einen wesentlichen Unterschied: die Pigmentirung durch Wärme ist netzförmig und kommt sehr langsam, die Pigmentirung durch chemische Einflüsse ist diffus und kommt rascher. Daher sehen wir durch die Einwirkung von Chemikalien, wie Blasen-Pflaster oder Senfteige, eine diffuse Bräunung entstehen (wenn es überhaupt zur Pigmentirung kommt); ebenso tritt in der Nähe stark spiegelnder heller Flächen, am Meer oder auf Gletschern, die Dunkelung, bezw. Entzündung, intensiver auf als, auf grünen Matten oder Flächen bei gleicher Luft- wärme. Wenn an letzteren Orten schliesslich die „Verbrennung" im populären Sinne, d.h. Bräunung eintritt, hat sie doch meist einen Stich ins Rothe; wenigstens gelang es mir in der Regel ohne Mühe, unter meinen sonnverbrannt aus den Sommer-Ferien zurückkehrenden japanischen Studenten durch Beachtung des röth- lichen Tones zu bestimmen, wer sich am Meere und wer sich in den Bergen auf- gehalten hatte. (206) Worauf beruht nun der Unterschied zwischen dem hellblonden Europäer und dem Mongolen hinsichtlich der Einwirkung auf die Haut? Offenbar in dem gelben Farbstoff in der Haut des letzteren und in seiner Fähigkeit, leichter weiteren solchen Farbstoff zu bilden. Die Haut aller mehr oder weniger farbigen Völker hat ein vollkommneres Reactions- und Regulations-Vermögen chemischen Reizen gegenüber. Die chemische Sonnen -Strahlung bewirkt also bei ihnen eine stärkere Ablagerung von Pigment, und dieser in der Haut liegende gelbe oder braune Farbstoff bildet (analog der gelben Lampe in der Dunkelkammer des Photo- graphen) einen Schutz gegen weiteres Eindringen der chemischen Strahlen und ihrer Wirkung in die Tiefe. Der hellblonde Europäer hat nicht die Fähigkeit, so rasch Pigment zu bilden; die chemischen Strahlen können also durch die Ober- haut bis zu der blutgefässhaltigen Cutis vordringen, dort eine Ausschwitzung, ein entzündliches Exsudat verursachen und den Menschen krank machen. Dies ist wohl zum guten Theile Schuld daran, dass die hellblonde Rasse sich in den Tropen so schwer acciimatisirt: ihre Haut ist nicht im Stande, die Schutz-Reaction auszuführen, und wie wichtig gerade in den Tropen eine lebhafte Reaction der Haut ist, das ist klar. Es wäre wünschenswerth, dass unsere Marine- und anderen Aerzte in den Tropen Untersuchungen anstellten über das Verhalten der mehr dunkelhaarigen gegenüber den hellblonden Soldaten und Seeleuten in dieser Hin- sicht. Die Resultate könnten möglicher Weise von grossem praktischem Werth sein. Es ist eine allbekannte Sache, dass z. B. die Süd-Europäer, die Sicilianer, die Spanier usw. in den heissen Klimaten durch mehrere Generationen fruchtbare Nachkommen erzeugen, während die blonden Nord-Europäer hierzu nicht im Stande sind. Ein treffendes Beispiel bieten die noch heute vorhandenen Nachkommen der Portugiesen in Ceylon, während die Holländer und Engländer, welche die Insel seit 300 Jahren inne haben, eine ähnliche, mehr oder minder gemischte Des- cendenz nicht producirt haben. Der Ursprung jeder physiologischen Pigmentirung wird nun allgemein im Blute gesucht und das Pigment als modiflcirter Blut-Farbstoff betrachtet. Es sind in der That Zellen als Träger von Farbstoff bis in die Oberhaut hinein direct beobachtet w^orden, wenigstens bei Thieren; auch beim Menschen trifft das für die Pigmentirung durch Hitze unzweifelhaft zu, denn hier lagert sich der Farbstoff zuerst und oft ausschliesslich in der Nähe der Gefässe ab, so dass ein Pigment- Netz entsteht, das dem Verlauf der Ünterhaut-Gefässe (namentlich der Venen) ent- spricht. Wirkt die Wärme z. B. durch wochenlange heisse Umschläge noch weiter ein, so rückt das Pigment nach der Mitte der Maschen vor und kann schliesslich dieselben fast ausfüllen; aber der typische Netz-Charakter bleibt im Wesentlichen erhalten, die Bezeichnung Cutis reticulata ist daher besser, als Cutis marmorata, weil letztere Bezeichnung mehr die Vorstellung unregelmässiger Flecken erweckt. Auch der Wärme gegenüber zeigt sich die Pigmentirungs-Tendenz der Mongolen. Sie ist in Japan sehr häufig an den Händen und Beinen, namentlich der Frauen, zu sehen. Der Japaner hat keine heizbaren Zimmer, auch ist sein Haus überaus leicht gebaut und hat nur Papier- oder dünne Bretterwände; der Winter ist aber doch so kalt, dass der Europäer 6 Monate im Jahre heizt, manchmal noch länger. Die Japaner helfen sich nun dadurch, dass sie ihre Hände, sobald sie irgend können, über ein Becken mit glühenden Holzkohlen halten. Kaufleute in ihren Läden thun dies fast den ganzen Tag. Wer es sich leisten kann, hat noch ein ^Kotatsu^, dies ist eine V2 — 1 gm grosse und Va "* ti^fe Vertiefung im Zimmerboden, in die ein Kohlen- Becken gestellt wird; man setzt sich nun auf den Rand, lässt die Beine in die Oeffnung hängen und schliesst den Zutritt der kalten Luft durch Watte-Decken ab. (207) Wer sich nicht viel zu bewegen braucht, wie die Bauern im Winter oder Ver- käufer oder nähende Frauen, der bringt fast den ganzen Wintertag im Kotatsu zu und hat so seine Beine dauernd in einem Heissluft-Bade. Auf diese Weise ent- steht nun an den Unterschenkehi und an der Beugeseite der Oberschenkel bis zum Gesäss, ebenso an den Händen, wenn sie jahraus jahrein im Winter über das Kohlen-Becken gehalten werden, die netzförmige Pigmentirung in ausgesprochenster Weise. Unter ähnlichen Verhältnissen siebt man sie auch in Europa zuweilen bei sitzenden Markt-Weibern, welche unter ihren Röcken Kohlen-Becken stehen haben, um sich gegen die Kälte zu schützen. Auch durch sehr häufige und sehr heisse Bäder kann eine ähnliche Färbung entstehen, wie ich mich in dem Badeorte Kusatsu überzeugt habe*), wo es sich um die Einwirkung von Wärme handelte. Der dortige „Vorbader" oder Bademeister, der während 25 Jahren jedes Jahr 4 Monate lang täglich 3 bis 5 Bäder von 50° C. genommen hatte, zeigte fast am ganzen Körper die Pigment-Netze. Wenn nun der Ursprung des Haut-Pigments aus dem Blute nicht bezweifelt werden soll, wo es sich um die Einwirkung von Wärme handelt, so bin ich nicht sicher, ob dies auch für die Pigmentirung der Haut durch die Sonne und andere chemische Agentien gilt. Diese Färbung ist vom ersten Anfang an diffus; die Haut-Hyperämie ist bei Sonnen-Einwirkung oft kaum oder nicht ausgesprochen (beim Vesicator und Senfteig ist sie allerdings sehr deutlich). Die Färbung kommt oft in wenigen Stunden über grosse Körperüächen. Sollte es sich dabei nicht um directen Niederschlag von Farbstoff aus dem eisen- und schwefelhaltigen Zellsaft handeln, wie unter dem Einfluss des Lichts körniges Silber aus einer Lösung von salpersaurem Silber ausfällt? Bei der Schnelligkeit und der völligen Gleichmässig- keit der Pigment- Bildung erscheint mir dies wahrscheinlicher, als die Herbei- schleppung des Farbstoffes aus dem Blute durch wandernde Zellen. Auch theoretisch dürften der Annahme einer solchen Fähigkeit der Epithel-Zellen kaum Bedenken entgegenstehen, nachdem uns die neueren Untersuchungen gelehrt haben, in dem Zellen-Individuum einen Organismus von viel grösserer Selbständigkeit und Selbst- thätigkeit zu sehen, als man sie ihm früher zutraute. Die Frage muss entschieden werden durch mikroskopische Untersuchung auf die An- oder Abwesenheit von chromatophoren Zellen in der Cutis nahe dem Epithel. Soweit meine, allerdings wegen der Abreise aus Japan etwas eiligen und oberflächlichen Beobachtungen ein Recht zum Urtheil geben, sind sie meiner Auf- fassung günstig. Wir hätten dann die intracellulare Pigment- Bildung als einen unter dem Einfluss des Sonnenlichts vor sich gehenden (reflectorischen?) Schutzact der Zelle zu betrachten. — Auf eine Anfrage des Hrn. Lissauer bemerkt Hr. Baelz, dass er die Angabe, Nansen habe den blauen Hautfleck der Mongolen auch bei Eskimos gefunden, aus dritter Hand habe. — Hr. Waldeyer: Die mikroskopischen Präparate des Hrn. Baelz, welche die Pigmentirung zeigen, sind im hohen Grade interessant, ebenso die von ihm be- schriebenen Haarwirbel. Es scheinen in der That hier sehr bemerkenswerthe Rassen-Merkmale vorzuliegen. — 1) Vergl. Baelz, „Ueber heisse Bäder''. Verhandlungen des Congresses für innere Medicin in Wiesbaden 1893. (208) Hr. V. Luschan: Hr. Boas hat vor einigen Jahren Untersuchungen angestellt über das Wachsthura zwischen 20 und 40 Jahren. — Bei Kindern unter 1 Jahr finden sich bei Si» pCt. die Pigment-Flecke. Bei zunehmendem Alter verschwinden diese Pigment- Flecke immer mehr und mehr. — Hr. Staudinger: Blondhaarige Menschen (vielleicht von einigen ganz hell- blonden, bezvv. rothhaarigen, abgesehen) leiden nach meinen Erfahrungen in den Tropen durch das Verbrennen der Haut nicht so, dass daraus event. eine geringere Widerstandsfähigkeit gegen heisse Klimate abgeleitet werden könnte. Eine eigent- liche Haut-Verbrennung wird in den Tropen bei vorsichtiger, allmählicher Ge- wöhnung und vernünftigem Schutz des Kopfes (namentlich des Hinterkopfes und Nackens) nicht so leicht eintreten, sondern nur ein allmähliches Bräunen der Haut. Hat sich die Haut dann an die stärkere Sonnenstrahl- Wirkung gewöhnt, ist also das betreffende Individuum zeitweilig immun dagegen geworden, dann kann sich auch ein blonder Mensch, ebenso wie ein brünetter, in gewisser Weise den Sonnen- strahl-Wirkungen aussetzen, ohne besondere Schädigungen befürchten zu müssen. Ich möchte gleich noch den Ausführungen des Hrn. v. Luschan gegenüber er- wähnen, dass ich selbstverständlich nur ein zeitweises Gewöhnen, und keine dauernde Immunität gegen das Verbrennen der Haut durch Sonnenstrahlen gemeint habe. Ich weiss wohl, dass bei jedem Aufenthalt im nordischen Klima die Haut wieder ausbleicht, wenn auch die spätere Anpassung dann vielleicht etwas schneller, als bei Neulingen, vor sich geht. Die Hautfarbe wird allerdings bei dunkel- haarigen Personen meistens dunkler gebräunt sein, als bei blondhaarigen, die oft nur geröthet, bezw. rothbraun erscheinen; auch hält die Bräunung der Haut ver- schieden lange Zeit bei den einzelnen Personen nach der Rückkehr in gemässigt warme Gegenden an. Ebenso ist die Hautfarbe durchaus nicht immer mit der Haarfarbe übereinstimmend, da es auch blondhaarige Europäer mit einer Haut- farbe giebt, deren Ton mehr in das Brünette, bezw. Gelbliche geht. Ferner kann man noch vielfach die Thatsache feststellen, dass Nord-Europäer in Tropen- Gebieten mit feuchterem Klima lange nicht so stark verbrennen, wie in den Sub- tropen. Die Trockenheit der Luft scheint also die Bräunung der Haut schneller hervorzurufen, während diese bei einer starken und andauernden Transpiration viel- leicht nicht so intensiv bewirkt wird. Leber diese Transpiration, bezw. die Haut- Thätigkeit und ihren Einfluss auf die Gesundheit der Europäer in den Tropen haben, wenn ich nicht irre, holländische Militär-Aerzte vielfach Beobachtungen gemacht. Uebrigens kann man das von dem Herrn Vortragenden erwähnte schmerzhafte Verbrennen der Haut durch Sonnenstrahlen auch bei uns beobachten. Viele von Ihnen wissen, dass bei Knaben, welche sich nach dem Baden zu lange der heissen Sonne aussetzen, an den sonst bedeckten Körperstellen eine schmerzhafte Röthung, bezw. Verbrennung der Haut entsteht. Ebenso scharf wirkt die Sonne in der dünnen Luft unserer Alpen, wo bei den ersten Touren in einer gewissen Höhe, z. B. ober- halb der Schneegrenze, die Haut so intensiv verbrennt, dass sie sich häufig an den Ohren, bezw. auch am Gesicht abschält. Ist man aber erst richtig „verbrannt", richtiger eingebrannt, so hat man natürlich keinerlei Beschwerden davon. Auf die Bemerkung des Hrn. v. Luschan, dass die Haut der Eingebornen in den Tropen desto dunkler sei, je höher sie über dem Meeres-Spiegel wohnen, möchte ich entgegnen, dass es z. B. gerade in Vorder-Indien in hochgelegenen Gebieten des Himälaya mongolische Stämme, bezw. Mischvölker giebt, welche eine sehr helle Hautfarbe besitzen, wogegen vorderindische Völker arischer Abstammung in den Ebenen häufig sehr dunkel sind; ferner haben die in Süd-Indien lebenden Tamilen (20i)) eine mitunter braunschwarze Färbung der Haut und gehören mit zu den dunkelsten Leuten Vorder-lndiens. In Africa giebt es unter den sogen, schwarzen Negern sehr hell gefärbte Stämme; hingegen fand ich die am dunkelsten aussehenden Leute, deren Gesichtsfarbe beinahe schwarz war, unter den am Südrande der Sahara (also einem sehr trockenen Gebiete) lebenden Tuaregs, bezw. Tuaregs- Mischlingen, deren Gesichtsbildung sonst eine kaukasische war. — Bei der Haut- Färbung der Menschen-Rassen scheinen also sehr verschiedene Momente mitzu- sprechen. — 4. lieber Wiederwachsen der fötalen Flaumhaare und über Haar-Wirbel auf der Wirbel-Säule. Das Flaumhaar (Lanugo), womit der ganze Körper des Foetus vom 6. Monat an bedeckt ist (mit Ausnahme von Hand-Teller, Fuss-Sohle, Lippenroth und Glans penis), verliert sich in der frühesten Lebenszeit und wird durch Härchen ersetzt, so klein, dass sie mit blossem Auge unsichtbar sind und der Körper, abgesehen von Kopf-Haaren, Brauen und Cilien, haarlos erscheint. Unter gewissen Umständen sieht man indessen bei schon älteren Kindern oder selbst nach der Pubertätszeit reichliche Härchen auf dem Rumpfe und den Gliedern erscheinen. Das sind die jedem Arzt wohlbekannten „Hunger-Haare" oder besser „Kachexie-Haare". Sie heissen so, weil sie sich im Verlaufe zehrender Krankheiten, vor allem der Tuberculose, zeigen, aber sie kommen auch vor bei Inanition in Folge von sehr dürftiger und mangelhafter Ernährung. Wir finden sie in den Lehrbüchern der Pathologie erwähnt, aber ihre Beziehung zum foetalen Haut- kleide und zur Haut-Function scheint nicht genauer erörtert worden zu sein, ebenso wenig wie der grosse prognostische Werth, den die Beobachtung ihrer Ab- und Zu- nahme in Krankheiten hat. Die Kachexie-Haare sind einfach die wieder deutlich gewordenen Flaumhaare, sie sitzen also besonders da, wo im Gegensatz zum Körperhaar des Erwachsenen das Foetalhaar reichlich ist, nehmlich an Wirbelsäule und Schultern und auch auf der Streckseite der Arme. Interessant ist nun, dass diese Haare sowohl beim Foetus, als auch, wenn sie bei Krankheiten wieder erscheinen, oft auf dem Rücken einen scharf ausgesprochenen Wirbel bilden, der, wie der Kopfhaar-Wirbel, bald gerade in der Mittellinie, bald etwas seitlich davon liegt. Die häufigste Localisation ist in der Höhe des 1>. Brust- wirbels, aber er kommt auch so hoch wie der 7., oder so tief wie der 11. Brust- wirbel vor. Wo das blosse Auge nicht zum Nachweise ausreicht, kann man oft mit der Lupe sein Vorhandensein constatiren. Zuerst wurde ich auf dieses — allerdings nicht constante — Vorkommen auf- merksam bei Kindern der Aino; diese haarige Rasse bewahrt offenbar auch die Lanugo-Haare länger, als andere Rassen, ja bei Mädchen von 8—12 Jahren fand sich vom Nackenhaar abwärts nicht selten ein mit der Spitze nach unten gekehrtes Dreieck von fast zolllangen feinen Flaumhärchen, deren Spitzen nach der Wirbel- säule convergirten, also in derselben Richtung verliefen, wie die Fasern des Muse, trapezius. Nach der Aussage der Mütter verschwinden solche Härchen spätestens zur Pubertätszeit. Bei 4 Kindern bemerkte ich ausserdem den erwähnten Haarwirbel auf dem Rückgrat. Einmal aufmerksam geworden, fand ich ihn dann bei zahlreichen japanischen Kindern und Jugendlichen, aber mit blossem Auge sichtbar nur bei Kachexien, und zwar fast stets bei Tuberculose. Das 7jährige Mädchen auf Tafel V ist ein voitrefi'liches Beispiel dafür. Ein Jahr, ehe es er- krankte, waren diese Härchen nicht sichtbar; wenn die Krankheit (chronische tuber- culose Pleuropneumonie) heilt, so werden sie wieder verschwinden. Verh.-UKll. der Beri. Anthroi.i.l. Gesellschaft 1901. 14 (210) Die Haarwirbel auf dem Rücken sieht man bei vielen Poetus schon vom 5. Monate an; nicht selten war das Centrum von einer kleinen warzenartigen Er- hebung der Haut gebildet. Es ist nun sehr auffallend, dass weder Eschricht, noch V. Brunn, welch letzterer doch mit peinlicher Genauigkeit die Haarrichtung und die Haarwirbel des Foetus beschreibt (Handbuch der Anatomie, herausgegeben von v. Bardeleben, 5. Lieferung), diesen Wirbel auf dem Rücken erwähnen. Dass er sehr deutlich werden kann, zeigt das erwähnte Bild ohne Weiteres. Es ist doch wohl kaum anzunehmen, dass er eine Eigenthümlichkeit der mongolischen Rasse ist! Jedenfalls dürfte es angezeigt sein, dass die Anatomen diesem Gegen- stande einige Aufmerksamkeit widmeten. Die Kachexie -Haare kommen auch sonst noch in auffallender Weise vor. Bei einem 15jährigen tuberculösen Mädchen fanden sich auf beiden Brüsten con- centrische Ringe von 5—8 mm langen schwarzen Härchen, die der Haut flach auf- lagen, und zwar waren sie in der Spaltrichtung der Haut geordnet. In demselben Maasse, als die Tuberculose sich besserte, schwanden die Härchen, und als die Patientin nach einem halben Jahre in gutem Zustande das Hospital verliess, war mit blossen Augen nichts mehr davon zu sehen. Ein Jahr darauf kam sie, aufs Neue erkrankt, und die Härchen waren wieder gewachsen; sie wurden mit zu- nehmender Besserung wieder undeutlicher. Je älter das Individuum ist, desto seltener sieht man grössere Kachexie- Haare. Nach dem 20. Jahr bestehen sie auch bei Tuberculösen nur ganz ausnahms- weise. Wie kommt nun das Wachsthum der Härchen zu Stande, während alle anderen Gewebe atrophiren? Bei allen Kachexien schwindet zuerst und im höchsten Grade das Fett. So ist es auch mit den Haaren. Jedes Haar hat seine Fettdrüse; beim Flaumhaar des Neugeborenen ist diese Drüse so gross, dass das Härchen oft nur als ein Anhängsel derselben erscheint; beim Kopf- und Barthaar des Erwachsenen ist umgekehrt die Drüse ein Anhängsel des Haares. In dem Maasse nun, wie das Fett schwindet, kommen die Härchen wieder zum Vorschein. Auch in der Haut selbst geht dem Wachsthum der Härchen eine zunehmende Trockenheit und Dürre und eine vermehrte Abschilferung der Hornschicht (Pityriasis tabescentium) parallel, und ich kann mir den ganzen Vorgang nur so erklären, dass an den Haaren die sonst zur Fettbildung verwendete Substanz zur Bildung von Horn-Substanz (Haar) herangezogen wird. Da die Drüse und das Haar einen gemeinsamen Ursprung aus derselben Zellschicht der Oberhaut haben, so hat eine Verschiebung der quantitativen Production der beiden Substanzen unter abnormen Ernährungs-Vor- gängen theoretisch nichts gegen sich. So erklärt sich dann auch sofort das Ver- schwinden der Härchen mit dem Wiedereinsetzen reichlicher Fettbildung. Für den praktischen Arzt aber ist nach meiner Erfahrung das Auftreten der Kachexie-Haare ein wichtiges diagnostisches Merkmal für die Erkennung latenter Tuberculose, und die Ab- oder Zunahme der Härchen ein nicht zu unterschätzendes Moment für die Beurtheilung der Prognose. — Kann das Fett der Haut (bei zehrenden Krankheiten) zur Bildung von Horn-Substanz verwendet werden? Es ist in hohem Grade auffallend, dass, z. B. bei Tuberculose, wieder fötale Lanugo auftritt. — 5. Zur Lehre vom abdominalen und thoracalen Athmungs-Typus. Wir sind in Europa immer der Ansicht, oder wenigstens liest man es vielfach, dass Mann und Frau eine verschiedene Art von Athmung haben, nehmlich, dass der Mann überwiegend mit dem Bauch, die Frau überwiegend mit der Brust athmet. (211) Das ist nicht richtig. Es ist schon wiederholt behauptet worden, dass dies nur die Folge des Schnürens der Taille durch die Kleidung der Frauen ist, und mit Recht Ich habe an japanischen Frauen Versuche gemacht mit dem breiten Gürtel {oI)i). Die Japanerin, die ihn sehr fest bindet, athmet mit dem Thorax; untersucht man aber Bauernfrauen, so findet man, dass sie genau wie die Männer athmen. Der Unterschied ist also offenbar eine Folge des Gürteltragens, wie bei der Europäerin eine Folge des Corsets. Auch ich selbst zeigte deutliches Thorax- athmen, als ich mir einen japanischen Frauengürtel fest umbinden Hess. — 6. Das Wachsthum der Geschlechter zur Pubertätszeit. Aus meinen eigenen Beobachtungen und noch mehr aus den sehr ausführlichen und auf grosses Material gegründeten Statistiken des Hrn. Sanitätsraths Dr. Mishima im Unterrichts-Ministerium in Tokyo geht hervor, dass auch in Japan während der Pubertätszeit und schon kurz vorher die Mädchen grösser und schwerer sind, als die Knaben. Boas hat einmal die Richtigkeit dieses Princips bestritten, aber 7 Jahre später selber Statistiken gegeben, welche diese auffallende Erscheinung be- stätigen, allerdings ohne Schlüsse daraus zu ziehen. Interessant ist dabei, dass das Wachsthum beider Geschlechter in Japan früher abschliesst, als in Europa, und das ist deshalb merkwürdig, weil die Entwicklung des weiblichen Geschlechts trotzdem nicht schneller vor sich geht, als in Europa. Im Gegentheil, ich habe von Lehrerinnen verschiedener Mädchenschulen, in denen japanische, europäische und Misch-Kinder gleichzeitig als Pensionäre leben, übereinstimmend die Angabe bekommen, dass die japanischen Mädchen am spätesten entwickelt sind, die rein- europäischen am allerfrühesten; die Mischlinge stehen in der Mitte. Ich kenne eine ganze Anzahl von Fällen, wo europäische Mädchen in Japan mit 11 oder 12 Jahren die Pubertät erreichten. Das ist eine sonderbare Erscheinung, für die man wohl nicht leicht eine Erklärung finden wird, wenn man nicht etwa annimmt, dass die sehr günstigen äusseren Verhältnisse der in Japan lebenden Europäer in dieser Hinsicht wirken. Dies stimmt aber nicht mit den Erfahrungen in Indien, wo ebenfalls die socialen und Ernährungs-Bedingungen der europäischen Mädchen günstig sind und wo doch die Menstruation gewöhnlich erst nach dem lo. Jahre erreicht wird. — 7. Bis zu welchem Alter wächst der Schädel? Nach der gebräuchlichen Auffassung hört das Wachsthum des Schädels mit Abschluss des allgemeinen Wachthums auf, dem die Verknöcherung der Nähte entspricht, also "etwa mit dem 25. Jahre. Nur bei Boas finde ich die Angabe, dass der Schädel bis gegen das HO. Jahr an Umfang zunimmt. In Wahrheit wächst der Kopf des Menschen bis gegen das 50. Jahr oder noch länger. Obwohl dies eine kühne Behauptung scheinen dürfte, lässt sie sich doch durch einfache Beobachtung ohne Weiteres beweisen. Mein Kopf-Umfang ist vom 20. bis zum 30. Jahre um 1 cm und vom 30. bis zum 50. ungefähr um ebenso- viel gewachsen; der Kopf meines Bruders zeigte dieselben Veränderungen. Da wohl mancher Leser noch eine Studenten- oder Soldaten-Mütze besitzt, möge er sich selbst überzeugen, ob nicht auch sein Kopf seit jener Zeit bedeutend zuge- nommen hat. Von Angaben aus der Literatur ist mir nur eine Bemerkung Glad- stone's bekannt, dass nach dem Ausspruche seines Hutmachers sein Kopf bis nach dem 50. Jahre beständig gewachsen sei. Dass man bis jetzt diese — doch so leicht nachweisbare — Thatsache des Fortwachsens des Kopfes nicht beobachtete, lässt sich nur aus der Art erklären, 14* (212) wie gemessen wurde. Bei skeletirten Schädeln musste man natürlich einfach die einmal gefundene Grösse hinnehmen; aber dass die nicht so seltenen Messungs- Reihen über das Körper- Wachsthum eines Individuums während vieler Jahre den Kopf- Umfang ausser Acht Hessen, ist seltsam. Man nahm aus theoretischen Gründen an, das Wachsthum des gesammten Menschen höre überhaupt im Anfang der 20er Jahre auf, und nahm sich gar nicht die Mühe, die Sache praktisch zu prüfen. (Auf diesem Irrthum beruht es auch, dass noch immer das Normal-Gewicht des erwachsenen Mannes auf 60 oder wohl auch 6ö kg angegeben wird, während für einen völlig erwachsenen Deutschen 70 kg noch ein zu niedriger Satz ist.) Wenn man sich die Sache überlegt, so wird man auch nur natürlich finden, dass das Gehirn und mit ihm der Schädel noch weiter wächst, wenn die anderen Organe bereits die Höhe ihrer Entwicklung erreicht haben. Die Muskeln, die Verdauungs-Organe, Lunge, Herz usw. sind beim Mann von oO Jahren so stark entwickelt und leistungsfähig, wie irgendwann später (obwohl nach meiner Er- fahrung auch die Armmuskeln, abgesehen vom Fett, an Volumen länger zunehmen, als man gewöhnlich annimmt) ; das Gehirn dagegen ist der einzige Rörpertheil, der beständig neu hinzu assimilirt und der die in ihm aufgenommenen Thätigkeits- Producte nicht wie andere Organe ausscheidet und durch neue ersetzt, sondern dieselben als Erinnerungen aufbewahrt, während immer Neues dazu kommt. Damit muss aber nach unseren allgemeinen Anschauungen auch ein physio-anatomisches^ AVachsthura einhergehen, ja es wäre geradezu abnorm, wenn das Gehirn nicht weiter wüchse. Bei diesem Wachsthum ist es nicht das Gehirn, welches durch Druck den Schädel grösser macht, sondern beider Wachsthum geht einander parallel und wird vom selben Princip regulirt. Beim Wachsthum des kindlichen Pingers stösst nicht der wachsende Knochen die Haut vor sich her; bei Zunahme des Brust- umfangs durch Gymnastik drückt nicht die voluminösere Lunge den Thorax nach aussen, sondern Continens und Contentum wachsen einander entsprechend, bilden für das Wachsthum Eines. Das ist eben das Wesen des gesunden Wachsthums im Gegensatz zum krankhaften, dass die Harmonie der Theile erhalten bleibt, dass kein Theil auf Kosten des anderen wächst, sondern nur soweit, dass das Ergebniss ein nach allen Richtungen hin vollkommenstes ist. Es ist nun aber wünschenswerth, dass man sich bei der Peststellung des Kopf- Wachsthums nicht bloss mit den Umfangs-Maassen begnüge, sondern dass man mit biegsamem Draht zugleich die Schädel-Form feststelle, wodurch man erfährt, ob das Wachsthum gleichraässig fortschreitet oder nicht. Auch dürfte es wichtig sein, festzustellen, ob nach dem 20. Jahre die Zuntihme des Kopf- ümfangs dieselbe ist bei mechanisch Arbeitenden oder bei Bauern, und bei Leuten mit überwiegend geistiger Thätigkeit. Den Vorgang am Knochen denke ich mir ebenso, wie er für das Dicken- Wachsthum der Röhrenknochen längst bekannt und anerkannt ist: Resorption von Knochen - Substanz innen, Anlagerung von Knochen-Substanz aussen — durch periosteale Bildung. Wo am Pemur des Kindes Rinde ist, da ist beim Erwachsenen Knochenmark, und wo früher Periost lag, da liegt jetzt compacter Knochen. Dafür, dass ein solches excentrisches Wachsthum an den Schädelknochen stattfindet im Gegensatz zu dem Wachsthum an den Nähten, spricht das innere Aussehen der Schädelkapsel. Diese ist in der Kindheit glatt, und erst im reifen Alter, wenn die Nähte mehr oder weniger verknöchert sind, bilden sich daselbst vertiefte Abdrücke der, Hirnwindungen aus, während die Hirnfurchen den Kanten entsprechen. Das kann kaum anders zu Stande kommen, als durch Schwund von Knochen-Substanz (213) tiber den Windungswülsten und entsprechende Neuablagerung von Knochen aussen. Von irgend welchen Druckwirkungen kann keine Rede sein, da wir ja wissen, welche Schmerzen selbst geringer Druck an den Meningen hervorruft. Auch müsste der Schädel an der Stelle der Windungen immer dünner werden, was bis zum Greisenalter nicht der Fall ist, wenn sich nicht neue Knochen-Substanz an- lagerte. Kurz, wir haben auch an platten Knochen denselben Process von Re- sorption und Apposition fester Knochen-Substanz, wie beim Röhrenknochen. — Hr. R. Virchow: Das Wachsthum des Schädels vollzieht sich in entsprechender Weise, wie das Wachsthum der Röhren-Knochen. Der fertige Knochen scheidet aus der Betrachtung aus. Für den Schädel sind von Belang die marginalen Partien, welche sich durch Apposition mit vorhandenen Nachbarknochen vereinigen. Der Schädel kann daher immer noch wachsen, so lange Naht-Substanz vorhanden ist. Lange Zeit können, z. B. bei Hydrocephalischen, Abschnitte der Nähte bestehen, an denen Verknöcherung nicht vorhanden ist. Trotzdem kann später eine Ver- knöcherung eintreten. Bei dem Studium der Tiroler Schädel zeigte sich, dass darunter eine ungewöhnlich hohe Zahl sehr grosser Schädel vorhanden ist. Es ist aber bei diesen Schädeln sehr schwer festzustellen, ob bei ihnen ein hydrocephalisches Zwischen -Stadium vorhanden war. Dieselbe Schwierigkeit ergiebt sich bei allen Kephalonen. Die kleinen Zwischen-Knochen des Schädels können schliesslich mit den Haupt- Knochen ganz verwachsen. An der Stelle, wo sich mitunter ein Processus frontalis entwickelt, findet sich zuweilen ein besonderer Intercalar-Knochen. Es ist nun die Frage, ob der Proc. temporalis aus einem Vorwachsen der Squama temporalis ent- steht, oder, wie Hr. Ranke will, aus einem besonderen Intercalar-Knochen. Durch inneren Druck kann die Schädel-Substanz zum Schwund gebracht werden. Eine Rolle hierbei spielt nur die Grösse des Druckes, nicht die Art der Substanz, welche den Druck ausübt. Der Schwund kann ebenso durch Hydrocephalus, wie durch Geschwülste hervorgebracht werden. Der Schwund tritt aber immer zuerst innen an den Impressiones digitatae ein. Entsprechendes findet sich bei der Platyknemie (der Tibia). Sowohl durch Druck, wie durch Uebung und consecutive Vererbung können Abänderungen in der Knochengestalt eintreten. Das Os japonicum, welches in Japan sehr verbreitet ist, auch bei den Ainos daselbst, tritt in anderen Welt-Theilen bei Weitem nicht so häufig auf. Ent- sprechendes findet sich bei dem Os Incae. In Africa giebt es fast kein Beispiel eines Os japonicum; Redner hat von dort erst einen einzigen Fall dieser Art (bei einem Massai) gesehen. Die Grösse des Schädels ist immer abhängig von der Action der Matrices (Suturen und Synchondrosen). — Hr. Baelz: Es besteht thatsächlich eine Wechselbeziehung zwischen Schädel- und Beckenform. Es ist nothwendig, bei der Schädelform auch stets die Becken- form zu berücksichtigen. Das Neger -Becken ist rund, das Mongolen - Becken länglich. Das Dünnwerden der Schädel im hohen Alter erklärt Redner dadurch, dass hier eine Apposition nicht mehr stattfindet,- während der Schwund von innen heraus zunimmt. — Hr. R. Virchow: Es unterliegt wohl keinem Zweifel, dass bei der Entwickelung des Menschen-Geschlechtes die Pathologie wesentlich mitgewirkt hat. Bei rein (214) physiologischen Zuständen, ohne Eingreifen der Pathologie, würde die Entwickelung des Menschen wahrscheinlich andere Bahnen eingeschlagen haben. — Hr. Waldeyer: Das Os japonicum ist auch bei uns etwas ausserordentlich Seltenes. — Hr. Dr. Pflugmacher: Wenn es Thatsache ist, dass noch im späteren Alter eine Zunahme des Schädel-Ümfangs eintreten kann, und wenn man nach Hrn. Baelz annimmt, dass ungefähr mit dem 25. Lebensjahre die Verknöcherung und Ver- wachsung der Nähte vollendet ist, von hier aus also kein weiteres Wachsthum stattfinden kann, so möchte es wünschenswerth sein, zu erfahren, wodurch dann eine Vergrösserung des äusseren Umfanges des Schädels bewirkt werden soll. — Hr. Baelz: Wenn Hr. R. Virchow ein Weiterwachsen des Schädels nach Verknöcherung der Nähte anerkennt, so ist mir das die denkbar willkommenste Bestätigung meiner Ansicht, und wenn eine solche Autorität dafür eintritt, dass das Weiter -Wachsthum an Stelle der früheren Nähte stattfindet, so wird das auch wohl ohne Zweifel der Fall sein. Aber ich glaube doch annehmen zu müssen, dass wenigstens daneben noch ein Wachsthum in der Dicken-Richtung in der von mir vermutheten Weise stattfindet, nehm lieh durch Resorption innen und Apposition durch Periost-Knochenbildung aussen, da sich nur auf diese Weise die Bildung der Furchen und Leisten innen am Schädeldach erklären lässt. Dass bei patho- logischen Zuständen, wie Tumoren, der Knochen passiv verdünnt und schliesslich durchbrochen wird, ist richtig, aber hier hat eben das harmonische Wachsthum der Organe, das ich als das Wesen des physiologischen Vorgangs ansehe, auf- gehört, — das Wachsthum eines Organes auf Kosten eines anderen hat be- gonnen, und darin liegt der Gegensatz zur Norm. Wenn wir erwägen, welche heftigen Schmerzen und andere auffallende Symptome nicht bloss Verdickungen, sondern schon Hyperämien der Hirnhäute machen, so kann man kaum annehmen, dass die Veränderungen am inneren Schädel in späteren Jahren auf mechanischen Druck zurückzuführen seien; dagegen sind sie leicht verständlich, wenn man an- nimmt, dass derselbe formative Reiz, welcher zum Wachsthum des Gehirns führt, eine entsprechende Abnahme von Knochen-Substanz innen (durch chemische Pro- ducte?) und von Anlagerung aussen herbeiführt. AVas das sogen. Os japonicum (die Jochbein-Spaltung) betrifft, so müsste man dasselbe richtiger Os ainoicum nennen, da es zwar bei den Japanern viel häufiger ist, als bei allen anderen Völkern, bei den Aino dagegen nach Koganei mehr als dreimal so häufig, als bei den Japanern. Dies legt den Gedanken nahe, dass seine Frequenz bei den Japanern auf der Beimischung von Aino-Hlut beruhe, und Redner will nach seiner Rückkehr nach Japan untersuchen, ob die Japaner-Schädel mit Jochbein-Naht auch sonst Aino-Merkmale zeigen. Die ganz ausserordentliche Häufigkeit der Jochbein-Spaltung bei den Aino ist nach ihm die einzige Erscheinung, die sich etwa ernstlich gegen den genetischen Zusammenhang der Aino mit den Kaukasiern geltend machen liesse. Entscheidend ist sie nach seiner Ansicht nicht. — 8. Ueber Serien von verschiedenen Kopfumrissen desselben Individuums in verschiedenen Lebensaltern. üeber die Veränderungen der Kopfform beim selben Individuum im Laufe seiner Entwickelung wissen wir so gut wie nichts; es wird zwar unter Anderem von den HHrn. v. Luschan und Boas — ohne Zweifel mit Recht — angenommen, dass der I (215) Schädel mit der Zeit dolichocephaler wird, so dass also der Län40) 4. Die nähere Zuweisung der Inschriften Saimanassar's II. „Die fälschlich Tuklat-Xinib zugeschriebene Inschrift Saimanassar's II. (Tgr. 2) und die erste der beiden Inschriften an der oberen Höhle (Tgr. 4) stammen beide aus dem 15. Jahr des Königs, sind Duplicate.'' So habe ich es zuerst in meinem Bericht an die Akademie Juni l'.iOO mit Bestimmtheit ausgesprochen, nach- dem ich früher schon dergleichen Möglichkeiten ins Auge gefasst hatte ^). „Die entspringt es, wenn in Hru. Belck's ^.authentischer" Darstelluug (S. 44) die Localisirung Matiati's „als erster wichtiger Stützpunkt für das Verständniss der altgeographischen Verhältnisse Nord-Mesopotamiens'- bezeichnet wird, unter Uebergehuug der weit früher von mir ang-ebahnten Identification Kipani-Hassankef (siehe Belck selbst, Zeitschr. f. Ethnol. 1899, S. 115) und wenn ebenda behauptet wird, Ali diät sei als Station meiner Reise von Mosul aus nur gewählt worden, um auf Hrn. Belck's Anregung dort nach Höhlen -Wohnungen zu forschen (vergl. oben S. 232, Anmerk., und S. 234, Anmerk. 1). In Wahrheit geht für den, der, wie ich, möglichst schnell von Mosul über Babil bei Djezireh nach Hassankef gelangen will, der gegebene Weg über Mi diät. Correctur- Zusatz. C. L.] 1) Auch diese Anschauung bildete ich mir gegen den ausdrücklichen Widerspruch des Hrn. Belck, der jetzt deren Priorität in Anspruch nimmt: denn noch unter dem 17. Märzl9fO, zu einer Zeit, da ich bereits mit der Ausarbeitung des Berichts für die Akademie beschäftigt war, schickte mir Hr. Belck eine längere Ausführung zu, des Inhalts, „dass es nach logischen Begriffen unmöglich sei", dass ..die obere Inschrift in der oberen Höhle", also eben Tgr. 4, „aus dem 15. Jahr stammt". Die Thatsache, dass die beiden Inschriften Tgr. 2 und Tgr. 4 ans demselben Jahre stammen, ist auf Grund irgend- welcher besserer oder schlechterer Copien an sich nicht zu constatiren; denn — wie ich das früher bereits ausgesprochen habe — es lagen die Verhältnisse im 7. und 15. Jahr so ähnlich, dass die Inschriften nahezu gleich lauten und doch aus diesen beiden verschiedenen Jahren stammen könnten. Bewiesen wird die Zugehörigkeit zum 15. Jahre einzig und allein durch die Thatsache, dass das Land Kaldu in beiden Inschriften als erobert er^^hnt wird, und dass diese Eroberung erst nach dem 7. Jahre stattgefunden hat. Anfänglich habe ich den Fehler begangen, auf diesen Punkt nicht genügend zu achten: sonst hätte ich die Inschrift Tgr. 2, in der ich gleich bei der ersten Copie die Stelle richtig gelesen hatte, niemals dem 7. Jahre, wie ich es zuerst gethan habe, zuschreiben dürfen Später habe ich die Erwähnung des Landes Kaldu in diesem Sinne als so wichtig erachtet, dass ich mir ausdrücklich das Datum (11. April 1900) notirt habe, an welchem ich aus meiner Copie in der Inschrift Tgr. 4 die Lesung (L.) Kal-di her- und feststellte (vergl. noch meine Bemerkungen in unserer Juli- Sitzung). Abgesehen von diesem einen Punkt — (L.) Hatti wird in Tgr. 3 erwähnt (s. unten S. 242), Anm. 1) — hätte selbst bei wörtlidi genauer Uebereiustimmung der In- schriften die eine aus dem 7. Jahre, die andere aus dem 15. Jahre stammen können. Selbst die allergenauesie Copie von Tgr. 4 würde an diesem Factum nichts geändert haben. Zu Hm. Belck's in diesem schon an sich irrigen Zusammenhange ausgesprochener Be- hauptung, dass er Tgr. 4 genauer copirt habe, als ich, brauche ich nur zu bemerken, dass Hr. Belck den geringfüjiigen Umstand zu erwähnen vergessen hat, dass ihm bei seiner Untersuchung dieser Inschrift meine Copie vorgelegen hatte, die ich ihm auf seine Bitte aus Tiflis zugesandt habe und die auch in seine Hände gelangt ist. Er crwähut nur, dass für Tgr. 2 meine Copie ihm nicht zur Verfügung stand (die für ihn bestimmte Abschrift wurde später, als die von Tgr. 4, nach Maiafarkin ge- sandt und ging verloren). Selbst die schlechteste Vorcopie ist bekanntlich eine Stütze für alle weiteren Untersuchungen. Was Hr. Belck von Zeichenspuren in den zerstörten Zeilen mehr gesehen hat, als ich, hat keinen selbständigen Werth. Tgr. 4 ist in einem solchen Zustande, dass die Copie auch für den im Assyrischen wohl Geübten sehr schwierig ist. So hat sich Hr. Belck, als er die Dinge noch unbefangen beurtheilte, selbst geäussert, Zeitschr. f. Ethnol. S. 253, Abs. 3: „Von der Doppel-Inschrift Saimanassar's II. sei der (■241) Inschriften Tgr. 3 und 5 stammen ganz bestimmt ebenfalls aus dem 15. Jahr und fügen den allgemein gehaltenen Prunk-Inschriften — die wohl sicher noch an vielen anderen Stellen angebracht worden sind (s. Verhandl. 1900, S. 432, Anm. 1) — gewisse Details hinzu. Nehmlich: 1. heben sie das Eindringen in das Gebiet Enzite, in welchem der Tigris- Tunnel liegt, herfor, und 2. betonen sie die Errungenschaften des Königs gegenüber Gebieten, die mit Urarfu in mehr oder minder enger geographischer und politischer Beziehung stehen. Zu behaupten, dass diese Inschriften alle Details des Zuges vom 15. Jahre erwähnen, hat mir natürlich vollkommen fern gelegen. Irgendwelche stichhaltigen Gegengründe gegen die Zuweisung dieser beiden Inschriften Tgr. 3 und 5 an das 15. Jahr liegen nicht vor; denn dass der König mit Tgr. 2 und der sie ergänzenden Tgr. 3 besonders tief in die Höhle hineingegangen ist und den bequemeren Platz, der sich vor der Höhle rechts neben der Inschrift Tiglatpileser's I. geboten hätte, frei Hess, lässt sich ohne Schwierigkeit erklären. Da nehmlich der König mit dem Besuch an der „Tigris-Grotte" heilige Hand- lungen verband, bezw. verbunden hatte, so Hess er die Inschriften so weit wie irgend angängig in den Tunnel hinein anbringen, um der Quelle des Flusses relativ so nahe wie möglich zu kommen und zu verhindern, dass irgend ein nach ihm kommender König ihm in dieser Hinsicht den Vorrang ablief. Und ferner: Wie Rusas I. seine auf die Anlegung des Keschisch-Göll, des uralten Stau-See's, bezügliche Stele nicht an dem Keschisch-Göll, sondern ab- seits von diesem in einer tiefen Thalmulde aufgestellt hat, um ihr durch solche Verborgenheit eine längere Dauer zu sichern und sie den Blicken von Zerstörern bis in ferne Zukunft zu entziehen: gerade so konnte Salmanassar IL, bezw. der von ihm Beauftragte, den Wunsch hegen, die Inschrift des Königs nach Möglich- keit den Blicken der Nachfolger zu entziehen. Das ist ihm denn ja auch in der Weise geglückt, dass die zweite der Inschriften (also der zweite Theil der Doppel-Inschrift, wenn man meiner Ansicht ist) nicht nur dem „Porscherblick Taylor's" entgangen ist, sondern auch dem Forscherblick des Hrn. Belck. Und das Argument, dass der König zur Zeit seines Besuches der „Tigris-Grotte" un- möglich schon wissen konnte, welche weiteren Länder er unterwerfen w^ürde, kann man auch gegen das 15. Jahr, wie gegen jedes andere Jahr, anführen^). Wo der- artige, nachweislich erst nach dem Besuch der „Tigris -Grotte" erfolgten Er- eig-nisse erwähnt werden, muss eben angenommen werden, dass die Gegend von obere wichtigste Theil>' (das ist die Inschrift Tgr. 4) „leider zur grösseren Hälfte voll- ständig durch Verwitterung zerstört und rettungslos verloren." Und wenn Hr. Belck als des Assyrischen unkundig, schon bei der Inschrift Tgr. 2 (vergl. hierzu und überhaupt zu dieser Anmerkung S. 238 f, Anm. 1) die einzelnen Keile zwar richtig copirte, aber die Zeicheugruppen so falsch combinirte, dass er sich berechtigt glaubte, eine vollkommen irrige Zuweisung der Inschrift zu vertreten, so ist mit Sicherheit anzunehmen, dass bei der Inschrift Tgr. 4 Entsprechendes eingetreten wäre, hätte ihm nicht meine Copie vor- gelegen. Ist es mir doch selbst begegnet, dass ich in Zeile 8 von Tgr. 4 die ersten Zeichen (St.) Hu-ut-ni-ik_las. Erst nach meiner Rückkehr erkannte ich, dass die richtige Zeichen-Combination zur Lesung (St.) Hub-us-ki-a führte. 1) Thatsächlich begründete Hr. Belck seinen oben S. 240, Anm. 1, erwähnten Wider- spruch gegen die Zuweisung von Tgr. 4 an das 15. Jahr des Königs, dem es auch nach seiner nunmehi-igen Ansicht wirklich angehört, mit eben diesem Argument. VerhaiidJ dtr Berl. Antliropol. Gesellschaft 19U1. l'j (242) den Assyrern nicht nur flüchtig besucht, sondern längere Zeit oceu- pirt gewesen ist. Somit stammen sämmtliche 4 Inschriften Salmanassar's II. aus dem 15. Jahre. An Stelle dieses nach mehrfachen Schwankungen^) von mir glticklich erzielten Resultats, das den Sachverhalt durchaus befriedigend und im Einklang mit den Quellen erklärt, sollen nun Behauptungen gesetzt werden, die, an sich schon im höchsten Grade unwahrscheinlich, den Quellen und dem Sach- verhalt durchaus zuwiderlaufen. Danach wäre die Inschrift Tgr. 3 die zuerst an- gebrachte und bezöge sich auf das Jahr 7, in welchem sie auch eingehauen ist: Tgr. 2 und 4 bezögen sich auf das 15. Jahr und seien auch in diesem angebracht und die untere Inschrift an der oberen Höhle (Tgr. 5) bezöge sich auf das 7. Jahr, sei aber im 15. eingehauen. Die Unmöglichkeit dieser Annahme lässt sich leicht darthun, auch wenn man von den örtlichen Verhältnissen, der Lage von Tgr. 2 und 3 zu einander, absieht. Ueber seinen Besuch der Tigris-Quelle im 7. Jahre berichtet Salraanassar IL wie folgt: „In meinem 7. Regierungsjahr zog ich gegen die Lande des Tel Abni. Seine feste Stadt sammt den Städten ihres Districtes eroberte ich, zu der Quelle des Tigris, dem Ort (oder: da wo) das Herauskommen des Wassers gelegen (so wörtlich), ging ich, ich machte die Waffen Assur's darin gläszend (so wörtlich, d. h. ich tauchte sie ein), ich opferte Opfer den Göttern, ich veranstaltete ein Freudenmahl. Ein grosses Bild meiner königlichen Majestät Hess ich machen. Den Ruhm Assur's meines Herrn, meine Heldenthaten (d. h. meine heldenhaften Kriegszüge), alles was ich in dem Leben gethan hatte, schrieb ich auf dasselbe (das Bild) und liess es anbringen dortselbst." Wenn irgendwo, so hat es hier den Anschein, als ob Salmanassar die Anbringung seines Bildes, bezw. die Errichtung einer Statue, denn das ist nicht 1) Anfänglich war es das durchaus Nächstliegende, die Inschriften Tgr. 3 und Tgr. b auf einen dritten Besuch des Königs, der in den Annalen nicht erwähnt sei, zu beziehen. In diesen Verh. 1990, S. 450f. wird zwar behauptet, „. . . . Hr. Lehmann hätte nur nöthig gehabt, auf die Inschrift Tiglatpileser's I., Tgr. 1, zu blicken, um sich sofort davon zu überzeugen, dass die von ihm vorgeschlagene Uebersetzung: ,Ureimal zum Lande Nairi zog ich und schrieb (dreimal) meinen Namen an der Tigris-Queue,' welche eben zur Annahme eines dritten Besuches der Quellgrotte durch Salmanassar führte, sehr bedenklich sei. Denn jene Inschrift schliesst ebenfalls: ,Dreimal bin ich zum Lande Nairi gezogen,' und doch finden wir nur eine Inschrift Tiglatpileser's, die natürlich bei Gelegen- heit jenes dritten Nairi-Zuges gesetzt worden ist. Und Salmanassar hat in seiner Doppel- Inschi-ift nichts Anderes gethan, als den Stil seines Vorgängers nachgeahmt." Aber hier liegt, wie so oft bei meinem Kritiker, ein Scheiu -Argument vor. Von Tiglatpileser I. ist eben nur ein Bild vorhanden. (Er spricht ausserdem auch gar nicht von einem Besuch der Tigris-Quelle, sondern sagt nur, dass er ..dreimal nach dem Lande Nairi gezogen" sei.) Da ist es sehr leicht und bequem zu wissen, dass diese eine Inschrift nur von einem Besuch herrühren kann. Wären von Tiglatpileser 3 oder mehr Inschriften an der Tigris-Grotte, so würde man natürlich zuerst versucht gewesen sein, jede Inschrift einem der Züge zuzuweisen. Ausserdem war es syntaktisch das Natürlichste und Wahrscheinlichste, bei den Worten: „3 mal zog ich nach Nairi, schrieb (meinen) Namen an der Tigris -Quelle", das „3mal" auf beide Glieder des Satzes zu beziehen. Sprachlich ist es noch jetzt überraschend, zu sehen, dass das Gegentheii das Richtige ist. In Tgr. 3 wird übrigens ausdrücklich Syrien (mät Hatti) erwähnt^ was aus ungenügender Kenntniss des Textes gegnerischerseits (vergl. S. 240, Anm. '^ geleugnet worden ist. (243) zu unterscheiden, selbst überwacht hätte, und genide in diesem Jahre soll sie, nach f^ejinerischer Ansicht, überhaupt unterblieben sein. Aber selbst ohne dieses specielle Steigerungs-Moment zu berücksichtigen, liegen die Dinge wie folgt: Der einzige Bericht, der uns über den Besuch einer Tigris-Quelle vorliegt, betont aus- drücklich die Anbringung von Rönigs-Bildern. Jegliche Erklärung, die mit Inschriften rechnet, die nicht von einem Königsbilde begleitet sind (wie Tgr. 3 und 5), widerspricht den Quellen und ist damit verurtheilt. Weiter aber berichtet der König ausdrücklich, er habe alles, was er an Thaten vollbracht habe, in dieser Inschrift vom 7. Jahr anbringen lassen. Die grösste seiner vor dem T.Jahre vollbrachten Thaten aber ist nach des Königs eigenen Annalen die Besiegung der Coalition der syrischen Fürsten Dadu-idri von Damaskus und Irhulini von Haraat, und gerade diese Gross- that, deren der König in seinen Annalen so ausführlich gedenkt, sollte er in der Inschrift vom 7. Jahr gar nicht erwähnt haben? Es ist das dieselbe Coalition, mit der er im 12. Jahre wieder zu thun hat und deren Besiegung er in der In- schrift vom lö. Jahr ausdrücklich als vorausgegangen hervorhebt. Und wenn ich von vornherein geschwankt habe und Schwierigkeiten bei der Zuweisung der von mir entzifferten Inschriften Tgr. 2 und 4 hatte, so hing das, wie ich gleich hervor- hebe, auch damit zusammen, dass — abgesehen von der Eroberung des Chaldäer- Landes, auf die ich, wie oben S. 240, Anm. 1, hervorgehoben, nicht genügend Acht gegeben hatte — , die Ereignisse so vollkommen parallel sind, dass die Texte fast Duplicate sein und sich doch auf verschiedene Jahre be- ziehen könnten. — Und nun schliesslich die Details und die Oertlichkeiten des Zuges. Sal- manassar kommt im 7. Jahr von Tel Abni, das ist ein auf dem rechten Euphrat- Üfer oelegener Aramäer-Staat, wie sich aus den Inschriften Asurnasirabal's III. ergiebt, und konnte so in kurzer Zeit und bequem zur Quelle des West-Tigris gelangen, nicht aber zur „Tigris-Grotte". Machen wir uns aber wirklich für einen Augenblick die unmögliche gegnerische Annahme zu eigen, die Inschrift Tgr. 3 sei im 7. Jahr und, gegen den Willen des Königs, ohne sein Bildniss eingehauen worden; er habe deshalb befohlen, die In- schrift noch einmal an der oberen Höhle einzuhauen, und dabei die Gelegenheit benutzt, die an der Tigris-Grotte im 15. Jahr eingehauene oder einzuhauende In- schrift ebenfalls wiederholen zu lassen. Dann ist doch wahrlich nicht abzusehen, warum er diesenfalls die Inschrift, die sich auf das 7. Jahr beziehen sollte, unter der auf das 15. Jahr bezüglichen Inschrift angebracht hätte (wie das durch die Auf- nahme auf Tafel YI^) veranschaulicht wird: die 17 ersten Zeilen mit dem in die obere Höhle hineinblickenden Königsbilde stellen Tgr. 4, die unteren 13 Zeilen Tgr. 5 dar). Dafür gäbe es nur die eine Erklärung, dass er die Gegenwart und Ver- gangenheit absichtlich hätte irreführen wollen, was man bis zum Beweise des Gegentheils, zumal von einem der um das Portleben ihrer Thaten so sehr be- mühten Assyrer-Könige nicht annehmen wird. Und ferner: Wenn es richtig wäre, dass Salmanassar im 7. Jahr den Tigris- Tunnel besucht hätte, und die Inschriften, die ausdrücklich von einem dritten Nairi-Zuge reden, auf das 7. Jahr Bezug nähmen (Zug 1: Anfangsjahr, Zug 2: 1) Von den Inschriften der oberen Höhle liegen wohlgelungene Aufnahmen sowohl von Hrn. Belck wie von mir vor. Auf einer derselben beruht die Keproduction auf Taf. VI. 16* (244) im dritten Jahr), so gehörten ja die Inschriften vom 15. Jahr einem vierten Nairi- Zuge an. Damit wäre Salmanassar IL über Tiglatpileser I. seinen Vorgänger und sein Vorbild, der nur dreimal nach Nairi gezogen war, hinausgegangen. Und das sollte der König in den beiden Haupt-Inschriften (Tgr. '2 und Tgr. 4) unerwähnt gelassen, nicht die Gelegenheit benutzt haben, wenigstens an der oberen Höhle, wo Platz ist, diese Thatsache eines vierten Besuches mit ge- bührender Betonung zu verzeichnen? Er soll sie vielmehr geradezu verschleiert haben, dadurch dass er diesem Bericht über den, nicht ausdrücklich als solchen bezeichneten vierten Zug die Wiederholung einer dem dritten Zuge geltenden Inschrift folgen liess?^) Das wird niemand ernstlich für denkbar halten wollen. Es bleibt also dabei: die sämmtlichen vier Inschriften beziehen sich in der von mir gekennzeichneten Weise auf das 15. Jahr und sind in oder gleich nach diesem eingehauen. Im 15. Jahr erfolgte der dritte Zug des Königs nach Nairi, während die beiden vorhergehenden im Anfangsjahr und im 3. Jahre seiner Regierung stattfanden. Im 7. Jahr hingegen wurde eine andere Tigris-Quelle besucht, und es muss der Zukunft überlassen bleiben, Bild und In- schrift^) des Königs, die er damals angebracht hat, aufzufinden'*). — 1) Wenn der Hauptgrund der AYiederliolun-,' an der oberen Höhle die im 7. Jahre- gegen den ausdrücklichen Befehl des Königs versäumte Anbringung des Königsbildes gewesen wäre, so hätte dieses doch übrigens nun wirklich neben „der (nach gegnerischer Behauptung) auf das 7. Jahr bezüglichen" Inschrift Tgr. 5 stehen müssen , während es in, Wahrheit, wie Taf. VI zeigt, die obere der beiden Inschriften, Tgr. 4, begleitet, die auch dadurch (wie unten an der Tigris-Grotte die gleichlautende Tgr. ?, die der Inschrift Tgr. 3 vorangeht) als die Haupt-Inschrift gekennzeichnet ist. 2) Hr. Huntington schildert in seinem an mich gerichteten und von mir in diesen Verhandl., Juni 1899, veröffentlichten Brief (S. 141 f.) eine beim Dorfe Hilar im Quell- Gebiet des Argana- SU befindliche Sculptur und Inschrift. Vielleicht ist dies Salma- nassar's II. Inschrift aus dem T.Jahr. 3) Es sei gestattet, hier einige Berichtigungen und Nachti-äge zu meiner Mittheilung vom December 1900 anzuschliessen, deren Fortsetzung die vorliegenden Mittheiluugen dar- stellen (s. Verhandl. 1900, S. 612 u. 62G a. E.). Ich konnte die Correcturen nur in Fahnen lesen, die mir im Voraus zur Verfügung gestellt wurden, da ich während des Druckes der December-Verhandlungen verreist war. Beim Umbruch haben sich nachträglich einige Druckfehler eingeschlichen: S. 622, obere Hälfte, ist überall, wo ich spreche: Sa-ga-as(?)-tar(a), Sagastar(a) zu lesen: Sagastara ist die von Hrn. Belck angewandte irrige Lesung. Zu S. G2of., Anm 2: S. 624, Abs. 1, Z. 3 v. u. statt ..sowie" lies „wie". Abs. 2, Z. 1 statt pulsui lies pulusi. S. 626, Z. 9 ist natürhch „Urartu (?)" statt „Urtura(?)" zu lesen." [Zu S. 626, Abs. 3: Den zu verschiedenen Nairi-Läudern sich findenden Zusatz sa bitäui hat, wie ich nachträglich aus ZA. XV, 264 ersehe, Jensen bereits 1899 (Deutsche Literatur- Zeitung, Sp. 1114), seiner ursprünglichen Bedeutung nach, in sehr ansprechender Weise erklärt. Er übersetzt, dm-chaus der assyrischen Grammatik gemäss, „unseres Hauses". Durch diesen Zusatz wurde der zu Assjrien gehörende Theil des betreffenden Gebietes von dem nicht unterworfenen Theile unterschieden. Damit würde auch der von mir oben geltend gemachten, imabweislichen Forderung genügt, dass durch den Zusatz sa bitani nur eine nähere Bestimmung für den Eigennamen gegeben wird, nicht, wie Verhandl. 1900, S. 410 versucht wurde, ein womöglich anderswo gelegenes, ganz getrenntes Gebiet gleichen JSamens. Das einmal vorkommende sa mät bitani würde sich dieser Deutung ebenfalls bequem fügen und sie bestätigen: „vom Land(besitz)e unseres Hauses." Correctur-Zusatz. C. L.] I (:>4r>) (10) Hr. E. Baelz aus Tokyo ist zur Portsetzung der Discussioii über seine Vorträge über die Menschen-Kassen Ost-Asiens -erschienen. I. Zur Frage über die Bildung des Haut-Pigments. Hr. Baelz recapitulirt zum Zweck der Uebersiciitliclikeit seine im Vortrage am 16. Februar gegebenen Anschauungen und betont namentlich, dass im Gegensatz zu der flockigen, netzartigen Dunkelfiirbung, wie sie durch Hitze bedingt wird, bei dem Dunkelwerden, „Verbrennen", der Haut durch die Sonnen-Strahlen und alle anderen chemischen Einflüsse (Senfpflaster, Blasenpflaster) die Pigmentirung vom ersten Anfang ganz diffus ist und sich nicht an die Gefässe hält; dass also ■der Farbstoff nicht wohl aus dem Blute stammen kann. Redner ist vielmehr der Ansicht, dass es sich um ein directes Ausfallen eines (metallhaltigen?) körnigen Farbstoffes in den tiefsten Epidermis-Zellen handelt unter dem Einfluss der chemi- schen Sonnen-Strahlen, wie das Silber dadurch aus einer Lösung von salpeter- saurem Silber ausfällt. Wesentlich sei die Frage, ob durch directe Einwirkung der Sonne sich schnell ein schützendes Pigment bilden kann. Die gelbe oder braune Farbe des Pigments wirke als Schutz gegen die weitere Einwirkung der chemischen Strahlen und schütze die tieferen Teile, d. h. die blutgefässhaltige Haut, vor deren Keiz. Der blonde Europäer habe diese Pigmentbildungskraft in geringerem Grade; daher dringen die chemischen Strahlen in die Tiefe und rufen Entzündung, Schwellung, Schmerz, Fieber hervor, während der Mongole einfach brauner wird. Es wäre wohl wichtig, dass die Marine -Aerzte in den Tropen vergleichende Untersuchungen anstellten an hellblonden und an dunkelhaarigen Männern, um zu sehen, ob nicht eine Auswahl der dunklen sich für alle heissen Klimate besonders empfehle. — Hr. Lissauer macht darauf aufmerksam, dass der Einfluss, welchen der Auf- enthalt in nördlichen Gegenden auf das Erblassen der Haut zeigt, durchaus nicht allein durch die geringere Einwirkung der Sonne erklärt werden könne, da be- kanntlich die Eskimo und andere nordische Stämme so dunkel pigmentirt sind, wie die Nubier unter der tropischen Sonne; es müssen offenbar noch andere Ur- sachen, besonders Eigenthümlichkeiten der Rassen vorhanden sein, welche bei der Entstehung sowohl der dunklen, wie der hellen Hautfarbe von entscheidendem Einfluss sind. — Hr. Staudinger meint, dass Hellhaarige ebenso widerstandsfähig werden, wie Dunkelhaarige, sobald sie einmal die erste Verbrennung durchgemacht haben. Hellhaarige werden häufig viel dunkler in der Sonne, als Dunkelhaarige. — Hr. V. Luschan: Es giebt viele blonde Leute, bei denen niemals Immunität gegen die Hitze eintritt, die stets abschälende Haut bekommen, sobald sie sich der Sonne aussetzen. Redner führt verschiedene Beispiele hierfür an. Die dunkle Hautfarbe hält er ebenfalls für ein gutes Präservativ gegen die Wirkungen der Sonne. Die Gebirgs-Bevölkerung sei stets dunkler, als die Bevölkerung der Ebene. Besonders ausgesprochen sei dies bei den amerikanischen Indianern. — Hr. Admiral Strauch bemerkt, dass in einem im April 1900 in der Anthropolo- gischen Gesellschaft zu München gehaltenen Vortrage (von Jos. Ritter v. Schmaedel) (246) der Anschauung Ausdruck gegeben ist, dass die Gefährdung der Gesundheit des Europäers in den Tropen auch mit der schädlichen Einwirkung der Sonnen-Strahlen zusammenhänge; er richtet an den Vortragenden die Frage, ob er der Ansicht sei, dass solcher Einwirkung durch eine Wahl der Farbe der Bekleidung vorgebeugt werden könne. Die unter dem Namen Khaki bekannte Farbe sei vielleicht ein unbewusster Ausfluss jener Anschauung. — Hr. Baelz bemerkt, dass allerdings auch die blonden Menschen schliesslich durch die Sonne braun werden; er beharrt aber darauf, dass der Vorgang bei den brünetten und den gelben Individuen leichter und rascher vor sich gehe. Auch habe die Farbe der gebräunten Blonden dauernd einen röthlichen Ton, der den anderen fehle. Seine Anschauung stütze er auf die directe Erfahrung. Es sei auf- fallend, mit welcher Schnelligkeit einzelne Leute Pigment in der Haut bilden. Zweifellos ist die Thatsache, dass manche gelbe Menschen, wenn sie nach kalten Gegenden kommen, dort heller werden, wo die Haut der Luft ausgesetzt ist; sa hat Redner bei manchen Japanern und namentlich bei euro-japanischen Misch- Kindern in Europa gesehen, dass ihre Haut im Gesicht im Winter heller wurde, als am Körper, um im Sommer wieder sehr stark pigmentirt zu werden. Auch bei den Juden ist die Hautfarbe im Laufe der Jahrhunderte abgeblasst. — Hr. V. Luschan fragt, ob schon irgend jemand mikroskopisch den Farbstoff untersucht hat, der sich nach wiederholten Senfpflastern bildet? — Hr. Baelz thcilt mit, dass, soweit seine aus Mangel an geeignetem Material unvollständigen mikroskopischen Untersuchungen ein ürtheil gestatten, die Pigmen- tirung nach Sinapismus genau dieselbe sei, wie bei Pigmentirung nach Insolation. — Hr. Staudinger bemerkt, dass vielfach Berg- Bewohner in den Tropen heller sind, als Thal-Bewohner. In trockener Luft sei die Pigment-Ablagerung- viel stärker. — Hr. Klaatsch erinnert daran, dass man Transplantationen von hellgefärbter Haut auf dunkle Individuen vorgenommen hat. Es wurde dabei Einwanderung von Pigment-Zellen in die helle, transplantirte Haut constatirt. — Hr. Baelz erwidert, dass er Einwanderung von Pigment-Zellen nicht beob- achtet habe. Er hält es nicht für unmöglich, dass wie Hr. Strauch vermuthet, die Khaki-Farbe gewählt sei, um Schutz vor den Sonnenstrahlen zu geben, aber die übliche weisse Farbe der Tropenkleidung sei doch vortheilhafter, weil sie die Wärme-Strahlen reflectire; eine Kleidung etwa mit andersfarbigem Futter würde in den Tropen unerträglich sein. Mit Khaki werde übrigens nicht die Farbe, sondern der Stoff bezeichnet. Der Name rühre von den Fabrikanten des Jute-Stoffes her, denen es erst vor kurzem gelungen sei, diesen mit der bekannten Farbe dauerhaft zu färben. Der Khaki-Stoff lässt sich dauernd nur gelbgrau färben. Diese gelb- graue Farbe schütze gut vor der Sonne. Was den Ausdruck Khaki betrifft, so ist seine Herkunft und Bedeutung dem Vortragenden unbekannt. Sicher aber ist, dass die gelbliche Farbe dieses Stoffes vom physiologischen Standpunkt aus die beste ist. Auch glaubt er, dass ein einfaches gelbes Kleid in heissen Klimaten praktischer ist, als eines, das, wie neuerdings empfohlen wurde, aussen aus weissem und innen aus dunklem Stoff besteht, da ein zweischichtiges Kleid schon deshalb wärmer ist, weil die Poren der beiden Schichten nicht immer übereinander zu liegen kommen und weil es (•247) darum der Haut-Ausdünstung hinderlicher ist. Redner hat stets bemerkt, dass die schwarze Farbe der Stoffe in der Hitze lastig werde. — Hr. Strauch. Der erwähnte (Münchener) Vortragende lasse der weissen Farbe der Tropen-Kleidung als äusserer volle Gerechtigkeit widerfahren, es sei aber sein Be- streben, einen einfachen Stoff zu „erfinden", der — aussen weiss — innen eine die chemische Wirkung der Lichtstrahlen neutralisirende Farbe habe, einen Stoff, wie er etwa in den Paletot-Stoffen mit sogen, angewebtem Futter schon gebräuchlich sei. Was die Etymologie des Wortes Khaki betreffe, so habe er vor mehreren Monaten in einem Werke, das sich mit indischen Verhältnissen befasse, dessen Titel ihm aber nicht mehr gegenwärtig sei, gefunden, dass mit Khaki in Indien schon vor einigen Jahrzehnten lediglich die Farbe, nicht aber ein Stoff bezeichnet worden sei^). Der Herr in München habe lediglich gewünscht, dass Stoffe für die Tropen auswendig hell und inwendig dunkel gefärbt sein sollen. — II. Zur Frage der Rassen-Verwandtschaft der Ainos. Hr. Lissauer wünscht zunächst eine weitere Begründung der Rassen-Ver- wandtschaft der Ainos mit den Kaukasiern. Die Ainos bildeten nach Ansicht des Hrn. Baelz einst die Grund-Bevölkerung von ganz Japan und stellen nur die Reste der kaukasischen Rasse dar, welche einst ganz Mittel-Asien bewohnte und durch das Eindringen der koreanischen und mongolischen Rassen nach Westen hin ge- drängt wurde, während ein kleiner Theil derselben, die Ainos, nach Osten hin versprengt worden sei. Die Voraussetzung, dass die Sitze der Kaukasier sich einst soweit nach Osten hin erstreckt haben, ist zulässig, nachdem einer der Führer unter den vergleichenden Sprach -Forschern, Hr. Paul Kretschmer, es wahrscheinlich gemacht hat, dass die Indogermanen in der Urzeit bis in die russisch-sibirischen Steppen hin gesessen haben, und es wäre vom geographischen und archäologisehen Standpunkte daher auch nichts gegen die Annahme einzu- wenden, dass auch die Ursitze der Ainos sich unmittelbar an die der Indogermanen angeschlossen haben und dass beide einst eine Rasse bildeten Da nun die Ainos sich an einzelnen Punkten, wie auf Yeso, ganz unvermischt erhalten haben, so würden wir in ihnen den Ur-Kaukasier noch rein vor uns haben. Dagegen erhebe sich aber ein ernstes Bedenken vom anthropologischen Stand- punkt. Das häufige Vorkommen der Sutura transversa des Jochbeins bei den Ainos ist doch ein so wichtiges anatomisches Merkmal, welches sie von allen anderen Rassen unterscheidet, dass man die Ainos in der That mit Koganei nur als eine eigenartige „Rassen-Insel" betrachten kann. Bekanntlich fand dieser Forscher das zweigetheilte Jochbein bei den Ainos in 52,8 pCt., bei den Japanern nur in 16,5 pCt. der von ihm untersuchten Schädel, während bei allen anderen Rassen zusammen dieses Merkmal nur in 2,2 pro Mille der Schädel beobachtet worden ist. 1) Hierzu schreibt unser Corrector, Hr. Dr. Hubert Jauseu: „^,i> khak {kh gesprochen, wie deutsches cf) in 'Eac^e') ist persisch und heisst ,,Staub": das davon gebildete persische Adjectiv ^i'L=> khäkl (rf)äft) heisst „staub-, erdfarbig". Beide Wörter gehören auch, als persische Lehnwörter, zum Sprachschatze des nordindischen Hauptidioms, des Hindüstani oder Urdü. Die von den Engländern in Indien als praktisch erprobte Erdfarbe der Soldaten- kleiduug wurde von den einheimischen Soldaten Nord-Indiens mit dem entsprechenden Worte cf)äfx bezeichnet. Selbstverständlich kann dies nur die Farbe bedeuten: das schliesst aber nicht aus, dass englische Tucher, das Etymon des Wortes nicht kennend, es irriger- weise zur Bezeichnung eines bestimmten erdfarbigen Tuch- St off es verwendet haben." — Eed. (248) Hr. Baelz berufe sich allerdings auch auf die Aehnlichkeit der Physiognomie der Ainos mit der der russischen Bauern. Allein diese Aehnlichkeit konnten andere Beobachter nicht bestätigen. So fand Dönitz gerade eine grosse physiognomische Aehnlichkeit der Ainos mit den Mongolen, Tarenetzky mit denMalayen, v. Schrenk mit den Koreanern, v. Brandt mit den nordamerikanischen Indianern. Die blosse Aehnlichkeit der Physiognomie begründet noch keine Verwandtschaft der Rassen, wie ja auch die eigenthümlichen Juden-Physiognomien bei den verschiedensten Rassen constatirt und zu abenteuerlichen Hypothesen über die Einwanderung der zehn Stämme Israels benutzt worden sind. Es frage sich daher, ob Herr Baelz nicht noch andere anthropologische, ethnologische oder linguistische Gründe für die Verwandtschaft der Ainos mit den Kaukasiern anführen könne? Es sei ferner festzustellen, wie es sich mit dem „blauen Fleck" in der Sacral- Gegend bei den Neugeborenen der Ainos verhält? Da dieser Fleck in der That ein wichtiges anatomisches Rassen-Merkmal der Mongolen und Malayen zu sein scheint, so wäre dessen Fehlen bei den Ainos von entscheidender Bedeutung gegenüber den beiden letzten Rassen, Im Gegensatz hierzu würde die Bestätigung der An- gabe, dass der „blaue Fleck" auch bei den Neugeborenen der Eskimos existire (was, wie Hr. Baelz mittheilte, Nansen beobachtet habe), entscheidend für die asiatische Abstammung der Eskin^os sein, welche von einigen Forschern allerdings schon längst behauptet worden ist. Da nun aber andere gute Eskimo-Forscher, wie Rink und Boas, diese Ansicht bekämpfen, so frage es sich, wie häufig Nansen dieses Merkmal bei den Eskimos constatirt hat und bei welchen Eskimo- Stämmen? — Hr. Baelz: Mit den Mongolen seien die Ainos sicher nicht nahe verwandt. Beide seien in jeder Beziehung verschieden. Allerdings giebt es an manchen Orten viele Mischlinge mit Mongolen, und zahlreiche Forscher haben solche Misch- linge untersucht. Reine Ainos dagegen seien von Mischlingen sehr gut und von Mongolen auf den ersten Blick zu unterscheiden. Die Aehnlichkeft mit Europäern (Russen) sei in vielen Fällen ganz ausserordentlich frappant. Die Haut und Be- haarung der Ainos sei ebenfalls derjenigen der Europäer auffallend ähnlich. Die Ainos waren früher auf sehr ausgedehnten Gebieten ansässig; sie wohnten bis an die Ausgangsstelle der Völkerwanderung. Die Sprache der Ainos sei in einigen Elementen europäischen ähnlich. Alles in Allem sei eine gewisse Verwandtschaft zwischen Aino und Europäer nicht fortzuleugnen. Der einzige Punkt, der die Ainos von anderen Völkern, auch von den Euro- päern, entfernt, sei die enorme Häufigkeit des gespaltenen Jochbeins, das man von jetzt an Os ainoicum nennen müsse anstatt Os japonicum. Denn wenn es sich bei den Ainos dreimal so häufig findet, wie bei den Japanern (nach Koganei), so ist anzunehmen, dass es bei den letzteren auf Beimischung von Aino-Blut beruht. Redner will nach seiner Rückkehr nach Japan prüfen, ob sich die Jochbein- Spaltung unter den japanischen Schädeln gerade bei denen häufig findet, die auch sonst Aino-Merkmale tragen. Er hat die betrefl'ende Stelle bei Nansen nicht selbst gelesen, sondern nur davon gehört. — Hr. Meitzen macht darauf aufmerksam, dass auch die Miaotse für Verwandte der Europäer gehalten werden. — Hr. Baelz will demnächst die Miaotse selbst untersuchen. — (•249) III. Schluss der DIscussion. Der Vorsitzende dankt Hrn. Baelz in warmen Worten für das grosse Interesse, welches er der Gesellschaft dadurch bewiesen habe, dass er zu den drei letzten Sitzungen jedesmal von Stuttgart hergekommen sei, um seine reichen Be- obachtungen hier vorzutragen, von wo aus dieselben sicher auch in weiteren Kreisen die Anregung zu neuen Untersuchungen geben würden. — (11) Hr. F. V. Luschan bespricht Neuerwerbuugeii aus Benin. Der Bericht wird später gegeben werden. — Hr. P. Staudinger macht darauf aufmerksam, dass im indischen Archipel Hinterlader-Kanonen gefunden worden sind. — Hr. V. Luschan: Im Museum für Völkerkunde befindet sich ein sehr schönes Hinterlader-Geschütz aus Java. — (12) Neu eingegangene Schriften: 1. Naue, Julius, Die Hügelgräber zwischen Ammer- und Staffelsee. Stuttgart 1887. 4". Angekauft. 2. Kretschmer, Paul, Einleitung in die Geschichte der Griechischen Sprache. Göttingen 189(5. 8». Angekauft, o. Meyer, Eduard, Geschichte des Alterthums. Bd. 3. Stuttgart 1901. n". An- gekauft. 4. Hrishikesa Sastri, A descriptive Cataloguc of Sanskrit Manuscripts in the library of the Calcutta Sanskrit College. Nr. 13. Calcutta 1900. 8«. Gesch. d. Bengal Secretariat Book Depot. 5. Bach mann, F., Süd-Africa. Reisen, Erlebnisse und Beobachtungen wälu-end eines sechsjährigen Aufenthaltes in der Cap-Colonie, Natal und Pondoland. Berlin 1901. 8. Gesch. d. Hrn. Rud. Virchow. G. Boas, Franz, A Bronze Figurine from British Columbia. New York 1901. n°. (Aus: Bull. Amer. Museum of Nat. Hist.) 7. Derselbe, Sketch of the Kwakiutl language. New York 1900. 8°. (Aus: Amer. Anthrop., N. S., 2 — 46.) 8. Derselbe, The niind of primitive man. New York 1901. 8*^. (Aus: Science XIII.) 9. Derselbe, A. J. Stone's Measurements ofNatives of the Northwest Territories. New York 1901. 8°. (Aus: Bull, of the Amer. Museum of Nat. Hist.) Nr. ß— 9 Gesch d. Verf. \0. Man, J. C. de, Les tertres de refuge de la Zelande. Traduction par G. Cumont et conclusions tirees de la geologie par A. Rutot. Bruxelles 1899. 'S". (Aus: Annales de la Soc. d'Archeologie de Bruxelles.) Gesch. d. Verf. 11. Rutot, M. A., Sur l'homme prequaternaire. Bruxelles, Hayez 1901. 8". 12. Derselbe, 1. Sur une preuve de Texistence de Fhomme sur la crete de TArtois avant la fin du pliocene. — 2. Sur la formation des champs ou tapis de silex ayant fourni aux populations paleolithiques primitives la matiere pre- miere des instruments et outils constituant leurs industries. Bruxelles 1901. 8°. (Aus: Bull. Societe Beige de geologie, de paleontologie et d'hydro- logie.) Nr. 11—12 Gesch. d. A^erf. (250) 13. Hamy, E. T., Pierre Gilles d'Albi, le pere de la Zoologie francaise. Toulouse 1900. S^. (Aus: Revue des Pyrenees.) Gesch. d. Verf. 14. Luschan, Felix v., Die Karl Knorr'sche Sammlung von Benin-Alterthümern im Museum für Länder- und Völkerkunde in Stuttgart. Stuttgart 1901. 8<>. (Aus: Jahresb. des Württ. Ver. für Handelsgeographie 17 u. IS.) Gesch. d. Verf. 15. Boehlau, J., Die Grabfunde von Pitigliano im Berliner Museum. Berlin 1900. 4". (Aus: Jahrbuch des Kaiserl. Deutschen Archäologischen Instituts.) Gesch. d. Verf. IG. Dorsey, George A., The Stanley McCormick Hopi expeditions. New York 1901. s°. (Aus: Science, Vol. XIII.) 17. Derselbe, The Ocimbanda. o. 0. u. J. s". (Aus: Journal ofAmer. Polk-Lore.) Nr. 16 u. 17 Gesch. d. Verf. l'S. Barnabei, Feiice, La villa Pompeiana di P. Fannio Sinistore scoperta presso Bosco reale. Roma 1901. Gesch. d. Verf. 19. Kohlbrugge, J. F. H., Prostitutie in Nederlandsch Indie. o. 0. 1901. 8*. (Aus: Indisch Genootschap.) Gesch. d. Verf. 20. Turner, \V. M., Contributions to the craniology of the people of the empire of India. Part IL Edinburgh 1901. 4». (Aus: Transactions of the Royal Society of Edinburgh. Vol. 40. Part 1.) Gesch. d. Verf. 21. Klaatsch, Hermann, Die fossilen Rnochenreste des Menschen und ihre Be- deutung für das Abstammungs-Problem. Wiesbaden 1900. 8°. (Aus: Fr. Merkel's und R. Bonnet's Ergebnisse der Anatomie und Entwicke- lungs-Geschichte.) 22. Derselbe, Der kurze Köpf des Musculus biceps femoris und der Tenuissimus. Ein stammesgeschichtliches Problem. Leipzig 1900. 8°. (Aus: Morpho- logisches Jahrb.) •2o. Derselbe, Stammt der Mensch von Affen ab? Eine naturwissenschaftliche Be- trachtung auf Grund neuer Forschungen. Stuttgart T901. 8". (Aus: Deutsche Revue.) Nr. 21—23 Gesch. d. Verf. 24. Heierli, Jakob, Urgeschichte der Schweiz. Zürich 1901. S», A. Müller. Gesch. d. Verf. 2ä. Lauf er, Heinrich, Beiträge zur Kenntniss der tibetischen Medicin. Berlin 1900. S^. (Dissertation.) Gesch. d. Hrn. Max Bartels. 2G. Festschrift zum 25jährigen Bestehen des Märkischen Provincial-Museums der Stadtgemeinde Berlin von 1874— ls!»9. Mit einem Anhang, betreffend das Königsgrab von Seddin, Kr. West-Prignitz. Berlin 1901. 4". Gesch. d. Museumsdirection. 27. Sergi, G, The mediterranean race: a study of the origin of European peoples. London 1901. 8^ W. Scott. (In: The contemporary science series.) Gesch. d. Verf. 28. Merzbacher, Gottfried, Aus den Hochregionen des Kaukasus. Wanderungen, Erlebnisse, Beobachtungen. Bd. 1—2. Leipzig 1901. Duncker & Humblot. 8". Gesch. d. Verlags-Buchhandlung. Sitzung vom IS. Mai r.H)l. Vorsitzender: Hr. R. Virchow. (1) Als Gast wird begrüsst Dr. v. Weickhmann. — (•2) In der Nacht zum 2. April ist in Konstanz der Hofrath Ludwig Leiner, der Begründer des dortigen Rosgarten -Museums, im 72. Lebensjahre sanft ver- schieden. In ihm verlieren wir einen selbstgemachten Mann von grossen Kennt- nissen auf dem Gebiete der Naturwissenschaften und von unermüdlichem Eifer in der Erforschung seiner heimathlichen Alterthümer, vorzugsweise der Pfahlbauten des Bodensees, des Thayinger Loches und der zahlreichen Spuren der Eiszeit. Er trat uns besonders nahe durch die Konstanzer General- Versammlung der Deutschen Anthropologischen Gesellschaft, welche in der Entwickelungs-Geschichte unserer Alterthums-Forschung eine so hervorragende Stellung eingenommen hat. Seine persönlichen Vorzüge sicherten ihm die Verehrung aller Genossen. — Am 8. April starb in Turin Prof. Giulio Bizzozero, Senatore del Regno, Direttore della Classe di Scienze Fisiche, Matematiche e Naturali della Reale Accademia delle Scienze, ein Forscher ersten Ranges auf dem Gebiete der physio- logischen und der pathologischen Probleme, insbesondere der mikroskopischen. Er war zugleich einer der ersten Untersucher der oberitalienischen Seen, ins- besondere des Lago di Varese. — Die Accademia dei Lincei in Rom hat am 5. April ihren erprobton Präsidenten, Prof. Angelo Mesredaglia verloren. — (3) Als neue ordentliche Mitglieder werden gemeldet: Hr. Schriftsteller Adolf Fischer in Berlin. „ Pastor Ernst Loh mann in Freienwalde a. 0. „ Chemiker M. Zimmer in Neuenheim b. Heidelberg. (4) An Hrn. M. Bartels, der seiner Gesundheit wegen noch in Nervi weilt, soll ein Begrüssungs-Telegramm gesendet werden. — (5) Hr. Prof. Wilhelm His in Leipzig feiert am 9. Juli seinen 70. Geburtstag. Seine Freunde haben dem hochverdienten Manne ein Ehren-Geschenk gewidmet. — (6) Der Verein für sächsische Volkskunde in Dresden theilt mit, dass er für seine Sammlung ein besonderes Museum erhalten werde. — (7) Hr. Dr. H. Jentsch, Vorsitzender der Niederlausitzer Gesellschaft, übersendet unter dem IG. Mai das Programm für die 17. Haupt-Versammlung dieser Gesellschaft, welche am 28. Mai zu Spremberg i. d. Lausitz abgehalten werden soll. — (•252) (S) Der Vorstand des Historischen Vereins für den Reg.-Bezirk Marienwerder ladet unter dem 25. April zu der Feier seines 25jcährigen Be- stehens für den 3. Juni nach Marienwerder ein. — (9) Die schon früher angemeldete Excursion der Anthropologischen Gesellschaft zu Wien wird vom 25. bis 27. Mai nach Linz und Hallstatt statt- finden. Gleichzeitig wurde angezeigt, dass am 9. Juni eine Excursion nach Krems a. d. Donau und Stift Göttwing, am 16. Juni eine solche nach Schloss Kreuzen- stein, Ober-Gänserndorf, der Wallfahrtskirche Kronabrunn und Schleirbach vor- bereitet ist. Eine sehr freundliche Einladung liegt vor. — (10) Hr. J. D. E. Schmeltz meldet aus Leiden, 16. Mai, dass am 4. Juni das Koninkl. Instituut voor de Taal-, Land- en Volkenkunde van Nederl. Indie im Haag sein 50jähriges Jubiläum feiern wird. Die Pestrede wird Prof. K ern halten. — (11) Die 84. Jah re s -Versammlung der Schweizerischen Natur- forschenden Gesellschaft wird vom 4. bis 6. August in Zoftngen abgehalten werden. — ^ (12) Der Präsident der Pariser Societe d'Anthropologie, Dr. Chervin, theilt unter dem 22. April mit, dass die Gesellschaft im Jahre 1901 die Preise Godard und Bertillon (zu je 500 Francs) vertheilen wird. — (lo) Hr. P. Reinecke in Mainz übersendet unter dem 2.s. März mit einem Pundberichte Gehäuse und Abgüsse von Mittelmeer-Konchylien aus einem frühbrouzezeitlichen Gräberfunde von Ober -01m in Rheinhessen. Ich gestatte mir, einige Schnecken-Gehäuse und Abgüsse von solchen für die Sammlung unserer Anthropologischen Gesellschaft zu übersenden. — Die Originale der Abgüsse gehören einem frühbronzezeitlichen Funde aus Ober-Olm in Rhein- hessen an, über den ich eine vorläufige Bemerkung bereits im Corr.-Bl. der West- deutschen Zeitschrift 1901, Sp. 25, veröflentlicht habe. In diesem Funde liegen neben Bronzeblech-Täfelchen und Bronzeblech-Rollen, kleinen Ringen, Knöpfen und Scheiben aus Knochen (oder zum Theil aus Elfenbein?) in grösserer Zahl Ge- häuse einer Mittel meer-Schnecke, welchen regelmässig die Spitze abgeschnitten ist, um sie als Schmuck-Perlen verwerthen zu können. Nach gütiger Auskunft des Hrn. W. Schlüter in Halle, an den wir uns wandten, da die naturwissenschaft- lichen Sammlungen in Mainz kein Vergleichs-Material zur Bestimmung der Schnecke boten, handelt es sich um Columbella rustica des Mittelmeeres, wie man selbst beim Vergleich der weissen Abgüsse mit den Original-Proben dieser Species er- kennen kann. Die Farben der Stücke aus dem Ober-Olmer Funde sind natürlich bis auf einzelne Spuren geschwunden; soweit aber Reste davon sich erhalten haben, zeigen sie deutlich, sowohl in der Zeichnung wie in der F'ärbung, die vollkommene Uebercinstimmung mit Columbella rustica. — Lässt nun auch dieses Vorkommen von Gehäusen einer Mittelmeer-Schnecke in einem Funde aus Rheinhessen nicht so weitreichende Verbindungen Mittel-Europas mit dem Süden, oder vielmehr Süd- osten unseres mittelländisch-europäischen Culturkreises erkennen, wie z. B. die aus Spondylus- oder Pectunculus-Schalen hergestellten Schmucksachen der Stufe der neolithischen Band-Keramik, so kann dieser Fund von Ober-Olm trotzdem als (253) wichtiger Zeuge für die innigen Beziehungen der Mittel meer-Länder zu den Ge- bieten nördlich von den Alpen während der frühen Bronze-Zeit gelten. — (14) Hr. Max v. Chlingensperg auf Berg entgegnet auf eine Bemerkung des Hrn. P. Reinecke in dessen „Studien über Denkmäler des frühen Mittelalters" (Mitth. XXIX, S. 40), betreffend Reihengräber von Reicheuliall, wonach es scheinen könnte, als seien diese Gräber auf einer Nekropole der Tene- Zeit angelegt. Folgendes: „Die aus vorrömischen Perioden stammenden Beigaben wurden im Leben von den Bestatteten wirklich benutzt und am Körper getragen. Es handelt sich bei einem Grab-Inventar aus 525 Gräbern überhaupt nur um 4—5 Stücke. Diese sind auf den Fundtafeln Nr. XV, XXVIII, XXX und XXXIII abgebildet, und die dazu gehörigen Fundberichte lauten: „1. Fundtafel XV, Text S. 104, Felsengrab Nr. 158. In dem sich steil hin- ziehenden Gehänge des Stadtberges war in dem Felsen in östlicher Richtung 85 cm tief ein sargförmiges Lager in der Art ausgehauen, dass die beiden Längsseiten des Grabes sich gegen die Füsse zu verengten und der fein geglättete Boden, auf den der Todte zu liegen kam, eine schiefe Ebene bildete. „An dem Skelet des alten Mannes, dessen Grösse 1,64 m betrug, steckte an der rechten Hüfte das Messer in einer Scheide, welche aus Holz und mit Leder über- zogen ist. Die beiden Hände, von denen die rechte eine gut erhaltene Pfeilspitze mit Widerhaken hielt, ruhten im Becken, und in der Gürtelgegend befand sich ein eigenthümlich geformtes Bronzestück, dessen Rahmen in zwei Vogelköpfe mit Augen und breiter Schnauze ausläuft; bezüglich des Ornamentes erinnert es an Spangen aus Grabhügeln von Rheinhessen und Rheinbayern usw., welche an den beiden Enden zurückgebogen sind und mit ähnlichen Vogelköpfen abschliessend). „•2. Fundtafel XXVIH, Text auf S. 123 (vergl. auch dort den Situationsplan), Grab Nr. 141. Felsengrab. Wenige Schritte von dem vorigen Grabe befand sich in ähnlicher Bettung ein 1,71 m grosses, männliches Skelet mit weit auseinander gespreizten Füssen. Der linke Arm war vom Körper gestreckt und hielt in der Hand ein Messer, der rechte ruhte auf der Brust, und das Handgelenk umschloss ein offener, massiver Armring aus Eisen, welcher in ziemlich regelmässigen Zwischen- räumen mit knopfartigen Vorsprüngen versehen ist und an den Enden in scheiben- förmige Schlussknöpfe verläuft; von den letzteren war der eine am Armknochen durch Rost so angewachsen, dass ohne Beschädigung seine Loslösung gar nicht möglich war. „3. Fundtafel XXX, Text S. 126, Grab Nr. 251. Den Gräbern Nr. 246 und 247 grenzte ein drittes an, welches 1,68 cm tief im Lehmbett ein jugendliches Skelet von 1,52 m Länge barg. Die linke Hand hielt einen Eisenring mit einer kleinen Pfeilspitze und die rechte ein Messer; etwas unterhalb am rechten Oberschenkel kam dann ein bronzener Ring, ähnlich wie die an den Fibeln hangenden Ringe von Hallstatt und Watsch, zum Vorschein; an seinem Aussenrande der oberen und 1) In den „römischen Brandgräbern von Reichciihall" konnte ich eine gleiche Gürtel- schliessc mit Thierkopf- Verzierung erheben, welche au eine römische, durchbrochene Gürtelplatte mittelst Nictnägel befestigt ist, ein Beweis, dass auch die Römer Latene- Zierstücke zu tragen liebten. (Ver^l. die bei Vieweg & Sohn 18% in Braunschweig er- scbieneneu „Römis^cheii Brandgräber von Ueicbeiiliall in Oberbayern", Tafel XI, Fig. V6.) (254) unteren Seite sind nehmlich je fünfmal drei vorstehende Knöpfe angebracht. Seit- wärts an der rechten Schläfengegend wurde noch eine eiserne Scheere erhoben; ein Beinkamm lag darauf, welcher nach den gut erkennbaren Abdrücken auf der Scheere in Leinwand eingehüllt gewesen war. „4. Pundtafel XXXIII, Text S. 131, Grab Nr. 165. 1,53 m grosses weibliches Skelet mittleren Alters, nach Nordosten 1,73 m tief im Lehmboden bestattet, beide Arme über die Brust gekreuzt, die Füsse etwas hinaufgezogen. Am rechten Unterarm erhob man einen Armring aus Erz, welcher durch Zusammenbiegen dem schwachen Arm angepasst worden war, am linken Arm die abgebrochene Hälfte eines ähnlichen Stückes, auf der Brust unter einem vermorschten, schmalen, längs- ovalen Holzbrett von ungefähr 40 cm Länge und 20 cm Breite einen Spinnwirtel aus schwarzgrauem, steinhart gebranntem Thon, und im Becken einen Bronze- gürtel noch mit den Spuren vermoderten Leders. Letzterer Fund ist deshalb von grösstem Interesse, weil derselbe sich als Gliedertheil jener Art von Gürtelketten kennzeichnet, welche aus kleineren oder grösseren, unmittelbar zusammenhangenden Erzringen bestehen, die durch besonders gestaltete Zwischenglieder verbunden sind und bisher nur in der Latene-Periode der Schweiz, Prankreichs, Thüringens, des nördlichen Böhmens und in Aislingen bei Dillingen aufgetreteri^sind. „Aehnlich wie mit diesen prähistorischen Zierstücken verhält es sich mit den Gefäss-Scherben, welche theils germanische, zumeist aber römische Erzeugnisse sind, wie wir letztere in Menge in den „römischen Reichenhaller Brand-Gräbern" erhoben haben. „Hr. Paul Pi-einecke hat jedenfalls bei seiner Abhandlung über Denkmäler des frühen Mittelalters — was wenigstens die Reichenhaller Reihengräber und ihre vermeintliche Latene-Nekropole betrifft — über Gebühr seiner Phantasie die Zügel schiessen lassen. Werden dann derartige falsche Voraussetzungen, wie in den „Beiträgen zur Anthropologie und Urgeschichte Bayerns" nachgeschrieben und als Bausteine für die weitere Forschung ohne Bedacht verwendet," so wird dadurch letzterer mehr geschadet als genützt, ein Umstand, den gerade Paul Reinecke vermieden wissen will und worüber er anderen Gelehrten in seinen Denkmälern Vorwürfe macht. ^ (15) Hr. H. Schumann schickt aus Löcknitz, is. April, einen Bericht über den Fund einer Bronze -Stierflgur bei Löcknitz. Erscheint in den Nachrichten über deutsche Alterthumsfunde 1901. — (16) Hr. K. Altrichter in Berlin übersendet unter dem 25. April eine Mit- theilung über Fingerspitzen -Eindrücke im Boden vorgeschichtlicher Thon-Gefässe. Dieselbe wird in den Nachrichten über deutsche Alterthumsfunde 1901 ver- öffentlicht werden. — (17) Hr. Eduard Sei er berichtet über die Cedrela- Holzplatten von Tikal im Museum zu Basel. Der Bericht erscheint in der Zeitschrift für Ethnologie 1901. — (255) (18) Hr. Hubert Schmidt, z. Z. in Alt-Golm bei Fürstenwalde a. d. Spree, erörtert die von ihm durchgeführte Neuordnung der Schliemann-Sammlung-. I. Das völlig veränderte Bild, das die Schliemann-Sammlung seit der Mitte des Jahres 18!)S bietet, fordert die Frage nach den Gründen, die ihre Neuordnung ver- anlasst haben, nach der Art der Durchführung der Arbeiten, sowie nach der Be- deutung heraus, welche die Schliemann'schen Alterthümer dadurch für die Wissen- schaft gewonnen haben. Im Jahre l-S-Sl wurde der ältere Theil der trojanischen Alterthümer von Schliemann dem Deutschon Reiche zum Geschenke gemacht und auch von ihm selbst im Kunstgewerbe-Museum provisorisch aufgestellt. Nachdem im Jahre 18S4 die Sammlung durch eine weitere Schenkung bereichert worden war, fand im Jahre 18S6 ihre Uebersiedelung in das inzwischen neu erstandene Museum für Völkerkunde statt, wo sie in den Räumen der prähistorischen Abtheilung ebenfalls durch Schliemann selbst eine erweiterte Aufstellung erfuhr. In diesem Zustande ist sie im Wesentlichen bis zum Tode des begeisterten Forschers im Jahre ISüO geblieben. In wissenschaftlicher Hinsicht vergegenwärtigte sie also denjenigen Stand der trojanischen Frage, der von Schliemann in seinen Hauptwerken „Ilios" (1881) und „Troja^ (1884) vertreten und von der gelehrten Welt in grösserem oder geringerem Umfange angenommen worden war. Schon aus dieser Thatsache lässt sich die Berechtigung zu der Behauptung herleiten: in demselben Masse, wie sich die früheren Ausgrabungen von denen der Jahre 1890, 189^ und 1894 und die Werke „Ilios" und „Troja" von den späteren trojanischen Publicationen unterscheiden, ebenso konnte die frühere Aufstellung der Schliemann-Sammlung gegenüber der Neuordnung als veraltet angesehen werden. Um diesen Satz zu beleuchten, muss man sich an der Hand der Pläne und Ruinen -Bilder eine Vorstellung von dem gegenwärtigen Bilde der Ruinenstätte machen. Man zählt jetzt 9 „Schichten" oder „Ansiedelungen" übereinander und betrachtet die sechste als das sogen. „Homerische" Troja, d. h. als diejenige Stadt, an welche die Homerischen Gesänge ihre Erzählungen knüpfen und die in der Blüthezeit der raykenischen Cultur ihre grösste Bedeutung gehabt haben muss. Somit gebührt der zweiten Ansiedelung, die von den vormykenischen die be- deutendste ist, ein weit höheres Alter; nach approximativer Berechnung wird man sie um das Jahr 2000 vor Chr. ansetzen müssen. Nach den erhaltenen Resten der Burgmauer und der Innengebäude hat sie drei Entwickelungs-Perioden durch- gemacht und ist schliesslich durch Feuersbrunst zu Grunde gegangen. Die unterste Ansiedelung, von der wir nur eine mangelhafte Vorstellung haben, lässt sich gewiss bis in das 3. Jahrtausend vor Chr. zurückschieben. Von den oberen Schichten, die in die nachmykenische Entwickelung fallen, ist die achte als die griechische zu be- zeichnen, während die neunte in die römische Zeit fällt. Während der längsten Dauer dieser historischen Entwickelung ist die Akropolis von llion eine Cultstätte der Athene gewesen, an die sich noch andere Heiligthümer, mit Sicherheit die Cult- stätte eines männlichen Heros, angeschlossen haben. Diese Anschauung von den Ruinen in Hissarlik Hessen sich erst im Laufe einer ganzen Reihe von Ausgrabungs-Campagnen gewinnen. Schliemann zählte in seinen Werken Bios und Troja noch 7 Schichten und suchte demgemäss auch bei der Aufstellung der trojanischen Alterthümer im Museum 7 „Städte" durch ihre Industrie-Producte anschaulich zu machen. Die bezüglichen Etiquetten waren in (256) den Schränken durch ihre Farbe nach den Städten unterschieden. So vergegen- wärtigte die siebente, d. h. die oberste, die griechische und römische Epoche von Ilion. Die sechste wurde von Schliemann die „lydische" genannt; sie lieferte eine eigenartige Topfwaare, die sich so sehr von allem unterschied, was in den oberen und unteren Schichten gefunden wurde, dass Schliemann sie einem fremden Volke zuzuschreiben geneigt war. Da sie Aehnlichkeiten mit altitalisch- etruskischer Keramik aufzuweisen schien, erinnerte er sich der von Herodot er- wähnten Colonisation Etruriens durch die Lyder, und nahm auch auf Hissarlik eine lydische Ansiedelung an, welche die lydische Herrschaft in der Troas schon vor dem Könige Gyges repräsentiren sollte. Da aber Bauwerke in dieser Schicht bis dahin nicht bekannt geworden waren, hatte sie auch in der Sammlung keine weitere Be- deutung erhalten. Das Hauptinteresse beanspruchten bei Schliemann die vorhergehenden, sog. prähistorischen Schichten und unter diesen in erster Reihe die zweite Ansiedelung. Hier hatte er eine stattliche Burgmauer mit Thoren, die für Befestigungs- und Ver- theidigungszwecke geeignet waren, gefunden; im Innern eine Reihe von Häaser- resten, die in ihrer Anlage an die Palastbauten von Tiryns erinnerten und dazu, neben einer grossen Menge von Thonwaaren, Geräthen aus Sißin, Knochen und Metall, die prächtigen Gold- und Silberschätze, die seine Phantasie mächtig an- regten und ihm die Macht des Königs Priamos vor Augen führten. Das musste die Stadt sein, deren Untergang uns die Homerischen Gesänge in einem mythisch- poetischen Gewände schildern. So hatte die zweite Ansiedelung auch im Museum das Hauptinteresse des Beschauers beansprucht. Aber auch für die zwischen der 2. und 6. Schicht liegenden Ansiedelungen hatte Schliemann bestimmte, keramische Gruppen zusammengestellt, ohne dass er jeder derselben auch bestimmte Eigenthümlichkeiten zuweisen konnte. Das Bild, das die Schliemann-Sammlung mit ihrer früheren Anordnung für diese mittleren Schichten bot, lässt sich einigermassen nach seinen Angaben in .,11108" und „Troja'' reconstruiren. Die dritte Ansiedelung war in der alten Form („Ilios") auf Grund der Aus- grabungen vom Jahre 1882 („Troja") ausgeschieden, seitdem man erkannt hatte, dass die „dritte, verbrannte Stadt" als die zweite anzusehen ist. Für die Keramik der IV. Stadt Hessen sich wesentliche Unterschiede von der früheren nicht fest- stellen. Die Formen ergaben nichts Neues; die Unterschiede in Farbe und Aus- sehen führte Schliemann auf den Brand zurück, da die Gefässe noch „am offenen Feuer" gebrannt sein sollten. Für die 5. Schicht hatte er widersprechende Beobachtungen gemacht. Auf der einen Seite glaubte er einen allgemeinen Verfall zu sehen. Auf der anderen Seite hob er eine grosse Menge -glatter, auf der Scheibe gedrehter Topfwaare hervor", welche im Vergleich zur früheren Ansiedelung ,,ganz modern" aussah. Jedenfalls konnte man aus der früheren Aufstellung für die prähistorischen Ansiedelungen weder das Bild einer einheitlichen Entwickelung gewinnen, noch umgekehrt charakteristische Unterschiede zwischen den einzelnen keramischen Gruppen erkennen. Dagegen hatte Schliemann für die Keramik der ältesten Ansiedelung bestimmtere Vorstellungen aus seinen Beobachtungen gewonnen; sie wusste er nach ihrem allgemeinen Charakter von allem Späteren zu unterscheiden. Trotzdem ist gerade bei der ältesten Keramik seine Anschauung in einem wesentlichen Punkte als eine irrige zurückzuweisen: dass die ältesten Bewohner des Hügels von Hissarlik bereits die Töpferscheibe gekannt haben, wie Schliemann annahm, ist sicher nicht zutreffend. Alle die Beispiele, die Schliemann dafür anführt, (•_'57) sind aus dem Culturbereiche dieser Ansiedelung auszuscheiden. Jetzt, wo man das ganze Material der Schliemann-Sammlung übersieht, lassen sich alle die angeb- lichen Beispiele von Töpferscheiben-Technik in bestimmte, ganz verschiedene keramische Gruppen der jüngeren Entwickelung einreihen. Daraus können wir den Schluss ziehen, dass auch in anderen Fällen Irrthümer in der Schichtbestimmung vorgelegen haben, ohne dass wir in der Lage sind, eine Berichtigung eintreten zu lassen; solche Irrthümer Schliemann's lassen sich auch aus seiner Methode er- klären. Schliemann's Zuweisung der einzelnen Funde war abhängig von einem System der Höhen-, bezw. Tiefen-Bestimmung der einzelnen Schichten, das als allzu schematisch und theoretisch zu bezeichnen ist. Das „Diagramm" der auf- einander folgenden Schichten ist uns im Buche „Ilios" hinterlassen worden. Danach wurde bestimmt: bis 2,0 m das Stratum der 7. Stadt, 11 ^1^ n f) 11 fl ^' » [dazw. die Ueberreste ,, 6. „ ] bis 7,0 m das Stratum „ 4. ,, n l'M' n » n 11 ^- n n l'^ö 11 11 11 7) ^' t) n lt),U „ „ y, „ i. „ dann folgt der ürboden. Bei diesem Schema mussten die Niveau -Verschiedenheiten unberücksichtigt bleiben, die theils durch die Anlage der Ansiedelungen selbst, theils durch die Zu- fälle gegeben sind, denen ein Platz durch die Zerstörung ausgesetzt ist. So ist es sicher, dass die 6. Ansiedelung in Terrassen angelegt war, so dass ihre Burgmauer, also auch ihre Culturreste sehr tief hinabreichen konnten, und dass im Innern die Terrassen ein sehr verschiedenes Niveau hatten. Ebenso haben die Ausgrabungen gelehrt, dass die römischen Fundamente in der Regel mit den Bauresten der 6. An- siedelung zusammenstiessen und somit eine Verschiebung und Verwirrung der oberen Culturschichten ganz unvermeidlich gewesen ist. Vollends unsicher musste die Zuweisung der Funde da sein, wo Baureste fehlten und eine Controle für die Unterscheidung der einzelnen Schichten ausgeschlossen war. Auf solchen irrthümlichen Grundlagen baute sich auch die Aufstellung der Alterthümer im Museum auf, und es ist nicht zu verwundern, wenn die dadurch festgelegten Irrthümer mit dem Anspruch auf Wissenschaftlichkeit in die Welt hinausgetragen wurden. In dieser Verfassung ist die Sammlung bis nach dem Tode Schliemann's unberührt stehen geblieben. Der durch die Ausgrabungen 1890 veränderten Sachlage konnte noch nicht Rechnung getragen werden, da die Beobachtungen noch zu allgemein waren und das bei den Ausgrabungen gehobene keramische Material noch nicht zureichend war, um für die Neuordnung der ganzen Sammlung als Grundlage zu dienen. Als aber im Jahre 1894 die Ausgrabungen zu abschliessenden Resultaten ge- führt hatten und auch das keramische Material Gelegenheit zu umfassenden Beob- achtungen geboten hatte, wurde das Bedürfniss der Neuordnung der Sammlung dringend. Mit dieser Aufgabe wurde im Frühjahr 1895 zuerst Foppelreuter betraut und ihm zur Seite A. Brückner gestellt, der die Ausgrabungen in Troja im Jahre 1890 und 1893 mitgemacht hatte. Für Foppelreuter waren zwei Fixpunkte gegeben: die erste Ansiedelung, deren Keramik schon Schliemann abgesondert hatte, die aber nunmehr unter Aus- Verhandl. der Berl. Anthropol. Gesellschaft lynl. IT (258) Scheidung der Arbeiten in Sciieiben-Teclinik zu betrachten war, und die sechste Ansiedelung, die durch die letzten drei Ausgrabungen in den Vordergrund des Interesses getreten war. Das dazwischen liegende Material fasste Poppelreuter als eine Masse zusammen und wies sie der zweiten bis fünften Schicht zu, machte aber für die Gruppirung dieser grossen Masse die Technik zur Grundlage. Im Juli des Jahres 1896 konnte der Vortragende selbst in den Gang der Ar- beiten als Nachfolger von Poppelreuter und Brückner eingreifen. Es galt zu- nächst, den Anschluss an die Arbeiten der Vorgänger zu gewinnen, zumal da die Be- dürfnisse des vonDörpfeld schon im Jahre 1894 geplanten Troja-Buches, an dem sich seine Mitarbeiter der Carapagnen 1893 und 1894 betheiligen sollten, zu einer systematischen Bearbeitung der Formen und Ornamentik innerhalb der 2. bis 5. Ansiedelung drängten; die Hauptaufgabe aber bestand für den Vortragenden darin, die bei den Ausgrabungen 1894 gemachten Erfahrungen für die Ordnung und Charakteristik der Keramik der 6. bis 9. Ansiedelung, sowie für einzelne, die ältere Entwickelung betreffende F'ragen zu verwerthen, und im Zusammenhange damit die definitive Aufstellung im Museum durchzuführen, wie sie auch die Grund- lage zur Abfassung eines Kataloges der trojanischen Alterthümer geworden ist. Die Bedürfnisse des genannten Troja-Buches brachten es mit sich, dass gleich- zeitig A. Götze mit der Ordnung des nichtkeramischen Theils, ausschliesslich der zahlreichen Spinnwirtel, betraut wurde. Dieser machte zum Ausgangspunkte seiner Arbeiten die Schatzfunde, die einer kritischen Nachprüfung unterzogen werden mussten, und ordnete die grosse Masse der Einzel funde theils nach ihrem Material, theils nach ihrer Bedeutung, so dass auch hier ein festes Gerippe für den Katalog der trojanischen Alterthümer vorlag. Dieses umfangreiche Material aus Metall, Stein, Knochen u. dergl. hat freilich keine neuen Gesichtspunkte für unsere culturhistorische Auffassung ergeben. In dieser Hinsicht kann der keramische Theil der Sammlung nebst den Spinnwirteln, der an sich der bei weitem grössere ist, zwar nicht als der werthvollere, wohl aber als der wichtigere gelten. Bei der Neuordnung dieses keramischen Theils sind nun zwei Gesichtspunkte maassgebend gewesen: 1. der allgemeine^ der auf den Ergebnissen der Ausgrabungen der Jahre 1890, 1893 und 1894 beruht und die Theorie der trojanischen Frage betrifft; •2. der specielle, der im Material der Sammlung gegeben ist und auf der Praxis der Museums-Arbeit beruht. So haben die Ergebnisse der Ausgrabungen und die praktische Museums-Arbeit ein völlig neues Bild der Schliemann-Sammlung geschaffen. Die Aufdeckung des homerischen Troja hatte bereits 6 Campagnen bis zum Jahre 1882 durchgemacht, und es schien, als betrachtete Schlie mann selbst seine Arbeiten für abgeschlossen. Da trat der Hauptmann a. D. Ernst Bötti eher mit seinen bekannten Angriffen gegen den Entdecker und dessen letzten Mitarbeiter Wilhelm Dörpfeld auf und gab direct Veranlassung zur Wiederaufnahme der Arbeiten im Jahre 189U. Diese Ausgrabungen bedeuten den Beginn einer neuen Aera in der archäologischen und historischen Beurtheilung der Ruinenstätte von Hissarlik. Drei neue Gesichtspunkte waren durch diese Campagne dafür gegeben: 1. die Zahl der aufeinander folgenden Schichten vermehrte sich um zwei, also man zählte nunmehr 9 Schichten, deren Bedeutung durch die Topf- waare festgestellt wurde. (250) -2. In clor 4. Schicht von oben, also in der H.Ansiedelung der früheren Anordnung, stiess man zum ersten Male auf imposante Bauwerke und fand im Zusammenhange mit diesen neben der früher „lydisch" genannten Topfwaare Fragmente von importirten, mykenischen Gefässen. 3. In der 2. Ansiedelung wurden zum ersten Male, sowohl an den Innen- gebäuden, wie an der Burgmauer, drei Bauperioden constatirt, die auf eine längere Zeit der Entwickelung schliessen Hessen. Somit musste die 6. Ansiedelung in die Zeit der grossen mykenischen Cultur fallen, die uns ebenfalls Schliemann einige Jahre vorher durch seine Aufdeckung der Königsburg und der Königsgräber von Mykenä erschlossen hatte; sie musste als das Troja des Priamos gelten, an das die homerischen Gesänge anknüpften. Die 2. Ansiedelung rückte nun in ein höheres Alter hinauf und gewann somit ebenfalls an Bedeutung; denn die Schatzfunde standen neben der Bau-Anlage als Unica in der monumentalen Archäologie da. Mit diesen drei Resultaten des Jahres 1890 war nicht nur der Leitfaden für die folgenden Ausgrabungen gegeben, sondern es war damit auch das Schicksal der Schliemann-Sammlung besiegelt. Der Bedeutung derselben war sich Schliemann auch wohl bewusst, denn er hatte die Absicht, schon im Frühjahr 1.S91 die Ausgrabungen fortzusetzen; er wurde jedoch durch unerwarteten Tod am Ende des Jahres 1890 von seinen idealen Aufgaben abberufen. Wir können aber wohl sagen: ebenso wie er einer veränderten Auffassung der Schichtenzahl und der Bedeutung der Baureste sich schon im Jahre 1890 anbequemt hatte, ebenso hätte er sich nicht gescheut, selbst Hand anzulegen an die Sammlung trojanischer Alterthümer, um auch durch die Aufstellung der veränderten Sachlage Rechnung ^.u tragen. — (19) Hr. Rud. Virchow bespricht Bildtafeln aus ägyptischen Mniiiieu. Vor etwa 12 Jahren erregte eine Sammlung ägyptischer Bildtafeln aus Gräbern des Payum die allgemeine Bewunderung. Der glückliche Sammler, Hr. Theodor Graf aus Wien, hatte auch in Berlin eine Ausstellung derselben veranstaltet. In -der Sitzung unserer Gesellschaft vom 19. Januar 1889 (Verhandl. S. 33) besprach ich dieselben. Für mich lag eine besondere Veranlassung dazu vor, da ich auf einer Reise mit Schliemann am 3. April 1888 einer Ausgrabung beigewohnt hatte, die Hr. Flinders Petrie auf dem Grabfelde an der Pyramide von Hawara ver- anstaltete und die eine Anzahl von Mumien zu Tage förderte, welchen derartige Bildtafeln, zum Theil in vortrefflicher Ausführung, beigegeben waren. Indem ich auf meine damaligen Mittheilungen verweise, mache ich besonders darauf auf- merksam, dass die Bildtafeln des Hrn. Graf einer anderen, wenngleich nicht sehr entfernten Stelle, Rubaijat, entstammton. Diese Stelle schien nach der Be- zeichnung von 3 derartigen Bildtafeln mit einem alten Landungsplatz für Canal- schiffe, Korke genannt, identisch zu sein (Verhandl. a. a. 0. S. 40). Die Nekro- pole von Hawara dagegen konnte am wahrscheinlichsten als der Friedhof der alten Hauptstadt des Payum, Arsinoe oder Crocodilopolis, gedeutet werden; jedenfalls musste sie der hellenistischen (ptolemäischen) Zeit zugerechnet werden. Ob die Bildtafeln als Porträts der Bestatteten und als während ihres Lebens ausgeführt zu betrachten seien, blieb Anfangs zweifelhaft, da die Finder leider die zugehörigen Mumien, bezw. deren Köpfe, nicht aufbew^ahrt hatten. Dieser Mangel 17* (260) wurde durch eine sehr sorgfältige Ausgrabung gemindert, welche unser Mitglied, Hr. V. Kaufmann, in der Nekropole von Hawara im März 1893 (Verhandl. S. 416) veranstaltete. Dabei wurde die Mumie einer jungen Fiau gefunden, zu deren Häupten eine kleine Stele stand, welche den Namen und das Lebensalter der Todten trug: AI ine, Tochter des Herodes, 34 Jahre alt. Hr. v. Kaufmann brachte mir den Kopf der Mumie mit und zugleich für unser Königliches Museum die Bildtafel. In der Sitzung vom 21. März 1896 (Verhandl. S. 192, Fig. 1—3) habe ich das Ergebniss meiner vergleichenden Untersuchungen ausführlich vor- getragen. Ich will daraus nur erwähnen, dass meines Wissens dies der einzige bekannte Fall ist, wo das Maass der Veränderung, welche ein menschlicher Kopf durch die Mumification erleidet, direct bestimmt worden ist. Dasselbe ist so gross, dass jemand, der nicht eigene Erfahrung über die möglichen Umgestaltungen des vertrocknenden Körpers besitzt, kaum in der Lage sein dürfte, ein Urtheil über die Identität des Bildes und der ursprünglichen Form auszusprechen. Beiläufig mache ich darauf aufmerksam, dass Hr. v. Kaufmann über die Einzelheiten des Fundes in einen sehr unbequemen literarischen Streit gerieth, über welchen er in der Sitzung vom 20. Juli 1895 der Gesellschaft Vortrag gehalten hat. Hr. Graf hat nun kürzlich einen anderen Weg, den der Colifrontatiou von Bildtafeln aus ägyptischen Mumien mit anderweitigen Abbildungen, eingeschlagen; er glaubt, auf demselben zu bestimmten Schlüssen über einzelne der mumificirten Todten gelangt zu sein. Ich erlaube mir, ein Paar Briefe über seine Untersuchungen mitzutheilen, welche er mir hat zugehen lassen. Zum Ver- ständniss sei angeführt, dass seine Citate sich auf den 1891 publicirten „Katalog zu Theoder Grafs Galerie antiker Porträts aus hellenistischer Zeit" (Wien, im Selbstverlag) beziehen. 1. Brief des Hrn. Graf aus Paris, 27. April 1901: „Bei einem meiner Besuche im Louvre entdeckte ich vor einiger Zeit eine antike Männerbüste, Nr. 381 des Katalogs: Tete de Persee, roi de Macedoine. Coli. Borghese, welche eine ganz ausserordentliche Aehnlichkeit mit meinem antiken Porträt Nr. 28 zeigt. Nach Urtheil aller Künstler, welche Bild und Büste verglichen haben, können beide nur eine und dieselbe Person darstellen. Wie das in Kerke aufgefundene Porträt und die gleichzeitig daselbst entdeckte Mumien- Etiquette (Fig. 2) mit dem Namen Perseus auf der einen, dem Zeichen seiner Göttlichkeit S auf der anderen Seite darthun, ist seine Leiche von Rom zur Bei- setzung nach Aegypten gebracht worden, und da der Charakter der griechischen Inschrift der Mumien-Etiquette auf das Ende des ersten nachchristlichen Jahr- hunderts verweist, so ist anzunehmen, dass zu jener Zeit, wo Aufstände in Alexandrien und kriegerische Verwickelungen an der Tagesordnung waren, sämmtliche Köuigs-Mumien aus dem Königs-Mausoleum in Alexandrien entfernt und der Sicherung halber nach dem entlegenen Kerke in Mittel-Aegypten ge- bracht worden sind. „Dies beweisen die frappanten Aehnlichkeiten vieler meiner antiken Porträts mit Münzen der Ptolemäer, — bei Nr. 4 meiner Sammlung sogar absolute Gleichheit mit dem Kopfe des Ptolemaeus Philadelphus auf der grossen Camee ! „Alle Künstler, welche die antiken Münzen mit den entsprechenden Porträts meiner Sammlung verglichen haben, sind der Ueberzeugung, dass dieselbe eine ganze Reihe von Mitgliedern der königlichen Familie der Ptolemäer enthält. (261) „Indem ich mir erlaube, Ihnen die Photographie der Büste des Königs Perseus (Fig. 1), jene der Mumien-Etiquetto (Fig. 2), sowie die Heliogravüre meines antiken Porträts Nr. 28 zu übersenden, füge ich noch 7 weitere Ab- bildungen meiner antiken Porträts mit dazu geklebten Reproductionen antiker Ptolemäer-Münzen bei, und zweifle nicht, dass diese von mir hier in Paris ge- machten Wahrnehmungen, die volles Licht auf diesen ganz einzig dastehenden Kunstschatz aus vorchristl. Zeit werfen, Sie in höchstem Maasse interessiren werden!'" Fio-. 1. 2. Brief aus Paris, 4. Mai 1901: ., Wiesen die beiden männlichen Porträts Nr. 7 und 60 mit der Prinzenlocke schon darauf hin, dass an deren Fundstätte „Korke" Mitglieder des Königs- hauses bestattet gewesen sein mussten, so ist ein weiterer Beweis dafür ein in meinem Besitze befindliches grosses Fragment eines schön gemalten Frauen- Porträts, das jenes breite, um das Haupt geschlungene Purpurband der Königinnen zeigt, wie es auf den Münzen der Kleopatra Tryphaena und der letzten Kleopatra (Fig. 3) ersichtlich ist. Hr. Prof. Theodor Schreiber in Leipzig (262) sagte mii- s. Z. darüber: „Heben Sie dieses Fragment ja recht gut auf; es kann einmal von der grössten AVichtigkeit für Ihre Sammlung werden." „Hyacinth-Purpur, Bandelier und Goldkränze auf vielen meiner Porträts deuteten ja ebenfalls auf allerhöchste Persönlichkeiten hin; aber erst durch die Vergleiche mit antiken Münzen und die Aufftndmig der Perseus-Büste . im Fi-. -2. vi"'/ '^x % ' ■■r AT^SPK, "-', 'JtS:. Louvre, sowie die dazu herbeigezogene Mumien-Etiquette mit dem Namen Perseus und dem Zeichen seiner Göttlichkeit gewann das Ganze eine be- stimmtere Form, und daraus Hess sich der Schluss ziehen, dass Kerke der Platz gewesen sein musste, an w^elchem im ersten Jahrhundert nach Chr. sämmtliche Königs-Mumien der Ptoleraäer, um sie vor Plünderung und Entweihung zu schützen, geborgen wurden." (2(53) ,,Wie Samuel Sharpe, „History of Egypt", berichtet, befanden sich im Jahre 30 vor Chr. noch sämmtliche Königs-Mumien in dem königlichen Be- gräbniss zu Alexandrien. Es heisst da, Vol. II, p. 81: „Augustus visited the royal burial place to see the body of Alexander and dcvoutly added a golden Fi?. :'). Nach einer Heliogravüre von .1. Blechingcr, Wien. crown and a garland of flowers to the^other Ornaments on the sarcophagus of the Macedonian. But he would take no pains, to please either the Alexandrians or Egyptians; he despised them both. Whcn asked, if he would not like to see the Alexandrian monarchs, lying in their mummy-cases in the same tomb, he answered: 'No, I came to scc the king, not dead men'." (264) 3. Brief aus Paris, 19. Mai 1901: „Ich erlaube mir heute, Ihnen mitzutheilen, dass ich in der Bibliotheque Nationale hier eine Münze des Philometor, und in Privatbesitz eine solche der Kleopatra (Fig. 4) gefunden habe, die eine ganz unbestreitbare Aehnlichkeit Fiff. 4. Kleopatra (51 — 30 vor Chr.), nach einer silbernen Medaille im Besitz des Majors T. L. Fräser in Paris, vergrössert. mit meinen antiken Porträts Nr. 22 und 12 haben! Die betreffenden Helio- gravüren nebst Photographien der Münzen übersende ich anliegend.'' Hr. Rud. Virchow verweist auf die im Saale aufgehängten neuen Bilder des Hrn. Graf und dankt dem eifrigen Forscher für seine interessanten Mittheilungen. Was die höchst überraschende Deutung der Bilder anbetrifft, so macht dieselbe den Eindruck, dass sie einen grossen Theil der Schwierigkeiten, welche bisher be- standen, in glücklicher Weise gelöst hat. Natürlich wird eine längere und sorg- fältige Untersuchung nöthig sein, um die Identification der einzelnen Bilder sicher- zustellen. Da ist zunächst zu ermitteln, ob die Münzen, auf welche Hr. Graf vorzugsweise seine Argumentation begründet, nach dem Leben hergestellt worden sind, und ob dies zu derselben Zeit geschehen ist, wo die Bilder angefertigt wurden. Schon in meiner ersten Besprechung (Verhandl. 1889, S. 42) habe ich darauf hin- gewiesen, dass man kaum umhin könne anzunehmen, dass „die Bilder nach dem Leben gemalt sein müssten", dass aber mit einer solchen Annahme die andere Frage nicht entschieden sei, zu welcher Zeit, ob erst zur Zeit des Todes oder schon früher, die Maler ihre Aufgabe erhalten haben. Bei den Münzen dürfte eher an- (265) zunehmen sein, dass die Künstler schon früher an die Arbeit gegangen sind; in diesem Falle wäre es natürlich, dass die erst zur Zeit des Todes ausgeführten Bilder nicht genau mit den Münzen übereinstimmen könnten. Immerhin sind das secundäre Fragen. Wenn sich eine grosse Uebereinstimmung zwischen den Bildern und den Münzen herausstellt, so darf man sich über die Frage der Zeit der Her- stellung hinwegsetzen, vorausgesetzt, dass man kein zu grosses Gewicht auf die Toilette, die Frisur, die Beigabe von Schmucksachen, den Ernährungszustand usw. legt. Was namentlich die Frisur betrifft, so habe ich diesen Punkt bei Gelegenheit meiner Besprechung des Kopfes der AI ine (Verhandl. 1896, S. 196) genauer er- örtert; der häufige Gebrauch künstlicher Perrüken bei den Aegyptern erschwert das Urtheil in hohem Grade, da solche Perrüken in sehr geschickter Weise auch da angewendet wurden, wo das Haar selbst kurz abgeschnitten war. Es war jedenfalls ein glücklicher Gedanke, die Münzen zu der Vergleichung mit den Bildtafeln heranzuziehen. Die farbig ausgeführten Bildtafeln gewähren zweifellos eine höchst anschauliche Verdeutlichung. Nicht bloss für die Geschichte der Ptolemäer, sondern auch für die ethnologische Einsicht in eine culturhistorisch so wichtige Periode der ägyptischen Zeit werden sie dauernden Werth behalten. Den grössten Werth würden sie für die Geschichte haben, wenn eine ganze Reihe der einer bestimmten und noch dazu so bedeutenden Dynastie angehörenden Mit- glieder uns in der Farbe der Zeit und des Lebens vorgeführt würde. — (20) Hr. Rud. Yirchow zeigt den ausgeweideteu Kojjf eines Jivaro (Süd-Americ.i). Hr. Albert S. Offner, Exporteur in Hamburg, hat mir unter dem lö. Mai den präparirten Kopf eines Indianers zur Ansicht eingesendet, der ihm von seinem Hause in Guyaquil zum Verkauf übergeben ist. Es handelt sich dabei um eines jener seltenen Stücke, wie sie aus dem Quell- gebiet des Amazonen-Stromes zuweilen eingeführt werden. Wie man weiss, wird die Haut mit dem Haar von dem Schädel abgezogen und getrocknet; da die Knochen sorgfältig entfernt werden, während die Weichtheile, namentlich auch die des Gesichts, geschont werden, so ergiebt sich ein trotz der Zusammenschrumpfung auf einen kleinen Rest noch deutlich erhaltenes Mumienbild eines kleinen Menschen. Das vorliegende Object ist von grosser Schönheit, namentlich wegen des langen, glänzend schwarzen Haares. Trotzdem musste der Ankauf des hohen Preises wegen abgelehnt werden, zumal da ich schon ein ähnliches Stück mit noch reicherem Haarwuchs besitze. Letzteres wurde mir einst von Mr. E. Kanthack, dem Vater meines hoch- begabten und leider so früh verstorbenen Schülers, des nachmaligen Professors in Cambridge, aus Panl mitgebracht. Ich habe es in der Sitzung der Gesellschaft vom 16. Januar 1892 vorgelegt (Verhandl. Bd. 24, S. 78). Es hatte einem Manne aus dem Stamme der Guambias am Flusse Morona, einem Nebenflusse des Maranon (Ecuador), angehört, der in einem Kampfe mit den Aguarunas getödtet und von diesen abgehäutet worden war. Ersichtlich w^ar dabei die Herstellung einer Kriegs- trophäe beabsichtigt. — (21) Vorstand und Direction des zoologischen Gartens laden für den 23. Mai 12 ühr zu der Schaustellung einer demnächst eintreffenden Beduinen- Truppe ein. — (22) Hr. Eduard Sei er spricht über Pinturas Jerogliflcas. Coleccion Chavero. Unter obigem Titel ist so eben eine Veröffentlichung des bekannten und ver- dienten mexikanischen Archäologen Lic. Alfredo Chavero erfolgt. Er beschreibt darin zwei in bunten Farben ausgeführte Malereien seiner Sammlung, deren erste er als Mapa de Tlaxcallan bezeichnet, während er die zweite als Cödice ciclografico aufführt. Ich bedauere sagen zu müssen, dass der verdiente Ge- lehrte hier augenscheinlich einer Täuschung zum Opfer gefallen ist. Die beiden Malereien sind das Fabrikat eines Fälschers. Sie sind aus bekannten Figuren der Bilderschriften, welche das grosse Werk Lord Kingsborough's jedermann zu- gänglich gemacht hat, aus bestimmten Symbolen und Abzeichen, die aus dem im Jahre 1892 von der Junta Colombina de Mexico veröffentlichten Lienzo de Tlaxcala genommen sind, und aus einigen Figuren eigener Erfindung componirt. Die Zu- sammenstellung ist natürlich eine absolut sinnlose. So sieht man in dem ^Cödice ciclografico" in anmuthigem Wechsel die Figuren Codex Laud 16 — 19, welche die vier Götterpaare, die Herren der vier Richtungen, darstellen, mit zwei der Reihen der Hüter der fünf Yenusperioden des Codex Vaticanus B und einigen anderen Figuren derselben Handschrift combinirt. Die Rückenkraxe (cacaxdi), an der die Krieger des Lienzo de Tlaxcala ihre grossen Federdevisen auf dem Rücken befestigt trugen, ist hier — theils mit, theils ohne Federdevise — als Symbol der vier Clane der Stadt Tlaxcallan verwendet I Wenn ich nicht irre, hat Chavero diese beiden Malereien von einem jungen, aus Tabasco stammenden Zeichner erhalten, den er selbst akademisch hat aus- bilden lassen. Derselbe betreibt jetzt in Mexico einen Antiquitäten- und Curiositäten- Handel und hat vor anderthalb Jahren dem Herzog v. Loubat eine falsche Maya- Handschrift verkauft, die in ähnlicher Weise aus bekannten Typen der veröffent- lichten May a- Handschriften in buntem Geraisch mit farbigen Symbolen, die aus mexikanischen (sie!) Handschriften genommen sind, componirt ist. Der Herzog V. Loubat hat trotz des Verdachts, den auch er von Anfang an hegte, diese Hand- schrift erworben und hat darüber im Globus berichtet. Ich habe dieses Palsificat gesehen. Es ist im Uebrigen vorzüglich gezeichnet, und die Unterlage, ein mit weisser Stuckschicht überzogenes Stück Hirschleder, stellt ebenfalls eine ausser- ordentlich gelungene Imitation dar. Bei der crassen Ignoranz des Fälschers ist indess eine wirkliche Gefahr von seiner Seite nicht zu besorgen. Nicht ganz kundige Leute aber werden ihm vielleicht noch wiederholt zum Opfer fallen. Derselbe Zeichner hat übrigens seiner Zeit auch die Copien der Bilderschriften für die Junta Colombina de Mexico geliefert. Darum werden wohl auf ihn auch die sogenannten „Relieves de Chiapas" zurückzuführen sein, die im Anhang zu dem genannten Werk der Junta Colombina veröffentlicht worden sind, angeblich Abbildungen einer Anzahl von Ziegeln, die auf einer Seite mit Figuren in Relief, auf der anderen mit gemalten Figuren und Symbolen bedeckt sind, und die in Tabasco in einer Kiste im Walde vergraben aufgefunden worden sein sollen. Ich habe diese Abbildungen, die ebenfalls vorzüglich gemacht sind, eine Zeit lang auch für acht gehalten und sogar in einer meiner Arbeiten auf die eine Figur, den Priester mit den Tapiren, Bezug genommen. Es unterliegt aber keinem Zweifel, dass auch das von einer anerkennenswerthen Fähigkeit zeugende Fälschungen sind; denn auch auf ihnen sieht man dasselbe sinnlose Gemisch von Figuren vom Maya- Typus mit ächten mexikanischen P^ormen. Ich brauche, glaube ich, nicht hinzu- zufügen, dass ich die Originale in Mexico nie habe sehen können. — (2(i7) (23) Hr. Waldeyer demonstrirt ein vom Präparator der Anatomischen Anstalt. Hrn. Seifert, liergestelltes .Scliiidelstativ. Am oberen Ende der Tragstange desselben befinden sich: a) ein beweglicher zweiarmiger Querflügel, b) drei feste Stäbe; nach unten geht die Tragstange in einen P\iss über, an welchem sich das Etiquett leicht anbringen lässt. Der Querflügel lässt sich durch eine an der Tragstange vertical verschiebbare Schraube auf- und ab-bewegen; bei der Aufwärtsbewegung stellen sich beide Arme in eine Längslinie vertical, so dass sie gleichsam eine Verlängerung der Trag- stange bilden, bei der Abwärtsbewegung stellen sie sich quer (nach rechts und links; bei der zur Peststellung des Schädels richtigen Haltung der Tragstange). Man bewegt nun zur Befestigung eines Schädels am Apparate die Schraube zuerst nach oben und kann so die Tragstange mit dem dann in ihrer Verlängerung stehenden Querflügel leicht durch das Hinterhauptsloch einschieben, so weit, bis die 3 Stäbe der Schädelbasis (aussen) fest anliegen. Nun bewegt man, indem man den Schädel fest an die Stäbe andrückt, die Schraube kräftig nach ab- wärts; es legt sich dann ein Flügel im Innern der Schädelhöhle quer von oben her auf das Hinterhauptsloch. Jetzt schraubt man, sobald man fühlt, dass der Schädel fest zwischen den Querflügel und die Stäbe gefasst ist, die Schraube gut an die Tragstange an, und der Schädel ist, so lange die Schraube nicht ge- lockert wird, unverrückbar fest aufgestellt. Ist Alles richtig- ausgeführt, so kann man an der Tragstange den Schädel in jeder Richtung halten und ihn selbst stark zu schütteln versuchen, ohne dass er sich nur im Mindesten in seiner Klammer bewegt. Durch eine Schraube an einem der festen Stäbe lässt sich der Schädel in eine bestimmte Horizontalstellung, z. B. die deutsche Horizontalstellung bringen. Das Stativ ist vom Präparator Seifert (Berlin NW., Anatomische Anstalt, Luisenstrasse 56) zu beziehen und kostet einzeln mit beigegebener Gebrauchs- Anweisung nebst Zeichnung 2 Mk. 50 Pfg.; bei Bezug einer grösseren Zahl tritt Ermässigung des Preises ein. — (24) Hr. Karl von den Steinen berichtet über die Guayaqiü-. Sammlung- des Hrn. Dr. v. Weicklimann. Im Februar 18ii5 erschien in der „Nacion" von Buenos Aires ein von Charles de la Hitte herrührender Artikel, der nähere Mittheilungen über einen in Encar- nacion gefangen gehaltenen Guayaqui brachte und auch einige Illustrationen auf- wies. Da der Stamm wissenschaftlich noch so gut wie unbekannt war, veröffent- lichte ich unter dem Titel „Steinzeit-Indianer in Paraguay" im „Globus", Band LXVII, S. 24.S einen alles Beachtenswerthe zusammenfassenden Auszug des etwas sensationell ausgeschmückten Aufsatzes. Im folgenden Jahre machte de la Hitte im Verein mit Ten Kate eine Informations- und Sammelreise nach Paraguay, als deren Frucht in den „Anales del Museo de La Plata" ein werthvolles Sonderheft erschien: „Notes ethnographiques sur les Indiens Guayaquis par Charles de la Hitte, preparateur au Musee de La Plata, et description de leurs caracteres physiques par Dr. H. Ten Kate, charge de la section anthropologique du Musee de La Plata (La Plata 1897)." Auch hierüber findet sich ein Referat im „Globus", Bd. 73, S. 73, aus der Feder Ehrenreich's, entsprechend illustrirt und in dieser (268) Beziehung noch vervollständigt durch eine Zeichnung zweier primitiver Hütten, die Dr. Jordan mit dem Maler Karl Oenike auf dem Cerro Tatuy in der Cordillere von Villa Rica beobachtet hatte. Die Guayaqui verdienen alle Aufmerksamkeit des Ethnologen und Anthro- pologen, weil sie mitten in Paraguay noch heute ohne Gebrauch der Metalle leben und als ein Zwergstamm gelten; der Gefangene von Encarnacion maass 1520, ein weibliches Skelet 1424 mm. Sie führen ein unstetes Wanderdasein in den Wäldern der Serra Maracayü und sind äusserst scheu — um so mehr, als sie in den letzten Jahren ein anthropologisch und ethnographisch begehrtes Object und das Ziel auf guten Verkauf speculirender Kopfjäger und Schädel-Lieferanten geworden sind. Der Paraguayer hält sie für Affen oder Schwanz-Menschen und umgiebt sie mit den üblichen Grusel-Legenden. Sie werden von den Kolonisten schon deshalb ge- hasst und verfolgt, weil sie gelegentlich auf Vieh, früher nur auf Pferde, und Maul- thiere, die sie sehr gern essen, heute auch auf Rinder, Jagd machen. So kommt die ethnologische Curiosität zu Stande: ein steinzeitlicher Stamm, der mit seinen gekerbten Pfeilen Maulthiere schiesst! Im Jahre 1899 hatte sich nun Hr. Dr. v. Weickhmann auf einer vorwiegend wirthschaftlichen Studien gewidmeten Reise durch Paraguay unc^. die anstossenden Gebiete von Brasilien auch die Aufgabe gestellt, mit den Guayaqui in nähere Be- rührung zu kommen, was bisher noch keinem Forscher gelungen war. Mit einer Anzahl indianischer Begleiter war er nach vieltägigen mühseligen Waldmärschen in der That soweit erfolgreich, als ein Trupp Guayaqui in ihrem Lagerplatz auf- gespürt wurden. Leider aber und ohne jeden Grund feuerten seine Leute, die Guayaqui entflohen Hals über Kopf und Hessen 4 Kinder zurück, auf deren Ver- theilung die indianischen Begleiter bestanden. Hr. v. Weickhmann sah sich plötzlich ganz wider Wunsch und Willen im Besitz eines Knaben, den er später in die guten Hände von Landsleuten ablieferte und der heute seine Muttersprache mit dem Deutschen vertauscht hat. Die Ausbeute an Waffen, Geräthen und Schmuck- sachen auf dem verlassenen Lagerplatze bildeten eine stattliche Sammlung: der Reisende hat sie dem Berliner Museum für Völkerkunde, das bisher kein einziges Stück von den Guayaqui besass und die Bereicherung mit wärmstem Dank be- grüsst, als Geschenk überwiesen. Die Sammlung, obwohl grösser in der Stückzahl, ist ein so merkwürdig genaues Analogen der von de la Hitte beschriebenen, dass, von belanglosen Einzelheiten abgesehen, die Tafeln HI und IV des La Plata-Heftes mit ihren ethnographischen Abbildungen ganz gut in Berlin hergestellt sein könnten. Hier wie dort ist es auch ein wesentliches Kennzeichen der Guayaqui-Sachen, dass jegliches gemalte oder geschnitzte Ornament, wie bei den Feuerländern, fehlt. Die Waffen bestehen aus starken, bis 2 m langen Bogen, gleich grossen Pfeilen mit einseitig gekerbten Holzspitzen und einer schön geglätteten, schweren Palmholz-Lanze von 2,90 m Länge. Schnüre zum Schutz gegen den Anprall der Bogensehne, aus Menschenhaar, Thierhaar und Faser geflochten, haben eine Länge bis zu 15 w. Pfeile mit Knochen-Spitzen sind nicht vorhanden. Unter den Geräten sind hervorzuheben die wuchtigen Steinbeile mit kolbig anschwellendem Holzgriff, in den eine tiefe Grube zur Aufnahme der Dioritklinge gebohrt ist, und die zahlreichen Meissel und Schaber mit Nagethier-Zähnen (Kapi- vara und Aguti), die in den Markcanal eines Affen-Femur (Mycetes caraya) ein- gelassen sind. Die Meissel finden sich in symmetrischer Anordnung zu Halsketten vereinigt, so dass sie den Eindruck eines Schmuck-Gegenstandes machen könnten. Auffallend sind die mächtigen Tragkörbe aus einer Blattrippe der Pindo-Palrae mit (269) der Besonderheit, dass der Mitteltheil der angeflochtenen schleuderähnlichen Stirn- binde sich dem Vorderkopf kappenartig breit anlegt. Sie werden ebenso wie kleinere Korbtaschen für Federn, Werkzeug, Faden usw. den Rand entlang wie mit der Packnadel verschnürt. Sehr sorgfältig gedrehte Faserschnur findet sich in dicken Knäueln. Wie die Wedda oder die Australier, lieben auch die vorwiegend auf Fleisch- kost angewiesenen Guayaqui über alles den Honig, und das Bienenwachs ver- werthen sie als schätzbarstes Material. Ein Stück Wabe zeugt deutliche Spuren, dass es angebrannt ist: es soll, auf Hölzchen aufgesteckt, als Fackel dienen und brennt auch mit guter Leuchtkraft. In einem faustdicken Wachsklumpen steckt, vermuthlich als Griff, ein gelbrother Tukan-Schnabel. Das Wachs erscheint auf- fallend hart. Schwarze, rundovale, in einer einfachen ümschnürung hängende Ge- fässe, bis etwa 30 c?« hoch, deren oberer Fol abgekappt ist und die als Wasser- behälter dienen, bestehen aus einem dünnen, aber mit einer dicken, harten und wohlgeglätteten Wachsschicht überzogenen Korbgeflecht. Sie sind sehr sauber gearbeitet und wegen ihres geringen Gewichts bei geringer Zerbrechlichkeit für ihren Zweck recht geeignet und fester als Calebassen. Ein noch interessanteres Belegstück aber zur Frage nach dem Ursprung der Keramik, als diese Wachs- Gefässe mit Flechteinlage bieten, stellen kleine Thon-Töpfe dar von ähnlicher, jedoch tiefer abgekappter, also breiter oflenen Form: kuglig, unten etwas spitz und das obere Drittel fehlend. Der innen röthlich-graue Thon hat eine schwärzliche, wie verkohlte Aussenschicht. Hr. Prof. Lewin hatte die Güte, eine Scherbe zu untersuchen. Sie brannte im Bunsen-Brenner mit leuchtender Flamme: es waren freie Fettsäuren nebst deutlichem Acrolein- Geruch nachweisbar. Wie ich ver- muthet hatte, enthielt sie Wachs, das mit Leichtigkeit zu extrahiren war. Man darf sich also vorstellen, dass die Guayaqui, sei es, dass sie guten Thon nicht haben oder nicht zu unterscheiden wissen, durch üeberschmieren und Mischen mit Wachs einen gewöhnlichen, mehr lehmartigen Thon zäher machen. Flache, 15 bis ■20 cm lange Holzbrettchen mit vielen Wachsspuren, scheinen zum Auftragen und Glätten zu dienen. Die auffälligsten Schmuckstücke sind 40 cm hohe Kegelraützen aus steifer Pferdehaut, hinten mit Fellstreifen und Theilen von Bälgen behangen, oder ein Ropfreifen, von dem 8 lange schwarze Streifen von Brüllaffen-Fell herabhängen. Ferner Halsketten mit Affen-Zähnen und -Knochen. Symmetrische Anordnung ist deutlich ausgesprochen. Ganz unsicher blieb bis zum heutigen Tage die sprachliche Classification der Guayaqui. Das Material von Wörtern war ganz ungenügend und die Beob- achtungen widersprachen sich. Nun hat Hr. Dr. v. Weickhmann zwei, leider zu kurze und zu wenig systematische Wörter-Verzeichnisse von seinem kleinen Wilden mitgebracht, die ich im Folgenden unter I und II in gegenständlicher Umordnung wiedergebe : (•270) Laufende Nummer II. 8 '.) li> 11 1-2 i:; 14 15 IG IT 18 19 ■20 •21 22 23 ■24 •25 26 27 28 29 30 31 32 33 ;'.4 35 36 38 39 40 41 42 Haar Ohr Nase Mund Zähne Arm, Hand, Finger Flügel Bein, Fuss, Zehe . Excremento .... Thiere. Affe Katze Hund Pferd Maulthier Ochse, Kuh Kalb, Thierjunges, Kuh (?) Vogel Eeiher Aasgeier Rabe Huhn Honigbiene Wachs . Laus Holzbock Schnecke Muschel Pflanzen. Holz . . . Rohr. . . Taqnara . Palme . . Maiskolben Frucht . . Xatur. Sonne "Wasser Feuer Stein . Hans, (ifcräthe. vaa (f) aa bichä (V) — yä (?), pyngua (?) — ya (?) ijtiru — aä(?) ifid — — pepo Uta — — puchy carayn daty nivati Haus . . Tragkorb data ila dapii loco, VOCO (?) taä pito — mbae, ])onä S cabayü milti pona mbae porii achevr;i acherra Ycmby — ndä (Uta, njä) — daf — da-a-ja — birikü — — vrii tarerü — (irailji — — pica pitii — pytä — betu — yhyrä — taciiapi — cj'rati porovia tayy yfi tapi'i (-271) Laufende Nummer 4:; 44 45 46 47 48 49 50 51 53 54 55 56 57 53 59 GO 61 II. Bindfaden Strick Pinsel von Pindi» Decke aus Pindo Fächer aus Pindu Steinbeil-Klinge Steinbeil- Griff (Steinbeil, vergl. Nr. 56) . . Wasserkrug' Irdener Napf (Wachs, vergl. Nr. i«)) . . . Waffen. Bogen Pfeil Lanze Schmuck. Halsband Affenzähne: Steinbeil . . . Affenfell Verbal -Ausilrücke. Das Pänd brüllt (?), Ochs (?) brüllt stinkt blitzt kymbu (?) paiva otu awe awichanka .}"'" mita f'i' jcti carä araitv n-jia Tcha cnrayu pire atihüa pypa chinga ne verä Die beigefüg-ten Fragezeichen rühren von dem Autor her. Auch die Accentuirung ist genau beibehalten. Obwohl nun dieses Yerzeichniss strengeren Ansprüchen nicht genügt und namentlich die wichtigste Gruppe der Körpertheile zu dürftig be- dacht erscheint, so ist doch festzustellen, dass die kursiv gedruckten Wörter entweder reines Guarani sind oder davon nur unerheblich abweichen. So Nr. 4: aa Haar, Guarani ai-a; Nr. 26: araitv Wachs, Guarani ,?/?-rt/7,y, Nr. 48: jira Steinbeil, Guarani yl Im Gegentheil, gegenüber einer doch verhältnissmässig geringen Anzahl absoluter üebereinstimmungen, wie Nr. 38, 39, 40, 3, 7, 13 usw. muss man erstaunt sein, so vielen anscheinend klar aufgefassten Wörtern zu be- gegnen, für die sich deckende Guarani'-Wörter (obgleich die hier gekennzeichneten sich durch unsicherere Entsprechungen vermehren Hessen), wohl nicht vorlinden. Vorläufig dürfen wir als wahrscheinlich hinstellen, dass die Guayaqui-Sprache zum Guarani-Stamra gehört, und als sicher, dass sie trotz der ethnographischen Annäherung der Guayacjui an die Ges. nach ihrem ganzen äusseren Habitus, den Ges-Sprachen fernsteht. Das ist immerhin ein grosser Fortschritt, für den wir Hrn. Dr. v. Weickhmann dankbar sein müssen. In jeder Hinsicht, in anthro- pologischer, ethnologischer und linguistischer, gehört die genauere Erforschung der Guayaqui zu den dringendsten und lohnendsten, allerdings zu den schwierigsten Aufgaben, die es heute noch in Süd-America zu lösen gilt. — C27-_>) (25) Neu eingegangene oder erworbene Schriften: 1. Jentzsch und Conwentz, Wissenschaftlicher Ausflug. Ost- und West- Preussen. 2 -2. bis 27. September 1899. Berlin, W. Greve 1900. S». (Aus: Verhandl. des VII. Internationalen Geographen- Congresses in Berlin.) Gesch. d. Verf. 2. Riedel, J. G. F., De Poi'gar-Rivier in het landschap Bolaäng Mongondou, Noord-Selebes. Leiden, E. J. Brill, o. J. .s°. (Aus: Tijdschrift van het Ron. Nederlandsch aardrijksk. Genootschap.) Gesch. d. Verf. 3. Ashmead, Albert S., Deformations on American (Incan) Pottery not evidence of pre-columbian leprosy. St. Louis 1901. 8°. (Aus: The St. Louis Medical and Surgical Journal.) Gesch. d. Verf. 4. Miske, Kaiman v. , Ueber einige Fibeln und Nadeln aus Bronze von Velem- St.-Veit. Wien 1900. 4». (Aus: Mittheil, der Wiener Anthrop. Ges.. Sitzungsberichte S. [188]). Gesch. d. Verf. 5. Kroeber, A. L., Cheyenne tales. o. 0. 1900. 8°. (Aus: The Journal of American Folk-Lore.) Gesch. d. Verf. 6. Landau, Wilhelm v.. Die Phönizier. Leipzig: J. C. Hinrich 1901. 8". (Aus: Der alte Orient. IL 4.) Gesch. d. Verf. 7. Giuffrida-Ruggeri, V., Sul significato delle ossa fontanellari e dei forami parietali e sulla pretesa penuria ossea del cranio umano. Roma 1900. 8^. (Aus: Atti della Societa Romana di Antropologia.) Gesch. d. Verf. 8. Meisner, Scherben mit Finger-Eindrücken. München 1900. 4". (Aus: Corresp- Blatt d. Deutschen Anthropol. Ges.) Gesch. d. Verf. 9. Sergi, G., Crani Esquimesi. Roma 1901. S*'. (Aus: Atti della Soc. Romanu di Antropol. Vol. VII.) Gesch. d. Verf. 10. Chlingensperg, Max v., Entgegnung auf Rein ecke's Publication: Studien über Denkmäler des frühen Mittelalters. Wien 1900. 4o. (Aus: Mitth. d. Wiener Anthropol. Ges.) Gesch. des Verf. 11. Linnitschenko, J. A., und W. Chwoiko, [Russisch]: 1. Gefässe mit Zeichen aus Funden auf dem Plateau Tripolscher Cultur; 2. Fund von ornamentirten Mammuthknochen. Odessa 1901. H^. Gesch. d. Verf. 12. Deininger, Job. W., Das Bauernhaus in Tirol und Voralberg. Abth. III. Heft 6. Wien o. J. Gr.-S". Angekauft. 13. Kawkas [Russisch] : Materialien zur Archäologie des Kaukasus. Bd. 1 — 3 u. 7. Moskau 1888—1898. 4^ Geschenk Ihrer Excellenz der Gräfin üwarow in Moskau. 14. Simpson, William, and John William Kaye, India ancient and modern, a series of illustrations of the country and people of India and adjacent territories. London, Day and Son 18G7. Gr.-2<*. Gesch. d. Hrn. Sanitäts- raths Lissauer. 15. Trampe, Ernst, Syrien vor dem Eindringen der Israeliten. II. (Studien zu den Thontafeln von Teil el-Amarna.) Berlin, R. Gärtner 1901. 4». (Oster- Programm des Lessing-Gymnasiums.) Gesch. d. Hrn. R. Virchow. IG. Pic, J. L., Cechy pi-edhistoricke. Svazek 2. v Praze 1900. 4». Gesch. d. Verf. 17. Teutsch, Julius, Prähistorische Funde aus dem Burzenlande. Wien 1900. 4*^. (Aus: Mittheil, der Anthropol. Ges.) Gesch. d. Verf. 18. Kossinna, G., Hercynia. o. 0. 1900. 8°. (Aus: Beiträge zur Geschichte der deutschen Sprache und Literatur. Bd. 26.) Gesch. d. Verf. Sitzung vom 1'). Juni IDOl. Vorsitzender: Hr. Karl von den Steinen. (1) Anwesend die HHrn. Schweinfurth und Roas. (2) Hr. Rud. Virchow liat am Ki. Juni Naciimittags zwischen o und 4 Uhr 111 der Potsdamer Strasse durch einen ganz plötzlich hereinbrechenden Wirbelsturm einen nicht unbeträchtlichen Unfall erlitten. Er war auf dem Heimwege nach Hause begriffen und hatte des gleichzeitig eingetretenen Regens wegen den Schirm ausgespannt; das war der Grund seines Unfalles, die Gewalt des Windes warf ihn zurück und nach vergeblichem Widerstände während einiger Minuten an einen H.ium und in dessen aus eisernen Stäben gebildete Umhüllung. Durch die scharf- kantigen Stäbe erlitt er eine klaffende, sehr stark blutende Wunde am linken Augenbrauen -Wulst, sowie eine lange Quetschung über Stirn und Wange; in Folge dos Falles auf das Steinpflaster eine längere Abschürfung am linken Knie und eine Contusion am Ligament, patellae. Das Auge selbst blieb unverletzt, da die Brillen- Fassung wohl stark verbogen, aber nicht gebrochen und das Glas überhaupt nicht getroffen war. Die Heilung der verschiedenen Verletzungen wird hoffentlich bald ■f^rfolgen, indess bedarf der Verletzte einer längeren Schonung. — Der Vorsitzende spricht die Theilnahme der Gesellschaft aus. — (o) Das correspondirende Mitglied, Dr. Arthur Hazelius, der Begründer des berühmten Nordischen Museums in Stockholm, ist am -27. Mai d. J. gestorben. Vielen aus unserer Gesellschaft war der liebenswürdige und thätige Mann seit Jahren bekannt und befreundet. Rein Fremder liess die weitläufigen Anlagen des Museums unbesucht. Dieselben sind für manche der besten continentalen Ein- richtungen im Sinne einer nationalen Entwickelung der ethnologischen Sammlungen vorbildlich geworden. — (4) Einer der sorgfältigsten Beobachter der schweizerischen National-Eigen- thümlichkoiten, namentlich des Hausbaues, Prof. Jacob Hunziker (Aarau), ist am 5. Juni nach kurzer Krankheit im 64. Altersjahre in Rombach entschlafen. — (5) Es mag an dieser Stelle nachträglich eines Mannes gedacht werden, dessen Studien Jahre lang mit denen der deutschen Forscher über das Haus parallel gingen. Am 13. Mai \W0 ist in Linz der österreichische Oberst im Ruhestande Gustav Bancalari gestorben, dessen Arbeiten von Anfang an die regste Theilnahme in Deutschland gefunden haben. Er war uns auch persönlich nahe getreten durch seine Anwesenheit auf der gemeinsamen Versammlung der Deutschen und der Wiener Anthropologischen Gesellschaft in Innsbruck am 28. August 1894. Seine Erörterungen haben manchen zweifelhaften Punkt in der Hausforschung in höchst lichtvoller Weise aufgeklärt. Freilich gelangte er in der Hauptsache zu einem Verhandl. der Berl. Aiithropol. GeseUschaft 1901. IS (■J74) Ergebniss, das zu den deutschen Arbeiten in einem scharfen Gegensatz stand: während bei uns der Gedanke, dass in dem Hausbau der nationale Charakter der einzelnen Stämme deutlich hervortrete, im Vordergrund stand, kam Kancalari Schritt für Schritt zu der vollständigen Negation des „nationalen Hauses". Es darf hier wohl die Frage aufgeworfen werden, ob er dieses Resultat festgehalten haben würde, wenn er das nordische Haus, namentlich das sächsische, in wohl erhaltenen alten Typen kennen gelernt hätte. Aber die Zusammenstellung seiner vielen Reisen durch alle möglichen Länder und Gaue, die Hr. Franz Heger in den „Mittheilungen der Anthropologischen Gesellschaft in Wien, Bd. XXI, 1901 gegeben hat, lehrt uns, dass Bancalari auf seiner deutschen Reise die Main-Linie kaum überschritten hat. Hier stand er an der Grenze, wo durch spätere Vermischungen keine so grossen Veränderungen in den Gewohnheiten der Menschen herbeigeführt sind, wie sie namentlich in dem ganzen Gebiete der österreichischen Lande stattgefunden haben. Diese sind zu vergleichen mit unseren ostelbischen Provinzen, in denen schwerlich ein nationales Haus in seiner Reinheit die Aufmerksamkeit der Forscher erregen würde. Trotzdem wird jeder ehrliche Beobachter anerkennen müssen, dass die Localschilderungen von Bancalari dazu gedient haben, nicht nur die gegen- wärtigen Foi'schungen zu controliren, sondern auch für die Zukunft dauerhafte An- haltspunkte zu schaffen. — ((i) Neu angemeldete Mitglieder: Hr. Stud. philos. Emil Sande, „ Dr. Richard Thurnwald, beide in Berlin. (7) Die bevorstehende General-Versammlung der Deutschen Anthro- pologischen Gesellschaft in Metz wird vom 4. bis S. August abgehalten werden. — (8) Die Festsitzung des Historischen Vereins für deü Regierungs- Bezirk Marienwerder ist aufgehoben worden. — (11) Die Accademia degli Agiati zu Rovereto ladet zu einer solennen Versammlung am 2. Juni für die Feier ihres 150jährigen Bestehens ein. — (10) Hr. Hubert Schmidt giebt die Fortsetzung seines Vortrags in der Mai- Sitzung (S. 255) über die Neuordnung- der Schliemann- Sammlung-. Der Vortrag wird mit der folgenden Sitzung demnächst verbunden werden. — (11) Hr. E. Pörstemann sendet folgende Mittheilung: Der Nordpol bei Azteken und Maya's. Ed. Seier hat in seiner bedeutenden Schrift „Das Tonalamatl der Aubin'schen Sammlung" (Berlin 1900, Quer-4^) mitgetheilt, dass die KUägigen Wochen der Mexikaner je einem göttlichen Wochen-Regenten zugewiesen waren und dass diese Regenten einander in derselben Reihe folgen, wie die ihnen gehörenden 20 Tage. Nur die 11. Woche gehört nicht dem 11. Tage ozomatli, sondern dem 12. malinalU, also auch die 12. Woche dem 13. usw. Diese auffallende Erscheinung möchte ich nun in folgender Weise deuten: (-275) Nehmen wir an, dass die Azteken die Ekliptik in 20 Theile getheilt, jeden Theil nach einem Sternbilde und der dazu gehörigen Gottheit genannt haben, so liegen 10 dieser Theile nördlich, 10 dagegen südlich vom Aequator. Diesen Theilen entsprechen die 20 Tage, deren elften man aber wie eine Scheidegrenze zwischen den beiden Abtheilungen nicht in der Ekliptik, sondern am Nordpol an- gebracht hat, um den sich also auch in diesem Sinne, wie um einen Herrscher, Alles dreht. Das betreffende Sternbild aber kann kein anderes sein, als der Kleine Bär, und seine Gestalt erschien in dem Bilde eines ozomatli, d. h. Affen, der mit seinem Greifschwanze sich am Pole festhaltend, um denselben schwingt. Wie der durch diesen Vorgang fehlende 20. Wochen -Regent ersetzt wurde, geht mich hier nichts an. Aus einem Affenkopfe also muss die conventioneile Zeichnung entstanden sein, die ich in Fig. 1 wiedergebe. Fig. 1. 2 „ 5. Der aztekische Tag ozomatli. Der Maya-Gott ('. Das Maja-Zeichen für zwanzig Tage in den Inschriften. Dasselbe in den Handschriften. Das Maya-Zeichen für den Tag chuen. Diese Figur aber ähnelt der Fig. 2, in der man sogar eine Andeutung von der seitlichen Nasenöffnung der amerikanischen Affen finden könnte. Und das ist die Hieroglyphe des Gottes, welchen Schellhas „Götter-Gestalten der Maya-Hand- schriften", Dresden LSOT, S. 15—17, als den Gott C bezeichnet. Und dieses Zeichen giebt näheren Aufschluss über den Zusammenhang des Ganzen. Zunächst stimmt es nehmlich fast genau zur Hieroglyphe des Nordens, die ich in meinen „Erläuterungen" (Dresden 1886) wiedergegeben habe. Zweitens aber ist die Gottheit C zuweilen (z. B. Gort. 10, unten) von einem Strahlenkranze umgeben, deutet also auf ein Gestirn. • Dieses Gestirn ist nun ferner nicht bloss dem Norden angehörig, sondern auch, da sich die anderen Gestirne darum drehen, in gewissem Sinne allen vier Welt- gegenden zusammen. In diesem Sinne erscheint das Zeichen des Nordens im Dresd. 31 b mit einem Präfixe, das einen Mittelpunkt und um denselben vier andere Punkte enthält. Besonders aber im Tro-Cortes. ist der Gott C häufig in dieser Weise dargestellt, so in dem sogen. Titelblatte Tro .'.(i- Gort. 22, wo er 13 mal bei 13 Tagen und allen vier Weltgegenden erscheint, gleichlaufend mit einem anderen Zeichen, das vielleicht dem Gotte K angehört. Und auch in anderen Stellen des Tro -Gort, wiederholt sich (' so häufig, dass er hier geradezu den Mittelpunkt der Darstellungen bildet, namentlich auch in den von Vierecken ein- geschlossenen Zeichnungen, in denen nach meiner Ansicht Gestirne wieder- gegeben sind. Dem Tage ozomatU = Affe entspricht der Maya-Tag chuen. Zwar ist die Be- deutung dieses Wortes noch nicht ergründet, aber im Tzental heisst nach Lara 18* (276) (Brinton, Calendar p. 28) eine besondere Affenart chiu, und damit mag wohl chuen zusammenhangen; der Tag selbst wird im Tzental und Quiche-Cakchiquel batz genannt und das bedeutet in der That den Affen, Nun ist meine Fig. 5 die überaus häufige Bezeichnung des Tages chuert in den Maya- Handschriften. Hierzu stimmen aber, mit Hinzufügung eines Suffixes, die beiden Figuren o und 4. Und beide bezeichnen die Zahl 20, die Grundlage des Zahlensystems der Maya's, Fig. o in den Inschriften, 4 in den Handschrilten, gerade so wie Fig. 1 und 2 den feststehenden Punkt des Himmelsgewölbes be- deuten. Und in dem Suffixe könnte man sogar das zwiegetheilte in eine Nord- und eine Südseite zerfallende Firmament wiederfinden. Ich erwähne Fig. 4 in der Bedeutung von 20 aus Dresd. 5öa, 57a, 61a, b, 69a, b. Ja hier scheint auch die Zahl 20 noch multiplicirt zu werden, auf Blattei mit 1, 69 mit .l, weiter unten mit 4. so dass sich daraus 20, 60, 80 ergeben. Die Azteken begannen die Reihe der Tage ursprünglich mit cipactli, die Maya's mit dem entsprechenden imix. Und dabei scheint auch ein Theil der Maya's stehen geblieben zu sein, wenigstens deutet im Tro-Cortes. manches auf den Anfangstag imix. Ein anderer Theil dagegen veränderte die Reihe so, dass kau an die Spitze trat. Weist imix auf das Pulque-Getränk, wi^ ich in meinem Aufsatze „Die Tage-Götter der Maya's" (Globus, Bd. LXXHI, Nr. 10) vermuthet habe, so tritt, da kan sicher den Mais bezeichnet, die Speise an Stelle des Ge- tränkes, wofür man verschiedene Gründe angeben könnte. C7men wird damit aus dem 11. zum s. Tage der Tagesreihe, wie er als solcher sicher im Dresdensis erscheint. Und die allerjüngste Bedeutungs-Entwickelung ist die, dass das 67me/(-Zeichen im Dresdensis nicht mehr bloss den s. Tag, sondern zuweilen geradezu 8 Tage zu- sammen bezeichnet. Ich gebe dafür einige Beispiele an: Blatt 52 oben finden wir eine 1, darunter chuen, daneben eine 5 und darunter das Zeichen für 360 Tage. Das kann doch nichts anderes heissen, als 1. 8. (5 + 360) Tage, also die 2920 Tage, die auf den Blättern 46—50 den Hauptgegen- stand der Darstellung bildeten. Ferner komme ich nun auf die sogen. C/nien-Bünde]. Blatt 25—28 behandeln den letzten (25.) Tag des letzten Monats und den ersten des folgenden Jahres. Und auf jedem dieser Blätter erscheinen oben drei zusammenhangende C/men, die hier nur die 24 vorhergehenden Tage des letzten Uinal bedeuten können. Dann werden auf Blatt 42c bis 44c viermal die hier erscheinenden je 4.S Tage durch je 6 chueti (von deneai aber zwei auf Blatt 44 vergessen sind), also durch 6 • 8 ausgedrückt. Ausserdem scheinen mir auf Blatt 46 — 50 rechts unten mit Ausnahme von Blatt 47 die 584 Tage des Venus-Umlaufs durch 8-73 dargestellt zu sein; vcrgl. meinen Commentar zur Dresdener Maya-Handschrift (Dresden 1901), S. 116. Auf die im Tro-Cortes. mehrfach massenhaft zusammengehäuften 67/we«-Bündel gehe ich hier nicht ein; sie scheinen fast nichts, als eine nachahmende Spielerei zu sein, ähnlich wie die zuweilen in derselben Handschrift sinnlos nachgeahmten grossen Zahlen oder wie die Zahlen-Spielereien in den aztekischen Handschriften von Bologna, Liverpool und Oxford. Ebenso wenig kann ich hier untersuchen, ob die noch räthselhafte 8, die in einige Hieroglyphen (anscheinend immer dieselbe) im Dresd. 36b, 37b, 65a, 67 a^ 68a, auch im Tro. 22, vielleicht auch Dresd. 45b eingezeichnet ist, mit dem Chuen und der Dauer von 8 Tagen verbunden werden kann. Immer ist mir die grosse und leicht zu Verwechselungen [führende Aehnlich- (277) Veit des 67;»e?!-Zeichens mit dem des 20. Tages akbal aufgefallen. Es ist kaum zu glauben, dass hier eine Verbindung mit der zwiefachen Bedeutung von 20 und S Tagen vorliegt. Oder sollte wirklich akbal (Nacht) auf den bei den Maya's un- sichtbaren Südpol gehen? Im Aztekischen sind die beiden Tageszeichen ozomatli und calli gänzlich verschieden. Dass die Anwendung des Zeichens für chuen ^ (' im Sinne von 8 Tagen sich nicht auf den Dresdensis beschränkt und dass Aehniiches auch bei anderen Tagen vorkommt, behalte ich mir vor, bei anderer Gelegenheit zu zeigen. Schon jetzt -will ich erwähnen, dass ich diese Bedeutung des C schon in der Stelle B 6 der Inschrift von Piedras-Negras finde, die Maudslay in den Proceedings der Royal Society, Vol. 62, herausgegeben hat und die sich als ein höchst merkwürdiges, wirklich historisches Schriftstück kundgiebt. — (12) Hf. A. Voss spricht über Nachahmuiigen von Metall-Gefässen in der prähistorischen Keramik. Die hohe Bedeutung der Keramik für die Aufhellung unserer Vorgeschichte wird zwar mehr und mehr anerkannt, aber noch immer wird dieser Theil unseres archäologischen Materiales nicht so gewürdigt, wie er es verdient. Noch immer w erden bei Funden der Metallzeit die metallenen Beigaben mit grösstem Eifer bis in die kleinsten Einzelheiten hinein studirt und grossartige Systeme als Ergebnisse dieser Studien construirt, während das keramische Material nur ganz nebensächlich be- handelt wird. Dieses Vorgehen ist mindestens als einseitig zu bezeichnen. Aller- dings ist das keramische Material in der Metallzeit nicht gleich reichhaltig in allen Gegenden, ebenso wenig sind es aber auch die die keramischen Funde begleitenden Metall-Beigaben. In manchen Gegenden sind ferner die Formen des Thon-Geräthes sehr einfach und ihre Verzierungsweisen sehr wenig charakteristisch ausgebildet. Diese immerhin wenig Aufschluss bietenden Umstände dürfen uns jedoch nicht abhalten, auch dem Thon-Geräth unsere Aufmerksamkeit zu widmen; denn bei der Lücken- haftigkeit des von unseren Vorfahren auf uns gelangten Materials müssen wir jedem Funde die Beachtung zu Theil werden lassen, die ihm nach den verschiedenen Beziehungen, in welchen er zu anderen Funden steht, gebührt. Ich betone deshalb nochmals, dass die Gesammtberücksichtigung des zu Tage geförderten archäo- logischen Materials eine für die Sicherung der Forschung durchaus uneriässliche Forderung ist; einseitige Berücksichtigung oder Bevorzugung einer Classe von Denk- mälern setzt uns der Gefahr aus, in Irrthümer und Trugschlüsse zu verfallen. Obwohl in letzter Zeit allmählich immer mehr werthvolle Beiträge zurKenntniss der Keramik erschienen sind und das Interesse an dieser Denkmäler-Classe er- sichtlich im Zunehmen begriffen ist, so fehlt es doch noch an durchgreifenden Studien, um dieses so mannigfaltige, anscheinend so viel Willkürliches zeigende Material zu bewältigen. Ich will jetzt nur einige wenige Beispiele vorführen, um die Aufmerksamkeit auf ein gewisses Vorkommen zu lenken, das zwar hier und da schon im Einzelnen beobachtet ist, aber doch eine allgemeinere Beachtung verdient, wenn wir uns mit dem Studium der Keramik eingehender beschäftigen wollen. Seit langer Zeit schon mit Studien über die Formengebung unserer Thon- Gefässe beschäftigt, insbesondere auch mit dem Suchen nach etwaigen Vorbildern für dieselben, sowie nach etwaigen Entlehnungen von Formen aus gewissen fremd- artigen Anschauungs- und Bildungskreisen, gaben mir einige in den Aarböger for Nord. Oldn. 1900, 1447b erschienene Abhandlungen von S-s M-r (Sophus Müller?), (278) über römische Vorbilder für nordische Thon-Gefässe, Veranlassung, mit einigen Beispielen aus dem von mir gesammelten Material hervorzutreten, um einerseits zu zeigen, wie stark die Eindrücke auf unsere Vorfahren gewirkt haben, welche sie durch fremdartige, ihnen aus weiter Ferne zugeführte Elemente in sich aufgenommen haben, wie sie dieselben in ihrer Weise verarbeitet und verwerthet haben, und andererseits, was ihrem eigenen Können und Empfinden bei diesen Nachahmungen fremder Muster zuzuschreiben ist. Diese Betrachtungen werden uns demnach, bei der Beurtheilung unseres kera- mischen Materials als Fingerzeige dienen können, nm zu prüfen, was als eigene freie Erfindung eines Volksstammes, als ethnologisches Charakteristicum für einen be- stimmten Volksstamm, anzusehen ist und welche Formen und Ornamente als üebertragungen durch den Verkehr und gelegentliche Entlehnungen zu betrachten sind. Letztere werden zwar von grosser Wichtigkeit sein für die Beurtheilung der Frage, woher die üebertragungen und Entlehnungen stammen, mit welchen Gegenden also mehr oder weniger directer Verkehr bestand; für die Fragen der Stammes- Angehörigkeit selbst aber werden sie sich, wenn sie nicht in Einzeldingen besondere charakteristische Eigenthümlichkeiten zeigen, nur mit Vorsicht verwerthen lassen. Um zu zeigen, dass wirklich Bronze-Gefässe in Thon nachgeahmt worden sind, führe ich hier zunächst eine sogen. Schnabel-Kanne, ein GefässNon sehr charak- teristischer Form vor (Katalog Nr. IV, K. 353). Es stammt aus dem sehr reichen Gräberfelde mit Leichen-Bestattung und Leichenbrand von Molinazzo-Arbedo, Canton Tessin (Fig. 1), beschrieben von Ulrich in der Festschrift zur Eröffnung des Fiff. 1. Fig. 2. Schweiz. Landes -Museums in Zürich 1898. Daneben zeige ich die Nachahmung jener bronzenen Schnabel-Kanne in Thon (Fig. 2), aus demselben Gräberfelde (Kat. Nr. IV, K. 357). Es wird wohl niemand daran zweifeln, dass das Bronze-Gefäss für dieses Thon-Gefäss, dessen Henkel abgebrochen ist, als Vorbild gedient hat. (27!)) Sodann zeige ich ein tassenartiges Bronze-Gefäss mit einem hochgescliwungenen, schwanenhalsähnlichen, in einen Vogelkopf endigenden Henkel, welches aus einem Grabhügel bei Wiesenacker in der Oberpfalz (Bayern) stammt (Katalog Nr. llc, 3429 e: vergl. Fig. .3). Als Gegenstück dazu seine unverkennbare Nachbildung in Fig. 4. Fi"-. 3. Thon (Kat. Nr. Ile, o4oOi; vergl. Fig. 4), ebenfalls von Wiesenacker, und ein zweites, etwas einfacher gehaltenes, aber ebenfalls eine unverkennbare Nachbildung des Bronze-Gefässes, gleichfalls aus Bayern, von Büchenbach in Ober-Franken. (Hier nicht abgebildet.) Ficr. 5. (■280) Daraus, dass die Fundorte der beiden Thon-Gefässe nicht allzuweit von ein- ander entfernt sind, kann wohl geschlossen werden, dass derartige Bronze-Gefässe zu mehreren in jene Gegenden gelangt sind und sich einer hervorragenden Be- liebtheit erfreuten, so dass man sich die grosse Mühe nicht verdriessen liess, eine so schwer in Thon nachzubildende Gefässform möglichst getreu in dem weichem Material nachzuahmen. £^ Ferner ihabe ich hier 2 Bronze-Eimer ausgestellt. Der grössere, Fig. 5 (Kat. Nr. I f, 4209) gehört einem grossen zusammengehörigen Grabfunde der römischen Kaiserzeit an und wurde in einem etwa 10— 12Fuss hohen Hügel neben einem Skelet bei Bietkow, Kreis Prenzlau, gefunden. Zu dem Funde, der von Weigel C281) (Nachrichten über Deutsche Alterthumsfunde 18'J0, S. 39) beschrieben ist, gehörten noch u. a. eine Bronze-Casserolle mit Seiher und eine sehr schöne Glasschale. Aehnlich, aber kleiner, ist der andere Bronze-Eimer gestaltet (Fig. B, Kat. Nr. 1735). Leider ist er ganz abgeputzt und der Patina beraubt. Ihn hat bereits V. Ledcbur in seinem gedruckten Katalog (Das Königliche Museum Vaterländischer Alterthümer, Berlin 1S3S, S. 95—97, Tafel TV) beschrieben und abgebildet. Beide Gefässe sind mit grossen Henkeln und reichverzierten Henkel-Oehsen versehen. Als Nachahmung derselben zeige ich Ihnen ein Gefiiss aus dem Gräberfelde von Fohrde (Gallberg), Kr. West-Havelland (Fig. 7, Kat. Nr. If, 2011). Sie sehen, der Körper des Thon-Gefässes bietet in seiner Form eine unverkennbare Aehnlichkeit mit den Bronze-Gefässen. Es fehlt natürlich der Henkel, der sich in Thon nicht nachahmen Hess. Sodann ist es sehr zu beachten, dass das Thon-Gefäss nur an einer Seite des Randes eine grössere erhabene Verzierung trägt, welche offenbar eine Nachahmung der Henkel-Oehse sein soll. Ich habe diese Verzierungen früher als eine Art von Gesichts-Darstellung angesehen, bin aber jetzt der Meinung, dass es Nachahmungen der Henkel-Oehsen sind, welche gewöhnlich in zwei nach aussen gewandte Thier- oder Vogelköpfe enden, aber auch, wie bei diesen Figuren, als Mittelstück nicht selten ein menschliches Antlitz zeigen. Der höchst auffallende Umstand, dass in ganz un- symmetrischer Weise die Henkel-Oehse nur auf der einen Seite angebracht ist, ist ein charakteristisches Zeichen einer Stammes-Eigenthümlichkeit, insofern als in der Gegend des Fundortes, einschliesslich etwa die Prignitz, die Altmark, Meklenburg und Holstein, selbst grössere Gefässe vorzugsweise nur mit einem Henkel versehen wurden, welche Gewohnheit bis in sehr hohe Zeiten hinaufzureichen scheint. In dieser Weise sehen wir die Stammes-Eigenthümlichkeit in der Formengebung und Verzierungsweise gewahrt, auch bei der Nachbildung eines fremdartigen Gegenstandes. Uebrigens weist auch schon v. Ledebur auf eine gewisse Aehnlichkeit des Gefässes (Fig. 6) mit Thon-Gefässen aus dem Gräberfelde von Kahrstedt in der Altmark hin. Dieses Gräberfeld ist zeitlich von dem Funde von Gnevikow nicht sehr verschieden. Auch könnte ich aus dem Gräberfelde von Fohrde noch mehrere Thon-Gefässe zeigen, welche in ihren Formen Anklänge an die Form der vorgezeigten Bronze- Kessel aufweisen, wodurch jedenfalls dargethan wird, dass diese Bronze -Gefässe bei unseren Vorfahren wahrscheinlich nicht so selten und ein beliebtes Vorbild für Nachahmungen in Thon waren. Der räumlichen Verhältnisse wegen beschränke ich mich für heute auf dieses eine jedenfalls recht augenfällige Beispiel aus dieser Zeit. Ich zeige Ihnen ausserdem noch ein Thon-Gefäss, welches wieder aus älterer Zeit, der sogen, jüngeren Bronze-Zeit stammt. Es ist eine einhenklige, flache Schale Fier. 9. Fi?. 8. (282) mit einem kleinen Henkel am Rande, aussen gelblich, innen dunkel gefärbt und mit einigen concentrischen Reihen rundlicher Erhabenheiten verziert. Dieselbe stammt aus dem Gräberfelde von Tschammer-Ellguth, Kreis Strehlitz in Schlesien (Kat. Nr. le, 881; vgl. Fig. S). Sie stellt jedenfalls die Nachbildung einer jener nicht seltenen einhenkeligen tassenförmigen Bronze-Schalen vor, von denen ich zur Erläuterung der Verzierungs- weise nur dieses kleine bei Brandenburg a. H. ge- fundene ungehenkelte Gefäss (Fig. !', Kat. Nr. II, 5569) vor- zeigen kann. Aehnlicher in der Form ist ein ebenfalls im Museum befindliches Gefäss, welches in der Gegend von Schlichen stammt und von dem bekannten Dr. Wagner einstmals geschenkt worden ist. Nun habe ich Ihnen heute noch ein hierhergehöriges Bei- spiel vorzuführen, das nicht minder augenfällig als die an- deren, durch die Fundorte aber von hochbedeutendem Inter- esse ist. Ich zeige Ihnen zunächst dieses becherartige Thon-Gefäss, welches auf einem verhältnissmässig hohen, run- den, nach oben sich ein wenig verjüngenden, hohlen Fuss eine fest mit ihm verbundene kuge- lige Schale mit horizontalem breiteren Rande trägt (Fig. 10). Es ist eine nicht unschöne Form und ihre Ausführung zeugt von nicht geringem Können, sowohl von techni- scher Fertigkeit, als auch von sicherer Auffassung der Form. Dabei ist die Form eine sehr ungewöhnliche, der man es ansieht, dass sie nicht dem plötzlichen Einfall einer ein- zelnen Person ihre Entstehung verdankt. Dies Gefäss ist in dem bekannten Gräberfelde von Freiwalde, Kreis Luckau, gefunden worden. (Kat. Nr. If, 2307; P'ig. 10.) Als Gegenstück zu diesem hervorragenden Producta unserer einheimischen prähistorischen Töpferei kann ich Ihnen nun dieses Bronze-Gefäss vorzeigen, das mit einem anderen ganz ähnlichen Bronze-Gefäss in einem Hügelgrabe bei Buch- heim, im südlichen Baden, nicht weit von der Hohenzollernschen Grenze gefunden (i>83) wurde (Katalog Nr. Tic, '2840, vergl. Fig. 11). Die Aehnlichkeit dieses Bronzc- Gefässes mit dem Thon-Gefäss ist eine ganz unverkennbare und die Form dieser beiden Stücke ist zugleich eine so eigenartige, dass jeder wird zugeben müssen, dass den Thon-Becher nur jemand geformt haben kann, der ein solches Bronzc- Gefäss als Muster vor Augen gehabt hat. Vergegenwärtigen wir uns nun aber die Fundorte, von denen der des vor- bildlichen Bronze-Gefässes im südlichen Baden, also nicht weit vom Bodensee ge- legen ist und der des Thon-Gefässcs am nördlichen Rande der Lausitz, nicht all- zuweit von hier, so können wir mit Sicherheit annehmen, dass auch hier solche Bronze-Gefässe im Gebrauch gewesen sein müssen, die aber den Todten mit in die Gräber gegeben wurden. Wir können daraus schliessen, dass unsere Vor- fahren hier zu Lande in jener frühen Vorzeit nicht so ärmlich waren, als wir nach der Seltenheit von Metall-Beigaben in ihren Grab-Inventaren schliessen müssten, sondern dass es bei ihnen nicht Sitte war, die kostbaren Schätze von Metall den Verstorbenen mitzugeben. Wenn wir nun ausserdem den weiteren Befund von Thon- Gefässen aus dem Gräberfelde von Freiwalde durchsehen, so finden wir mittel- grosse Gefässe ohne Henkel, am oberen Theile des ausladenden Bauches bis nahe an den die weite Mündung umgebenden umgebogenen Rand mit horizontalen Furchen („Canneluren", „Kehlstrichen") verziert, in der für den Lausitzer Typus charak- teristischen Ornamentirungsweise. Ganz ähnliche Gefässe sind nun auch in dem Stein- gewölbe des grossen kürzlich aufgedeckten Grabhügels von Seddin gefunden worden, dessen reicher Bronze-Inhalt in das Märkische Museum gelangt ist. Der Zeitunter- schied zwischen diesem Grabhügel und dem Gräberfelde von Freiwalde dürfte also, wenn er vorhanden ist, nicht allzu gross sein, worauf auch, ausser dem übrigen Inhalt jenes Grabhügels, der im Kgl. Museum aufbewahrte Inhalt eines anderen Grabhügels desselben Gräberfeldes von Seddin hindeutet, in welchem eine sog. Thür-Urne und der in Bronze getriebene Rand eines verloren gegangenen Gefässes aus unbekanntem Material gefunden wurde. Dagegen sind trotz dieser nahen Beziehungen die grossen Unterschiede zu constatiren, welche darin bestehen, dass die Bewohner der Frignitz, speciell der Gegend von Seddin, die Sitte hatten, ihren Todten, jedenfalls auch wohl nur ihren hervorragendsten, hohe Grabhügel zu errichten und ihnen ihre ganze kostbare Habe in das Grab mitzugeben, während die Bewohner der Lausitz, speciell jene der Gegend von Freiwalde, ihre Todten in Flachgräbern beisetzten und die Kost- barkeiten des Verstorbenen nicht in das Grab mitgaben. Die Sitte, in Flach- gräbern die Todten zu bestatten, ist auch nicht in der ganzen Lausitz und dem ihr zugehörigen Gebiet allgemein üblich gewesen. Sie bezeichnet deshalb auch wohl nicht einen durchgreifenden Stammes-Ünterschied, denn wir finden in der Gegend von Herzberg und Schlieben beiderlei Bestattungen, Hügelgräber und Flach- gräber, deren keramische Beigaben im Grossen und Ganzen wohl demselben Stile angehören. Bemerkenswerth ist aber auch hier bei diesem Thon-Becher das Vor- handensein einer charakteristischen stilistischen Stammes-Eigenthümlichkeit, welche wiederum auf den Stil des Lausitzer Typus hinweist, nehmlich die horizontale Furchung am unteren Abschnitt des Becher- Fusses. Es besteht also auch hier wiederum eine einheimische stilistische Eigenthümlichkeit, trotz der Entlehnung der fremd- artigen Form. Demnach ist die Form veränderlicher; das Ornament dagegen, der Bevölkerung von Jugend auf anerzogen und von ihr geübt, wurzelt fester im Ge- schmack und in dem technischen Können. Das aber ist noch von besonderer Wichtigkeit und für die Beurtheilung der sehr relativen Sicherheit statistischer Schätzung besonders zu beachten, dass wir in Bezug auf solche Flachgräber, wie jenes Gräberfeldes von Freiwalde, und die (284) Hügelgräber gleichen Inhalts, gar keinen Maassstab haben für das, was die da- maligen Landes-Bewohner an Metall-Schätzen besessen haben und welche Formen und Stilarten letzteren eigen war. Wir sind in dieser Beziehung fast ausschliesslich auf die wenigen Depotfunde angewiesen, die doch nur ein höchst unvollkommenes und lückenhaftes Bild gewähren. Ich kann nach Obigem nur wiederholen, was ich zu Anfang betont habe, dass die keramischen Studien weit sorgfältiger und eingehender betrieben werden müssen, um mit ihrer Hülfe die Lücken, welche überall sich zeigen, möglichst zu ergänzen. Dazu bedarf es aber sicherer Unterscheidungen, nach Material, Technik, Stilarten und Verbreitungs-Gebieten. — Hr. Olshausen ist der Meinung, dass das von Hrn. Voss vorgelegte Schnabel- Gefäss aus Bronze einem Thon-Gefäss nachgebildet sei, und nicht umgekehrt. — Hr. Voss hebt nochmals hervor, dass die Bronze-Kanne ganz ausgeprägten Metall-Stil zeige, wofür namentlich der freiragende, weit vorspringende, schnabel- förmige Ausguss spreche. — Hr. Kossinna spricht sich im Sinne des Vortragenden aus. — (lo) Hr. V. Luschan legt mehrere Schädel aus dem Museum vor: 1. einen deformirten Schädel aus Guatemala mit dem Längenbreiten-Index von 123. '2. einen Massai-Schädel mit dem ungewöhnlich grossen Inhalt von nahe an "2000 ccm. '6. einen Schädel aus Neu-Britannien mit ungewöhnlich grossen Pränasal- Gruben. — Hr. Waldoyer bemerkt, dass die Pränasal-Gruben jedenfalls nicht durch Ge- schwülste veranlasst seien. — (14) Hr. Waldemar Belck übersendet aus Prankfurt a. M., 13. Juni, Mittheilungen über armenische Streitfragen. Hr. Dr. Lehmann hat in diesen Verhandl. 1900, S. 612 ff. eine Entgegnung auf meine ebend. S. 443ff. gedruckte Mittheilung über „Die Keil-Inschriften in der Tigris - Quellgrotte und über einige andere Ergebnisse der armenischen Expedition" veröffentlicht, in der er meine Ausführungen kritisirt, als grösstentheils unzutreffend oder belanglos hinstellt und andererseits ihm zugeschriebene Fehler und Irrthümer vertheidigt. Hr. Dr. Lehmann beehrt mich wiederholt mit dem Titel „mein Kritiker, bezw. mein Recensent", indessen lag meinen Ausführungen nichts ferner, als die Absicht Hrn. Lehmann's Ansichten zu kritisiren. Ich war nur und bin noch der Ansicht, dass, wenn man an so bedeutsamer Stelle, wie es die Berichte der Berliner Akademie der Wissenschaften sind, einen abschliessenden Bericht über die Ergebnisse einer Expedition erstattet, dieses mit der allergrössten Sorgfalt zu geschehen hat. Die Thatsache, dass im Eingange des Akademie -Berichtes (S. 1, bezw. 619) gesagt wird: „Sofern nichts Anderes bemerkt („ B e 1 c k ", „m. E."), sind für das die chaldischen Inschriften Betreffende beide Reisenden verantwortlich," musste mich nothgcdrungen veranlassen, die offensichtlichen Fehler bekannt zu geben und meinerseits die Verantwortung hierfür und für manche andere divergirenden (285) Punkte abzulehnen. Aus dieser Veranlassung ist meine Abhandlung (Verhandl. 11)00, S. 443 ff.) entstanden. Ich habe dabei, und das ist augenscheinlich ein Fehler gewesen, die Versehen und Irrthümer des Hrn. Lehmann nur leicht ge- streift, mich mit einem Hinweise darauf begnügt, dass z. B. die Liste der In- schriften nicht vollständig sei usw. Da Hr. Lehmann meine Zurückhaltung in dieser Beziehung zu dem Nachweise benutzt, dass eine „Berichtigung" meinerseits auf Grund des thatsächlich nur dürftigen Materials eigentlich so zu sagen überflüssig gewesen sei, sehe ich mich nunmehr veranlasst, etwas mehr ins Detail zu gehen. um den Bericht wenigstens in der Hauptsache zu dem zu machen, was er u. A. zu sein behauptet, nehmlich zu einem „Verzeichniss sämmtlicher vorchaldischer und chaldischer Inschriften'" (soweit solche bis zum Tage der Drucklegung des Berichtes bekannt ge- worden waren). Vorher aber möchte ich noch einige irrige Auffassungen des Hrn. Lehmann richtig stellen. Hr. Lehmann behauptet (S. (J12), dass ich seine Ansicht über die Inschriften an der Quellgrotte des Tigris als eine „arge Verwirrung" bezeichnet habe; das ist nicht der Fall. Ich sage auf S. 451 nur: „Leider kann ich diese seine Meinungsänderung nicht mit Genugthuung begrüssen, da nunmehr die ganze Frage erst recht in arge Verwirrung gebracht worden ist." Von einer „verwirrten Ansicht'' des Hrn. Lehmann ist keine Rede; im Uebrigen liegen gerade bei diesen Inschriften die Dinge so verwickelt, dass es in der That schwer hält, zu der richtigen Auffassung zu gelangen. Auf die Anm. 1 auf S. 612 hier schon einzugehen, erübrigt sich einstweilen, bis die Begründung der gegentheiligen Ansichten des Hrn. Lehmann in extenso vorliegen wird. Auf S. 6'24 sagt Hr Lehmann in der Anmerkung: „Im höchsten Grade überrascht haben mich Hrn. Belck's Worte: „puiusi kann bezeichnen: 1. ganz allgemein die Tafel, event. auch ver- allgemeinert „Inschrift-Tafel", auf welche der König schreibt (so bisher ich und jetzt auch Lehmann ).** Dass im Assyrischen duppu und das Ideogramm DUB, das vom Assyrischen ins Chaldische über- gegangen ist, „Schrift -Tafel-' und nur dieses bedeutet, lernt jeder Student des Assyrischen im ersten Semester. Mir ist es seit issi, elf Jahre, ehe ich Hrn. Belck zum ersten Male begegnete, bekannt." Hr. Lehmann ereifert sich völlig unnöthig. So interessant auch das Factum, dass er schon l.s.sl die Bedeutung von duppu, bezw. DÜB gekannt hat. an und für sich ist, so hat es doch andererseits gar nichts mit der Bedeutung von „puiusi" zu thun. Wenigstens vermag ich aus der Thatsache, dass DUB, bezw. .duppu im Assyrischen „Schrift-Tafel" heisst, absolut gar nichts zu folgern fün die Bedeutung des chaldischen Wortes „puiusi", das nie mit DUB zusammen vorkommt. Und so wie mir, ist es auch anderen Forschern gegangen, so dass Hr. Prof. Sayce, als ich ihm vor 6 Jahren brieflich meine Ansicht über die Be- deutung von puiusi (= Tafel) begründete, mir seine Zustimmung aussprach, ohne dabei freilich zu moniren, dass er schon seit Jahrzehnten über die Bedeutung des Ideogrammes DUB informirt sei. Auf die anderen Irrthümer komme ich bei Besprechung der einzelnen In- schriften zurück. Ich hatte auf S. 44.:! bemerkt: „In erster Linie ist hervorzuheben, dass die Liste der (bisher bekannten) chaldischen Inschriften nicht vollständig ist." Hr. Lehmann sucht sich über diesen Fehler hinwegzuhelfen mit der Versicherung. dass er in der Liste nur das Sichere gegeben und sich bei der Zählung der In- schriften auf Minima beschränkt habe. Unseres Erachtens gehört in eine Liste, die ausdrücklich als „Verzeichniss sämmth'cher vorchaldischer und chaldischer Inschriften " bezeichnet wird, auch alles sicher Bekannte hinein, ganz besonders aber die seit Langem publicirten Inschriften! Wie es aber nach dieser Richtung hin mit der Zu- verlässigkeit des Akademie -Berichtes bestellt ist, ergiebt die nachfolgende Zu- sammenstellung derjenigen Inschriften, welche bei Antritt unserer Reise bereits bekannt und grösstentheils auch publicirt waren, trotz alledem aber von Hrn. Lehmann übersehen worden sind, also nicht in dem ^^ Verzeichniss" stehen. Es sind dieses die Inschriften: A. von Sayce publicirt: L Nr. X, 8 zeilige Inschrift, bisher in der Kirche zu Z(i)gkeh, jetzt in der Citadellenstadt Van. 2. Nr. XI, 5 zeilige Inschrift, ebendorther, jetzt auch in Van. 3. Nr. XIa, Szeilige Inschrift, ebendorther; war nicht mehr aufzufinden. Ein Duplicat dieser Inschrift = Xlb befindet sich im Besitze des Consuls Gamsaragan. 4. Nr. XIV, eine Zeile dreimal wiederholt, Säulenstein, im Kloster Warrak (Yedi Kilissa). 5. Nr. XVI, 6 zeilige Inschrift von Z(i)gk?h, jetzt in Van. 6. Nr. XXVII, 2.S zeilige (14 Zeilen zweimal wiederholt), prachtvoll erhaltene Stelen-Inschrift in Karahan, an der Mündung des Bendimahi-tschai in den Van-See (an der Nordost-Ecke des Sees). Der riesige Schriftstein besteht aus hochpolirtem Porphyr und gewährt einen prächtigen Anblick. 7. Nr. LXIX, 3 zeilig, in Patnotzt; nicht mehr auffindbar. 8. Nr. LXX, eine Zeile, ebendort; nicht mehr auffindbar. - 9. Nr. LXXV, 6 zeilig, im Kloster Warrak. 10. Nr. LXXVI, 3 zeilig, ebendort. B. von Nikolsky publicirt unter: 11. Nr. XX, 8 zeilig, aus Armavir, jetzt in Etschmiadzin. C. von mir selbst LSül gefunden und in meiner Liste (Zeitschrift für Ethnologie l.s92, S. 124fr.) aufgeführt unter 12. Nr. 15a und 13. Nr. 15b, beide aus dem Dorfe Noorkjuch. Die eine derselben ist inzwischen nach dem Insel -Kloster Agthamar verbracht worden, die andere befindet sich nach wie vor in der Innenmauer der armenischen Kirche zu Noork- juch, seitlich (rechts für den Davorstehenden) in der Taufnische ein- gelassen. So weit es möglich war, liess ich diese Inschrift auf der Rück- seite freilegen, wobei sich meine Vermuthung, dass sie auch dort be- schrieben sei, bestätigte. D. von Hrn. Galust Ter Mkertchian schon 1-S!t(; (also nicht erst während unserer Reise lS98/!i;i, wie Hr. Lehmann S. 619 irrthümlich behauptet) veröffentlicht in der armenischen Zeitschrift Ararat: 14. Inschrift des Argistis I auf einem in Schahriar gefundenen Säulenstein. Hr. Lehmann erwähnt in diesen Verhandlungen, S. 572, Anm. 5, diese seiner Aufmerksamkeit bis dahin entgangene Inschrift, giebt aber deren Text falsch (287) wieder. Der richtige Text lautet: (G) Hal-di-ni-ni al-su-i-si-ni "•■ Ar-gi-is-ti-se "-•Me-nu-u-a-hi-ni-se i-ni BIT^) za-du-ni. M. E. hat nun aber weiter jede als selbständig charakterisirte Inschrift ein Anrecht darauf, unter einer besonderen Nummer zu erscheinen; keinenfalls darf sie beliebig mit anderen Inschriften zu- sammen geworfen werden, und ist das von früheren Forschern aus Unkenntniss der Verhältnisse und falscher Beurtheilung der Inschriften doch geschehen, so müssen solche Fehler eben beseitigt werden. Von diesem Standpunkte aus ist die Inschrift Sayce XXVII Anm. mit einer besonderen Nummer versehen, ebenso dürfen Nikolsky Nr. 13 und Nr. 14 nicht als eine Nummer gefasst werden, zumal es sehr zweifelhaft ist, ob die beiden Inschrift- Steine thatsächlich reine Duplicate sind. Warum die Inschriften Nikolsky Nr. 17 und Nr. 23 als eine Inschrift gefasst werden, ist mir nicht klar; auch hier ist eine Nummer einzuschalten. Dasselbe hat bei den Inschriften von Karatasch zu geschehen, die, wie ich weiterhin zeigen werde, nichts miteinander zu schaffen haben. Hrn. Lehmann's diesbezügliche Ausführungen sind durchweg irrig und nur durch seine Unkenntniss der geo- graphischen und topographischen Verhältnisse erklärlich. Hierzu kommen nun noch einige weitere Anstände. Wenn Hr. Lehmann Sayce Nr. XXVI, 3 nicht aufzählen will, so ist das zu begründen. Ich vermuthe nehmlich, und zwar aus sehr triftigen Gründen, dass dieser Schriftstein durchaus derselbe Stein ist, wie Sayce Nr. 2b. Genau dasselbe vermuthe ich für die In- schriften Sayce Nr. 0 und Sayce Nr. 13, wenngleich ich hier meiner Sache nicht ganz so sicher bin, wie im erstgenannten Falle. Uebrigens existirten S. I> und S. 13 schon bei meinem Besuche im Jahre 18!»1 nicht mehr in jenem Kloster. Unter die Inschriften, die unmittelbar auf die Chalder Bezug haben, gehören auch die Inschrift Sayce Nr. 57 und das in der Zeitschr. für Ethnol. ISÜH, S. 117 ff. von mir erwähnte Täfelchen, als dessen Verfasser ich, nach dem ganzen Wortlaute des Briefes, richtig den Fürsten Urzana von Musasir vermuthet hatte 2). Dass Urzana ein Verehrer des Gottes Haldis war, geht, wenn aus nichts anderem, so aus Sargon's Berichten hervor; der Umstand, dass seine Inschriften in assyrischer Sprache abgefasst sind^), kommt für die Frage, ob man dieselben als solche eines Chalders aufzufassen hat, nicht in Betracht. Auch Sardur I. von Nairi, der Sohn des Lutipris, war schwerlich ein ächter Chalder im strengsten Sinne des Wortes, sondern nur stammesverwandt mit ihnen; genau dasselbe ist auch für Urzana anzunehmen und wird auch von Hrn. Lehmann angenommen. Wenn aber bei solchen Verhältnissen die assyrisch geschriebenen Inschriften Sardur's I. in der Liste der chaldischen Inschriften aufgeführt werden, so kann man dasselbe auch bezüglich der Inschriften Urzana' s verlangen. Dass auch die von uns selbst neu gefundenen Inschriften nicht vollzählig auf- geführt sind in dem Verzeichniss, habe ich a. a. 0., S. 443, ganz kurz erwähnt; es sind nicht nur Fragmente, um die es sich dabei handelt. Denn zwischen Nr. 4S und Nr. 41» ist z. B. eine neugefundene dreizeilige Canal-Inschrift (vom Semiramis- 1) Es ist keineswegs sicher, dass das assyrische BIT im .Chaldischen durch ase wieder- zugeben sei, -wie Hr. Lehmann es a. a. 0 thut. Das Ideogramm BIT deutet im Clhaldischen lediglich an, dass es sich um ein dem Gottesdienste geweihtes Gebäude handelt, aber ob es sich dabei um ein ase oder ein gi oder ein tu-lu-ri, bezw. um ein 'a-ri dreht, ist in fast allen Fällen zweifelhaft. 2) Vergl. dazu auch Lehmann, Verhandl. 1899, S. 589. 3) Zur Erklärung dieser auffälligen Thatsache vergleiche man meine Ausführungen in der Zeitschr. für Ethnol. 1899. S. 127 ff. (288) Menuas-Canal bei Van) einzuschalten, die wir in einem Seilenthal, etwas abwärts von Nr. 4Ü in der dort riesigen (bis zu s — 10 m hohen) Stützmauer des Canals entdeckten. Unter den von Hrn. Lehmann selbst copirten, und doch in dem Verzeichniss übersehenen Inschriften, möchte ich noch einen weiteren Thonscherben mit Maass- bezeichnung erwähnen, der aus den Ausgrabungen von Schuschanz stammt, jetzt aber in der armenischen Waisenschule in Van aufbewahrt wird. Das betreffende Gefäss enthielt nur ein Akarki (4- x Hirusi), während die auf Toprakkaleh aus- gegrabenen riesigen Thonkrüge alle ö Akarki (+ x Hirusi) enthielten. Was die im Verzeichniss nicht enthaltenen Fragmente anbetrifft, so habe ich schon l'S!»l in Garmirwor Wank gefunden: ein Fragment des Menuas mit 2 Zeilen und fünf Fragmente unsicherer Zuweisung; i8fKN/99 habe ich noch weitere drei Fragmente unsicherer Zuweisung ebendort gefunden. Von diesen zusammen 0 Fragmenten sind im Verzeichniss überhaupt nur 2 unter Nr. 96 und 97 aufgeführt. die anderen 7 sind übersehen worden. Das gleiche Schicksal haben 2 Fragmente in Güsack, das eine sechszeilig, das andei-e zweizeilig, gehabt. Die vorstehenden Nachweise dürften genügen, um die Ansicht des Hrn. Lehmann, meine Bemerkungen über den Bestand an Inschriften usw. (a. a. ()•. S. 616) enthielten nur geringfügige thatsächliche Berichtigungen, als nicht zu- treffend erscheinen zu lassen. Selbst abgesehen von den Thonscherben mit Maass- angaben, die in Toprakkaleh ausgegraben worden sind, und auf die ich noch zu- rückkommen werde, ist die von Hrn. Lehmann angegebene Zahl existirender und bekannt gewordener chaldischer Keil -Inschriften in sehr erheblichem Maasse zu erhöhen. Ob ein Bericht, in dem allein "25 in chaldischer Sprache abgefasste In- schriften, bezw. Inschrift-Fragmente übersehen worden sind, — oder hat Hr. Lehmann in seinem Bestreben, nur Minimalzahlen zu geben, alle diese In- schriften absichtlich übergangen? — , Anspruch auf die Bezeichnung erheben darf, ein ., Verzeichniss sämmtlicher vorchaldischer und chaldischer Inschriften" zu geben, kann ich danach ruhig dem Urtheil der Forscher überlassen, die mir, dessen bin ich gewiss. Dank dafür wissen werden, dass ich den Thatbestand richtig- gestellt habe. Ehe ich nun auf die bei der Aufzählung und Charakterisirung der In- schriften Hrn. Lehmann untergelaufenen Irrthümer eingehe, möchte ich noch einen anderen Punkt kurz berühren. Er sagt wiederholt (z. B. S. 61o, Anm. la), dass für jeden, der sich mit den Inschriften beschäftige, klar sei, dass ihm bei (lern und dem Punkte das und das Versehen untergelaufen sei. In der That hat Hr. Lehmann Recht: ich sehe derartige Versehen sofort und corrigire sie in meinem Handexemplar, ohne damit auch nur eine Minute Zeit zu verlieren. Um aber das thun zu können, muss ein Forscher eben so genau mit dem gesammten Bestände an chaldischen Inschriften und deren Topographie usw. bekannt sein, wie ich es eben bin. Von jedem Anderen ist es aber doch wahrlich viel verlangt, dass er alle Angaben eines solchen Berichtes nun erst mit früheren Publikationen darauf- hin vergleichen soll, ob nicht irgendw'o ein Widerspruch vorliegt, um sich den- selben dann nach der einen oder anderen Richtung hin zu lösen. Sehr häufig wird ein Dritter dazu gar nicht im Stande sein; denn wenn er in früheren Publikationen von 6 Argistis-Zimmern liest, im Akademie-Bericht aber nur von ö, so wird er wahrscheinlich die letztere Zahl für die richtige, die erstere als auf einem Druckfehler oder A' ersehen beruhend betrachten, denn von einem Akademie-Bericht erwartet jeder naturgemäss eine erhöhte Zuver- ässigkeit der Angaben. \ (289) Selbst Hr. Lehmann, der von mir darüber informirt war, dass ich eine Be- richtigung zu dem Akademie-Bericht zu veröffentlichen gezwungen sei, hat weder in seiner Abhandlung vom Juli vorigen Jahres, noch auch in der vom December 1900 die von mir bereits raonirten und noch weiterhin zu monirenden Schreib- und Druckfehler, bezw. Irrthümer bemerkt und corrigirt; wie kann er das nun gar erst von Anderen verlangen? Ich werde nun bei den einzelnen Inschriften eine, durchaus nicht auf Voll- ständigkeit Anspruch erhebende Reihe von Berichtigungen geben, die auch einige Druckfehler mit umfassen soll; zugleich benutze ich die Gelegenheit zur Mittheilung weiterer interessanter Daten über die Inschriften und neuerdings von mir gemachter Beobachtungen. Nr. 2 ist — Sayce Nr. 2. nicht Nr. 3, wie' der Bericht giebt. Nr. 9 befindet sich nicht „in", sondern „bei" einem Garten, richtiger „an der Seite der durch die Gärten von Zevastan führenden Dorfstrasse" und dient als Ab- schlussstein eines Wasser-Canals. Nr. 12: Der Schluss lautet: zu-u-i (nicht ni); das Wort gi (durch einen Stern als neu gefunden bezeichnet) war schon vorher richtig gelesen worden von Sayce. Nr. 13: ist ein Säulenstein (basis: verdruckt?) und enthält 2 verschieden lautende (nicht 3 gleichlautende) Zeilen. Nr. 14: Die früher nur höchst fragmentarisch bekannte Fluchformel ist, nachdem icli den Stein hatte herausbrechen und freilegen lassen, neu gewonnen worden^). Nr. 15 ist mit einem Stern zu versehen, da von uns neu gefunden. Nr. 17: Bei Rs. ist anzufügen = Sayce Nr. 56. Nr. 18: Felsen - Inschrift beim Tabriz Kapussi in Van. Hr. Lehmann sucht auf S. 61S seine Ansicht, dass diese Inschrift aus der Zeit der gemeinsamen Regierung des Ispuinis und Menuas stamme, aufrecht zu erhalten. Er sagt: „Allerdings ist hier Ispuinis allein der Redende, aber als Erbauer, bezw. Her- steller der Chaldisburg werden genau, wie ich es im Akademie-Bericht ausgeführt habe, Ispuinis, Menuas und dessen Sohn Inuspuas genannt. Die Inschrift stammt aus der Zeit der gemeinsamen Regierung des Ispuinis und Menuas"-). Diese Schlussfolgerung verstehe ich nicht. Ispuinis erwähnt in der Inschrift, dass ausser ihm sich auch sein Sohn und Enkel werkthätig an dem Aufbau der Burg von Van betheiligt haben; das soll ein Beweis sein, dass zur Zeit der Ab- fassung der Inschrift eine gemeinsame Regierung von Vater und Sohn stattge- funden habe? Zum mindesten müsste man dann doch schon, um ganz logisch zu verfahren, auch noch den Enkel zum Mitregenten ernennen. Es hat bisher noch niemand daran gedacht, Inuspuas, weil er in 3 Inschriften seines Vaters Menuas mit erwähnt wird, deshalb sofort zum Mitregenten seines Vaters zu machen! 1) Wie gefährlich dieses Herausnehmen der meist 2 m langen Steine aus den Mauern den Laien erschien, erhellt am Besten aus dem Umstände, dass ich einen Revers aus- stellen musste, in dem ich mich für jeden etwa entstehenden Schaden haftbar und, im Falle, dass eines der Gebäude dabei zusammenstürzen sollte, bereit erklärte, dasselbe auf unsere Kosten neu aufbauen zu lassen. 2) Von mir gesperrt. W. B. Verhandl. der Berl. Anthropol. Gesellschatt 191)1. 19 (290) Im Uebrigen widerstreitet der Tenor der wirklich aus der Zeit der gemein- samen Regierung von Ispuinis und Menuas herstammenden Inschriften durchaus der Ansicht des Hrn. Lehmann. Alle jene Inschriften nehmlich sind im Namen beider Herrscher abgefasst, beide zugleich treten als die Redenden, Weihenden oder Anordnenden auf, wobei naturgemäss der Vater immer zuerst genannt wird. In der vorliegenden Inschrift dagegen spricht und berichtet lediglich und aus- schliesslich Ispuinis, der schliesslich nach dem Tenor der Inuspuas-Inschriften Opfer für sich, seinen Sohn und seinen Enkel anordnet. Das beweist m. E. klar und deutlich, dass die Inschrift aus der Zeit der Alleinherrschaft des Ispuinis stammt. Ich benutze die Gelegenheit auf eine ganz singulare Ausdrucksweise in dieser Inschrift hinzuweisen. In Zeile 3 spricht Ispuinis von sich selbst, bezeichnet sich aber dabei nicht als „ich", oder als „Ispuinis", sondern einfach als '" Sardurihinis, also als Sarduräer (Descendent, Sohn des Sardur). Hinis ist übrigens, entgegen der Anschauung des Hrn. Lehmann, der es in der Zeitschr. ftir Ethnologie 18!M), lediglich als ein Suffix bezeichnet, ein selb- ständiges chaldisches Wort und tritt auch als solches auf, wovon sich Hr. Leh- mann bei genauerem Studium der chaldischen Inschriften wohl überzeugen wird. Es kann deshalb auch sehr wohl, wie ich das früher gethan habe, mit dem georgischen „schwilis" verglichen werden. Nr. 19: Aschrut-Darga ist, wie von mir festgestellt, von Hrn. Prof. Wünsch an Stelle von Aschotagert (= Stadt des Aschot) verhört worden; einen Bergzug „Aschrut-Darga" giebt es nicht und wissenschaftlich kann fortan nur die Be- zeichnung „Inschrift von Pagan (Aschotagert)" in Frage kommen. Nr. 20 ist keine St.-I. (= Stelen -Inschrift); die Inschrift befindet sich viel- mehr auf einem etwa kubischen Baustein, der ehemals in der Mauer der Chalder- Burg bei Alt-Muchrapert steckte. Nr. 21: Meher Kapussi. Die Bezeichnung: „Opfer für sämmtiiche Götter des Chalder- Volkes, wie der von ihnen unterworfenen Völker", ist und bleibt ungenau trotz der neuerlichen Ausführungen des Hrn. Lehmann auf S. 618/19. Seine Frage: „Sollten nicht die nicht genannten Götter grösstentheils Gebieten und Cultstätten angehören, die zur Zeit der Ausfertigung der Inschrift (unter der Gesammtherrschaft des Ispuinis und Menuas, also fast zu Beginn der chaldischen Geschichte) noch nicht von den Chaldern erworben und unterworfen waren?", auf die Hr. Lehmann selbstverständlich eine bejahende Antw^ort voraussetzt, muss leider sehr bestimmt verneint werden. Dass Hr. Lehmann diese Möglichkeit überhaupt in Betracht zieht und die- selbe auch für die Inschrift von Karahan und den darin genannten Gott öi-i-u-i-ni(s) erörtert, beweist, dass er sich über die geographischen Verhältnisse nicht klar ist. Wenn man die Karte des Van -Sees zur Hand nimmt und darauf die Localitäten der Ispuinis-Inschriften, bezw. der mit den in der Inschrift von Meher Kapussi auftretenden Gottheiten gleichnamigen Localitäten, so weit die Identificirung der letzteren mir gelungen ist, einträgt, so wird man sofort sehen, dass das Ufergebiet dieses Sees mindestens bis zum Sipan Dagh (wahrscheinlich aber sogar bis Tadwan) zur Zeit der Einmeisselung der Inschrift von Meher Kapussi acht chaldisches Gebiet war (vergl. z. B. die Bau -Inschriften des Ispuinis in Patnotz). Karahan liegt unmittelbar am Seeufer und an der Mündung des genau an der Nordost- Ecke des Sees in ihn hineinströmenden Bendimahi-tschai, und zwar auf dessen rechtem Ufer. Ganz in der Nähe liegt das bedeutende Dorf Arnis, dessen Gottheit (291) in Meher Kapussi genannt wird; noch weiter nach Westen liegt am Seeufer das Städtchen Ard(j)is, dessen Name als ein sehr alter schon durch Ptolomaeus be- zeugt ist, und der höchst wahrscheinlich mit dem der in Meher Kapussi genannten Gottheit Ardis identisch ist. Unter diesen Umständen davon zu sprechen, dass es sich hier um ^Gebiete und Cultusstätten handle, die z. Z. der Ausfertigung der Inschrift von Meher Kapussi noch nicht von den Chaldern erworben und unterworfen gewesen seien", ist unzu- lässig. Es ist vielmehr an dem Faktum festzuhalten, dass ein Theil der zum chaldischen Pantheon gehörigen Gottheiten aus einstweilen noch unbekannten Gründen in der Inschrift von Meher Kapussi nicht aufgeführt ist. Bei der Collation und Ausmessung dieser Inschrift hat sich übrigens u. A. er- geben, dass in Zeile 8 und 43 nicht ein Gott Hal-ra-i-ni-(e), sondern ein Gott Tar-ra-i-ni-(e) genannt wird, dessen Name vielleicht zu der alten Benennung der Ebene von Musch (= Taraunitis, bezw. Taronitis) in Beziehung zu setzen ist. Auch einer anderen Auffassung des Hrn. Lehmann (S. 619, Anmerkung), dahingehend, dass es sich vielleicht um Local- Gottheiten handle, die wohl für einen bestimmten Ort, also z. B. Karahan, von Bedeutung gewesen seien, für den Gesammtcult der Chalder aber minder in Betracht gekommen wären, möchte ich hier gleich entgentreten. Denn die Thatsache, dass dieser selbe Gott Siuinis in der Stelen -Inschrift des reichlich 30 km weitei westlich gelegenen Celabi Bagi genannt und mit Opfern bedacht wird, und zwar an hervorragender Stelle, gleich hinter dem Gotte Teisebas und vor einer ganzen Reihe aus der Inschrift von Meher Kapussi wohl- bekannter Gottheiten höheren Ranges (z. B. Kuera, 'Arubanis, Inuanas, Nalainis), ist ein deutlicher Beweis, dass Siuinis von einem grösseren Gebiete verehrt wurde und zu den höheren Gottheiten zählte. Darauf lässt ja auch schon die Thatsache schliessen, dass Menuas für sich und seinen Thronfolger diesem Gotte eine Weih- Inschrift errichtet und specielle Opfer für ihn festsetzt. Und wenn in dieser selben Inschrift von Celabi Bagi der Gott Aniku(gi)e genannt wird, der etwa IbO km nördlich auch am Araxes verehrt wird, mithin keine inferiore Gottheit sein kann, trotzdem aber nicht in der Inschrift von Meher Kapussi genannt wird, so ist das ein weiterer deutlicher Beweis dafür, dass Hr. Lehmann mit seinen Ansichten nicht das Richtige trifft. Ich benutze die Gelegenheit, um auf eine sehr interessante Stelle der Celabi Bagi-Inschrift hinzuweisen, die vielleicht etwas zur Aufklärung beitragen kann: In Zeile 6 wird ein Schaf zum (doch wohl regelmässig jährlich wiederkehrenden) Opfer bestimmt dem "' Ar-gis-ti[ni-e(Ilu)] ^). In Zeile 7 folgt ein rimu (?) (bisher mit „Wildochse, bezw. Wildstier" von den Assyriologen übersetzt, während ich dafür schon 1898 in Van die Bedeutung „Büffel" vorgeschlagen habe), dem "' Ar-gis-ti[ni-e(Ilu)] . . su pi(?) • und in Zeile 31 und 32 wird jedesmal ein Schaf dem '" Ar-gis-ti-ni-e (Hu) bestimmt. Hier sind meines Erachtens nur zwei Erklärungen möglich : Entweder genossen bei den Chaldern die Könige selbst göttliche Ehren, so dass sie als „Gott" be- 1) Hu = Gott. 19* (292) zeichnet und deingemäss auch mit Opfern bedacht wurden, wobei es einstweilen dahingestellt bleiben muss, ob eine solche göttliche Verehrung der Könige schon zu deren Lebzeiten oder erst nach ihrem Tode eintrat (je nachdem das Letztere oder das Erstere der Fall war, würden sich diese Opfer auf Argistis L oder auf ihn, bezw. Argistis II, seinen Urenkel, den Urheber dieser Inschrift, beziehen). Oder aber, was ich für minder wahrscheinlich halte, der die Inschrift errichtende König verehrte eine Gottheit ganz speciell, gleichsam als seinen Schutzpatron, den er deragemäss als „den Gott des Argistis" in der Inschrift bezeichnen könnte. Freilich würde man nicht verstehen, warum Argistis denn den Namen dieses von ihm besonders verehrten Gottes nicht nennt; auch macht das durchweg theokratische System der Chalder, bei denen Alles zu Ehren des Haldis geschieht, eine solche Annahme wenig wahrscheinlich. Ich bin deshalb eher geneigt, hier an eine Vergötterung der Könige selbst zu denken, wie wir sie ja auch in Babylonien für Gudea und Dungi bezeugt finden. Sollten nun vielleicht einige der in Meher Kapussi nicht aufgeführten Gott- heiten die Namen von ehemaligen Königen repräsentiren, deren Vergötterung und Cult erst später zu allgemeiner, namentlich auch staatlicher Anerkennung gelangte? Ich stelle das natürlich nur als eine Vermuthung hin. ^ Nr. 22: Das hier in Zeile 13 genannte Land A-su-ri-ni hat mit dem Lande As-sur selbst schwerlich etwas zu thun, repräsentirt vielmehr das in den assyrischen Inschriften öfters erwähnte Til Asuri, das wir sehr wahrscheinlich in der Gegend des Karaca Dagh zu suchen haben. Nr. 23: Die Inschrift enthält nur 23 (nicht 24) Zeilen. M. E. ist diese In- schrift durch einen Stern als neu zu markiren; die Thatsache, dass die Existenz dieser Inschrift seit Jahrzehnten bekannt war, kann daran nichts ändern, denn auch die Existenz der Stele von Topzauä war seit etwa einem halben Jahrhundert bekannt, und doch figurirt sie als eine unserer neuen Inschriften. Auch die Existenz der Inschrift von Tabriz Kapussi ist schon seit Schulz bekannt, sie wird aber trotzdem als eine „neue" von uns aufgezählt, und wie ich meine, mit vollem Recht. Denn wichtiger als die Constatirung der Existenz einer Inschrift ist für die Wissenscnaft unzweifelhaft die Copie und Entzifferung derselben, eine Arbeit, für die ich z. B. bei der Tabriz Kapussi -Inschrift zehn Tage lang auf einer 6 m hohen, sich nicht gerade durch Sicherheit auszeichnenden Leiter im glühenden Sonnenbrand herumbalanciren musste. Und nicht viel anders liegt die Sache bei der Inschrift von Taschtepe. Dass ein Theil derselben sich im Britischen Museum befindet, weiss die Verwaltung desselben erst aus unseren Mittheilungen, denn Hr. Missions-Inspector Paber wusste gar nicht, dass es eben die Inschrift von Taschtepe war, die er zu einem Theil absprengen liess; er gab demgemäss auch nur an, dass er sie in der Nähe von Mianduab gefunden hätte. Mit jenem Fragment allein wird aber wohl kaum jemand viel anfangen können; erst durch die von uns an Ort und Stelle copirten, nicht abgesprengten Theile der Inschrift ist die Reconstruction derselben möglich geworden. Von diesem Gesichtspunkte aus habe ich durch fetteren Druck des Wortes „unpublicirt" andeuten wollen, dass auch diese Inschrift eigentlich zu den von unserer Expedition neu gewonnenen hinzuzuzählen ist. Nr. 24: Die richtige Bezeichnung dieser Inschrift lautet: „Inschrift von Tsolagert- Karakoinlu", wie ich in meinen „Beiträgen zur alten Geographie und Geschichte Vorder-Asiens", Heft II, S. 90, ausführlicher nachgewiesen habe. (293) Nr. 25 befindet sich, wie schon gesagt, unverändert in Güsack, nicht in Stambul; was Hr. Lehmann, S. 613, Anm. 1 b, zur Erklärung dieser irrthümlichen Angabe anführt, kann nur das Bedauern über die durch nichts motivirte, überhastete Druck- legung steigern. Es ist klar, dass Hr. Lehmann über die nur von mir allein be- suchten Inschriften nicht so genau orientirt sein kann, wie ich selber; da aber das auf ein starkes Drittel aller bis jetzt gefundenen Inschriften zutrifft, so lag für ihn um so mehr Veranlassung vor, dafür zu sorgen, dass mir durch Lesen von Correcturen eine Controle des von ihm in unserer beider Namen Ausgeführten er- möglicht würde. Das Gegentheil ist der Fall gewesen und somit bin ich sicher, dass mir kein verständiger Forscher die Irrthümer und Fehler dieses Berichtes mit zur Last legen wird. Nr. 26 ist ein Baustein, der in der alten armenischen Kirche zu Güsack als Tritt benutzt wird, um auf den erhöhten Altarraum hinaufzusteigen. Nr. 27 stammt nicht, wie Nikolsky angiebt, aus Taschburun, sondern eben- falls aus der Burgmauer von Tsolagert. Nr. 28 befindet sich jetzt im Museum zu Stambul. Nr. 30: „lazylydasch" unweit Eschek Elias; die wenigen, hier fast vollständig zerstörten Worte habe ich durch Ausmessung wiederherstellen können. In dieser Inschrift tritt z. B. hinis als selbständiges chaldisches Wort auf. In dem Namen des benachbarten Dorfes „Eschek Elias" = (Esel Elias!) steckt natürlich uraltes, durch Volks - Etymologie verderbtes Sprachgut. Der erste Theil dürfte mit chaldischem „Iski" identisch sein, während Elias den fast unveränderten chaldischen Gottesnamen E-li-a-'a-s wiedergiebt. Nr, 31: Die (Stadt) Anasie wird auch wiederholt in Sayce Nr. 31 genannt; dass daraus wahrscheinlich Alas(gert) im Laufe der Jahrtausende geworden ist, habe ich bereits in diesen Verhandl. 1899, S. 583, ausgeführt. Nr. 33 jetzt ebenfalls im Museum zu Stambul; enthält auch auf der Lang- seite 6 (nicht 3) Zeilen, welche die Fortsetzung der 6 Zeilen auf der Schmalseite bilden. Nr. 35 B ist = Sayce 35 A. Die Reconstruction der Inschrift ist richtig nach meinen Angaben wiedergegeben. Wie ich schon in diesen Verhandl. 1899, S. 581 mittheilte, ist in der A. Z. 39 genannten (Stadt) Or-me-ni wohl das Prototyp (Ur) des Namens „Armenier" zu erblicken; ich darf dabei aufmerksam machen auf den Namen des gegenwärtigen Patriarchen der gregorianischen Armenier in Con- stantinopel, Malachia Ormanian, der wie oben Ormeni eine dialektische Parallel- form des Grundnamens bildet. Dabei wird es dann auch nicht überflüssig sein, daiauf hinzuweisen, dass Argistis I. in seinen Kriegsberichten (Col. II) im Zu- sammenhange mit den Hethitern von Malatia (Milid) einen Fürsten Or-ma-ni er- wähnt, dessen Namen wir auch wohl in Beziehung zu dem der Armenier setzen dürfen. Nr. 36 gehört unter die Fragmente hinter Nr. 93. Weshalb Hr. Lehmann dieses Fragment unter die Kriegsberichte eingereiht hat, ist mir nicht ver- ständlich. Auch dieser Schriftstein ist von mir dem Museum in Stambul über- geben worden. Nr. 37 = F.-I. (Fels-Inschrift). Nr. 38 = F.-I. (294) Nr. 39 = F.-I. Nr. 41 = F.-I. Nr. 46 = F.-I. Nr. 49: Nach der Analogie der anderen Canal-Inschriften des Menuas ist an- zunehmen, dass auch der aus dem Bendimahi-tschai abgeleitete Canal den Namen .,Menuaipili = Menuas -Canal" geführt hat. Nr. 50, St.-I. (Stelen-Inschrift), Belck Nr. 7a; die Inschrift berichtet nichts über eine Eroberung der Ruera-Stadt, wie es in dem Akademie -Bericht irr- thümlich heisst. Nr. 53 ist, da neu gefunden, mit einem Stern zu versehen. Auch diese Stelen- Inschrift bezieht sich, wie Nr. 49, auf einen „Menuas-Canal (Menuaipili)", den ich aber trotz allen Nachforschens bei der durch die Unsicherheit der Kurden- gegend gebotenen Eile nicht auffinden konnte. Höchst wahrscheinlich leitete aber dieser Canal das Wasser des nahen Kizilkaya-Flusses auf die Felder. Nr. 54, Obertheil einer Stele. Nr. 55: Die zerstörten Theile habe ich durch Ausmessung wieder hergestellt. Zu esi siehe weiter unten. Nr. 57: Z'gkeh liegt Ost, nicht nö(rdlich) von Toprakkaleh, welches für ersteres die der Entfernung nach nächste Chalderburg darstellt. Es freut mich, dass Hr. Lehmann seine ursprüngliche Bemerkung: „nächste Chalderburg Tsorovank, etwas weiter nach NO." nunmehr auf S. 615, Anm. 2 in nicht missverständlicher "Weise dahin präcisirt hat, dass „die nächste, für die Provenienz der Inschrift in Betracht kommende Chalderburg Tsorovank ist". Dass ich bei der Provenienz der Inschrift nicht an Toprakkaleh gedacht habe, geht schon daraus hervor, dass ich guten Grund habe zu der Annahme, die Inschrift stamme aus Z'gkeh selbst und zwar aus dem dort einst vorhanden ge- wesenen grossen Tempel (ev. auch Palast), dessen cyclopische Grundmauern sich dort noch grösstentheils verfolgen und feststellen lassen, stellenweise noch in einer Höhe von mehreren Metern vorhanden sind und dort dem späteren Kloster als Untermauer gedient haben. Aller Wahrscheinlichkeit nach stammt auch die in der Kirche zu Angusner aufgefundene Argistis-Tempel-Inschrift (Nr. 102) aus Z'gkeh. Ich hoffe, dass die Fachgelehrten nunmehr nicht mehr mit Hrn. Lehmann (S. 616, Anmerkung) annehmen werden, es habe sich bei dieser Inschrift für mich um eine „Scheinbei'ichtigung" gehandelt. Ich stelle noch zur Erwägung, ob die in Zeile 8 der Vorderseite dieser In- schrift auftretende Form Me-nu-a-pi-i nicht vielleicht eine Genitivform von Menuas repräsentirt, die dann allerdings sich mit der mitannischen Genitivform genau decken würde. Nr. 59, F.-I. ist nicht = Sayce Nr. 56, wie es im Bericht heisst, sondern muss = Sayce Nr. 23 sein. Nr. 58: Zur Stütze meiner Ansicht, dass patari ein Ausdruck (und zwar wohl der vorchaldischen Bevölkerung) für Stadt ist, möchte ich den Zeilen 8 — 11 dieser Inschrift den correspondirenden Text von Nr. 6S (in der Mauer der neuen Kirche zu Güsack befindlich) gegenüberstellen: Nr. 58: EKAL si-di-is-tu-ni ba-a-du-u(sic!) Nr. 68: EKAL si-di-i.s-tu-(ni) (295) Nr. ö.S: -si-i(sic!)-e te-ru-ni (G.) Hal-di-i Nr. 68: „ te-ru-ni (G.) Hal-di-i Nr. 58: pa-a-ta-ri ti-i-ni usw. Nr. 68: (Alu = Stadt!) t(i-ni) usw. Wie man sieht, ist hier das Wort Patari direct durch das Ideogramm für „Stadt" ersetzt, kann also kaum etwas anderes wie „Stadt" bedeuten. Nr. 63 (^Nikolsky Nr.;!) stammt nicht aus Taschburun, sondern aus der Burgmauer von Basch Bulag, der von mir wieder aufgefundenen Ruine der alten Feste Parachot^), die ihrerseits wiederum identisch ist mit der Station Parakata der Peutinger'schen Tafel. Das Nähere darüber wolle man in meinen „Beiträgen zur alten Geographie und Geschichte Vorder- Asiens", Heft II, S. 83 ff. nachsehen. Nr. 69 ist keine Stele, sondern ein Baustein aus der Burg- oder Tempel - mauer. Für die von mir vorgeschlagene Uebersetzung des Wortes gi mit „Tempel, Heiligthum", führe ich unterstützend an, dass in einer Inschrift vor gi das Ideogramm BITÜ steht, das im Chaldischen, wie es scheint, ausschliesslich für dem Gottesdienste geweihte Gebäude gebraucht wurde. Auf der von mir früher für „Kapi" vermutheten Bedeutung eines „Flächen- maasses" möchte ich nicht mehr bestehen; es scheint mir wahrscheinlicher, dass es ein „Gewichtsmaass" bezeichnet, wobei dann dahinter das Wort „Getreide" als selbstverständlich zu ergänzen sein dürfte. Ich werde in dieser Vermuthung bestärkt durch die Thatsache, dass im Georgischen Kapi-sti ein Gewicht (und zwar ein ziemlich schweres) ist. Nr. 71=Belck 11; wie kann aber dann dieselbe Inschrift noch einmal als Nr. 81 figuriren? Dieser Irrthum ist um so unerklärlicher, als Hr. Lehmann bei der Vorlage des Akademie-Berichtes die Inschriften Nr. 71 bis Nr. 81 in berichtigter Form nochmals gegeben hat (S. 437, Anm. 2) und auch hier sowohl Nr. 71, wie auch Nr. 81 mit Belck Nr. 11 identificirt. Nr. 87: Ererin. Hr. Lehmann irrt mit seiner Behauptung, die Inschrift sei ein Fragment, denn abgesehen von ein paar, ohne jede Schwierigkeit zu ergänzenden Keilköpfen ist die Inschrift durchaus vollständig. Dass es sich übrigens bei dieser Inschrift nicht vorwiegend um die Errichtung derselben, sondern vielmehr um die Aufzeichnung einer Reihe von Anordnungen handelt, deren Sinn uns freilich durchweg fast unverständlich ist, zeigt ein Blick auf den Text der Inschrift. Ich vermuthe, dass dieselbe theologischen Inhalts ist. An und für sich gehören auch die Nr. 86a, 8Gb und 86 c nicht unter diese Rubrik; von der Errichtung von Inschriften ist in ihnen keine Rede, und der bautechnische Ausdruck sidistuali lässt vermuthen, dass sie besser unter die Bau-Inschriften des Menuas einzureihen wären. Nr. 88, St.-I. Wenn man bei einer fragmentarischen Inschrift angeben kann, und zwar mit Sicherheit, wie viel fehlt, so ist das m. E. unerlässlich: „Von ur- sprünglich 30 Zeilen noch "26 erhalten." Nr. I»l, St.-I. Nr. 92, riesige Stele, vollständig erhalten; es ist seinen Dimensionen nach der grösste, vollständig erhaltene, bis jetzt bekannt gewordene Schriftstein, der, wenn nicht, wie wahrscheinlich, noch in situ stehend, doch 1) Vergl. diese Verhandl. 1895, S. 605 ff. (296) jedenfalls nicht sehr weit hertransportirt worden sein kann. Die Argistis-Stele (Nr. 100) muss in ihrem ursprünglichen Zustande etwa dieselben Längen- und Breitenmaasse gehabt haben. Nr. 93, St.-I. In Zeile 20: erilas tar-a-i-e. Nr. 99: Annalen Argistis I. Sie enthalten nur 13 (nicht 14) Jahre. Der eigentliche Bericht schliesst mit Col. YI; ob Col. YII noch zum Annalen-Text gehört, erscheint sehr zweifelhaft, da die Art der Ausführung der Inschrift vollständig al)weicht von dem Stil der anderen Columnen. M. E. bezieht sich Col. VII auf die Anlage der Felsenzimmer usw.; in jedem Falle aber kann strict nachgewiesen werden, dass diese Columne keinen Kriegs -Bericht enthalten haben kann, dass also Hrn. Lehmann's Vermuthung, der in Nr. 100 AI behandelte Kriegszug gegen Diaus sei vielleicht in dieser Columne YII behandelt gewesen, nicht zutrifft. "Wie dem auch sei, auf Col. YI folgt die Fluchformel (= Col. YlII) entweder direct oder nach der auf der rechten Seite des Thür-Rahmens eingemeisselten Col. YII. Das sechste der dazu gehörigen Felsenzimmer ^) ist von enormer Tiefe und hatte sicher in Höhe des Fussbodens der anderen Räume einen auf Balken ruhenden Holz-Pussboden. Die darunter in die Tiefe führende ,>> heute fast ganz mit Thierknochen und Erde aufgefüllte Ausschachtung führte entweder hinab bis zu den gerade senkrecht unter diesen Zimmern am Fusse der Felswand hervorsprudelnden starken Quellen, diente also zur eventuellen Versorgung der Festung mit Wasser^), — in diesem Falle würde die Auffüllung des Schachtes mit Knochen und Erde in späterer Zeit und aus uns unbekannten Gründen erfolgt sein — , oder aber der Schacht erstreckte sich nicht so tief hinab, diente von vorne herein ganz anderen Zwecken. Der obere Theil des Raumes, also das eigentliche Gemach, enthält auffällig viele und grosse Nischen und macht den Eindruck einer besonders sorgfältigen Herrichtung. Ich bin deshalb schon auf den Gedanken ge- kommen, ob wir in diesem Gemach nicht vielleicht das gi. das Heiligthum, zu er- blicken haben, das Argistis in der den Schluss der Annalen-Inschrift bildenden Fluchformel erwähnt. Dadurch würde sich das massenhafte Vorkommen von Thierknochen (Rind, Schaf) in dem Schacht vielleicht erklären, wenngleich mir das Verständniss dafür fehlen würde, weshalb dieselben im Tempel aufgehoben und nicht fortgeworfen wurden. Indessen die Sitten der Völker sind ja namentlich auf religiösem Gebiete sehr verschieden, warum sollen also nicht einmal auch Priester an der Aufhäufung von Thierknochen besonderes Gefallen gefunden haben, um damit z. B. die Grösse der von ihnen den Landes-Göttern dargebrachten Opfer documentiren zu können? Es mag in dieser Beziehung daran erinnert werden, dass bei den Ausgrabungen auf Toprakkaleh im sogenannten Todtenhaus, einer Anlage, die wohl sicher religiösen Zwecken gedient hat, zahllose Thier- und Menschenknochen aufgedeckt worden sind, die lagenweise übereinander angeordn(>t waren, wobei die einzelnen Lagen durch 30—40 cm tiefe Erdschichten von einander geschieden waren 3). 1) Vergl. diese Verhaudl. 1899, S. 582. 2) Da das Wasser aber auf der den Wurfgeschossen eines Feindes völlig preis- gegebeneu Felsentreppe hätte hinaufgetragen werden müssen, so kann diese Art der Wasser -Versorgung für etwaige Fälle einer Belagerung nicht in Betracht kommen. Dafür waren andere grossartige Anlagen geschaffen, die auf dem IS'ord- Abhang des Felsens zu unterirdischen Wasseradern, bezw. -leitungen fiUirteu. 3) Vgl. meinen Bericht in diesen Verhandl. 1898, S. 587. C297) Augenscheinlich wurden die Cadaverreste, bezw. Knochen mit Erde bedeckt, um den Verwesungs-Geruch zu beseitigen. Interessant war es, in dem Schacht jenes Argistis -Felsenzimmers in einer Ecke einen ganzen Haufen grosser Steinkugeln, selbst einige eiserne Kanonen- kugeln zu finden. Es scheint mir nach der ganzen Sachlage sehr leicht möglich, dass bei Belagerungsfällen die Vertheidiger der Burg neben der Eingangsthür zu diesen Felsen -Räumen einige Kanonen postirt hatten. Der Platz war für diesen Zweck vorzüglich, da die Vertheidiger hier eine ganz ausgezeichnete Deckung hatten. Durch diese Annahme wtirde sich dann auch die eigenthümliche Zer- störung der Annalen-Inschrift erklären, deren Columnen, so weit sie über- haupt feindlichen Geschossen zugänglich waren, umfangreiche, aber nicht besonders tiefe Löcher aufweisen, wie sie sich wohl am leichtesten durch das Aufschlagen harter Steinkugeln auf die Felswand bilden können. Es lässt sich dann begreifen, dass die vertical zur Flugrichtung der Geschosse ange- brachten Columnen zum Theil so arg zerstört sind (z. B. Col. 2, Col. 3, Col. 6 — gerade über der Thür — , Col. 5 links neben der Thür — und Col. 7 auf der rechten Thür- Einrahmung, die zur Hälfte weggeschossen ist!), während die parallel mit der Flugrichtung angebrachten Columnen 4 und 8 fast gar nicht zerstört sind. Wäre die Zerstörung der Inschriften eine natürliche, so müsste sie bei allen Columnen eine gleichmässigere sein; wäre sie aber auf Anordnung irgend eines unverständigen Machthabers erfolgt, — wie Schulz und alle bis- herigen Besucher der Inschriften angenommen haben, dabei in erster Linie an Tamerlan denkend, — so würde dieselbe weit gründlicher besorgt worden sein, namentlich hätte man nicht die Columnen 1, 4 und S so gut wie unbeschädigt gelassen. Was die Inschrift selbst anlangt, so ist es mir unter der aufopfernden Mit- wirkung meiner talentvollen Schülerin Frl. Majewski — Tochter des damaligen russischen Consuls in Van — durch exacte Ausmessung gelungen, einen grossen Theil der zerstörten Stellen wieder herzustellen, wobei sich die wörtliche üeber- einstimmung eines erheblichen Theiles der Argistis-Stelen-Inschrift (Nr. KJO) mit dem Annaien-Text herausstellte. Auf Grund dieser Thatsache war es mir dann möglich, fast den gesammten Text der Annalen-Inschrift — bis auf die weg- geschossenen Zeilen der Col. VII und einen kleinen Theil von Col. III und V — wieder herzustellen. Besonders hinsichtlich der Lesung der Eigennamen habe ich viele Berichtigungen zu constatiren. Eines Factums will ich bei dieser Inschrift noch gedenken. Bekanntlich hat Deyrolle LS70 diese Annalen-Inschrift abgeklatscht, und zwar war er der erste, der das gethan hat; man muss allerdings auch, wenn man an dieser riesigen Inschrift, namentlich längere Zeit, arbeiten will, durchaus schwindelfrei sein, denn es ist wahrlich nicht leicht, auf der kaum 2 Fuss breiten Felsentreppe stehend, über sich eine senkrechte Wand und unter sich 30—40 m senkrechte Wand, dazu ganz schutzlos den glühenden Sonnenstrahlen ausgesetzt, die von dem weissen Kalkfelsen mit gesteigerter Hitze reflectirt werden, andauernd zu arbeiten. Auch nur der kleinste Anfall von Schwindel oder Schwäche, und man liegt zerschmettert am Fusse des Felsens. Deyrolle hat nun trotz aller dieser Schwierigkeiten einen ausgezeichneten Abklatsch der ganzen Inschrift an- gefertigt mit Ausnahme jedoch der letzten Columne (8), die sich an einer geradezu unzugänglichen Stelle befindet, durch einen tiefen, breiten Riss von der Treppe und dem Eingang zu den Zimmern geschieden, so dass er die Anfertigung eines Abklatsches als unmöglich ansah. (298) Unser in vieler Beziehung recht tüchtiger Diener Jerowant Abrahamow (aus Igdir) hat dann die Inschrift dreimal abgeklatscht; da ich aber auch die letzte Columne gerne als Abklatsch in unserer Sammlung sehen wollte, so liess ich mir ein paar Steinmetzen kommen, um den Spalt mit Hausteinen aussetzen zu lassen und so an die Inschrift heranzukommen. Als Abrahamow aber hörte, dass noch niemand sich an das Abklatschen derselben herangewagt habe, weil es zu gefährlich sei, schickte er die Steinmetzen nach Hause und brachte mir am Abend den Abklatsch auch der letzten Columne: er hatte die Arbeit aus- geführt auf einem Leiterbein, so zu sagen in der Luft balancirend und bei der kleinsten Unachtsamkeit seine Kühnheit mit dem Leben bezahlend! Das ist die einzige Inschrift, bei der das Copiren und Abklatschen wirklich mit erwähnenswerthen Schwierigkeiten verbunden war. Nr. 100, Argistis-Stele. A2 enthält 80 (nicht 29) Zeilen, Bl noch 41 (nicht 40) Zeilen. Was den Inhalt der Stelen-Inschrift anbetrifft, so habe ich, was Hr. Lehmann im Akademie-Bericht zu erwähnen vergessen hat, festgestellt, dass A2 ein Parallelbericht ist zu den Annalen, Columne II, Zeile 25 — 41 einschl. Es ist das um so erfreulicher, als gerade hier durch eine Kugel der Annalen -Text bis auf Rudimente vollständig zerstört ist, so dass ohne den Text der Stele eine Wiederherstellung des Annalen-Textes unmöglich sein würde ^). B 1 vergleicht Hr. Lehmann mit Col. I der Annalen, Zeile 6ff., wie ich selbst das auch früher gethan habe; eine genaue Prüfung der beiden Texte zeigt indessen deutlich, dass es sich um zwei zeitlich und grösstentheils auch räumlich ver- schiedene Feldzüge handelt. Denn von den 18 in B 1 vorkommenden Eigennamen von Ländern, Städten und Königen werden nur 5 in den Annalen, Col. I (Z. 8 — 12) erwähnt. Don Ausschlag giebt die Thatsache, dass in B 1 die Einnahme der Diäi'schen Königsresidenz Zuas einen breiten Raum einnimmt, die in den Annalen Aveder in Col. I, noch auch überhaupt erwähnt wird. Da nun auch die in der Inschrift von Sarykamisch (= Nr. 113) vorkommenden Eigennamen in den Annalen nicht genannt werden, während sie zum Theil in B 1 vorkommen, so liegt guter Grund zu der Annahme vor, dass sowohl der in B 1, wie der in Sarykamisch erzählte Feldzug erst nach Abfassung der Annalen statt- gefunden haben. Auch noch von einigen anderen Feldzügen kann mit grosser Wahrscheinlichkeit angenommen werden, dass sie nach Errichtung der Annalen- Inschrift stattgefunden haben. Das ist z. B. auch sicher der Fall mit dem in A 1 berichteten Kriegszuge gegen Diaus, dessen Macht und Bedeutung nicht nur aus den chaldischen, sondern auch aus den assyrischen Berichten erhellt. Die einzelnen Theile der Stele richtig aneinander zu ordnen, ist eine schwierige Aufgabe. Wir müssen festhalten, dass A 3 (Breitseite) die Weih-Inschrift (mit un- mittelbar darauf folgender Fluchforrael, wie auch bei der Sardur-Stele — Nr. ll(j) jedenfalls als der Beginn der Inschrift aufzufassen ist; dann folgt eine Lücke und 1) Nr. 100 A war bei meiner endgültigen Abreise von Vau, Ende September 1899, in einem Winkel der Kirche aufgestellt: das Loch in der Kirchenwand, in dem der grosse Schriftstein gesessen hatte, war seit etwa ^4 Jahren durch unsere Steinmetzen mit anderen Steinen ausgemauert worden. Ob dieser Schriftstein sich jetzt noch dort befindet, können wir natürlich nicht behaupten, sondern von ihm, wie auch von allen anderen Inschriften, nur angeben, wo er sich zur Zeit unserer Abreise befand. Es ist dieses der einzige Schriftstein, der aus den Kirchenmauern herausgeholt und später nicht wieder einge- mauert wurde; daher meine Bemerkung zu Nr. 100 A auf S. 444. (•299) nunmehr eine der Seiten des Bruchstückes B, also B 1, bezw. B 2. Nun behandelt B 1 Feldzüge nach der Abfassung der Annalen, also Ereignisse, die gegen das Ende der Regierung Argistis' I. fallen, während B2 die Ereignisse des 8., 9. und den Anfang des 10, Kriegsjahres schildert. Demgemäss müsste man dann natürlich B 2 als Fortsetzung von A 3 ansehen. Hierauf würde dann das fehlende Unter- stück der Stele einzureihen sein und dann würde der Leser zur Leetüre der zweiten Breitseite, also zu A 2 fortschreiten, die aber nunmehr nicht, wie man er- warten müsste, etwa die Ereignisse des 12. Kriegsjahres, sondern die der ersten Hälfte des 4. Jahres schildert! Daran würde sich nach einer Lücke dann B 1 mit Kriegsberichten über Ereignisse nach dem 13. Kriegsjahre anschliessen. Hierauf wieder eine Lücke, der dann eine der beiden Schmalseiten folgen müsste, von denen A 1 ebenfalls nach Errichtung der Annalen-Inschrift stattgehabte Ereignisse berichtet, A4 dagegen die Ereignisse der 2. Hälfte des 13. Jahres. Aus diesem Dilemma kommt man nur heraus, wenn man unwahrscheinlicher Weise annimmt, dass B 1 doch lediglich Ereignisse des 1. Kriegsjahres angiebt, oder aber, wenn man die Zusammengehörigkeit der beiden Stelen-Bruchstücke auf- giebt. Beide Annahmen haben ihr Bedenkliches. Im ersten Falle hätten wir zu ordnen: 1. A 3 -= Weih-Lischrift, Fluchformel und Beginn des 1. Kriegs -Berichts. 2. Lücke = Fortsetzung des Berichtes über das 1. Kriegsjahr. 3. B 1 = ., ~, -, n ;? ^- ^5 4. Lücke = Schluss des I.Jahres; event. 2. und 3. Jahr. 5. A 2 = Bericht über die L Hälfte des 4. Rriegsjahres. 6. Lücke = Schluss des 4. Jahres, event. 5., 6. und 7. Jahr. Beginn des S. Jahres. 7. B 2 = Fortsetzung des Berichtes über das ^., 0. Jahr und die T. Hälfte des 10. Jahres. 8. Lücken Schluss des 10. Jahres; event. 11. und 12. Jahr und I. Hälfte des 13. Jahres. 9. A 4 = Fortsetzung des 13. Jahres. 10. Lücke = Schluss des 13. Jahres. 11. AI = Ereignisse nach dem 13. Kriegsjahre. 12. Lücke = Fortsetzung und definitiver Schluss der Inschrift. Nun muss die Lücke ad 2 ein ebenso grosses Stück Stele repräsentiren, wie die ad 6; die Lücke ad 4 muss derjenigen ad S gleich sein. Dann würde also auf der Vorderseite der Stele der Text von Col. I und von Col. II, Z. 1 — 24 ge- standen haben, d. h. der Bericht über die drei ersten Kriegsjahre, von denen zudem der Bericht des ersten Jahres reichlich -/s des verfügbaren Raumes eingenommen haben würde, während das 2. und 3. Kriegsjahr auf verhältnissmässig sehr wenige Zeilen beschränkt gewesen sein müssten. Die Rückseite der Stele dagegen hätte dann den ganzen Text von Col. II, Z. 25—57, Col. III (= 71 Zeilen), Col IV (= 81 Zeilen) und Col. V, Zeile 1 — 79, in, wie es scheint, derselben Ausführlichkeit, wie in der Annalen-Inschrift, enthalten müssen, also den Bericht über das 4., 5. usw. bis zur L Hälfte des 13. Kriegs- jahres einschliesslich. Das aber erscheint ganz unvereinbar, würde auch zu ganz ungeheuerlichen Dimensionen der Stele (mindestens 5 m Höhe) führen. Man braucht sich nur klar zu machen, dass in der Lücke 2 nicht mehr gestanden haben kann, als; (300) der auf der in der Nische eingesetzt gewesenen, jetzt verlorenen Platte') befindliche Anfang des 1. Kriegsjahres, den man auf maximal 10—12 Zeilen schätzen kann; und der Text von Col. I, Zeile 1—8 (denn hier setzt B 1 ein), in event. 2—3 mal ausführlicherer Darstellung, also insgesammt: 12 + 24 (= 3 X 8) = 36 Zeilen maximal, während dasselbe Bruchstück auf der Rückseite (= Lücke 6) ent- halten müsste den Text von: Col. 11, Z. 42—57 = 16 Zeilen, „ III, „ 1-71 =.71 „ , „ IV, „ 1-23 = 23 „ , zusammen 110 Zeilen, also etwa dreimal soviel! Ebenso würden in Lücke 4, Col. I, Z. 13 — 43 (= 21 Z.) und Col. II, Z. 1 — 24 (^ 24 Z.), also zusammen 45 Zeilen, in der correspondirenden Fläche der Lücke 8 entsprechen müssen: Col. IV, Z_ 75 — 81 (= 7 Z.) und Col. V, Z. 1 — 79 (= 79 Z.), also zusammen 86 Zeilen. Und wenn nun diejenigen Bruchstücke, welche eine Controle durch die Annalen erlauben, beweisen, dass der TexJ; der letzteren auf den Stele-Stücken geradezu „wörtlich" wiederholt ist, so schliesst das m. E. eigentlich die Möglichkeit aus, dass die nicht controlirbaren Theile den Bericht anderer Kriegsjahre in zwei- bis dreimal ausführlicherer Fassung enthalten. M. a. W. trotz der nahezu völlig übereinstimmenden Maasse der Stelen-Bruchstücke liegen sehr gewichtige, bis jetzt nicht zu beseitigende Bedenken vor, die es verbieten, dieselben als zu einem gemeinsamen Monument gehörig zu betrachten. Nr. 101a und b: Diese beiden Fragmente Argistis I. zuzuschreiben, ist mir aus verschiedenen Gründen bedenklich geworden. Der Name des Königs kommt in keinem derselben vor, so dass also eigentlich diese Fragmente schon deshalb unter diejenigen unsicherer Zuweisung einzureihen wären. Andererseits aber kommt das Land Gulutahi in der Annalen-Inschrift überhaupt nicht vor und das Fragment als ein weiteres. Bruchstück der Stelen-Inschrift (Nr. lOdB) zuzuweisen, hindert doch wohl der Umstand, dass in derselben bereits früher dieses Land als erobert genannt wird. Ich vermuthe, dass wenigstens dieses Fragment zu einer grossen Menuas-Stele (von derselben Gesleins-Art, wie die Argistis-Stelo) gehört, deren Trümmer man namentlich in der Stadtmauer von Van findet. Nr. 108: = Nikolsky 6. Inschrift von Glar; obgleich die dort gegebenen Länder- und Städte-Namen nicht in der Annalen-Inschrift vorkommen, fällt dieser Zug doch wohl sicher in die 13 dort behandelten Kriegsjahre. Das üluanis dieser Inschrift ist sicher das Diane bei Strabo. Nr. 112: = Nik. 7. Inschrift von Kulidschan. Dieser Feldzug dagegen ist mit grosser Wahrscheinlichkeit nach Errichtung der Annalen-Inschrift anzusetzen. Nr. 113: = Nik. 21. Inschrift von Sarykamisch, nennt unter anderen Locali- täten Achurean; so lautet genau der alte (chaldische?) Name des Arpatschai. Fräulein Maja wski hat, da ich selbst Tiflis auf meiner Rückkehr nicht mehr be- 1) Dass Lei der Annalen-Inschrift eine ganze Columne am Anfange fehlen müsse, hatte ich schon vor Jahren constatirt, auf Grund des in Col. I, Z. 5 auftretenden Aus- drucks: „ikukani salie = in demselben Jahre,-' der deutlich bewies, dass mindestens der Bericht über die Thätigkeit des Königs in der ersten Hälfte dieses Jahres fehlen müsse. (801) rührte, auf meine Bitte die Inschrift genau ausgemessen. Obgleich sie in Folge häufiger und anhaltender Fieber-Anfälle nur knapp IV2 Tage auf diese Arbeit zu verwenden im Stande war, ist die von ihr gelieferte Copie doch als eine geradezu mustergültige zu bezeichnen; u. A. hat sie die in Zeile 2 und 4 vorkommenden Eigennamen mit überraschendem Scharfsinn richtig entziffert. Nr. 114 fällt, wie schon gesagt, weg. Nr. 110: Die Inschrift beginnt mit der Breitseite a, deren letzte Zeilen den Bericht über die Feldzüge einleiten; aber diese Breitseite ist durch Hrn. Lehmann versehentlich falsch zusammengesetzt worden, denn sie besteht nicht aus A + B, sondern umgekehrt aus B + A. Die andere Breitseite b bildet die Fortsetzung; sie ist, wie im Akademie-Bericht zutreffend gesagt, aus A + B zusammengesetzt und repräsentirt — was für die Beurtheilung chaldischer Inschriften sehr wichtig ist — fast durchweg eine beinahe Vk-örtliche Wiedergabe eines Theiles der Inschrift Nr. 121, die derselbe König Sardur III. Argistihinis bei Izoly einmeisseln liess. Sie behandelt also die Feldzüge gegen Melitene und westlich darüber hinaus. Nunmehr folgt m. E. die Schmalseite d, deren Inhalt sich zum Theil mit dem- jenigen von Nr. 123, der Inschrift von Atamchan, deckt und über die Eroberung der Ufer-Gebiete des Göktschai-Sees berichtet. Ausser dem Kriege gegen Adad- nirari von Assyrien wird hier noch die Eroberung des Landes Ar-me-e und der Stadt Ni-hi-ri-a-ni erzählt. Den Schluss der Inschrift bildet dann die Schmalseite c, welche u. A. die Er- oberung des Landes Ri-hi-sa-a (und der darin gelegenen Stadt Hu-ra-a-a) berichtet, dessen Fürst jedenfalls der gleich darauf genannte Ba-sa-a-ta-ni war. Nr. 117: Karatasch. Ich hatte ausgeführt (diese Verhandl. 1900, S. 444): „Dieses sind zwei durchaus von einander unabhängige und demgemäss auch ganz von einander zu trennende Inschriften, die zudem gar nichts über Kriege, sondern über die xVnlage von Weingärten usw. berichten." Hr Lehmann sucht demgegenüber seine Auffassung zu vertheidigen und sagt z. B. zu diesem Zwecke (a. a. 0. S. 620): „Ob man Fels-Inschriften eines und desselben Königs, die in neben einander^) ausgemeisselten Tafeln — hier sind es drei, von denen eine unbeschrieben ist 2), — eingegraben sind, als Theile einer grösseren Inschrift oder als getrennte Inschriften ansehen will, wird immer zweifel- haft sein können.'"' Das trifft durchaus nicht immer zu, und wenn Hr. Lehmann sich erinnert hätte, dass er die Localität nicht kennt und die Inschriften nie gesehen hat, so würde er sich doch wohl sagen müssen, dass ich, der ich sie dreimal besucht habe, diesen Fall jedenfalls weit besser beurtheilen kann, wie er selbst. Hr. Lehmann spricht von „neben einander ausgemeisselten Tafeln"^); woher weiss er, dass sich diese Tafeln „neben einander" i) befinden? Das ist nehmlich durchaus nicht der Fall; sie sind eine stattliche Strecke von einander entfernt und liegen zudem auch noch so, dass man von der einen aus die andere nicht erblicken kann-). Ich habe noch nie gehört oder gelesen, dass jemand die o Menuas-Tafeln am Van-Felsen mit der Menuas-Inschrift am Eingange des Felsen-Zimmers in einen Topf geworfen, sie alle als Theile einer fortlaufenden Inschrift betrachtet hat. Und so lange das 1) Von mir gesperrt. W. B. 2) Ich glaube, dass es nichts geschadet hätte, weun hier auf meine diesbezüglichen, den bisherigen falschen Angaben s^egeuüber aufklärenden Ausführungen in diesen Verhandl. 1895, S. 599, Anmerk. 1, hingewiesen worden wäre. (302) glücklicher Weise noch nicht der Fall ist, sind auch die beiden Inschriften am Karatasch-Felsen auseinander zu halten, die noch weiter von einander entfernt sind, als die oben erwähnten Menuas-Inschriften. Es bleibt also dabei, dass diese beiden Inschriften unter getrennten Nummern aufzuführen sind. Hr. Lehmann erklärt aber dann weiter, dass die Inschriften doch etwas über Kriege berichten und fährt fort: „So fasste ich die Inschrift, — und das wird ja nicht zu weit von der Wahrheit abweichen, — als Bericht über Anlagen ,in er- obertem Terrain'^). In einem solchen Fall kann man immer zweifelhaft sein, ob man die Inschrift als Kriegsbericht oder als Bau- und Weih-Inschrift bezeichnen soll. Am richtigsten wäre sie als Combination aus beiden zu bezeichnen." Gewiss hat Hr. Lehmann Recht, hier von „erobertem Terrain" zu sprechen, denn nicht von Alters her war dieses Gebiet im Besitze der Chalder; erst unter Arame (etwa 860—840 vor Chr.), dessen Hauptstadt Arzaskun nicht allzuweit nördlich von dort zu suchen ist (= Arzu(w)apert?), oder allerspätestens unter Ispuinis (etwa 820—800 vor Chr.) kam dasselbe in den definitiven Besitz der C halder-Könige, die gerade dort viele Bauten und Cultur- Anlagen an dem ganzen Nordufer des Yan-Sees entlang ausgeführt haben. Ich erinnere nur an die Tempel- Bauten des Ispuinis, Menuas und Sardur III. in Patnotzt, des Menuas in Gamuschwan, die Stadt- und Canal-Bauten des Menuas in Arzw(u)apert, in und bei Bergri, in Karahan, Tharr und Güsack, wo Tempel- und Palast -Bauten ausgeführt, Burgen errichtet und Weingärten von ihm angelegt wurden. Eine solche Fülle von Bauten und Anlagen, die zum Theil recht kostspieliger Natur waren, führt man aber nur aus, wenn man sich im gesicherten Besitze des Landes weiss. Das ist also seit mindestens rot. 800 vor Chr. der Fall gewesen, und diese Thatsache illustrirt wohl zur Genüge die Richtigkeit der Ansicht des Hrn. Leh- mann, es handle sich hier um Anlage „in erobertem Terrain", die sogar ziemlich weit von der Wahrheit entfernt bleibt. Zu vergleichen ist hierzu das, was ich auf S. 290 und auch oben zur Inschrift von Karahan ausgeführt' habe. Hier wie dort erklären sich die irrigen Anschauungen Lehmann' s aus seiner Unkenntniss der geographischen und localen Verhältnisse. Dass es sich aber in diesen Inschriften doch auch um „Kriegsberichte" handle, sucht Hr. Lehmann (S. G20) folgendermaassen zu erhärten: „Dass die In- schriften nichts über Kriege berichten, trifft nicht ganz zu, denn es werden dort die -20 tu-hi-ni („Kriegsgefangene?") genannt, die in irgend einer Weise dem Chaldis zugewiesen werden, was nur im Zusammenhang mit Kriegen geschieht." Da die Wurzel tu unzweifelhaft die Bedeutung von „nehmen, einnehmen, wegnehmen, einfangen usw.", hat, so trifft die von Sayce für tuhi vor- geschlagene Bedeutung „Gefangener" mindestens dann das Richtige, wenn dem Worte tuhi das Determinativ „Mensch" vorausgeht. Der absolute Sinn von tuhi dagegen dürfte sein: „Das Erbeutete, Beutestück, Beute usw." Eine Erwähnung solcher tu-hi-ni findet nun aber in der östlichen der beiden Tafeln (bei Sayce 51, Col. I) überhaupt nicht statt, vielmehr handelt dieselbe von der Anlage von Weingärten und sonstigen Pflanzungen. Diese Inschrift scheidet also von der Discussion vollständig aus, sie ist, selbst nach den bis- herigen Anschauungen des Hrn. Lehmann, kein Kriegsbericht. In der anderen Tafel, welche 214 Schritte westlich von der ersteren an- gebracht ist, — eine deutliche Illustration der textlichen und sonstigen Zusammen- 1) Von mir gespent. W. B. (303) {rehörigkeit der beiden Tafeln, — werden in der That 20 tuhini aufgeführt; aber dass eine solche Erwähnung der tuhini nur im Zusammenhange mit Kriegen er- folgt, wie Hr. Lehmann behauptet, ist nicht zutreffend, würde auch — wenn tuhi, wie es wahrscheinlich ist, „der (Kriegs-) Gefangene" bedeutet — ziemlich un- verständlich sein. Denn im Alterthum wurden die Kriegsgefangenen auch nach Beendigung des Krieges gewöhnlich nicht in ihre Heimath entlassen, — wenigstens in Asien nicht — , blieben vielmehr als Sklaven im Lande des Siegers zurück. Dass auch in Priedenszeiten solche „Kriegsgefangenen" zu irgend weichen Dienst- leistungen bestimmt, bezw. geweiht wurden, ist ganz selbstverständlich, und wohl eines der gewöhnlichsten Vorkommnisse dürfte es gewesen sein, dass der Chalder- König dem Chaldis eine Anzahl derselben als Tempel-Sklaven weihte, oder aber auch, dass er, sofern bei den Chaldern Menschen-Opfer üblich waren, wie das der Ausgrabungs-Befund auf Toprakkaleh wahrscheinlich gemacht hat, — auch von den den Chaldern stammverwandten Georgiern-Moschern wird die Gepflogenheit, den Göttern Menschen-Opfer darzubringen, berichtet! — , eine bestimmte Zahl der- selben dem Gotte zum Opfer weihte. Ich mache hierbei darauf aufmerksam, dass die Zahl 20 einen gewissen Ab- schluss im Zahlen-System der Chalder gebildet zu haben scheint; stets sind es 20 tuhini, die bestimmt werden (nicht nur dem Chaldis, sondern auch für andere öffentliche oder königliche Zwecke), ebenso werden 20 ku-ur-ni (M.) Se-e-lu-i-ni in Sayce Nr. 68, 5 erwähnt. Es erinnert das an den Gebrauch der Lazen, bei denen auch die Zahl 20 einen gewissen Abschluss bildet, der Art, dass die Zahlen von 20 bis 31) sich zusammensetzen aus 20 + x, also z. B. 35 = 20 -|- 15, während die Zahlen von 40, das selbst durch 2 X 20 ausgedrückt wird, sich aus 2 X 20 -f x zusammensetzen, also z. B. 56 = 2 X 20 + 16. Ganz analog ist 60 = 3 X 20 und 80 = 4 X 20 usw. Vereinzelte Analogien zu dieser Zählweise finden sich wohl auch in anderen Sprachen. So darf wohl an die entsprechenden französischen Ausdrücke quatre- vingt und quatre-vingt-dix erinnert werden, ebenso das englische score (= 20), three score and ten (=70; vergl. Shakespeare, Macbeth). Die völlige Durch- führung dieses Systems scheint aber eine Besonderheit der Lazen zu sein, die schon Georg Rosen seiner Zeit aufgefallen ist, der zum Vergleiche die den Lazen und Georgiern stammverwandten Suanen heranzieht, welche in ganz ähnlicher Weise mit 10 multipliciren. Aus der Thatsache nun, dass in einer Inschrift erwähnt wird, es sei bei irgend einer Gelegenheit dem Gotte Chaldis ein Menschen-Opfer dargebracht oder eine Anzahl Sklaven seinem Dienste geweiht worden, schliessen zu wollen, die betreffende Inschrift, die im Uebrigen von allem Möglichen handeln mag, nur nicht von Kriegen, sei als „Kriegsbericht" aufzufassen, bedeutet eine derartige Willkür, dass ich, wenigstens hierbei, Hrn. Lehmann nicht folgen werde, und ich bin sicher, dass auch die anderen auf diesem Gebiete arbeitenden Forscher das ablehnen werden. So behandeln z. B. die Stelen-Inschriften von Celabi Bagi und Hagi in ausführlichster Weise die Cultivirung und Besiedelung der grossen Ebene westlich von Ardjisch bis über Hagi (NW. von Ardjisch) und Celabi Bagi (SW. von Ardjisch) hinaus durch Argistis IL, den Gross-Sohn Sardur's III. Es wird in ihnen über die Anlage von Canälen, Wäldern, Weingärten, Obst- hainen usw. berichtet, dagegen in den gesammten etwa 170 Zeilen betragenden Inschriften mit keinem Worte ein Kriegszug erwähnt, wohl aber werden auch hier je 20 tuhini für irgend welche Zwecke (Frohnarbeiten in den königl. Gärten?) bestimmt. Und so wenig wie irgend ein Forscher, der vorurtheilslos an diese (304) beiden Inschriften herantritt, dieselben als „Kriegsberichte" bezeichnen wird, in denen über „Anlagen im eroberten Terrain" berichtet wird, ebenso wenig können die am Ostende der genannten Ebene am Karatasch-Pelsen befindlichen Inschriften Sardur's III. mit ihrem gleichartigen Inhalt als „Kriegsberichte" und die dortigen Weingärten als „Anlagen im eroberten Terrain" betrachtet werden. Dm-ch meine Untersuchung der beiden Tafeln erscheint der Text derselben an vielen Stellen nicht unwesentlich verändert; so steht namentlich in Col. II, Z. 10 ganz deutlich statt des nach den bisherigen Copien (Schulz und Sandwith) von Sayce gebotenen e-hu-la (oder te)-u-e vielmehr e-ri-la-u-e (= Genitiv Plur. des chal- dischen Wortes für „König", das demgemäss erilas gelautet haben wird). Nr. 119: Hr. Lehmann findet (vgl. a. a. 0. S. 620) meine Bemerkung, dass dieses eine durch keine Inschrift belegte Nummer sei, sonderbar und sozusagen überflüssig. Ich will mich begnügen, darauf hinzuweisen, dass ich von ver- schiedenen Seiten um Aufklärung über diese Nummer ersucht worden bin, und dass auf meine Mittheilung hin, es sei eine versehentlich unbelegt gebliebene Nummer, zum Theil nicht gerade sehr anerkennende Urtheile über die auf die Abfassung des Berichtes aufgewendete Sorgfalt fielen. Ganz besonders wurde auch noch erst kürzlich monirt, dass Hr. Lehmann diesen Irrthum weder im Literarischen Centralblatt 11)00, S. 42 und 4.3, noch auch in diesen Verhandl. 1900, S. 4.30ff. be- richtigt hat. Nr. 121 = Fels-Inschrift beim Kümür-Chan (Izoly). Meine bisherige Ansicht, dass sich in jener Gegend die Brücke über den Euphrat befunden haben müsse, über die Sardur III. nach der von ihm 743 vor Chr. gegen Tiglatpilesor III. verlorenen Schlacht sich in sein eigenes Reich fliehend zurückzog, eine Ansicht, welche mich veranlasste, Hrn. Lehmann um Nachforschungen nach dem Standort und den etwaigen Hesten dieser Brücke zu ersuchen^), habe ich inzwischen als kaum haltbar aufgegeben. Jene Brücke befand sich vielmehr augenscheinlich viel weiter südlich, ungefähr bei Samosata, und die dort die mesopotaraische Ebene im Norden begrenzenden Bergzüge bezeichneten zugleich die ungefähre Südgrenze des Chalder-Reiches, nicht erst zur Zeit Sardur's III., sondern schon zur Zeit des Menuas. Diese bisher ungeahnte weite Erstreckung des Chalder-Reiches nach Südwesten erklärt manche sehr auffällige Thatsachen, wie sie in den assyrischen Kriegsberichten zu Tage treten. Näher habe ich das in Heft 2 meiner „Beiträge zur alten Geographie und Geschichte Vorder -Asiens" in der Abhandlung über die Provinz Alznik (S. 76 ff.) ausgeführt. Dass Supria, einer der südlichsten, wenn nicht der südlichste Nairi (also Alarodier)-Staat, in jener Südwest-Ecke liegt, sei bei dieser Gelegenheit hervorgehoben. Nr. 122: Sagalu. Wie meine Copie und der Abklatsch dieser Inschrift er- giebt, ist hier in Zeile 1 das bekannte chaldische Wort us-ta-bi in singulärer Weise geschrieben, nehmlich: us-tab-bi. Nr. 125: Hier ist also eine weitere Nummer = Nikolsky Nr. 20, einzuschalten (vergl. oben S. 286). M. E. ist es auch durch nichts motivirt, dass Nik. 13 und Nik. 14 von Hrn. Lehmann unter einer Nummer, also gleichsam als eine In- schrift gegeben werden; denn es handelt sich um 2 verschiedene, wohl charak- terisirte Schriftsteine, die allerdings textlich theilweise gleich lauten, von denen man aber nicht direct sagen könnte, sie seien Duplicate. Und selbst wenn es Duplicate wären, so gäbe das noch keinen Grund, sie unter einer Nummer zu vereinigen. 1) Vergl. seine kurzen Berichte in diesen Verhandl. 1900, S. 579 und 610. (305) denn an anderen Stellen schlägt Hr. Lehmann ein durchaus abweichendes Ver- fahren ein. So sind z. B. die Inschriften aus Sewastan (Nr. 4, 5, 6, 7, 8 und wohl auch Nr. 9) sämmtlich Duplicate einer und derselben kurzen Inschrift, werden aber trotzdem jede mit besonderer Nummer aufgeführt. Hier wäre am ehesten noch m. E. der Ort gewesen, an dem Hr. Lehmann, dem von ihm wiederholt be- tonten „Princip der Minimal-Angaben getreu"', alle Inschriften unter einer Nummer (mit Unterscheidung als a, b, c usw.) hätte anführen können. Da das nicht ge- schehen ist, so darf füglich wohl vermuthet werden, dass bei Abfassung des Berichtes das genannte Princip, welches zur Erklärung und Beschönigung von offenbaren Irrthümern und Fehlern herhalten muss, noch nicht in voller Schärfe bestanden hat, noch viel weniger zum Ausdruck gekommen ist. Nr. 126: Hr. Lehmann hat wiederholt bemerkt, dass diese Inschrift von ihm aufgefunden sei; ich habe das bisher nicht corrigirt, da ich es anfänglich für ein Schreibversehen hielt, und es im üebrigen ja auch kaum darauf ankommt, ob von den neuen Inschriften eine mehr oder weniger durch mich bekannt geworden ist, sei es durch persönlichen Besuch und eigenhändige Copie, sei es, dass ich von ihrem Vorhandensein wusste und Hrn. Lehm.ann, bezw. unseren Dienern ent- sprechende Mittheilung machen konnte'). Aus der Wiederholung dieser Bemerkung scheint mir indessen eine gewisse Absicht hervorzugehen, weshalb ich zur Ver- hütung von Legenden-Bildung hier doch kurz bemerken will, dass diese Inschrift zur Zeit unseres gemeinsamen Aufenthaltes in Van aufgefunden worden ist, nicht von Hrn. Lehmann, auch nicht von mir, sondern von unserem Diener Jerowant Abrahamow, der sie in einem armenischen Hause aufstöberte. Wenn ich ein persönliches Verdienst an derselben habe, so ist es nur das, durch genaue Aus- messung den Text gesichert und namentlich auch den Anfang der sehr wichtigen Zeile 5 eruirt und damit den Doppelnamen Rusas' I. festgestellt zu haben. Dafür, dass dieser Schriftstein, der nach meiner Feststellung trotz der mit ihm vorgenommenen Deformation — er ist nehmlich zu einem Mühlstein umgewandelt (oberflächlich gerundet) und als solcher lange Zeit benutzt worden, so dass die event. auf der Rückseite befindlich gewesene Keil-Inschrift vollständig abgeschliffen ist — noch deutlich als Kopfstück einer Stele zu erkennen ist, zu der Rusas-Stele vom Keschisch GöU höchst wahrscheinlich gehört, sprechen folgende Merkmale: 1. Die gleiche Gesteins-Art; 2. Die gleiche Breite; 3. Die annähernd gleiche Dicke; 4. Die gleiche Ausführungsart der Inschriften; 5. Der Umstand, dass Nr. 126 mit einer Weih-Inschrift an Teisbas, den Wassergott, beginnt, was bei dem Text von Nr. 127, der Keschisch-Göll- Stele, die ja grösstentheils von Wasser-Anlagen handelt, sehr begreiflich ist und um so mehr ins Gewicht fällt, als wir ausser dieser Inschrift nm- noch eine einzige kennen (Sayce, Nr. 26, bei uns Nr. 89/90), die direct und ausschliesslich dem Gotte Teisbas gewidmet ist. In zwei anderen Inschriften werden (abgesehen natürlich von der Meher-Kapussi-Inschrift) dann noch dem Teisbas besondere Opfer bestimmt, bezw. dieser Gott noch in hervorragender Weise genannt. Die eine ist die Fels-Inschrift von Kölani Girlan, angebracht auf einer direct in den See hineinstürzenden 1) Letzteres trifft z. B. zu für die Inschriften Nr. 3, IG, 18, 31, 45, 47, 48, b^, 69, 116, 118, 131, 133, 134, 144, 147, 179 und Yungalu. Verhandl. der Berl. Anthropol. Gesellschaft ISOl. 20 (306) Pelsklippe; hier wird die Inschrift und ihre Erhaltung dem Schutze des Teisbas anvertraut, der die Beschädiger derselben auch bestrafen soll. Die andere ist die Inschrift von Tscheiabi Bagi (einem nahe dem Nord- ufer des Van-Sees gelegenen Dorfe), deren Inhalt sich vornehmlich auch auf Canal-Bauten und Wasser -Anlagen bezieht; am Schlüsse werden einer ganzen Reihe von (augenscheinlichen) Local - Gottheiten, allen voran Teisbas, Opfer bestimmt. Mit absoluter Sicherheit lässt sich trotz alledem die ZusammengehörigKeit der beiden Bruchstücke nicht behaupten, ebenso wenig wie man das von der Argistis -Stele (Nr. 100 bei uns) sagen kann; indessen es ist nach dem ganzen Befunde sehr, sogar ausserordentlich wahrscheinlich, um so mehr, als die beiden Texte zusammen stimmen, was bei der Argistis-Stele, wie oben S. 298ff. gezeigt, eben nicht der Fall ist, wenigstens nicht in einwandfreier Weise. Hierzu addirt sich nun noch, dass nach der ganzen historischen Sachlage die Keschisch-Göll- Stele von Rusas I. herrühren muss; dabei darf auch das im Akademie -Bericht (S. 629) erwähnte Moment, dass „Argistis II., der Sohn Rusa's L, bei Ardjisch die Anlage eines Stau-Sees und einer oder mehrerer Städte undenkbarer Weise in Angriff nehmen konnte, so lange die gleiche, viel dringlichei;e Aufgabe für die Reichs-Hauptstadt unausgeführt war"i), nicht ausser Acht gelassen werden. Im Uebrigen fehlt zwischen diesem Kopfstück (Nr. 126) und dem üntertheil der Stele (Nr. 127) immerhin noch ein Stück von 1 — IV2 ^'* Länge. Von einer sich auf die Zusammengehörigkeit der Nr. 126 und 127 beziehenden Anfrage des Hrn. Lehmann, die er a. a. 0., S. 613, Anm. 2 erwähnt, ist mir nichts bekannt; jeden- falls wäre dieser Punkt von mir bei dem Lesen der Correctur richtig gestellt worden. Nr. 127: Dieses wichtige Document, welches seit seiner vor wenigen Jahr- zehnten -durch die Bauern erfolgten Zertrümmerung und Urastürzung einer lang- samen, aber sicheren Zerstörung ausgesetzt war, habe ich mit einiger Mühe aus der tiefen Schlucht, nahe beim Keschisch-GöU-Rusas-See, in der es etwa 720 v. Chr. aufgestellt worden war, herausgeholt und über die Gebirge hinweg nach Van (vgl. diese Verhandl. lüGO, S. 55) und weiterhin nach Trapezunt und Deutschland transportirt. Nr. 128: Nicht nur nie gelesen, sondern auch nie abgeklatscht. Denn nach freundlicher Mittheilung des Hrn. P. Seh eil bestand der von ihm besichtigte sogenannte -Abklatsch'' des Hrn. Ximenez aus einzelnen Stücken Papier, die 1) Diesen zuerst von Hrn. Lehmauu vorgebrachten Gesichtspvmkt haben wii- schon in Van 1899 discutirt und als zutreffend anerkannt. Es berührt eigenthümlich, nunmehr zu sehen, dass er die obige Bemerkung im Akademie-Bericht mit: m. E. (meines Erachtens) einleitet, gleichsam als ob ich nicht dieser Ansicht wäre, die sich ja jedem, der sich näher mit den Inschriften beschäftigt, von selbst aufdrängt. Bei den zahlreichen von mir zu- erst vorgeschicigenen Deutungen, z.B. gi = Tempel, Heiligthum, (Alu) Ur-me-ni = Ormeni-Armenien, akarki und hirusi = Hohlmaasse, >" u-e-di-ipri = '"Lutuipri (= Lutipri) = Herr der Menschen oder Menschheit, (Mat) Urme = Urraia usw., hält er es dageg^^n für vortheilhafter, nichts zu bemerken, sondern in unserer beider Namen zu berichten. Eine andere Eigenthümlichkeit seiner Berichterstattung ist die, bei Dingen, über die wir beide unabhängig von einander geschrieben haben, nur sich anzuführen, z. B. über Alaschgeit (^Akademie-Bericht, S. 621, Nr. 31), wo er wohl sich mit V. B. A.-G. 1899, 613, nicht aber mich mit ebend. S.583 nennt, oder Tigris-Grotten-Inschriften: Dr. L. = Mitth. d. Geogr. Ges. in Hamb. XVI, 47, während meine Ausführungen: Z. E. 1899, S. 248ff. unerwähnt bleiben usw. Auf diese und andere Eigenthümlichkeiten der Berichterstattung des Hrn. I>ehmann werde ich noch zurückkommen. (307) keinen zusammenhängenden Theil der Inschriften repräsentirten und mit denen absolut nichts anzufangen war, von einer „Entzifferung" gar nicht zu reden. Es ist selbstverständlich, dass Hr. Lehmann, wie er (a. a. 0., S. 613, Anm. la) sagt, auf der chaldischen Schmalseite nur die 6 dort wirklich vorhandenen Zeilen copirt hat, nicht etwa 8 Zeilen, wie es im Akademie-Bericht heisst. Woher aber soll wohl der Nichteingeweihte wissen, dass dort nur G Zeilen vorhanden sind? Und warum hat Hr. Lehmann diesen Irrthum nicht selbst berichtigt? Auf den Inhalt dieser ßilinguis werde ich noch zurückkommen. Nr. I2i): Koelani Girlan. Von der Inschrift sind noch 20 Zeilen erkennbar gewesen und von mir copirt worden; eine genaue Untersuchung des Felsens würde vielleicht auch an den tieferen Stellen noch einige Zeichen erkennen lassen, denn ■einen richtigen Abscbluss besitzt die Inschrift, so wie sie vorliegt, m. E. nicht. Mir war diese Untersuchung wegen besonderer Schwierigkeiten nicht möglich. Das Niveau des Sees lag nehmlich am 19. Juli 1898 um etwa 1 m höher als im Anfang August 1891; wir versuchten zwar doch, ins Wasser gehend, dorthin zu gelangen, allein als mein Bruder Lothar schon sehr bald bis zum Halse in das Wasser eintauchte und nur schwimmend die Inschriftstelle erreichen konnte, blieb nichts anderes übrig, als einen Kahn zu beschaffen, auf dem wir dann an die Inschrift heranfuhren. Leider war der Spiegel des mächtigen Alpensees nicht ganz ruhig, so dass es einigermaassen schwierig war, von dem hin- und herschaukelnden Kahne aus die Inschrift zu lesen. Glücklicher Weise wurde ich hierin von meinen Begleitern, HHrn. Boris v. Seidlitz und meinem Bruder, in sehr ausgiebiger Weise unterstützt, von denen der eine meine Lesungen an der Hand von Nikolsky's Pracht -Ausgabe controlirte, der andere neben mir stehend mein Inschriften buch (als Tisch gleichsam) hielt, in das ich dann das Gelesene alsbald eintrug. Sobald sich eine Divergenz zwischen dem wirklichen Text der Inschrift auf dem Felsen und der Wiedergabe bei Nikolsky zeigte, wurden beide Assistenten ersucht, sich durch den Augenschein von der Thatsache zu überzeugen; ich wollte mich durch dieses Verfahren nach Möglichkeit gegen etwaige Einsprüche Nikolsky's sichern. Leider nahm die Wellenbewegung des Sees fortgesetzt zu, der an sich alters- schwache und reparaturbedürftige Kahn wurde immer heftiger gegen die Felsklippe geschleudert, krachte in allen Fugen, fing schliesslich an bedenklich zu lecken, wobei sein anwesender Besitzer immer mehr schmunzelte und dabei von 5 zu .'> Minuten die Entschädigung für die Benutzung desselben fortgesetzt erhöhte, bis er schliesslich bei 100 Rubeln befriedigt stehen blieb, gerade als ich mit Mühe und Noth das, was ohne mehrtägiges, auf die arg zerstörten Stellen zu verwendendes Studium dem Stein abzuringen war, glücklich in mein Buch eingetragen hatte und Befehl geben konnte, den schon bedenklich mit Wasser gefüllten Kahn an das Ufer zu bringen. So viel habe ich jedenfalls constatiren können, dass auch das, was ich unter den ungünstigen Umständen an den verwitterten Inschriftstellen nicht lesen konnte — und das ist zumal gegen Schluss der Inschrift, von Z. 15 ab, ziemlich viel, wohl gut Vi — Vs der Zeilen, — von einem in der Entzifferung chaldischer In- schriften geübten Forscher bei hinreichender Ausdauer vollständig entziffert werden könnte-. Hauptbedingung dafür ist absolut ruhiger Seespiegel (oder sehr niedriges Niveau, das aber schwerlich vor 1915 zu erwarten ist), den man noch am ehesten in den allerfrühesten Morgenstunden, von etwa eine Stunde vor Sonnen -Aufgang bis etwa 97a Uhr Morgens erwarten kann, so dass es am gerathensten erscheint, bei der Inschrift selbst seine Zelte aufzuschlagen, um so früh wie möglich mit der Arbeit beginnen zu können. 20* (308) Bezüglich des Textes im Allgemeinen, wie auch der Lesung der Eigennamen ergiebt meine Untersuchung der Inschrift wesentliche Abweichungen gegen Nikolsky. Nr. 130, 131: In 130 Ys 33 (nicht 32!) = 131 Vs 44 heisst es: zadubi ini (fehlt in 131!) sue a-su-a-h-i-na (nicht a-ba-a-hi-na). Die eigentliche Bedeutung von su(e) ist nicht „See" (Stausee), sondern einfach „Wasser"; es entspricht voll- ständig dem türkischen su(y), kann also auch bei „Flüssen, Bächen" usw. gebraucht werden. Bei beiden Nummern ist Mg. (= Ausmessung) zu bemerken; nur auf diese Weise ist mir die bis auf sehr wenige Silben vollstcändige Wiederherstellung der beiden rückseitigen Texte (namentlich bei 130 ausserordentlich abgerieben, so dass auf dem Abklatsch nur Weniges mit Sicherheit zu entziffern war) gelungen i). Da Nr. 130 Vorderseite, Z. 1—34 mit Nr. 131 Vorderseite Z. 1—46 parallel läuft, so ergeben sich mancherlei Varianten und auch Aufklärungen für die Syntax der chaldischen Sprache. Von besonderem Interesse ist wohl die Feststellung der Existenz einer Wurzel e (davon u. A. e-i-a, e-li usw.), deren Ableitungsforiu e-u-e (= ewe) im Paralleltext durch e-ha (= e') wiedergegeben wird. Aus 130 Vs. Z. 29 und 131 Vs. Z. 40 hatte ich, schon als ick diese Inschriften am 2. und 3. August 1899 entzifferte, nicht nur die Bedeutung von (GIS) uldi, sondern auch diejenige von (GIS) zari und (GIS) use erschlossen. Da diese Aus- drücke, nicht nur in der Stelen -Inschrift von Hagi und Tscheiabi Bagi, sondern auch in denjenigen vom Keschisch - Göll (Rusas I.) und von Etschmiadzin (Rusas II.) — die ich erst kürzlich hier vorgelegt habe (vgl. S. 225) — vor- kommen und zwar in genau demselben Zusammenhange, so wird es am an- schaulichsten sein, wenn ich alle diese Stellen hier übersichtlich zusammenstelle. In Rusas I. (= Keschisch -Göll) ist nach meiner Ausmessung Z. LS und 19 wie folgt wieder herzustellen: 18. ['"jRu-sa-se a-li te-ru-bi i-ku-ka-hi-n[i] d.h.: Rusas spricht: Ich habe angelegt an demselben 19. ["^'] KI . TIM. (GIS) KARANÜ . (GIS) TIR . (KAR; use . DAN . NU^). Orte (auf derselben Bodenfläche). Rusas n. (= Etschmiadzin) dagegen berichtet in Z. 10 und 11: 10. i-e-se i-ni (GIS) ul-di-e 11. te-ru-bi (KAR) (GIS) u-se (GlS)zari. Demgegenüber lauten Hagi und Tscheiabi Bagi (Argistis II.): H. 40: (KAR) (GIS) u-se , (GIS) KARANÜ za-a-ri. Tsch. 29: (KAR)u-se ! uldi za-a-ri. Hieraus folgt nun zur Evidenz: 1. Dass uldi = (GIS) KARANü ist, also, da es sich um landwirthschaftliche Cultur-Anlagen handelt, nur „Weingarten" bedeuten kann; 2. dass nicht, wie es bei der Keschisch GöU-Stele möglich erschien, kar-u-se zu lesen und darin ein in eben dasselbe Gebiet schlagender, aber nicht genau zu um- schreibender chaldischer Ausdruck zu erblicken sei, wie es Hr. Lehmann (Z f. E. 1892, S. 143, Anm. 5) vermuthete, sondern dass KAR als Ideogramm abzuzweigen ist, durch welches das nachfolgende use dem Sinne nach bestimmt und als ein 1) Man vergl. über diese beiden Inschriften u. A. die Verhandl. 1898, S. 573. 2) So nur kann nach dem vorhandenen Räume ergänzt werden. (309) chaldisches Wort für „Garten" festgelegt wird. Wie man sieht, folgt in 2 Fällen (Etschraiadzin und Hagi) hinter KAR noch Gl!S als Determinativ (= Holz), das aber, wie die beiden anderen Inschriften zeigen, auch unbeschadet des Sinnes weg- bleiben kann. In der Erwägung nun, dass alle 4 Inschriften von Canalbauten und anderen Wasseranlagen, sowie von im Anschluss daran vorgenommenen Besiedelungen der durch die Bewässerungs-Anlagen der Landwirthschaft neu erschlossenen Terrains, endlich auch von der Anlegung von Wein- und anderen Gärten (meist wohl für den Königlichen Haushalt) handeln, kann man bei der an den oben gegebenen Inschrift- stellen ganz gleichartigen Abfassung der Inschriften auch mit höchster Wahrschein- lichkeit schliessen, dass die in Hagi und Tscheiabi Bagi als zari, in Etschmiadzin als (GIS) zari auftretende Gruppe in der Keschisch Göll- Inschrift durch die nur dort vorkommende Gruppe GIS . TIR ausgedrückt ist, beide Bezeichnungen also synonym sind. Da GIÖ . TIR das Ideogramm für „Wald, Hain" ist, so ist zari also gleichfalls = „Hain"*). Und diese Bedeutung passt vortrefflich zu allen Inschriftstellen, an denen zari vorkommt. Nicht nur, dass es, so weit ersichtlich, nie allein, sondern stets mit uldi zusammen auftritt, also schon deshalb sich in seiner Bedeutung wohl kaum sehr weit von der des Wortes uldi entfernen wird, sondern wir haben auch für diese sehr grosse üebereinstimmung der Be- deutung der beiden Wörter ein directes inschriftliches Zeugniss. In der von mir 1S91 aufgefundenen grossen Güsack-Inschrift (= Nr. 58 unserer Liste) heisst es nehmlich in Zeile 12 — 15: 12. teruni ini (GIS) ul-di 13. teruni (GIÖ) za-a-ri-e 14. '" Me-i-nu-u-a-i 15. (GIS) ul-di-e ti-i-ni. Das ist: 12. Er (sc. Menuas) hat angelegt diesen Weingarten. 13. Er hat angelegt den (Obst?)-Hain. 14. und 15. „Menuas- Weingarten" genannt. Es begreift also uldi hier das zari mit ein; folglich kann zari nur etwas be- deuten, das man mit Weinreben zusammen anpflanzen und als eine einheitliche Anlage bezeichnen (und wohl auch einhegen) kann. Und nach dieser Richtung hin scheint mir „Fruchthain oder Fruchtgarten" am besten zu entsprechen. Es ist selbstverständlich, dass diese 3 in ihrer Bedeutung neu erschlossenen chaldischen Wörter an solchen Stellen, an denen ein Irrthum des Lesens ausge- schlossen ist, auch ohne die begleitenden Determinative auftreten können, ebenso wie auch die Ideogramme allein gebraucht werden können. So kommt z. B. das Ideogramm KARANU (= Wein) nicht nur in Tscheiabi Bagi, Rs. Z. 23 vor (=6 hirusi^) Wein, wodurch sowohl hirusi als auch akarki, in Üebereinstimmung mit d^m Ausgrabungs- Befund auf Toprakkaleh, als „Hohlmaasse" bestätigt w^erden), sondern auch in der Güsack-Inschrift (Nr. 58) Zeile 30. Dass andererseits sowohl uldi, wie zari ohne Determinativ auftreten, beweisen die oben angeführten Inschriftstellen (H. 40 und Tsch 29). Auch use kommt 1) Es ist auch denkbar, dass (KAR) u-se eine zusammenfassende Bezeichnung für uldi und zari sein soll, dass es sich also nicht um drei, sondern nur um zwei verschiedene landwirthschaftliche Anlagen handelt. 2) Ein Hirusi sehr wahrscheinlich = 10 oder 12 Liter; nach meiner Ueberzeugung ebenso gross als der russische Yedro (Eimer). (310) ohne Ideogramm vor in Nr. 63, vielleicht auch in H. Vs. 31 (= Tsch. Vs. 23), wo es heisst: (Ilu) Hal-di-se EN-u-se, wobei zweifelhaft sein kann, ob EN als Ideogramm (= Herr) oder als Silben- werth zu fassen ist; in letzterem Falle hätten wir als chaldisches Wort enuse zu verzeichnen, wobei auch auf das neugefundene Wort en-si-ni-ni hingewiesen sein mag. Die Peststellung der Bedeutung von uldi als „Weingarten" wirft aber ihrer- seits gleich wieder Licht auf einen anderen wichtigen Punkt. Nr. 59 (bei Sayce Nr. 23) ist eine zweimal wiederholte Inschrift von 3 Zeilen, eingegraben auf einem grossen Felsblock, der sich in allernächster Nähe des linken Ufers des Schamiramsu-Menuas in der Katebanz genannten Schlucht (kaum 1 km östlich von Artamid und unmittelbar am Süd-Ufer des Yan-Sees gelegen) befindet. Sie lautet: 1. '" Menuainiei (f.) si-la-a-i-e. 2. (f.) Ta-ri-ri-a-i i-ni (GIS) ul-di. 3. (f.) Ta-ri-ri-a-hi-ni-li ti-i-ui. ^ Nun hatte ich früher (vgl. Chaldische Forschungen Nr. 3, diese Verhandl. 1895, S. 608) uldi als „Sitz, Wohnsitz" aufgefasst, was, wie so eben gezeigt, nicht der wirklichen Bedeutung entspricht. Veranlasst dazu wurde ich durch die Ueber- zeugung, das den Personen-Namen angehängte chaldische Suffix (i) nili (s) bedeute „(Gross) Bau, Palast", eine Deutung, die sich bei der Betrachtung von Inschriften, wie z. B. Nikolsky Nr. 9 zunächst geradezu aufdrängt. Denn hier heisst es: 1. Zu den mächtigen (?) Chaldern 2. spricht Argistis, der Sohn des Menuas, 3. den E . KAL (= Palast), der verfallen (?) war, 4. habe ich wieder hergestellt und errichtet 5. den Argistiliinili genannten. Die nächstliegende Bedeutung für Argistiliinili ist doch wohl „Argistis- Palast"^); und doch ist das nicht richtig, denn in der obigen Inschrift wird der ganz analoge Ausdruck Taririahinili von einem „Weingarten" gebraucht, kann also unmöglich irgend etwas mit „Bau" usw. zu thun haben. Man könnte vielleicht daran denken, dem Suffix „nili'' die mehr allgemeine Bedeutung „Anlage" oder dergleichen beizulegen, aber selbst dem widerspricht das Vorkommen des analogen Ausdrucks (Mat) Etiuhinili (Nr. 14, Vs. Z. 15, Rs. Z. 3 und Vs. Z. 32, Rs. Z. — ), der ganz unvermittelt in einem Kriegsbericht auftritt, wo ein Sinn wie „Anlage des Landes Etius" ganz ausgeschlossen erscheint, ferner der so häufig auftretende Ausdruck huradi-nili, der sicher einen Theil des Heeres oder das „Heer" selbst bezeichnet, zumal er durch das vorgesetzte Determinativ (Amelu) als „Mensch" charakterisirt wird usw. Die einzige Möglichkeit einer für alle diese Fälle zu- treffenden Deutung besteht m. E. darin, das supponirte Suffix (i)ni-li fallen zu lassen, überall ein auf liini(se) endigendes Nomen anzunehmen, das dann durch Hinzufügung des adjectivischen Suffixes „li" Adjectiv-Funktion erhält, wobei es vorkommen kann, dass das so gebildete neue, sich auf hi-nili endigende Adjectiv als substantivirtes Adjectiv auftritt. Dass die anf hinis endigenden Wortformen Substantiva sind, ergiebt sich aus 1) So von mir gedeutet in diesen Verli. 1893, S. 221. (311) der Thatsache, dass sie dcclinirt werden (bewiesen durch Formen wie lii-ni-ni usw.), während reine Adjectiva, wenigstens so viel ich sehe, nicht declinirt werden. Dementsprechend würde dann bedeuten: Argistihinis Argistihinili der Argistäer Argistisch Menualiinis Menualiinili der Menuäer Menuäisch Diauliinis Diauliinili der Diäer Diäisch Etiuhinis Etiuliinili der Utier Utisch Taririahinis Taririahinili usw. der Taririäer Taririäisch. Nun möchte ich noch weiter bemerken, dass ich die von mir früher vorge- schlagenen Deutungen von (f.) sila, — nicht sila, wie Hr. Lehmann auf S. 633, Z. 1 V. 0. des Akademie-Berichtes schreibt, — als „Tochter", wobei ich mich auf mitannisch sala = Tochter (Jeusen, ZA. V, S. 1«4, 199 usw.) stützte (diese Verh. 1895, S. 608), heute doch nicht mehr mit derselben Bestimmtheit aufrecht er- halten kann. Einerseits liest Messerschmidt (Mitanni-Studien) sala (nicht sala), andrerseits bedeutet im Lazischen, das m. E. grosse Verwandtschaft zum Chaldischen zeigt, sili „Weib" (Rosen, die Sprache der Lazen, Berl. Akad. 1843, Lemgo & Detmold 1844, S. 31). Nicht allein, dass mir sila dem chaldischen sila näher zu stehen scheint, es klingt auch natürlicher, dass, wenn Menuas schon einmal einen Wein- garten für ein weibliches Wesen anlegen wollte, er dabei zunächst an seine „Frau" dachte, nicht aber an irgend eine seiner (wahrscheinlich sehr zahlreichen) Töchter, um die sich die Väter im Alterthum höchst wahrscheinlich noch viel weniger ge- kümmert haben werden, als es heute der Fall ist. Ich würde deshalb obige Inschrift jetzt lieber und wohl auch weit zu- treffender übersetzen mit: „Des Menuas AVeib Taririas (gehört, ist) dieser Weingarten, der Taririäische heisst er." Schliesslich möchte ich noch auf das interessante Factum hinweisen, dass der Inschrift- Fels in der Breitseite eines nicht unbeträchtlichen Stück Landes liegt, das noch heute deutlich erkennen lässt, dass es künstlich erhöht und für diesen Zweck hergerichtet worden ist. Von diesem Weingarten der Taririas aus hat man übrigens einen wundervollen Blick auf den Van-See und den etwa in Nordrichtung liegenden Sipan Dagh. Noch in anderer Beziehung sind die beiden Inschriften Nr. 130 und 131 lehr- reich und für die Erschliessung des chaldischen Wortschatzes förderlich. In 130 Vs. 19 = 131, Vs. 25 liefern sie mit unbezweifelbarer Deutlichkeit ein neues chaldisches Wort na, das sicherlich identisch ist mit dem sonst häufig vorkommenden ina, so viel wie „Stadt" bedeutet, und das uns als Städtenamen bildendes Suffix „na" (z. B. in Rusaliina, Argistüjina, Menuahina usw.) seit Langem bekannt ist. Meines Wissens tritt dieses Suffix hier zum ersten Mal in nicht missverständ- licher Weise als selbständiges Wort auf; Ableitungen desselben lassen sich dagegen zahlreich in den Inschriften nachweisen. In eben denselben Zeilen der beiden Inschriften finden wir dann zum ersten Male in den chaldischen Inschriften das Ideogramm (GIS) Gü-ZA = „Thron", C312) während 130 Vs. 22 = 131 Vs. 31 uns den chaldischen Lautwerth eines anderen Ideogramms, von Mät Matäti = „Welt" liefert. In 130 Vs. 22 steht Mät Matäti, im durchaus parallelen Text 131 Vs. 31 dagegen Mät Suri(li'?). Derselbe Ausdruck findet sich in der grossen Argistis-Stele (= Nr. 100), an allen anderen Stellen aber heisst es in den Königstitulaturen (Mät) Su-ra-u-e. Die oben genannten Inschrift- Stellen beweisen nun in durchaus einwandfreier Weise, dass in allen diesen Fällen unter (Mät) Suri (bezw. ra) thatsächlich die „Welt" zu verstehen ist, dass also die Chalderkönige sich nicht nui- Schah-in-Schah (König der Könige), sondern auch „König der Welt" nannten. Dann liegt aber auch in der Phrase: (llu) Hal-di-ni us-ta-bi ma-si-ni su-ri-e wohl sicher dasselbe Wort suri ohne Ideogramm vor, was bestätigt wird durch die im Uebrigen viel häufiger, oder vielmehr ge- wöhnlich dafür gebrauchte, fast ganz gleich lautende Phrase, in der nur surie durch gis-.su- ri-e ersetzt ist. Von gis-suiüe aber wissen wir aus der Phrase: (Hu) Haldie eurie gi.ssurie durch eine Parallel-Steile, in der eurie durch „BEL" (= der „Herr"), gissurie aber durch „EN" wiedergegeben ist, dass letzteres dem Assyrischen Ideogramm für „Welt" entspricht. Welche Function das Präfix gis hier ausübt, ist mir unklar; anzunehmen, dass gissurie = Welt, scheint mir den oben angeführten Belegstellen gegenüber, in denen sicher (Mät) Su-ri(ra) = Welt ist, nicht möglich. Wohl aber verdient es Beachtung, dass m. E. gis in diesen Inschriften als selb- ständiges Wort vorkommt, nämlich in 130 Vs. 20= 131 Vs. 26. Endlich sei noch darauf hingewiesen, dass diese beiden Inschriften uns eine überaus grosse Zahl von Nominal- Formen auf se liefern, die unseren chaldischen Wortschatz ausserordentlich bereichern, wie denn überhaupt fast ein Drittel aller darin vorkommenden Wörter und Wortformen für uns neu ist. Nr. 133: Wenn Hr. Lehmann bei (Land) Ha-li-tu sich an den Fluss Halys erinnert fühlt, so kann ein Anderer bei der hier in Betracht kommenden Gegend mit mindestens demselben Recht an die Chalidi -Araber oder einen anderen an- klingenden Namen denken. Der Schriftstein stammt höchst wahrscheinlich, ebenso wie die in dieselbe Burgmauer eingebauten Sculptur - Steine, von der etwa 4 — 5 km westlich von Adeljewaz gelegenen colossalen chaldischen Burg-Ruine Kafii' Kala. Nr. 134: Inschrift von Kalah bei Mazgert. Hr. Lehmann suciit auf S. Glö seine Ansicht, (V.) Lu-bar-hi-e-di-i sei mit Lubarna, einem etwa 200 Jahre früher lebenden Herrscher von Patin zusammen- zustellen, eingehender zu begründen und aufrecht zu erhalten. Er sagt dabei: „Und was schliesslich das Fehlen des na (von Lubarna) in dem von mir als Ab- leitung davon betrachteten Lu-bar-hi-e-di-i anlangt, so ist na im Chaldischen und vermuthlich in den verwandten Sprachen^) ein Suffix, und dass bei Antritt eines oder mehrerer neuer Suffixe (hier lii -f di) ein vorhandenes Suffix wegfällt, ist linguistisch nichts weniger als auffällig." Auf welche Sprachen Hr. Lehmann in dem Schlusstheil dieses Satzes sich stützt und Bezug nimmt, weiss ich nicht, ist auch gleichgültig, da es sich hier lediglich und ausschliesslich um die chaldische Sprache handelt. Und in dieser Beziehung muss die Forschung, namentlich so lange das Wesen dieser Sprache so wenig erkannt und bekannt ist, wie es leider bis jetzt noch der Fall ist, nicht auf vage Vermuthungen hin weitgehende historische Schlüsse ziehen, sondern sich möglichst an das Erschlossene halten und vom gesicherten Boden aus, wenn auch 1) Von mir gesperrt. W. B. (313) langsam, so doch sicher vorschreiten. Ich würde deshalb Hrn. Lehmann sehr dankbar sein, wenn er mir seine Behauptung-, dass das Suffix na — dass in Lubarna das finale na ein Suffix ist, würde Hr. Lehmann auch noch erst zu be- weisen haben — bei Antritt eines oder mehrerer neuer Suffixe in der chaldischen Sprache in Wegfall kommt, durch Belegstellen aus den chaldischen In- schriften beweisen wollte. Ich habe mir das ganze Inschriften-Material daraufhin noch einmal genau angesehen und nichts derartiges gefunden, und ich weiss be- stimmt, dass Hrn. Lehmann die Erbringung dieses Beweises nicht gelingen wird. Und das um so mehr, als ich das gerade Gegentheil des von Hrn. Leh- mann Behaupteten beweisen kann, dass nehmlich das Suffix na, — und ich werde mich auf solche Fälle beschi-änken , in denen ich strikt nachweisen kann, dass es sieh um ein Suffix, nicht etwa um eine zum Wortstarame gehörige Silbe na handelt, — bei Antritt eines oder mehrerer neuer Suffixe nicht wegfällt. Von (Land) Hate z. B. lautet die entsprechende Ableitungsform (Land) — sie! — Ha-ti-na, was ra. E. einfach mit „Hethiter-Stadt" zu übersetzen ist, entsprechend dem (Hu) Haldina = Chalder-Stadt, Mu.sasina = Musasiräer-Stadt, Urratina = Urartäer- Stadt usw. Tritt nun hierzu ein weiteres Suffix, so fällt das erste Suffix na durchaus nicht weg, sondern bleibt unverändert bestehen, wie Formen (Mät) Ha-ti-na-i-di oder (Mat) Ha-ti-na-a-si-e beweisen. Es sei hierbei bemerkt, dass ich schon vor vielen Jahren darauf aufmerksam gemacht habe, dass die chaldische Locativform auf idi der georgischen auf ethi genau entspricht. Das chaldische Suffix si-(e) dagegen (gewöhnlich a-si) entspricht wieder genau dem georgischen Suffix dze, das wir bei unzähligen georgischen Eigennamen (vergl. Schachsewa-dze, Scherwaschi-dze usw.) vorfinden; es bedeutet, wie hier, die Zugehörigkeit und (Mat) Hatinasie ist nichts anderes, als „ein Bewohner, Angehöriger der Hethiter- Stadt, oder kurzweg ein Hethiter". Selbst in noch mehr prolongirten Formen bleibt das Suffix na bestehen, wie z. B. (Mat) Hati-na-as-ta-ni beweist. Damit fällt eine der Haupt- Prämissen des Hrn. Lehmann; wir müssen nach dem, was uns bisher von der chaldischen Sprache bekannt geworden ist, unbedingt für eine von Lubarna abgeleitete Form hier er- warten Lubarna-hiedi, nicht aber Lubar-liiedi. Wern Hr. Lehmann dann weiter sagt: „Und was schliesslich das Fehlen des na (von Lubarna) in den von mir als Ableitung davon betrachteten Lubarliiedii anlangt, so ist na im Chaldischen „und vermuthllch In den verwandten Sprachen" i) ein Suffix usw." Das kann so nur dahin aufgefasst werden, dass nach Hrn. Lehmann's Ansicht das Reich von Patin -Gurgum- Mark as in der II. Hälfte des 9. Jahrh. v. Chr. eine alarodisch sprechende Bevölkerung hatte. Obgleich nun das auf die Bildung der Eigennamen, bezw. Entwicklung neuer Formen aus den- selben in den auf chaldischen Sprachgesetzen beruhenden chaldischen Inschriften ohne wesentlichen Einfluss sein würde, möchte ich doch Hrn. Lehmann um seine Beweise auch für diese ungewöhnliche Behauptung bitten. So weit wir von dorther Sprach-Denkmäler besitzen, beweisen sie die Existenz einer syrisch- aramäischen Bevölkerung und Staatssprache (vergl. die Ausgrabungen in Sendschirli). Dazu kommt dann ein weiterer Umstand, der gegen Hrn. Lehmann's Zu- sammenstellung von (Mat) Lubarhiedi mit Lubarna spricht. So weit man bislang urtheilen kann, lauteten die Ländernamen und auch die Eigennamen von Städten (und meist wohl auch von Personen) bei den Chaldern so, wie bei den Assyrern. 1) Die Hervorhebung rührt von mir her. W. B. (314) Das in dieser Beziehung vorliegende Vergleichs-Material ist keineswegs gering, es sei hier nur an folgende Länder-, bezw. Städte-Namen erinnert: Mannai, Barsuas, Bustus, Babilu, Lulu, Alzi, Milid, Muski, Hate, Uliba, Assur usw. Wir sehen in beiden Arten von Inschriften kaum einen Unterschied der Sprech- oder Schreib- weise: wie der Name im Assyrischen lautet, so auch fast unverändert im Chal- dischen und umgekehrt. Und dieser Thatsache gegenüber würde, wenn Hr. Leh- mann mit seiner Vermuthung recht hätte, der Ausdruck (Mat) Lubarhiedi für (Mat) Patin eine ganz ungewöhnliche Ausnahme bilden. Denn nie kommt in den assyrischen Inschriften das Land Patin unter der Bezeichnung Bit Lubarna (so müsste der entsprechende assyrische Ausdruck dann lauten) vor. Nun führt Hr. Lehmann zu Gunsten seiner Annahme aber weiter an, „dass in einem der , Gebete an den Sonnengott' (Knudtzon, Nr. 48) neben sa (was Knudtzon hier mit einiger Wahrscheinlichkeit zu Ur-sa [= Rusas IL] ergänzt) genannt wird .... den sie König von (Land) P[a] .... nennen." Er schlägt vor, dieses nur theilweisc erhaltene Pa zu Pa-tin zu ergänzen und be- gründet dieses S. 615, Anmerk. 1, jetzt damit: „Dem mit P(a)- beginnenden Namen geht das Land er- Determinativ voraus. Ein anderer mit Pa- beginnender Landes- name, der mit Urartu irgendwie in Beziehung zu bringen wäre, ist mir aus der keilinschriftlichen Literatur überhaupt nicht bekannt." Auf das Länder-Determinativ vor P(a)- und den daraus von Hrn. Lehmann gefolgerten Landes -Namen ist nicht das Gewicht zu legen, wie es geschieht. Denn in den assyrischen Berichten wird sehr oft demselben Eigennamen bald das Länder-, bald das Städle-Determinativ vorgesetzt, so dass man mit demselben Rechte den mit P(a) beginnenden Namen an anderer Stelle als „Städte-Namen" wieder anzutreffen erwarten kann. Dem zweiten Einwand aber, es seien Hrn. Lehmann aus der keilinschrift- lichen Literatur keine anderen Landes-Namen (wobei also nach dem eben Ge- sagten: bezw. Städte-Namen hinzuzusetzen ist) bekannt, können wir durch Auf- zählung einer ganzen Reihe von Localnamen begegnen: (Land) "Paarsani, (Stadt) Paarda, (St.) Pa-pa, (St) Pasa-su, (St.) Pa-artakku, (St.) Pa-artukka, (Land) Pa- tusarra, (Land) Pa-si-ru. Diese alle liegen im Osten und gehören zu Mannai und Madai, die in erster Linie neben den Kimmeriern mit Rusas II. verbündet waren, also für die obige Ergänzung wohl noch am ehesten in Betracht kommen. Am Nal-Gebirge (Hochebene von Diarbekir) nenne ich die Stadt Pa-risu als Grenz-Nachbar des Chalder-Reiches unter Rusas II , sowie in der Nähe des Murad-tschai das Land Pa-iteri; noch weiter östlich liegen am und nahe dem Euphrat die Stadt Pa-ripa, Stadt und Volk Pa-karhubuni. An, bezw. nahe der Küste des Mittelländischen Meeres wären endlich (Bit) Pa-'alla und last but not least das Land Pa-lastu (= Palästina) zu nennen. Alle die hier genannten Gebiete können für die Ergänzung des mit (Land) P(a) .... beginnenden Namens in Be- tracht kommen; es fällt also auch diese anscheinend so starke Stütze für Hrn. Lehmann's Gleichsetzung von Lubarhiedi mit Patin weg. Schliesslich meint Hr. Lehmann: „Es muss sich ferner [bei dem aus (L.) P(a) ... zu ergänzenden Namen] um einen von Assyrien nicht mehr an- erkannten Staat handeln, denn es heisst nicht ,X, König von Pa . . . .', sondern ,X, den sie König von Pa . . . .' nennen." Auch hier kann man eine andere, ebenso plausible Erklärung geben. Wenn z. B. ein Usurpator die Herrschaft über ganz Pa-lastu (Palästina) beansprucht, sich auch dementsprechend „König von Palastu" von seinen Leuten nennen Hess, während die Assyrer ihn nicht als „König von Ptxlastu" anerkannten, so würde der (315; von ihnen gebrauchte Ausdruck „den sie König von Pa- .... nennen" vollständig erklärt sein, ohne dass man dabei gleich anzunehmen hat, ganz Palastu sei bereits assyrisches Gebiet gewesen. Und wenn andererseits in dem, wie es scheint, oligarchisch regierten Medien einer der Stadtobersten sich den bis dahin bei den Medern ungebräuchlichen Königstitel beilegt, sich also z.B. „König von Pa-arsani oder Pa-artukka" nennt, so kann der Assyrer auch in diesem Falle recht wohl den Ausdruck „den sie König von Pa . . . . nennen" (wobei dann der Nachdruck auf dem Worte „König" liegen würde) gebrauchen. Und wenn drittens das Land (oder die Stadt) P(a) bei den Assyrern einen anderen Namen führte, — wie uns das von mehreren, an der ehemaligen assyrischen Grenze gelegenen Städten inschriftlich wohl bezeugt ist — , so ist abermals der Ausdruck „den sie König von Pa nennen" in der assyrischen Inschrift durchaus am Platz. Demnach kann dem von Hrn. Lehmann angeführten Argument irgend eine Beweiskraft nicht zugesprochen werden; es repiäsentirt vielmehr lediglich eine vierte, aber durchaus nicht irgendwie wahrscheinlichere oder näherliegende Er- klärung jenes obigen Ausdrucks. Und wenn man sich dabei noch vergegenwärtigt, dass Asarhaddon in seiner Stele von Sendschirli ziemlich deutlich sagt, dass die Aegypter Syrien und namentlich auch Samal (= Theil von Patin), seine Leute und sein Land, ge- plündert hätten, so bleibt bei der Thatsache, dass Samal damals schon seit Langem Sitz eines hervorragenden assyrischen Statthalters war, wenig Raum übrig für die Möglichkeit der Annahme, Patin habe sich zur Zeit des Asarhaddon, verbündet mit Rusas IL von Chaldia-Urartu, im Aufstande gegen Assyrien be- funden. Dabei darf auch nicht vergessen werden, dass die Kimmerier in den von ihnen durchzogenen Liliput-Staaten jedenfalls den letzten Rest staatlicher Selb- ständigkeit vollständig vernichtet haben werden. Denn dieses Volk raubte, wie Herodot es so treffend ausdrückt, „im Anlauf". Allen diesen Gründen gegenüber bedauere ich, auf meinem ablehnenden Stand- punkte gegenüber der Zusammenstellung (V.) Lubarhiedi mit Lubarna von Patin und der Ergänzung obiger Inschrift-Stelle zu (Mut) P[a-tin] beharren zu müssen. Nicht anders steht es mit Hrn. Lehmann's Behauptung, das in dieser selben Inschrift zweimal auftretende Wort al-zi-na-a sei von dem Landes-Namen Alzi ab- geleitet, bedeute also „Alzi-Stadt", die er auf S. 621 zu vertheidigen und aufrecht zu erhalten sucht. Ich hatte in meiner Begründung ganz kurz angeführt: 1. einerseits fehlt das Städte-, bezw. Länder-Determinativ; 2. anderseits ist alzi na ein gut belegtes chaldisches Wort. Dazu bemerkt nun Hr Lehmann: „Das Fehlen des Städte-, bezw. Länder- Determinativs ist auch sonst bei sicheren Städte-Namen im Chaldischen dann zu beobachten, wenn die Eigenschaft als Ortsname durch Suffixe deutlich gekenn- zeichnet ist. So hat bekanntlich Rusahina, die Rusas-Stadt, nicht das Städte -Determinativ, weil na das chaklische Suffix für Stadt ist; ebenso wird Chaldina, die Chalder-Stadt usw. niemals mit dem Städte-Determinativ geschrieben. Vergl. ferner das sogleich zu Is-ku-gu-ul-hi-e Bemerkte." Diesen hier zuletzt angeregten Vergleich kann man nur in der strictesten Form ablehnen; denn die Inschrift, auf die sich Hr. Lehmann dabei bezieht, ist ein Thon-Täfelchen, ein Brief, und jeder, der sich auch nur ein wenig mit diesen (316) Keil-Inschriften befasst, weiss, dass im Brief-Verkehr und überhaupt auf Thon- Tafeln vieles erlaubt ist, das auf Stein-Inschriften nicht beobachtet werden kann. In diesem Falle handelt es sich darum, dass in Zeile 2 ein „Sagastara, König- von Iskugulhie", genannt wird, wobei vor dem uns aus anderen Inschriften wohl- bekannten Landes-Namen Isku(oder i)gulus das Determinativ für „Land" fehlt. Niemand kann im Zweifel sein, dass in obiger Phrase unter Iskugulhie ein geographischer Name zu verstehen ist, sei es eine Stadt, sei es ein Land; es handelt sich also hier um eine aus Bequemlichkeit des Schreibers vorgenommene Kürzung. Aber selbst abgesehen davon, darf dieses Täfelchen gar nicht für die chaldische Schriftsprache herangezogen werden, denn der Brief-Schreiber ist ja gar kein Chalder, sondern vielmehr der Konig von Iskigulus, der in Sayce 47 (= Nr. 112 bei uns) deutlich als ein Erläer gekennzeichnet wird! Mit demselben Rechte, mit dem Hr. Lehmann die Schreibart dieser Tafel als Norm für die Beurtheilung chaldischer Schrift- gesetze heranzieht, könnte man auch die Cappadocischen Täfelchen mit ihrem schlechten Assyrisch und ihrer Weglassung aller Determinative als Norm für die assyrische Schreibart heranziehen. Also dieser von Hrn. Lehmann als Stütze seiner Ansicht herangezogene Punkt hat ganz wegzufallen. Dass das Städte-Determinativ im Chaldischen vor sicheren Städte-Namen mit- unter fehlt, ist richtig; ich glaube aber, dass Hr. Lehmann den Hinweis darauf sparen und diese Thatsache in ihrem vollen Umfange und mit allen ihren Con- sequenzen bei mir als bekannt annehmen durfte, denn der von ihm angeführte Passus (diese Verhaadl. 1892 — nicht 1893, wie es S. 621 bei Hrn. Lehmann verdruckt ist — S. 477—485) rührt von mir selbst her und giebt die von mir ge- fundenen Resultate wieder. Einen Punkt aber, und zwar einen sehr wichtigen Punkt, den ich an der an- gegebenen Stelle anführe, vcrgisst Hr. Lehmann zu beachten, nehmlich dass 1. das Städte-Determinativ nur fehlt: a) bei durch Anhängung der Suffixe hina an Personen-Namen ge- bildeten Städte-Namen; b) bei durch Anhängung des Suffixes na, bezw. ina an Götter-Namen gebildeten Städte-Namen; 2. dass aber dafür im Falle a) dem Stadtnamen das Personen -Determinativ, im Falle b) das Gottes-Determinativ vorangesetzt wird. Eine Ausnahme von diesen Regeln giebt es nicht, bezw. ist bisher nicht aufgetreten. Vor dem alzina unserer Inschrift aber steht gar kein Deter- minativ, folglich findet das, was Hr. Lehmann S. 621 unter 1 zur Unterstützung seiner Behauptung heranzieht, gar keine Anwendung auf unseren Fall. Aber, so wird mir Hr. Lehmann vielleicht einwerfen, ich habe das ja auch nur vergleichsweise angezogen und behaupte ja auch gar nicht, dass alzina von einem Personen- oder Gottes-Namen abstamme, sondern vielmehr von einem Landes-Namen! Um so schlimmer dann. Denn bei den von einem Landes-Namen durch Anhängung des Suffixes na abgeleiteten Städte -Namen bleibt allemal das Länder-Determinativ bestehen; man kann daraus für die chaldischen Schrift- gesetze die Regel ableiten, dass das Determinativ durch angehängte Suffixe nicht verändert wird. (317) Dafür lassen sich ungezählte Beispiele aus den chaldischen Inschriften bei- bringen. Sobald Hr. Lehmann mir einen von dieser Regel abweichenden Fall, also einen von einem Länder-Namen durch Anfügung des Suffixes na gebildeten Städte-Namen ohne voraufgehendes Determinativ in den chaldischen Li- schriften nachweisen kann, bin ich bereit, die Möglichkeit seiner Annahme zuzugeben; bis dahin aber bleibt es dabei, dass diese Annahme allen sich aus den chaldischen Inschriften ergebenden Regeln schnurstracks zuwiderläuft. Und nun zu der letzten Hauptstütze seiner Behauptung. Als ich im Akademie-Bericht S. 625, Z. 9 von oben las: „(L.) Al-zi-ni-ni (Nr. 34, Z. S: Palu, P/^ Tagereisen von Mazgert)", hielt ich das für einen kleinen Irrthum meines Reisegefährten, den es nicht lohne, als Grund gegen ihn und seine Annahme anzuführen; denn sicher hätte er mir dann, wie bei anderer Gelegenheit (vergl. S. 613, Anm. la) entgegnet: „Hrn. Belck's richtige Correctur ergiebt sich für jeden, der sich wirklich mit den Inschriften beschäftigt, von selbst." Der Umstand, dass ich diesen Irrthum des Hrn. Lehmann nicht berichtigt habe, hat ihn nun dazu veranlasst, sich hier vollständig festzurennen; denn jetzt benutzt er das Vorkommen des (L.) Al-zinini in der Inschrift von Palu als eine Hauptstütze seiner Zusammenstellung von alzina und (L.) Alzi, so dass von einem Schreibversehen, einem kleinen Irrthum, nicht mehr die Rede sein kann. Nun wohl, ich werde Hrn. Lehmann's Ansicht zustimmen, wenn er mir in dem Text der Inschrift von Palu das (Land) Alzinini nach- weisen kann. Denn soviel ich sehe, kommt dieses Land in der Inschrift von Palu nicht vor. Damit, glaube ich, kann man die von Hrn. Lehmann supponirte (Stadt) Alzinaa wohl endgültig fallen lassen, und ich hoffe, dass meine Begründung Hrn. Lehmann genügen wird; andernfalls kann ich auch noch mit weiteren Beweis- mitteln dienen. Zu meiner Bemerkung, alzina sei ein gut belegtes chaldisches Wort, schreibt Hr. Lehmann (S. 621): „In den sämmtlichen Sayce'schen Inschriften kommt es nicht vor, müsste also in unseren Inschriften wiederholt figuriren, was mir nicht bekannt." Daran, dass Hr. Lehmann über den Wortschatz der ge- sammten chaldischen Inschriften nicht genau orientirt ist, wird wohl niemand etwas ändern können, als er selber; im Uebrigen lässt sich dieser Fehler ja noch be- seitigen, wird wohl auch beseitigt werden, denn m. E. ist ohne die genaue Kenntniss des gesammten Wortschatzes eine erfolgreiche Bearbeitung der In- schriften schwer denkbar. Zur Sache selbst ist zunächst zu bemerken, dass es in unserer Inschrift sich augenscheinlich an beiden Stellen um denselben Ausdruck dreht, nehmlich pari al - zi - nä - i. Dieses Wort alzinai kommt in der That in genau dieser Form in den chal- dischen Inschriften vor und zwar in einer über Wasser-Bauanlagen berichtenden Inschrift, in der eo ipso und auch dem ganzen Zusammenhange nach auch der leiseste Gedanke an das Land Alzi ausgeschlossen ist. Wenn nun aber Hr. Leh- mann danach al-zi-na als ein chaldisches Stammwort betrachtet, so bedauere ich, dem nicht beistimmen zu können, möchte ihn vielmehr auf das S. 615, Anmerk. 1, Zeile 12 v. u. ff. von ihm selbst so hervorgehobene chaldische Suffix na auf- merksam machen, das bei dieser Wortform entschieden abzutrennen ist, so dass als Wurzel alz(i) übrig bleibt, aus der sich selbstverständlich die verschiedensten Wortforraen entwickeln lassen. Eine derselben ist das in der Kaissaran-Inschrift (318) vorkommende alzi-ni-e-i, das wohl schwerlich jemand als Ableitung von alzina betrachten wird, vielmehr sind alzi-na und alzi-niei Ableitungs-Pormen derselben Wurzel alzi. Es ergiebt sich hieraus zugleich, dass das Suffix na nicht bloss ^Stadt" be- deutet und deragemäss durch Anfügung desselben lediglich Städte-Namen ge- bildet werden, sondern dass es ein Locativ-Suffix ist von noch allgemeinerer Be- deutung. Der Sinn desselben kann freilich kaum je zweifelhaft sein; wenn z. B. pulusi = „Stein" ist und wir auf einen Ausdruck pulusina stossen, so würde ich das als „Stein-Oerllichkeit, bezw. Steinbruch" erklären. Ich glaube, damit erledigt sich Alles, was Hr. Lehmann neuerdings zu Gunsten seiner Behauptung, alzina sei von (Land) Alzinini abgeleitet — man müsste doch auch dann (L.) Alzini-na erwarten — vorgebracht hat, als auf diesen Fall nicht zutreffend. Bei der Gelegenheit aber empfiehlt es sich, auch auf die Bedeutung des von Hrn. Lehmann angezogenen Wortes „pari" näher einzugehen. Er sagt (S. 621): „Denn einmal ist pari eine die Oertlichkeit ausdrückende Präposition, auf die in den chaldischen Inschriften regelmässig^) ein Länder- oder Städte-Name folgt." Diese „Regelmässigkeif ist nun aber eine derart unregelmässige, dass Hr. Lehmann a. a. 0. Anmerk. 3 dieselbe wie folgt einschränkt: „Die Ausnahmen sind in verschwindender Minderzahl^). Freilich ist zu be- denken, dass die obengedachte regelmässige Anwendung innerhalb der stereotypen Phrase ku-te-a-di pa-ri (folgt Land oder Stadt) stattfindet, so dass man über die Bedeutung von pari in den wenigen Fällen, wo sicher kein Landes- oder Ortsname folgt, nicht im Klaren ist^)." Selbst in dieser Einschränkung ist Hrn. Lehmann's Ansicht nicht zutreffend, wenigstens nicht präcise genug gefasst. Es kann für die Bedeutung eines Wortes gar nicht darauf ankommen, ob eine Phrase, in der es vorkommt, stereotyp 5 oder 10 oder 100 Mal wiederholt wird in den Kriegsberichten. Wirklichen und er- schöpfenden Aufschluss erhalten wir nur, wenn ein Ausdruck in möglichst vielen und verschiedenartigen Phrasen vorkommt, wobei die, im Wesentlichen doch von dem Text der Inschriften abhängende, mehr oder weniger häufige stereotype Wiederholung einer solchen Phrase nicht wesentlich ins Gewicht fallen kann. A. Wir haben folgende Phrasen zu constatiren, in denen pari mit nach- folgendem Länder- oder Städte-Namen auftritt: 1. ku-ta-a-di pari (die in den Kriegsberichten stereotype Phrase); 2. ku-tu-bi pari; 3. ku-ta-tu pari (z. B. in der Inschrift von Kassimogli); 4. ku-lii-tu pari (Inschrift von Alaschgert, Zeile 4); 5. hu-bi pari (Inschrift von Ada, Z. 6 und Sayce 41, 12); 6. ha-tu-bi pari (Inschrift von Sagalu, 5): 7. za-su-bi (Sardur-Stele); 8. si-u-bi pari (Inschrift von Sarykamisch). B. In nachstehenden Phrasen folgt in ähnlich lautenden Phrasen dem pari kein Länder- oder Städte-Determinativ: 1. ku-tu-bi pari dainalitini (Arzwapert); 2. ku-tu-bi pari mu-na-a . . (Agthamar = Sayce 29, 4). 1) Von mir hervorgehoben. W. B. (319) C. In den folgenden Phrasen finden wir Personen-Namen hinter pari: 1. liu-ta-i-tu parie "'Anasi-i-(e) (= Sayce 31, Rs. 9); '2. ku-tu-ni pari '"Menualiinie (= Ada. 5); ^. ku-ta[di pari] "'U (= S. 39, 70 und 71). D. Ohne irgend ein Wort dahinter ist die Phrase, ku-ta-i-di pari gebraucht in Sayce 41, G. E. Ohne vorhergehendes Verb, also als Präposition, kommt pari in folgenden Inschrift-Stellen vor: a) mit dahinter folgendem Landes- oder Stadt-Namen: 1. pari (Mät) Iskigulu-u = S. 47, 5. *2. pari (Mät) Asu-ri-ni = S. 32, 13. 3. bar-ri (Alu) Ma . rutar = S. 31. b) Mit dahintcrfolgendem Personen-Namen: pari '" Uduri = S. 37, 22. c) Mit dahintcrfolgendem Gottes-Namen: 1. pari (Ilu) Hai S. 10, 1; 2. pari (Ilu) Tü-si = S. 41, 19. d) Ohne jedes Determinativ dahinter: 1. pini pari kiri = S. 38, 17; 2. parie badini asüni — Sarykamisch (so nach Frl. Majewski's Copie!). M. E. giebt es, wie vorstehende Zusammenstellung zeigt, kaum ein chaldisches Wort, das in so ausserordentlich vielen und verschiedenen Phrasen auftritt, wie gerade pari; und die Fälle, in denen dem pari kein Länder-, bezw. Städte- Namen folgt, sind keineswegs der Art selten, dass man mit Hrn. Lehmann von „verschwindenden Ausnahmen" sprechen könnte. Denn unter den insgesammt etwa 50 vorkommenden Stellen befinden sich rot. 10 Ausnahmen = 20 pCt., was wahrlich nicht „verschwindend"' genannt werden kann. Auch über die Bedeutung von pari kann wohl kaum ein Zweifel bestehen. Da par-u (und auch par-tu) den Sinn von weg-führen, weg-nehmen hat, wie die häufige Phrase: 'ase (sal) lu - tu Biainaidi parubi i. e. die? und Frauen nach Biaina führte ich weg beweist, so bedeutet die Wurzel par soviel wie „weg, aus, heraus, von usw." Es ist also z. B. Sayce 47, Zeile 4 und 5: 4. Iia-u-bi (Alu) Ir-da-ni-u-ni 5. pa-ri (Mat) Is-ki-gu-lu-u zu übersetzen: 4. Ich eroberte [nahm weg (ein)] die Stadt Irdanius 5. vom Lande Iskigulus. Die Phrase: „parie badini asüni" würde ich mit: „von allen ? " übersetzen, usw. Ich werde gern die Gegenbeweise des Hrn. Lehmann für das von mir zu Nr. 134 Vorgetragene erwarten und mich ihnen, falls sie überzeugend und bindend sind, beugen. Mein Bestreben, wie wohl das eines jeden Forschers, geht dahin, die W^ahrheit zu ergründen, und deshalb scheint mir eine Bemerkung, wie: Hr. Belck vermeidet es, den Punkt zu nennen, auf den es wesentlich ankommt (vgl. (320) S. 615, Anraerk. 1), wenig angebracht zu sein. Eine Ansicht, die sich nur durch „Verschweigung" ihr entgegenstehender Gründe und Thatsachen aufrecht er- halten und vertheidigen lässt, werde ich meinerseits sicherlich nicht verfechten, und soviel Ueberzeugungstreue setze ich, wie bei allen anderen Gelehrten, auch bei Hrn. Lehmann voraus. Nr. 135 = Thon-Tafel des Sagastar-a(s), König von Iskigulus. Die Differenz zwischen Hrn. Lehmann und mir besteht darin, dass er das a hinter Sagastar als Ideogramm für „Sohn" auffasst, während ich behaupte, dass es zum Namen des Königs gehört, dass also von einem Königs-Sohn als Autor dieses Briefes keine Rede sein könne (vergl. S. 445). Allerdings habe ich dann insofern einen gewichtigen Fehler gemacht, als ich die Ansicht des Hrn. Lehmann nicht richtig citirte. Denn letzterer sagt (a. a. 0. S. 625 des Akademie -Berichts, Z. 8 V. u.) deutlich, dass „der Bericht erstattet wird vom Königs-Sohn (zu er- gänzen Sagastar)", während dieses Wort bei mir leider getrennt ist in „Sohn des Königs" und auch noch unglücklicher Weise das Komma hinter „Königs" aus- gefallen ist, so dass es in der That aussehen kann, als hätte ich Hrn. Lehmann die Meinung untergeschoben, der Autor des Briefes wäre nicht „Sagastar, der Königs-Sohn", sondern „der (Kronprinz) Sohn des Königs Sagfkstar". Hr. Dr. Lehmann hat also durchaus Recht, diese durch meine Nachlässigkeit entstandene Zweideutigkeit scharf zu moniren (S. 622), aber an dem Factum selbst, dass er die Inschrift nicht richtig deutet, wird dadurch nichts geändert. Hr. Lehmann meint jetzt, „beide Lesungen, also a) „Sagastara(s)" und b) „Sagastar, Sohn des" wären gleichberechtigt, er habe aber der letzteren den Vorzug gegeben, weil, wenn das a zum Namen hätte gehören sollen, die Schreibung Sa-ga- as - ta-ra (statt tar-a) das ungleich Gewöhnlichere gewesen wäre." Bei Beurtheilung der chaldischen Schreibweise darf man selbstverständlich nur die chaldischen Inschriften heranziehen, und da bedauere ich, Hrn. Leh- mann vorhalten zu müssen, dass er nicht genau informirt ist.. Denn gerade umgekehrt verhält sich die Sache! Die Schreibweise tar(-a, bezw. ra, ri) ist bei den Chaldern weitaus häufiger, als ta-ra (bezw. ta-ar oder ta-ri). So heisst es z. B. (Land) Tar-aiuedi; (Land) Tar-ra . . .; (Gott) Tar-rainie; (Land) Ar-tar-ap-sakaini: (Land) Ar-tar-mu; (Stadt) Maru-tar..; ebenso wird statt ta-ri sehr häufig tar-ri oder tar-i geschrieben, so z. B. (Land) Tar-i-uhi; (Stadt) Ku-ulbitar-ri-ni; (Land) Tar-i-uni; usw. Es sei auch noch an tar-a-i-e, tar-a-mu oder an Namen wie ™Ka-tar-za, (Stadt) Uzinabi-tar-na usw. erinnert. Geradezu entscheidend aber ist wohl die Schreibweise analog gebildeter Namen, wobei ich nur an (Land) Si-ri-mutar-a (Sayce 37, 10) erinnern will, das wir ebenso, wie Iskigulus im Norden, etwa in, bezw. nahe bei der Araxes-Ebene zu suchen haben. Sonach kann es wohl kaum noch einem Zweifel unterliegen, dass Sagastara(s) zu lesen ist. Es sei nur noch cumulativ darauf hingewiesen, dass der Gebrauch des Ideogramms A= Sohn, in den chaldisch geschriebenen Inschriften bisher nicht belegt ist, und dass bei Adoption der Lehmann'schen Lesung ein, ganz singulärer Weise, auf r auslautender Name entstehen würde, ein Umstand, der auch schon Hrn. Lehmann's Bedenken erregt hat. Ich glaube, meine Ansicht in genügender Weise begründet und dabei auch ge- zeigt zu haben, dass ich über die hier in Betracht kommenden Factoren nicht nur genügend, sondern sogar sehr genau unterrichtet bin, sogar genauer wie mein Reisegefährte in diesem Falle (vergl. dessen Bemerkung S. 624, Z. 26 von oben). 1 (3^1) Oder glaubt Hr. Lehmann vielleicht, dass mir die Bedeutung des Ideogramms a bei Personen-Namen unbekannt sei? Es könnte hiernach fast scheinen, als ob die Chalder geradezu eine Vorliebe für die Schreibweise tar statt ta-ar, bezw. ta-ri, bezvv. ta-ra gehabt haben; das dürfte indessen m. E. nicht der Fall gewesen sein, vielmehr halte ich dafür, dass im All- gemeinen durch die Schreibweise tar ein anderer Lautwerth ausgedrückt werden soll, wie durch ta-ra. Das eine wird wohl die Silbe tar(a), das andere die Silbe tra bezeichnen, doch bin ich bezüglich der Zutheilung noch nicht zu definitiver Klarheit gekommen. Auf den Inhalt des Thon-Täfelchens, namentlich auch auf e-si-ia, komme ich noch zurück. Jedenfalls beweist das Täfelchen, dass der Gebrauch der Keilschrift sich bis nach Alexandi'opol hinauf verbreitet hat, und da die Correspondenz des Sagastara(s) schwerlich eine einseitige gewesen ist, so besteht Aussicht, bei Ausgrabungen in den Ruinen der Burg Asad, welche die ehemalige Burg der Stadt Irdaniu(s) (heute Ganlidscha oder Marmaschen genannt) repräsentiren, auch noch die Briefe der Chalder-Könige an die Fürsten von Iskigulu(s) aufzufinden. Nr. 143, Opfernische. Die Bezeichnung im Akademie-Bericht lässt m. E. nicht deutlich erkennen, dass es sich um zwei, räumlich ganz getrennte Inschriften handelt. Als „recht.s" und „links" kann man auch zwei, auf derselben Nischenseite in geringer Entfernung von einander eingegrabene Columnen bezeichnen. Da Hr. Lehmann (vgl. diese Verhandl. S. 431) die in dem Akademie-Bericht gebotenen „linguistischen Folgerungen aus beiden Gattungen von Inschriften" jetzt für sich reclamirt, erachte ich es für geboten, darauf hinzuweisen, dass ich es war, der ihm in Van die Uebersetzung „Büffel" statt des bisherigen „Wildstier" vorgeschlagen hat. Nr. 145, ist mit einem 7, statt mit einem Stern * zu versehen, da von mir 1891 gefunden. Die Inschrift stammt sehr wahrscheinlich aus einem flachen Ruinenhügel geringen Umfangs (es kann dort nicht mehr als ein einzelnes Gebäude, wohl ein Tempel, gestanden haben) in unmittelbarster Nähe von Güganz, aus dem die Kurden mehrere sehr schön ornamentirte Hausteine (Säulen-Capitäle?) ausgegraben hatten. Da der Name des auf der Inschrift genannten Königs mit . . . is-ti-ni endigt, so kann es sich nach unserer heutigen Kenntniss nur um einen der beiden Könige Namens Argistis handeln; kein anderer Königsname lautet eben auf . . . istis aus. Nr. 146, Backstein -Inschrift. Was Hr. Lehmann (S. 619) zu meiner Be- merkung, es sei eine Nachahmung, ausführt, trifft nicht mich, sondern ihn, der mir hier weder das Manuscript vorher zur Nachprüfung zuschickte, noch mir das Lesen von Correcturen ermöglichte. Was die Aenderung meiner Ansicht über diesen Backstein anbetrifft, so beziehe ich mich auf das oben Gesagte. Dieselbe konnte übrigens nicht bei meinem wiederholten Besuche in Etschmiadzin auf Grund der Besichtigung des Ziegels erfolgen, einfach deshalb nicht, weil — wie in diesen Verhandl. 1896, S. 315 von mir mitgetheilt — derselbe 1895 nach Moskau an Hrn. Prof. Nikolsky geschickt worden und dort geblieben ist. Ich bin vielmehr zu meinem Resultat durch ein genaues Studium der Backstein- Inschrift und Vergleichung ihres Textes mit dem der anderen chaldischen Keil- Inschriften gekommen, und it^n bin überzeugt, dass Hr. Lehmann, wenn er sich auch dieser Mühe unterziehen wird, zu genau demselben Ergebniss kommen muss. Verhandl. der Berl. Anthrüpol. Gesellschaft 1901. 21 (322) Den Beweis für meine Behauptunc? werde ich, da es ohne autographisehe Nach- bildung der Inschrift nicht möglich ist, an anderer Stelle erbringen. Nar soviel sei hier noch bemerkt, dass ich diesen Text jetzt bis auf 1 oder 2 Zeichen lesen kann; oh irgend jemand meine Ausführungen (diese Verhandl. 1896, S. Släff.), in denen aus dem siebenzeiligen Text der Inschrift drei, sage und sehreibe drei Aus- drücke gegeben werden, als eine Publication oder auch nur eine halbe Pablication der Inschrift ansehen wird, erlaube ich mir stark zu bezweifela. Zu Nr. 149—154 vergleiche man das vorher Bemerkte. Nr. 155, Gemme, Nikolsky S. 132. Seitdem der Backstein Nr. 146 trotz seiner vorzüglichen Ausführung und obgleich durch die Herstellung der Fälschung die Erlangung materieller Vortheile augenscheinlich nicht beabsichtigt war (vergl. diese Verhandl. 1896, S. 316), sich mir als lälschung erwiesen hat, kann ich auch diese Gemme mit ihren zum Theil seltsamen Keilschrift-Zeichen nur mit grösstem Misstrauen betrachten. M. E. ist auch sie eine Fälschung. Nr. 165 — 177: Fragmente von Thon-Krügen mit Inhalts-Bezeichnung. Ich hatte dazu (S. 443) bemerkt, dass die Zahl derselben 40 — 50 (nicht 13, wie es im Akademie-Bericht heisst) beträgt. Hr. Lehmann will (a. a. 0 S. 618) seine An- gabe: „mindestens 13" dadurch vertheidigen, dass: 1. Die Funde von Toprakkaleh grossentheils erst nach seinem Portgang von Van ausgegraben seien und sich insoweit, da sie auch zur Zeit, wo er dies schreibe, noch nicht in Deutschland eingetroffen seien, seiner Kenntniss entziehen. Dazu habe ich zu bemerken, dass selbst wenn diese Ausführungen richtig wären, — was sie aber nicht sind — , es ja nur einer Anfrage Hrn. Lehmann's bei mir bedurft hätte, um die richtige Zahl hier einzusetzen. Des Weiteren aber sind die Funde auf Toprakkaleh gerade im Gegentheil zum allergrössten Theile während des Aufenthaltes des Hrn. Lehmann in Van gemacht worden; die Fortsetzung der Ausgrabungen von Ende Mai bis gegen Mitte Juli 1899 (etwa 6 Wochen) war so unergiebig in Fund-Objecten, dass ich sie aus diesem Grunde einstellte, obgleich noch ein Drittel der Ruinen unerforscht war. Das „Todten- Haus", dem die Thonkrug-Fragmente mit keilinschriftlicher Maassangabe ent- stammen, war lange vor unserem Aufbruch von Van (Mitte Februar 1899) voll- ständig aufgedeckt; es waren somit Hrn. Lehmann alle aufgefundenen Fragmente zu Gesicht gekommen, bezw. in Van zugänglich gewesen. Wir haben damals aller- dings nicht alle diese Fragmente copirt, ich meinerseits nur 13 Stück (und Hr. Lehmann wohl auch); vielleicht rührt daher die Zahl 13, deren Entstehung sonst ganz unerklärlich ist; 2. weil, wie Hr. Lehmann sagt, sich die Zahl derartiger Fragmente regel- mässig durch Zusammenfügung stark vermindert. Die principielle Richtigkeit dieses Satzes zugegeben, ist es m. E. doch sehr wahrscheinlich, dass in diesem speciellen Falle damit nur in sehr geringem Maasse zu reciinen ist. Das aber dürfte feststehen, dass mindestens so viele selbständige Maass-Rezeichnungen existiren, als die Bezeichnung Akarki oder Hirusi auf den Scherben vorkommt. Deren Zahl also hätte als Minimalzahl angegeben oder doch bei Unkenntniss derselben die ganze Frage offen gelassen werden müssen, statt eine durch nichts motivirte Zahl wie 13 herauszugreifen und anzugeben. Bei intensivem Nachdenken über die Frage: Wie kamen jene Scherben mit Maass-Bezeichnung an jene Opferstätte? bin ich, wie ich glaube, zu einer plausiblen Erklärung gekommen. (323) Zunächst dürfte wohl klar sein, dass es sich hier um Wein-Libationen handelt, die neben den Thier- und wohl auch Menschen-Opfern dem Chaldis, bezw. den sämmtlichen chaldischen Göttern hier dargebracht worden sind. Die Akarki und Hirusi geben das Quantum dos jedesmal geopferten Weines an, der im Wesent- lichen natürlich seinen Weg in die Kehlen der Priester gefunden haben wird; das ist um so sicherer, als es sich um ganz enorme Wein-Quantitäten in jedem einzelnen Falle handelt, sicher nie unter 500 Liter. Soweit dürfte die Sachlage klar sein; fraglich dagegen ist, ob etwa die Priester während des Opferfestes die riesigen Thon-Krüge den Göttern zur Ehre zerschlagen und die Scherben zu den Resten der Thier-Opfer geworfen haben. Es darf hierbei wohl daran erinnert werden, dass auch wir von Alters her die Gewohnheit über- kommen haben, bei besonders feierlichen Gelegenheiten die Trink-Gefässe zu zer- schellen, um zu verhindern, dass sie auch späterhin noch für profane Zwecke benutzt werden. Einerlei nun, ob meine Verrauthung zutrifft oder nicht, soviel steht sicher fest, dass sich an jener Opferstätte noch nicht ein Hundertstel derjenigen Thon- Scherben vorfand, die man zu ftnden erwarten musste, wenn besagte Wein-Behälter etwa an Ort und Stelle zerschlagen worden und liegen geblieben wären. Vielmehr fanden sich nur die erwähnten Scherben mit Maass-Bezeichnung und daneben in übergrosser Zahl Bruchstücke der Kopföffnung (des Mundstückes) der Thon-Gefässe vor, die ausnahmslos mit herrlich modellirten, voll-plastisch ausgearbeiteten Thier- Piguren (ebenfalls aus gebranntem Thon) verziert waren. Es kann somit kaum noch einem Zweifel unterliegen, dass nach dem Zer- trümmern der Wein-Behälter die Priester nur die interessanten Scherben (also die Maass-Bezeichnungen und die Thier-Piguren) auf der Opferstätte niederlegten, die -anderen Fragmente aber beseitigten. Das allein erklärt es denn auch, dass sich nie auch nur das geringste Bruchstück des Gefässbodens der Pithoi dort vor- gefunden hat. Und neben diesen Bruchstücken riesiger Wein-Behälter fanden sich dort auch viele Hunderte von Scherben kleinerer, ausnahmslos prächtig gearbeiteter Urnen vor, fast nur die Henkel- oder Boden-Stücke, auf denen jedesmal der Inhalt durch eingekratzte Hieroglyphen augegeben war. Ganze Urnen fanden sich ebenso wenig vor, wie die sämtlichen zu einer Urne gehörigen Scherben, sondern immer nur solche Bruchstücke mit Hieroglyphen. Es scheint demnach, dass zwischen den grossen Opfern auch vielfach kleinere Opfer im Staats-Tempel der Könige vor- genommen wurden, bei denen solche kleinen Wein-Libationen dargebracht wurden, oder dass bei den grossen Staats-Opfern neben den, wohl von den Königen o-e- lieferten, grossen mit Wein gefüllten Behältern auch noch kleinere als Opfer dar- gebracht wurden, sei es von weniger bemittelten Unterthanen, oder sei es im Namen des Königs oder irgend welcher Grossen für die inferioren Gott- heiten. Hervorzuheben wäre noch, dass kein einziger der im königlichen Weinkeller auf Toprakkaleh aufgefundenen (insgesammt über 50 Stück) grossen Weinkrüge die Thier-Ornamente aufzeigt; ebenso ist dort der Inhalt der Krüge nicht (wie im „Todten-Hause") auf dem Bauche derselben und in Keil-Inschrift, sondern auf dem Rande oben und in Hieroglyphen angegeben. Mithin waren die für den Cultus bestimmten Weinkrüge in besonders künstlerischer Weise aus- geführt. Zu untersuchen wäre noch die Frage, in wie langen Zwischenräumen wohl die grossen Staats-Opfer auf Toprakkaleh, oder vielmehr richtiger, in jenem „Todten- 21* (324) Haus" dargebracht worden sind. Unter der Annahme nehralich, dass bei den Aus- grabungen alle dort niedergelegt gewesenen Scherben mit Maass-Bezeichnung von uns bei der Ausgrabung gefunden worden sind — und bei der Grösse dieser Scherben ist ein Uebersehen kaum anzunehmen — , würde sich daraus die Zeit be- rechnen lassen, die von der Errichtung des „Todten-Hauses" bis zur Zerstörung desselben bei der Einnahme und Verbrennung Toprakkaleh's durch die Armenier verflossen war. Doch fehlt es vorläufig noch an genügenden Anhaltspunkten für die Bestimmung dieses Intervalls, wenngleich ja die alljährliche Begehung der Opfer grosse Wahrscheinlichkeit für sich hat, wobei aber nicht ausser Acht ge- lassen werden darf, dass, wie bei anderen Völkern, so auch hier nach Ablauf grösserer Zeitperioden Opfer von besonderem Umfange dargebracht worden sein können, zu deren Abhaltung dann gerade dieses „Todten-Haus" diente. In welch umfangreichem Maasse übrigens der "Weinbau bei den Chaldern be- trieben wurde, geht z. B. aus der Meher-Kapussi-Inschrift hervor, die neben dem Wiederaufbau der zerstörten Burgen unmittelbar den Bericht über die Anlage der Wein- und Obst-Gärten bringt und dann zur Festsetzung der Opfer für die einzelnen Götter fortschreitet. Und am Schlüsse der Inschrift heisst es dann dreimal: „Wenn mit dem Tempel und den Weingärten das und das geschieht, sohlst jedesmal dem Chaldis sowohl, wie auch allen anderen chaldischen Göttern zusammen, je ein Opfer von o Schaafen zu bringen." Da im Winter, wenn der tiefe Schnee in Van die Felder bedeckt, keinenfalls etwas mit den Weingärten vorgenommen worden ist, so beziehen sich diese o Operationen auf den Frühling, Sommer und Herbst, woraus man einen Anhalt für die Festsetzung der Bedeutung der hier ge- brauchten Verben gewinnt. Auf tliesen Punkt werde ich an anderer Stelle noch zurückkommen. Soviel aber lässt sich den Inschriften wohl schon mit Sicherheit entnehmen, dass nehmlich die Chalder grosse Verehrer des Bacchus gewesen sind; und in dieser Beziehung zeigt sich abermals eine grosse Aehnlichkeit zwischen ihnen und ihren stammverwandten Vettern, den Georgiern-Moschern, deren Wein -Vertilgungs- vermögen sicherlich unerreicht dasteht. Nr. 178: Hr. Lehmann giebt jetzt selbst an (a. a. 0. S. 614, Anmerk. 2), dass hinter Pa-ka-ia-hu (wie es im Akademie-Bericht heisst) noch eine weitere Silbe folge, die ich als du lese, während Hr. Lehmann zwar auch meint, dass die Anfangstheile der letzten Silbe zwar zunächst auf du, nicht etwa auf bi, deuten, sich aber dabei doch nicht definitiv für du entscheiden will, zum Theil auch „weil man allen Grund hat, in Länder-Xamen mit Gruppen, die an Ja-'u-du anklingen, besonders vorsichtig zu sein". Letztere Argumentation kann doch wohl höchstens bei semitischen Inschriften Platz greifen, um die es sich ja hier nicht handelt. Wenn Hr. Lehmann die Lesung du nicht deßnitiv adoptiren will, gut; aber es wäre dann doch wohl meines Erachtens angebracht gewesen, im Akademie-Bericht „Pa-ka-ja-hu-du [oder ku]" zu schreiben und dadurch die Sachlage bekannt zu geben, statt die Existenz der letzten Silbe durch verminderte Aufmerksamkeit unter den Tisch fallen zu lassen. Nr. 179: Hier ist eine weitere Nummer für ein weiteres Fragment mit Maass- Bezeichnung von Schuschanz einzuschalten (vergl. S. 288). Ueber die dritte Maass- Bezeichnung vergl. diese Verhandl. 1900, S. 443. — Zu den assyrischen Inschriften wäre Folgendes zu bemerken: Was den Backstein Sanherib's von Kak-zi anbetrifft, so habe ich mich einfach nach meiner Rückkehr ein wenig um die Literatur gekümmert und dabei gesehen. (325) dass schon früher auf dem Teil Gasir (= Kasr) Backsteine mit Nennung des Orts- namens Kak-zi ausgegraben worden waren; daher meine sichere Kenntniss des Ursprungs dieses Backsteins. Welchen Bezug dieselbe aber auf Annenien-Chaldia haben soll, ist mir nicht klar; Asurnasirpal unternimmt von KAK-ZI aus 3 Züge nach Zamua, einem weit südlich von Urartu gelegenen Gebiete (darüber siehe meine Nachweise in Heft 4 meiner Beiträge); dass er auf einem derselben sogar bis an die Grenze Musasir's kommt, kann um so weniger ins Gewicht fallen, als Hr. Lehmann ja augenscheinlich Musasir nicht als zu Chaldia gehörig be- trachtet; denn sonst würde er den Brief Urzana's (vgl. oben S. 287) unter den auf Chaldia bezüglichen inschriftlichen Documenten numerirt haben. Letzteres be- rührt um so eigenthümlicher, als er die Inschrift des im Norden residirenden Herrschers von Iskigulus als hierher gehörig anführt. Wenn bei Hrn. Lehmann übrigens die Thatsache, dass ein Assyrer-König von einer bestimmten Stadt aus einen Einfall in Armenien unternommen hat, genügt, um auf diese Stadt bezügliche Inschriften als auf Chaldia-Armenien Bezug habende zu betrachten, dann bitte ich namentlich und in erster Linie auch die auf die Stadt Assur bezüglichen Inschriften hier einzureihen, denn von dieser Stadt aus ist eine ganze Reihe von Kriegszügen gegen Armenien- Nairi- Chaldia begonnen worden. Es ist mir also nicht verständlich, weshalb die von mir in Mosul erworbene und von Hrn. Lehmann ursprünglich als Fälschung erklärte, dann aber auf meine technischen Nachweise hin als acht anerkannte In- schrift Tuklat-Ninib's hier in dieser Liste nicht ebenso gut aufgeführt worden ist, wie die Backstein-Inschrift von KAK-ZI. So absolut fest, wie es jetzt Hr. Lehmann behauptet, steht die Hypothese, dass der in Jarimdja von uns entdeckte Backstein nicht dort, sondern in Kalat Scherkat (Assur) gefunden worden sei, denn doch nicht. Wollte Näsrullah schwindeln, so wäre es viel einfacher und logisch richtiger von ihm gewesen, zu behaupten, dass der Backstein auf dem Grundstück seines Nachbarn — zu dessen Ankauf er uns stets verleiten wollte — g-efunden worden sei. Thatsache ist: 1. dass Jarimdja, ein, in seinem oberen Theile wenigstens, künstlicher Hügel (Teil) ist; 2. dass der Backstein, nach der an Ort und Stelle unter Führung Näsrullah's vorgenommenen Untersuchung, an einer Stelle (tief unter dem Niveau des angrenzenden Ackerlandes) ausgegraben worden ist (beim Lehmgraben für Ziegel-Fabrication!), an die der Backstein unmöglich durch die Fluthen des Tigris von Norden her (etwa von Ninive her) herangebracht sein konnte; 3. dass zwar der Text dieser Backstein-Inschrift möglicherweise genau, ganz genau mit dem anderer Tuklat-Ninib-Inschriften übereinstimmt, woraus aber, bei dem Fehlen aller Local-Eigennamen, noch lange nicht folgt, — dass er nun wirklich von Kalat Scherkat stammt. Da nun ferner der Erbauer des Teils Jarimdja bisher nicht bekannt geworden ist, und ich absolut keinen Grund gegen die Annahme sehen kann, dass schon Tuklat-Ninib I. hier gebaut haben soll, — zumal in dem 30 — 35 km nörd- licher gelegenen Ninive etwa 300 — 250 Jahre später Tiglatpileser I. bereits Erneuerungs-Bauten an Tempeln usw. vornimmt, — so muss allermindestens die Frage nach dem Ursprung des in Jarimdja gefundenen Steines vorläufig offen bleiben. — (326) Zu den persischen Inschriften ist Folgendes zu bemerken: Die Inschrift auf einem Ringe aus Achaltziche kann ja event. als nicht ganz sicher acht markirt werden, aber keinenfalls darf man ihre Existenz so ohne Weiteres unterschlagen. Wenn die Fürsten von Alexandropol sich der Keilschrift bedienten, so ist dasselbe bei den Fürsten von Achaltziche anzunehmen, — durchaus keine gewagte Hypothese. Gänzlich missverstanden hat aber Hr. Lehmann die Bedeutung der (per- sischen?) Buchstaben-Keilschrift-Legende auf einem der grossen Weinkrüge von Toprakkaleh. Hier handelt es sich gar nicht darum, wie umfangreich diese In- schrift ist, ob sie eingekratzt oder eingebrannt ist (m. E. das letztere), oder ob sie persische Buchstaben-Schrift (oder eine andere), bezw. eine Ableitung oder Weiterentwickelung derselben darstellt, sondern einfach um die Thatsache ihrer Existenz und die daraus zu ziehenden Consequenzen. Letztere habe ich schon kurz in diesen Verhandl. 1898, S. 586 und 590 formulirt, dahin lautend, „dass die Erstürmung, Plünderung und Inbrandsteckung Toprakkaleh's durch die in Urartu- Chaldia eindringenden Armenier erst zur Zeit des persischen Regimes stattgefunden haben wird, zu einer Zeit, als Buchstaben-Keilschrift begonnen hatte, sich bei den Chaldern einzubürgern, also etwa um 500 vor Chr." Für diesen historischen Ansatz bildet die winzige Inschrift vor der Hand bei dem Fehlen aller und jeder anderer inschriftlichen Angaben eine geradezu unschätz- bare Stütze, und ich sollte meinen, dass, wenn im Akademie-Bericht die historisch (namentlich in Bezug auf das Chalder-Reich) vollständig inhaltslose Inschrift des Xerxes aufgeführt wird, diese unscheinbare, aber aus den Ruinen heraus- geholte Buchstaben-Inschrift, weil ein wichtiges historisches Indicium enthaltend, nicht hätte übergangen werden dürfen. Ich komme auf diesen Punkt noch zurück; hier möchte ich nur darauf hinweisen, dass von scharfen Kritikern überhaupt die ungleichmässige Behandlungsweise abfällig beurtheilt wird, welche die Inschriften in dem Akademie-Bericht erfahren. Es werden dort Briefe von Fremdherrschern unter den chaldi sehen Inschrift-Funden aufgeführt; gut, dann müssen aber alle solche Briefe der Art behandelt werden, ganz gleich, ob sie assyrisch oder chaldisch oder in anderer Sprache geschrieben sind. So hätte denn auch hier aiu Schlüsse die Thon-Tafel mit den (hethitischen?) Hieroglyphen — ein gewiss sehr wichtiger Pund — aufgeführt werden müssen, nicht aber in einer leicht zu übersehenden Anmerkung (a. a. 0. S. 631). Dabei sei gleich erwähnt, dass die im Bericht eben- dort erwähnten „grossen Hieroglyphen auf Steinen in Artamid", welche von mir 1891 entdeckt worden sind, schwerlich eine Schrift oder Schrift- Charaktere vor- stellen. Es handelt sich bei jenen riesigen platten Felsblöcken wohl sicherlich um Opfersteine und die auf deren oberer Fläche eingehauenen tiefen und breiten Rinnen repräsentiren augenscheinlich Blutrinnen. Um noch einmal auf die oben besprochene kleine Buchstabon-Keilschrift- Legende zurückzukommen, so möchte ich an einem speciellen Beispiel noch zeigen, welche Bedeutung solchen unscheinbaren Funden mitunter beiwohnen kann. Wie die Xerxes-lnschrift am Van-Felsen beweist, hatDarius selbst Van be- sucht („Darius, der König, mein Vater, befahl, auf diesem Felsen eine Tafel und sein Bildniss anzubringen, aber eine Inschrift selbst Hess er nicht machen"); er hat also auch unzweifelhaft die Ufer-Gebiete des Van-Sees erobert, bezw. wieder unter das persische Scepter gebracht. Dass aber damals das Chalder-Reich nicht mehr existirte, beweist die Nichterwähnung eines Krieges gegen die Chalder in der Behistun-Inschrift, die uns nur von den Kriegen des Darius mit Armenien zu er- zählen weiss. Demgemäss dürfen wir schliessen, dass zur Zeit des Besuches des (327) Darius m Van das Land dort bereits in den Händen der Armenier, Toprakkaleh selbst aber zerstört und verbrannt war. Das stimmt ja auch vortrefflich zu dem Ausgrabungs-Befunde, der keinerlei Objecte sicher oder auch nur vermuthlich armenischer Provenienz hat zu Tage treten lassen. Wenn wir nun also diesen Besuch des Darius in die Zeit zwischen 510 und 500 vor Chr. setzen, so beweist jene kurze, in Toprakkaleh gefundene Buchstaben- Keilschrift-Legende, dass bereits vorher, zur Zeit der Zerstörung dieser Burg, die Buchstaben-Keilschrift nicht nur bei den Persern, sondern sogar schon bei den Bewohnern von Van im Gebrauch war, mit anderen Worten, dass sie unmöglich erst unter Darius erfunden worden und in Anwendung gekommen sein kann. Es gewinnt also die kleine Legende — bei der den Pund-Umständen nach jede Möglichkeit einer Pälschung ausgeschlossen ist — eine ganz eminente Be- deutung für die Entscheidung der Frage, wann die persische Keilschrift er- funden sei. lieber diese neuerdings viel und lebhaft discutirte Frage vergleiche besonders Weissbach, ZDMG., 48, 653ff.; Justi ebend., 53, 90, und im Iran. Grundriss, II, 421 ff.; Foy, ZDMG., 54, 361; Jensen ebend., 55, 239 usw. Unsere Legende scheint mir in einwandfreier Weise darzuthun, dass die Buchstaben-Keilschrift älter ist, als Darius, unterstützt also auch die An- sicht Justi's und Anderer (zu der auch Jensen hinzuneigen scheint), dass die bekannten Inschriften Cyrus', des Achämeniden, in Murghab, von Cyrus dem Aelteren (dem Vater des Cambyses), nicht etwa von Cyrus dem Jüngeren her- rühren, wie es von Weissbach und Foy behauptet wird. Hr. Lehmann hat nun aber erneut darauf hingewiesen, dass diese kleine Legende wohl Aehnlichkeit mit der persischen Keilschrift habe, keineswegs aber völlig mit ihr übereinstimme; ganz genau dasselbe lässt sich von der von mir (S. 443) angeführten Inschrift auf einem in Achaltziche gefundenen Ringe sagen. Hier ist übrigens bei mir hinter dem Worte „persische" ein ? als Druckversehen ausgefallen, denn es kann sich auch hier nur um eine der persischen Keilschrift ähnliche, keineswegs mit ihr völlig übereinstimmende Buchstaben-Keilinschrift- Legende handeln. An der Aechtheit dieser Ring-Inschrift zu zweifeln, liegt für mich persönlich kein ersichtlicher Grund vor; vielmehr rechne ich mit der That- sache, dass zwei Buchstaben-Keilinschrift-Legenden vorliegen, die zwar grosse Aehnlichkeit mit der persischen Keilschrift aufweisen, andererseits aber doch wieder nicht unerheblich von ihr abweichen. Wie haben wir uns das zu erklären? Hier scheint mir nun Jensen (ZDMG., 55, 239) das Richtige zu vermuthen, wenn er sagt: „Gegen Darius als ,Schrift-Erfinder' spricht aber die altpersische Schrift selbst, die, ob sie nun auf die neubabylonische oder auf die neuelamitische Schrift zurückgeht, sich soweit von ihr entfernt, dass ein Zusammenhang ohne ältere fehlende Zwischenglieder kaum herzustellen ist. Das aber lässt auf ältere bisher nicht entdeckte Formen der altpersischen Keilschrift schliessen, also auf deren Existenz vor Darius"^). Wie nun, wenn die in Armenien-Chaldia aufgefundenen beiden Legenden diesem älteren Schriftsystem der Perser angehören? — einem Schriftsystem, das späterhin in Persien verändert wurde, während die benachbarten Länder einstweilen ruhig bei der adoptirten Form blieben? Wenn man dann weiter annimmt, dass diese Abänderung schon zur Zeit des Cyrus (Vaters des Cambyses) begonnen, aber noch nicht zur Durchführung und 1) Von mir gesperrt. W. B. (328) allgemeinen Giltigkeit gebracht wurde, solches vielmehr in vollem Umfange erst unter Darius eingetreten sei, so begreift sich dessen Aeusserung einigermaassen (Behistun L.), dass er mit der Hülfe Ahuramazda's eine (neue) andere arische Schrift gemacht hätte, die früher nicht vorhanden (d. h. in Anwendung) ge- wesen sei. Es soll auch die Möglichkeit nicht ausser Acht gelassen werden, dass wir es in den beiden Legenden vielleicht mit einer von den Chaldern selbständig er- fundenen Buchstaben-Keilschrift zu thun haben könnten, die dann event. unter ent- sprechenden Abänderungen von den Persern adoptirt worden wäre. M. E. also ist die wichtige Buchstaben-Keilinschrift auf dem Thonkrug unter allen Umständen unter den Inschrift-Funden mit aufzuführen. Was Hr. Lehmann (auf S. 617/618) anführt, um ihre Nichterwähnung zu motiviren, beweist nur klar und deutlich, dass er sich über die Wichtigkeit derselben nicht klar geworden ist. Auf die Topzauä-Bilingue, und was damit zusammenhängt, komme ich ge- sondert zurück. — (L5) Neu eingegangene Schriften: 1. Karutz, Ein ^Pangkoh" der Dajaken. Braunschweig 1900. 4". (Aus: Globus, Bd. 78.) 2. Neliring, A., Fossile Kamele in Rumänien und die pleistocäne Steppenzeit Mittel-Europas. Braunschweig 1900. 4°. (Aus: Globus, Bd. 79.) 3. Parkinson, R., Die Einwohner der Insel St. Matthias (ßismarck-Archipel). Braunschweig 1900. 40. (Aus: Globus, Bd. 79.) 4. Mehlis, C, Prähistorische Schleudersteine aus dem Mittel -Rheinlande. Braunschweig 1901. 4«. (Aus: Globus, Bd. 79.) 5. Kaindl, R. F., Aus der Volks-Ueberlieferung der Bojken. Braunschweig 1901, 40. (Aus: Globus, Bd. 79.) 6. Buschan, Georg, Der Stand unserer Kenntniss über die Basken. Braunschweig 1901. 4«. (Aus: Globus, Bd. 79.) 7. Erdweg, P. J., Ein Besuch bei den Varöpu (Deutsch-Neu-Guinea). Braunschweig 1901. 4«. (Aus: Globus, Bd. 79.) 8. Höfer, P., Portschritte in der Datirung der Steinzeit. Braunschweig 1901. 4''. (.\us: Globus, Bd. 79.) 9. Rademacher, C., Dr. Soldan' s Ausgrabung einer vorrömischen Stadt bei Neu- häusel in Nassau (Hallstatt-Zeit). Braunschweig 1901. 4». (Aus: Globus, Bd. 79.) Nr. 1 — 9 Gesch. d. Hrn. Rieh. Andree. Hr. Otto Schoetensack in Heidelberg übersendet zu seinem Artikel „Die Bedeutung Australiens für die Heranbildung des Menschen" folgenden Nachtrag: Die Skizze des ersten von mir in der Zeitschrift 1901, Heft III, S. 139, Fig. 5—8 ab- gebildeten paläolithischen Bumerangs ist dem Werke von Girod et Massenat, „L'a.ge du renne", Paris 1900, PL VI, Fig. 1, entnommen; die Skizze des zweiten dagegen Cartailhac's „La France Prehistorique" 1896, Fig. 2b. I Ausserordentliche Sitzung vom 211. Juni r.»<»l. Vorsitzender: Hr. R. Vircliow. (1) Hr. Max Bartels ist zum ersten Male nach seiner Krankheit wieder an- wesend in der Gesellschaft. Der Vorsitzende begrüsst ihn herzlich. — (2) Gäste: Hn Marchesetti nebst Gemahlin und Hr. F. Noetling (aus Calcutta). — (3) Der Herr Unterrichts-Minister hat als Zuschuss zu den Arbeiten der Gesellschaft 1500 Mk. bewilligt. Der Vorsitzende spricht den Dank der Gesell- schaft aus. — (4) Hr. Frank Calvert schreibt unter dem 25. Juni an Hrn. R. Virchow über ein Idol vom thracischeii Chersones. I enclose rough sketch of an idol in white marble from Kilia (ancient Coela) on the Thriician Chersonesus. This relic was found about a couple of feet below the surface, and half a mile from the Hellespont. Neolithic relics, it is to be observed, are plentiful on the peninsula. The one in question explains another found in Hanai Tepeh figured in Schliemann's Ilios under Nr. 1551 „Flower(?) (330) in raarble", which is simply Ihe body of a similar idol, minus the head. The head is in the form of a plattened sphere, with nose, ears, and very small eyes pro- jecting above the smooth surface of the marble. The Shoulders are broad and sloping, with the arms, which are bent upwards from the elbows and separated from the body, the form of wings is given. The feet, if any, have been broken off from the short legs. The idol represents a grotesque human form, with attributes of a bird in its wings and in the form of the nose, or beak, drawn in a straight line to the chin, without a trace of mouth. Might not this idol represent the Palladium? — (5) Hr. Georg Seh wein fürt h spricht über westafrikanische Figuren aus Talkscliiefer. Ich gestatte mir, der Gesellschaft ein gewissermaassen als Novum von Africa zu bezeichnendes Stück vorzulegen, in Gestalt einer aus Talkschiefer geschnitzten weiblichen Figur. Allerdings besitzt bereits das Museum für Völkerkunde eine aus gleichem Material geformte Figur vom Congo (III. c 8087), die in für das tropische Africa stilwidriger Haltung mit vor den Augen erhobenen Handflächen und mit nach Art indischer Götzenbilder untergeschlagenen Schenkeln die sitzende Gestalt eines Congo-Negers mit verfilztem Haarkamm zur Darstellung bringen zu wollen scheint. Hr. V. Luschan betrachtet indess das Stück mit Misstrauen und bezweifelt das Genuine seines Ursprungs. Von Interesse ist jedoch das Material, der Talkschiefer, da aus solchem hergestellte menschliche Figuren afrikanischen Ursprungs bisher nicht beschrieben worden sind. Diese Gesteins-Art hat ja auch in Africa weite Ver- breitung. Nun hat das Baseler Museum letzthin durch einen aus Genf gebürtigen Kauf- mann, der 10 Jahre in jenen Gegenden verbrachte, eine Sammlung von 26 kleinen Talkschiefer-Figuren verschiedener Art erworben, die im südlichen Sierra Leone, im Mendi-Lande gefunden wurden und nach und nach in den Besitz des er- wähnten Kaufmanns gelangten. Diese Figuren, die 20—30 cm Höhe erreichen, sollen von den Eingeborenen im Ackerland vergraben aufbewahrt werden, als sog. „Wächter der Culturen". Sie sind den Eingeborenen unter keiner Bedingung feil und können nur durch Diebstahl erworben worden sein. Theils sind es sitzende, theils aufrechte Figuren, deren Kunst weise aufs vollkommenste derjenigen ent- spricht, die wir aus zahllosen westafrikanischen Holz-Schnitzereien zur Genüge kennen. Die Verkürzung der Gliedmaassen, namentlich der Schenkel, die starke Markirung des Nabels in Gestalt eines hervortretenden Zapfens oder Kegels und dergl. mehr, sind charakteristische Kennzeichen. Eine Eigenthümlichkeit der Mendi- Piguren besteht in der Aushöhlung der Köpfe, man sagt, um sie mit Körnern aus- füllen zu können. Der Finder der Mendi-Figuren behauptet, Nachrichten eingezogen zu haben, die einen sehr alten Ursprung derselben wahrscheinlich machen, dass sie so zu sagen prähistorischen Ursprungs seien und durch lange Generationen als Fetische in hohem Ansehen gehalten, sich von Geschlecht zu Geschlecht vererbt hätten. Hr. V. Luschan, der einige dieser Stücke gesehen hat, wird sich vielleicht über den Gegenstand zu äussern die Güte haben. Die im Museum zu Basel befindlichen 26 Stücke sind von Dr. Rütimeyer aufs Genaueste beschrieben und photographirt worden und sollen demnächst zur Veröffentlichung gelangen. Ich bin nun in der glücklichen Lage, ihnen hier ein ähnliches Erzeugniss afrikanischer Kunst vorlegen zu können, das Hr. Consul Vohsen vor Kurzem, (331) nebst verschiedenen kleinen Benin-Bronzen, aus Paris erhalten hat und das von der Insel Bulama (Bissayos, portugiesisch Gambia) herstammen soll. Diese Localität scheint an den in ethnographischen Museon bisher noch vermissten Talk- schiefer-Figuren ebenso ergiebig zu sein, wie das Mendi-Gebiet am Büm- und am Kittam-Flusse; denn, wie ich von Hrn. Consul Vohsen erfuhr, besitzt der Director der französischen Ge- sellschaft von West-Africa, Hr. Lecesne in Paris, eine reich- haltige Sammlung von ähnlichen Stücken, deren Vorhandensein den Pariser Gelehrten bisher ent- gangen zu sein scheint. Das vorliegende Stück stellt in sehr rohen, aber durchaus die nach afrikanischer Kunstweise zur Schau zu stellenden Formen eine weibliche Figur dar, an welcher die Arme die Brüste stützend halten, während die unteren Extremitäten nur durch die plattenförmig ausgebreiteten Füsse, nach Art mancher Fetisch -Figuren aus Loango und vom Congo, die unser Museum enthält, zum Ausdruck gelangen. Die in den Fugen haftende weisse Substanz zeigt, dass die Figur, wie so viele der ähnlichen aus Holz geschnitzten, ursprünglich mit einer weissen Tünche ver- sehen war. — Hr. F. V. Luschan hat die Stücke gesehen, welche Rütimeyer besass. Er hält die Sachen für nicht ganz unverdächtig. In Paris sah er im vorigen Herbst ähnliche Stücke aus Bulama, die ihm jedoch als plumpe Fälschungen erschienen. — Hr. Staudinger bezweifelt, dass die Stücke prähistorisch seien. Es sei zu ermitteln, ob solche Stücke noch jetzt gefertigt werden. — (6) Hr. Hubert Schmidt giebt die Fortsetzung seines Berichts über die Neuordnung der Scliliemann- Sammlung. II. Die Durchführung der Arbeiten in der Sammlung lässt sich an der Hand von Beispielen aus den einzelnen Ansiedelungen ausführlicher beleuchten. Es handelt sich dabei um sogen, monochrome Keramik, die mit ihren Grundfarben als graue, gelbe und rothe uns entgegentritt. Für die erste Ansiedelung war man einzig und allein auf die Museums- Arbeit angewiesen. Der sicherste, weil häufigste Typus ist hier eine tiefe Schale oder Schüssel in o Variationen. Nach der Technik derselben kann man eine gröbere und feinere Gruppe unterscheiden und gewinnt so durch Vergleich eine kleine Reihe von ältesten troischen Gefäss -Typen. Die Ornamentik beschränkt sich, soweit das erhaltene Material es übersehen lässt, fast ganz auf die Schüssel, an deren Rande die einfachsten, „geometrischen" Muster, wie radiale Strichgruppen, Strichgruppen in Zickzack, Zickzack -Linie, Sparren -Muster, Rhomben -Motive, Dreiecke, Wellenlinie, eingetieft sind. Einige Beispiele mit rudimentären Gesichts- (332) Darstellungen fallen besonders auf und scheinen auf Ursprung und Bedeutung der ganzen Decoration hinzuweisen. Für die zweite bis fünfte Ansiedelung lassen sich mit Poppelreuter 3 technische Entwickelungs-Perioden annehmen: 1. Hand-Arbeit und primitiver Brand; 2. Aufkoramen der Scheiben-Technik neben der Hand-Arbeit und toH- komraenere Brenn- Methode; 3. entwickelte Scheiben-Technik mit untergeordnetem Auftreten der Hand- Arbeit. Diese 3 Perioden lassen sich an der Hand einzelner Beispiele, wie Gesichts- Vase, Schnuröhsen-Gefässe, Rannen, Becher, Tassen und Teller, vortrefflich illustriren. Die Dreitheilung ist auch bei der definitiven Aufstellung und der Katalogisirung der Sammlung beibehalten worden, wenn auch alle die Einzel- gruppen, wie sie Poppelreuter ursprünglich aufgestellt hat, nicht wiederzu- finden sind. Ebenso genauen Aufschluss, wie über die Formen-Entwickelung, erhalten wir durch die neue Aufstellung über die Ornamentik der Gefpse innerhalb der n. bis V. Ansiedelung, o Manieren der Tief- Ornamentik lassen sich feststellen: Furchen-, Stichpunkt- und Tupfen-Verzierung. Was die Ornament-Formen anlangt, so hat schon Poppelreuter eine kleine Reihe von Gefiissen zusammengestellt, deren Decorationsmotive als Nachbildungen von menschlichem Hals- und Brust- Schmuck zu erklären sind. Aus solchen Ursprüngen entwickelt sich das ganze „geometrische" Decorations-System der troischen Gefässe, das die Grundlage bildet für die folgende Gefilss-Decoration bis zum entwickelten System der bemalten griechischen „Dipylon -Vasen''. Aus dieser durchaus selbständigen Entwickelung geht hervor, dass die Aehnlichkeiten der troischen Decoration mit der sogen, „europäischen Band-Keramik" eine andere Erklärung verlangen, als man bei der gewöhnlichen Annahme eines ursächlichen Zusammenhanges voraussetzen darf. Die Selbständigkeit der troischen Ornamentik lässt sich im Besonderen an den zahlreichen verzierten Spinn wirtein aus Thon ablesen. Ihre Decoration beruht auf der systematischen Theilung des Kreises, durch die vier-, drei-, fünf-, sechs- und mehrtheilige Muster entstehen; diese führen zur Ausbildung der Sternmuster. Für die Entwickelung der VI. Ansiedelung hat man die Anwendung eines feinen, mehrzinkigen Instruments anzunehmen, wodurch die Ausführung der alten Muster besonders verfeinert wird, dann aber auch besonders feine, neue Muster entstehen. Unter den Einzel-Gruppen, die unabhängig von einer systematischen Entwickelung verschiedenartige Decorations-Motive aufweisen, interessiren besonders die Wirtel mit schriftartigen Zeichen und mit naturalistischen Motiven. Die ersteren sind Versuche, die der Entwickelung einer Bilder- und Zeichen-Schrift parallel laufen. Unter den letzteren sind besonders die Zusammenstellungen von Hirsch, Hund und Jäger auffallend; als decorative Umbildungen dieser menschlichen und thierischen Vorbilder erklären sich, wenigstens innerhalb der troischen Wirtel -Ornamentik, das Kamm-Motiv und das Hakenkreuz. — lü. Was die oberen Schichten der Ausgrabungsstätte, die VI. bis IX. An- siedelung anlangt, so haben erst die Ausgrabungen von 1894 zu einer richtigen Beurtheilung des Verhältnisses derselben zu einander, der Bedeutung jeder einzelnen für sich und der ihnen zugehörigen Topfwaare geführt. C333; Wie von den älteren die zweite, so ist von den jüngeren die sechste An- siedelung die wichtigste. Zwar ist ihre Bedeutung schon im Jahre 18!iO durch die Funde von mykenischen Scherben richtig erkannt worden und ISüo konnte dieses Resultat im weiteren Umfange bestätigt werden. Aber über den Charakter der ihr eigenthümlichen Topfwaare war man sich noch nicht klar geworden. Schliemann hatte in „Uios" und „Troja" zwei offenbar verschiedene Gefäss- Gattungen unter dem Namen „lydische" zusammengefasst: die eine repräsentirt entwickelte Scheiben-Arbeit und bezeichnet auch nach Formen eine höchst vollendete Stufe der troischen Keramik; die andere ist von primitiver Technik, immer Hand- Arbeit und schlecht gebrannt, und in ihren Formen zeichnet sie sich durch eine Vor- liebe für Buckel und Hörner aus, weshalb ihr der Name „Buckel-Keramik" zukommt. Noch im Berichte des Jahres 1890 lässt sich diese unklare Vermischung heterogener Dinge beobachten (vergl. ebenda S. 18 f.). Im Jahre 1893 lernte man sie zwar unterscheiden, betrachtete aber die „Buckel- Keramik" als letzte Schöpfung der einheimischen Entwickelung, obgleich sich weder früher noch später annähernd Aehnliches in Troja gefunden hatte. Das Richtige haben hier die Ausgrabungen von 1894 gelehrt. Innerhalb und oberhalb des Nordost-Thurmes VIg, der ein Wasser-Reservoir einschloss, haben sich drei Kulturschichten abgelagert: die älteste mit Scherben von mykenischen Vasen und guter, grau-monochromer Keramik der VI. Ansiedelung, die mittlere mit den Bruchstücken der Buckel-Keramik neben geringen mykenischen und troisch- monochromen, die jüngste mit Scherben einer vorzüglichen griechisch-bemalten Vasen-Gattung des geometrischen Stils. Damit ist die Stellung der Buckel-Keramik zwischen der älteren troischen und importirten mykenischen auf der einen, der jüngeren troischen und importirten altgriechischen auf der anderen Seite, somit auch die Aufeinanderfolge und Bedeutung der VI., VII. und VIII. Ansiedelung gegeben. Bestätigt wurde dieses Resultat durch den Befund innerhalb der hoch- stehenden Hausmauern des Quadrates J 7, die der zweiten Periode der VII. An- siedelung zugewiesen werden müssen: hier fehlen die guten griechisch-geometrischen Scherben, dagegen fanden sich neben älterem Monochromem Bruchstücke der Buckel- Keramik. Was die Ornamentik der Keramik der VI. Ansiedelung betrifft, so haben die Funde in bestimmten Vorraths-Gefässen der VI. Ansiedelung bewiesen, dass zur Zeit des guten mykenischen Imports die Wellenlinie in ihren verschiedenen Arten, einfach und mehrlinig, — letztere mittels eines mehrzinkigen, feinen Instru- mentes — , zum Theil abwechselnd mit einfachen Horizontal-Rillen, zum Theil auch vereinigt mit alttroischen, geometrischen Elementen als das charakteristische Orna- ment der troischen Keramik im Gebrauche war. Dazu kommt ein tiefgehender Einüuss der importirten mykenischen Keramik. Dieser äussert sich 1. in der Nachahmung mykenischer Gefäss-Formen; 2. in der Nachahmung der mykenischen Firnis-Malerei in der einheimischen Technik der Mattmalerei auf gelb-monochromen Gefässen. Dieser mykenische Einüuss hat sogar die VI. Ansiedelung noch überdauert. Die Magazin-Bauten, die sich an die innere Burgmauer anlehnen und ihrer Anlage nach als die erste Periode der VII. Ansiedelung zu gelten haben, müssen noch zur Zeit des mykenischen Imports bestanden haben. Die zweite Periode der VII. Ansiedelung wird durch das Auftreten der Buckel -Keramik bezeichnet. Diese Keramik steht in einem unüberbrückbaren Gegensatz zu den Leistungen der einheimischen Keramik, die ununterbrochen (334) weiter bestanden haben muss, und ist daher einem in die Troas eingedrungenen Barbaren-Stamme zuzuschreiben. Die Ueberlieferung aus dem Beginne der histo- rischen Zeit Klein -Asiens lässt die Kimmerier in den Vordergrund treten. Die Annahme, dass mit diesen der vorauszusetzende Barbaren -Stamm zu identificiren ist, gewinnt eine Stütze durch den von A. Götze schon im Jahre 1894 in Troja gegebenen Hinweis auf grosse Aehnlichkeit der troischen Buckel -Keramik mit ungarischen Gefiissen der Bronzezeit. Die Kimmerier haben aber ihre Heimath in der Gegend zwischen Donau und Don gehabt. Die Troas mussten sie vor der Festsetzung der Griechen verlassen haben. Für die Anwesenheit der Griechen sind die guten bemalten Gefässe des griechisch- geometrischen Stils die untrüglichen Zeugen. Erst die VIII. Ansiedelung wird also griechisch zu nennen sein. Hand in Hand geht mit dieser importirten Waare die Nachahmung griechischer Gefäss-Formen in grau-monochromer Technik. Nunmehr lassen sich die Spuren der Griechen an den importirten griechischen Vasen weiter verfolgen. Freilich ist das Alles nur in Scherben übrig geblieben. Doch finden sich nach einander die sogen, rhodischen Stilarten aus dem 7. bis (!. Jahrhundert vor Chr., Schwarzfigui-iges korinthischer und attischer Provenienz aus dem 6. Jahrhundert, Rothfigurig-attisches aus dem 5. und 4. Jahrhundert. Zahl- reich ist die hellenistische Keramik vertreten. Zu den Gefäss-Scherben kommen figürliche Terracotten des archaischen Stils bis zum 4. bis o. Jahrh. vor Chr., eine Serie Thon-Lampen, die uns ihre Entwickelung vom 4. Jahrh. vor Chr. bis in die spätrömische Zeit vor Augen führen; dann Marmor-Fragmente, Sculpturen, Architectur-Stücke, Inschriften, die uns in die Bauthätigkeit und Ver- waltung der Griechen und Römer einen freilich lückenhaften Einblick gewähren. Selbst aus der byzantinischen Epoche finden sich einige Proben glasirter Topfwaare vor, die man dem 13. Jahrhundert nach Chr. zuzuweisen hat. Soweit die trojanischen Alterthümer. Dazu kommen die Funde aus den Grab- hügeln der Troas, unter denen der Hanai-Tepeh mit seiner dreifachen Schichtung am meisten interessirt und einer neuen Untersuchung bedarf. — Auch eine kleine Sammlung griechischer Alterthümer ist aus dem Nachlass Schliemann's in die Sammlung gekommen. Von diesen sind besonders für Lehrzwecke die Gefäss-Scherben geeignet, die uns die Entwickelung der ältesten Keramik des griechischen Festlandes übersehen lassen. — Nicht unerwähnt mögen schliesslich zwei Schränke mit ägyptischen Alter- thümern bleiben. Auch hier überwiegen bei weitem die Gefässe, welche Proben aus allen Epochen der ägyptischen Cultur-Geschichte aufweisen, von den ältesten Nekro- polen an durch das alte, mittlere und neue Reich hindurch bis hinab in die Zeit der christlichen Kopten. So ist es dem Besucher der Schliemann-Sammlung vergönnt, eine Cultur- Wanderung durch eine Jahrtausende währende Entwickelung zu unternehmen. Von dem vorchristlichen 3. Jahrtausend an durch die prähistorischen Epochen hindurch, in denen sich die Frühzeit der Mittelmeer-Culturen abspielte, bis in die Blüthezeit der gewaltigen, mykenischen Cultur, die auch für Troja einen Umschwung im Ge- schmack bedeutete, dann weiter in eine Zeit der politischen und socialen Unruhen, welche die Völker- Bewegungen in nachmykenischer Zeit in Klein -Asien mit sich brachten. Einen neuen Aufschwung der Cultur sehen wir in der Troas durch die Griechen entstehen, die als Colonisatoren die Küsten des Mittelmeeres von dem Nil-Delta an bis an die rauhen Gestade des Schwarzen Meeres besiedelten und die sagenberühmte Burg von Troja wahrscheinlich schon damals mit der Gründung eines Heiligthums der Athena auszeichneten. Unter dem Einfluss der griechischen (335) Cultur mag seitdem der Platz ein wechselndes Geschick gehabt haben, bis die römischen Ciisaren sich seiner annahmen und, in ihrer Vorliebe für den Stamm- baum des julischeii Geschlechts, nicht aufhörten, Ilion mit ihrer Gunst zu beehren. Dann kommt der Verfall der antiken Cultur, und nur wie ein Windhauch streicht ihr gegenüber das byzantinische Zeitalter über die uralte Stätte menschlichen Daseins hinweg. Schauen wir von hier nochmals zuiück auf das, was uns die troische Ornamentik der Gefilsse und der Spinn wirtel gelehrt hat, dann können wir daran die kunsthistorische und allgemein-menschliche Bedeutung der Schliemann- Sammlung ermessen. — Hr. Karl von den Steinen hat das Hakenkreuz selbst zuerst als ein Menschen- bild gedeutet, dies aber schon wegen des schrägen Kopf-Ansatzes aufgegeben. Nur in dem Wirtel „Ilios" 188.3 (nicht in 1880) erkennt er ein Menschenbild an, hier aber keine Beziehung zum Hakenkreuz. Er hält an einem Storchbild, das dem Hakenkreuz zu Grunde liege, fest, giebt aber manche Einzelheit seiner für die Bastian-Feier überstürzten Arbeit gern preis. (7) Hr. S. Placzek spricht über die Skelet-Entwickelung der Idioten. Wer Gelegenheit hat, Idioten zu sehen und zu beobachten, findet neben den hervorstechenden Kennzeichen mangelhafter Geistes -Entwickelung auffällig viele Abweichungen der Rörperform, die sogen. Stigmata. Sie sind besonders stark in der Configuration des Schädels ausgesprochen. Bald ist dieser abnorm klein, so dass das normal grosse Gesicht ein Vogelprofil erhält, bald ist er enorm ver- grössert, so dass das Gesicht sehr klein erscheint. Die Schädeldecke kann die verschiedensten Deformationen zeigen, spitz, abgeplattet, schief, kahnförmig sein. Als hervorstechendstes Stigma gilt das Zurückbleiben des Längenwachs- thums. Diese auffällig häufigen Begleiterscheinungen seelischer Verkümmerung konnten natürlich der dem inneren Wesen jeder Naturerscheinung nachspürenden Forschung nicht eine einfach registrirbare Thatsache bleiben, sondern mussten noth- wendig die Frage auftauchen lassen, ob seelische und körperliche Entartung in dem Abhängigkeits-Verhältnisse von Ursache und Wirkung' ständen oder beide directe Polgen der gleichen Ursache wären. Für eine Sonder-Abtheilung der grossen vielgestaltigen Idioten-Gruppe, die Cretins, hat die Wissenschaft seit langem eine sehr bestechende Erklärung als Antwort auf die Frage gegeben und kein geringerer, als Rud. Virchow'^), hat diese in den Jahren 1856 und 1858 für möglich erklärt. Es ist das Dogma von der vor- zeitigen Verknöcherung der Schädelnähte, welche die Gehirn-Entwickelung beeinträchtige. Virchow war, als er mit der typischen Physiognomie der eigent- lichen Cretinen beschäftigt war, auf dem Wege der Rechnung und Messung dazu gekommen, den primären Sitz der Störung bei ihnen in einer Verschmelzung der Schädelbasis -Wirbel zu suchen, und als er an einem neugeborenen Cretin mit dieser Voraussetzung den Schädel prüfte, konnte er die Synostose wirklich nach- weisen. Bald nachher konnte er den gleichen Befund an einem Spiritus-Präparat erheben, das als Rachitis eingetragen, aber ein Cretin war. So gefestigt wurde im Laufe der Jahre die Lehre, dass Bircher 1896 eine typische Cretine zu den Zwergen zählte, weil er bei der Section die Knorpelfuge offen fand. Da wies im 1) R. Virchow, Knochen-Wachsthum und Schädelform, mit besonderer Rücksicht auf Kretinismus. Virchow's Archiv 1858. S. 323f. (336) Jahre 1897 Langhans nach, dass in keinem einzigen einvvandsfreien Falle von Cretinismus die Synchondrosis spheno-occipitalis vorzeitig verknöchert war, ja die Epiphysenkerne sich langsamer entwickelten und später auftraten, wenn auch in der normalen Reihenfolge. Diesen mit der früheren Anschauung direct con- trastirenden Satz stützte "Robert v. Wyss^) durch sorgsame Untersuchungen mit Hülfe der Röntgen-Strahlen, die ihn zur Aufstellung folgender Leitsätze führten: 1. Bei allen beobachteten Cretinen von verschiedenstem Alter und Grade ist nirgends eine Andeutung von vorzeitiger Verknöcherung zu bemerken, weder von vorzeitigem Auftreten von Knochen-Kernen, noch von früh- zeitiger Synostose. 2. Alle Individuen, die nach Herkunft und körperlichem und geistigem Befund zweifellos als Cretinen oder Cretinoide zu betrachten sind und die noch im Entwickelungs-Alter oder wenige Jahre darüber stehen, zeigen eine Hemmung in der Verknöcherung des knorpeligen Skelets. die sich in späterem Auftreten der Knochenkerne und in langsamerem Verschwinden der Epiphysen-Fugen äussert. 3. Der Unterschied in der Ossification gegenüber der Norm beträgt in der Regel nur wenige Jahre, wenigstens für die makroskopische Untersuchung und die noch gröbere Methode der Röntgen-Strahlen; es ist somit nur aus- nahmsweise nach 25 Jahren noch ein abnormer Befund zu erwarten. 4. Die verlangsamte Ossification zeigt sich in den Hand-Knochen in folgender Weise: a) sie geht im Allgemeinen der normalen Ossification parallel, d. h. die Knochen-Kerne erscheinen und synostosiren in derselben Reihen- folge, wie beim Gesunden. b) sie entspricht ungefähr der Hemmung des Längenwachsthums. Besonders auffällig erschien es mir, dass v. Wyss gleichartige Befunde bei geistig schwach entwickelten Kindern erhob, die alle cretinistischen Eigenthümlich- keiten, wie Einziehung der Nasenwurzel, breite Nase, dicke Lippen, dicke, faltige Gesichtshaut usw. vermissen Hessen. Allerdings sind es nur wenige derartige Beobachtungen. Hier war die Hemmung so hochgradig, dass das Hand-Skelet des 10jährigen die Verhältnisse des 3jährigen, die Hand des 17jährigen die des 10. Lebensjahres darbot. Diese Uebereinstimmung von Cretin und Idiot erscheint Hrn. V. Wyss als Beweis, dass die beiderseitigen ursächlichen Schädlichkeiten ähnlich oder gar gleichartig sind. Da ich das Idioten -Material v. Wyss' für zu gering halte, um derartige bindenden Schlüsse zu gestatten, da ich es ausserdem trotz Fehlens der vorher er- wähnten cretinischen Merkmale nicht für ein wandsfrei halte, weil es aus einer Cretinen-Gegend stammt, habe ich das meiner Leitung unterstehende Idioten-Material der Rassow' sehen Erziehungs-Anstalt, soweit es ein verkürztes Längen wachsthum bot, dazu benutzt, um mit Hülfe der Röntgen-Strahlen über Art und Ursache der körperlichen Schädigung ins Klare zu kommen. Natürlich wäre es am vortheilhaftesten gewesen, die Synchondrosis spheno- occipitalis im Röntgen-Biide zu fixiren, leider ist das Röntgen -Verfahren hierfür noch nicht genügend vervollkommnet. Möglich erscheint es mir immerhin, dass in 1) v. Wyss, Beiträge zur Entwickelung des Skelets von Kretinen und Kretinoiden. Fortschr. a. d. Geb. d. Röntgen-Strahlen. Bd. III, Heft 1, 1899. (337) Fig. 1. Zukunft eine Durchleuchtung durch den geöffneten Mund auch diese Region der Schädelbasis wiedergeben wird. Vorerst musste ich mir daran genügen lassen, die Hand als die für die Entwickelung der Knochen-Kerne instructivste Körper- stelle zu wählen. Um klarer darüber urtheilen zu können, ob die hier gewonnenen Röntgen- Bilder wirklich eine verzögerte Knochen-Entwickelung ergeben, ist es nöthig, die Torliegenden entwickelungsgeschichtlichen Angaben der Anatomen und Röntgo- gramme der Hand normaler, auf gleicher Altersstufe stehender Kinder zum Ver- gleiche heranzuziehen. Dem ersteren Zweck diente die tabellarische üebersicht, die V. Wyss von den Angaben der Anatomen Toldt, Quain-Hoffmann, Testut, Rambaud-Renault, Kölliker, Henle, v. Ranke, entwarf, den zweiten Zweck erfüllten die Röntgen-Bilder des Stabsarztes Dr. Behrendsen. Nach den maassgebenden Ausführungen v. Ranke's sind zur Zeit der Geburt die Diaphysen von Radius, ülna, Metacarpal-Knochen und Phalangen verknöchert, dagegen die Epiphysen, sowie die Handwurzel-Knochen knorpelig, und zwar sitzen diese Epiphysen am ersten Metacarpal-Knochen und an den Phalangen proximal, am 2. bis 5. Metacarpal-Knochen distal. Im zweiten Lebensjahre beginnt der Verknöcherungs-Process in einigen Handwurzel-Knochen, namentlich dem Kopf- bein, Hakenbein, Kahnbein und den Epiphysen der Phalangen, wie es auch die Behrendsen'schen Bilder zeigen. Die Knochen-Kerne wachsen, neue treten auf, und allmählich setzt der Verschmelzungs-Process ein, der zu dem abgeschlossenen Bilde der Hand des Erwachsenen führt. Betrachten wir zunächst ein fünfjähriges Mädchen Anna S. Trotz eines selten intelli- genten, ja schönen Gesichts spricht das Kind noch kein Wort. Die einzigen Andeutungen seines Seelenlebens bestehen in physiognomi- schen Aeusserungen der Freude, wenn ihm ver- traute Personen erscheinen und ihm liebevoll begegnen. Neben dieser psychischen Hemmung besteht aber eine hochgradige körperliche, denn das Kind leidet an angeborener spastischer Gliederstarre, die es ihm verwehrt, die Glieder gleich dem Gesunden zu gebrauchen. Muskel- Spannungen beeinträchtigen jede Bewegung. Die Körperlänge beträgt 87 cm. Da normale Kinder in diesem Lebensalter durchschnittlich 97,4 (Quetelet), 108,4 (Zeising), 104,9 cm (Bowditsch) messen, ist das Längenwachs- thum um 10 oder 17,9 oder gar 21,4 cm hinter den Normal werthen zurück. Was lag nun näher, als hier, gemäss dem Befunde von v. Wyss, ein Zurückbleiben der Knochenkern-Anlagen zu vermuthen? Das Gegentheil zeigt das Radiogramm (vergl. Fig. 1). Hier, wie auf dem Vergleichsbilde eines Kindes von 4 Jahren 8 Monaten fehlt der ülnarkern. Der Radiuskern ist vorhanden, deckt nur das distale Knochenende nicht ganz so weit, wie auf dem Normalbilde. Die Kerne des Mondbeins, dreieckigen Beins, Kopfbeins und Hakenbeins bestehen hier, wie dort, und in gleicher Grösse. Hier, wie dort, sind die Epiphysen-Kerne der Metacarpal-Knochen II— V vor- Verhandl. der Berl. Anthropol. Gesellschaft 1901. 22 (338) banden, doch während bei dem gleichaltrigen gesunden Kinde der proximale Kern des I. Metacarpus noch fehlt, ist er hier schon schön ausgeprägt. Die Epiphysen- Kerne der Phalangen sind gleichfalls gut ausgeprägt. Also keine Hemmung der Knochen-Entwickelung, obwohl der ganze Habitus des Kindes zu dieser Annahme führte. Ich gestatte mir nunmehr, einige 6jährige Idioten zu zeigen. Deren Seelen- leben will ich nur mit wenigen Worten skizziren, soweit es zur Begründung der Diagnose Idiotie nöthig ist. Zunächst ein Knabe, Eugen B., mit dem mächtig entwickelten Schädel. Er spricht leidlich, hat auch mühselig einige Kenntnisse er- worben, ist aber im Ganzen weit zurückgeblieben. Er misst 103 cm. Nach Quetelet misst ein Gjähriges männliches Kind 104,6, nach Bowditsch 111,1, Zeising 115,0, Key 116,0 cm. Sein Längenwachsthum ist also um 1,6, bezw. 2,6 cm, bezw. 12, bezw. 13 cm hinter den Normalwerthen zurück (vgl. Fig. 2). Fij; Vergleicht man nunmehr das Radiogramm seiner Hand mit dem Röntgen- Bilde eines gleichaltrigen Kindes Behrendsen's, so sieht man sofort, dass hier die Verknöcherung sogar weiter vorgeschritten ist. Zunächst ist ein Ulnarkern an- gedeutet, der im Normalbilde noch fehlt. Die Radialkerne sind gleich gross, aber welcher Unterschied in den Knochen-Kernen der proximalen Handwurzel-Reihe! Hier sind die Kerne des Kahnbeins, Mondbeins, dreieckigen Beins voluminöse Schatten, auf dem Vergleichsbilde punktförmige Gebilde. Ebenso sind die Knochen- Kerne der distalen Reihe nicht bloss grösser, sondern es findet sich hier ein voll ausgebildeter Kern des grossen vieleckigen Knochens, links sogar ein solcher des kleinen vieleckigen Knochens, die beide in der Norm fehlen. Die Epiphysen-Kerne der übrigen Handknochen sind gleich gut ausgeprägt wie in der Norm. Also hier ebenso wenig eine Hemmung der Knochen-Entwickelung, wie vorher, eher eine Beschleunigung. Noch schärfer tritt das Gesagte bei dem 6jährigen Mädchen Käthe M. in die Erscheinung. Es handelt sich um die prognostisch ungünstigste agile Form. Das Kind spricht noch keinen Laut, singt aber leidlich musikalisch. In der Schule ist sie nicht zur Aufmerksamkeit zu bringen, sie lernt natürlich nichts. Sie misst (339) 103 cm, ist also ebenso weit, ja, da die Normalwerthe für weibliche Kinder etwas niedriger sind, etwas weiter zurück, wie das vorige Kind. Hier (Fig. 3) erkennt man noch schärfer den Schnellschritt der j Knochen- Entwickelung, denn das ganze Hand-Skelet ist ausgezeichnet vollendet, vom ülnar- kern bis zu den Epiphyscn-Kernen der letzten Phalangen. Fig. 3. Das nächste Bild (Fig. 4) stammt von einem 6jährigen Idioten, S. G., der jede geistige Regung oder Auffassungs-Fähigkeit vermissen lässt. Er misst 103 an, ist Fig. 4. also [ebenso [weit zurück, wie Fall IL Er vegetirt nur. Auch hier übertrifft die Knochenkern-Anlage die Norm. Allerdings fehlt hier noch der Ulnarkern, wie auf 22* (340) dem Vergleichsbilde der Norm, ja, hier fehlt sogar der Kern des Mondbeins, der in der Norm schon angelegt ist. Dafür sind aber das grosse und kleine yieleckige Bein gut ausgeprägt, und die anderen Kerne übertreffen schon an Grösse die ent- sprechenden Kerne des Vergleichsbildes. Ich komme nunmehr zu einigen siebenjährigen Idioten, die im Längen- wachsthum zurückgeblieben sind. 1. Paul G. Er kann sprechen, hat auch mancherlei Begriffe erworben, ist nett im Wesen, im Ganzen doch beträchtlich zurückgeblieben. Er misst 106 Y2 c'»5 ist hinter den Normal werthen von Quetelet, Bowditsch,Key, Zeising für männliche 7jährige Kinder um 3,9 oder 9,7 oder 14,5 oder 14,9 cm zurück. Vergleicht man das Röntgogramm seiner Hand (Fig. 5) mit dem Normalbilde selbst eines 8jährigen Mädchens, — Behrendsen giebt leider kein Vergleichsbild eines 7jährigen, — so findet man alle Kerne gleich gut, ja mitunter noch stärker entwickelt, wie bei dem ein Jahr älteren Kinde, mit alleiniger Ausnahme des Mondbeins, das hier punktförmig ist. Fig. 5. 4. Moritz P., ohne jede geistige Regsamkeit, hat noch nicht laufen gelernt. Er misst 101 c/«, ist also um 9,4 (Quetelet), lö,2 (Bowditsch), 20,0 (Key), 20,4 cm (Zeising) zurück. Trotzdem sind die Kerne (Fig. 6) schön und gross, grösser wie auf dem Vergleichsbilde, nur der dor/ punkt- förmig vorhandene Kern des Kahnbeins fehlt hier. Martin Seh., spricht einige unarticulirte Laute, lernt nichts, versteht kaum, was man ihm pantomimisch andeutet. Er misst 101 cm, ist also um 9,4 (Quetelet), 15,2 (Bowditsch), 20,0 (Key), 20,1 a« (Zeising) zurück. Trotzdem sind nicht bloss die Kerne aller Handwurzel-Knochen schön und gross entwickelt, sondern auch der Ulnarkern angedeutet, das beste Kenn- zeichen des rascheren Entwickelungs-Ganges, wenn man das Vergleichs- Röntgenbild des normalen Kindes daneben hält (Fig. 7). Alle anderen Epiphysen-Kerne der Finger sind gleichfalls schön entwickelt. Gleichartig ist das Ergebniss im nächsten Falle, Richard Z. Ein Idiot schlimmster Art, lässt er jedes Auffassungs-Vermögen vermissen. Er kann nicht sprechen, producirt nur seltsam schnalzende Laute, vollführt stereo- (341) type Lauf- und Spring-Bewegungen. Er misst 108 c/«, ist also um 2,4 (Quetelet), 8,2 (Bowditsch), 13,0 (Key), 13,4 cm (Zeising) zurück. Auch hier zeigt das Röntgogramm eine voll entwickelte Anlage der Knochen- Kerne, welche die gleiche Körperregion der gleichaltrigen gesunden Kinder, wie sie Behrendsen wiedergiebt, weit übertrifft (vgl. Fig. 8). Fis:. (; Fijr. 7. Fiff. S. Fio-. 9. 5. Noch schärfer tritt die vorzeitige im Röntgogramm sich wiederspiegelnde Kern -Anlage in dem nächsten Bilde (Fig. 9) der 7jährigen Idiotin (342) Fijr. 10. Margarethe G. zu Tage. Obwohl äusserlich intelligent dreinschauend, ist sie doch geistig beträchtlich zurückgeblieben. Immerhin lernt und ver- steht sie mancherlei Wissens werthes, spricht deutlich, beobachtet leidlich und ist von lästigen Unarten frei. Sie misst 113 cm, ist also um 2,t> (Bowditsch), ;i,ü (Key), 8,4 cm (Zeising) hinter den Norraalwerthen für weibliche Kinder zurück, übertrifft aber den Quetelet'schen Normal- werth. Hier haben die Kerne von Radius, Ulna, Handwurzel-Knochen und Fingern eine bisher noch nicht gesehene Grösse erreicht. Selbst der Ulnarkern und die Kerne des grossen und kleinen vieleckigen Knochens sind schön entwickelt. H. Gleich weit entwickelt zeigt sich die Kern-Anlage bei dem nächsten 8jährigen Idioten J. Z. Es handelt sich hier auch um eine hoch- gradige Verkümmerung aller see- lischen Functionen. Er misst 114 C7n, ist also um 2, "2 (Quetelet), 7,3 (Bowditsch), 11,4 (Zeising), 12,0 m (Key) hinter den Normahverthen zu- rück. Wenn auch das Höntgen- Bild dadurch, dass das Kind im Augenblicke der Aufnahme die Hand bewegte, nicht gleich deut- lich "wie die anderen Bilder er- scheint, erkennt man doch deut- lich das weit vorgeschrittene Sta- dium der Kern - Entwickelung, selbst bei den sonst am meisten zurückgebliebenen oder noch feh- lenden Kernen (Fig. 10). 7. Das nächste Bild (Fig. 11) stammt von der lojährigen Idiotin Martha H. Diese kann wohl sprechen, ist jedoch nicht im Stande, einfachste That- sachen zu erfassen oder zu behalten. Sie misst 117 e?H, ist also um (.4 (Quetelet), 13,0 (Key), 13,4 (Bowditsch), 13,5 rm (Zeising) hinter den Normalwerthen zurück. Hier zeigen sich die Kerne in voller Ent- wickelung, ja, selbst der nierenförmige, radialwärts scharf umrandete Fleck auf dem Schatten des Hakenbeins ist deutlich erkennbar, das sonst bei normaler Entwickelung erst um das 11. bis 12. Lebensjahr herum sichtbar zu werden pflegt. 8. Schliesslich erlaube ich mir noch, das Bild der 16jährigen Idiotin Hertha S. zu zeigen. Auch hier weitest gehende seelische Verkümmerung. Sie misst 137 c/H, ist also um 15,1 (Quetelet), 19,4 (Bowditsch), 22,0 (Key), 24,5 cm (Zeising) hinter den Normalw^erthen zurück. Trotzdem voll ent- wickelte Kern -Anlage (Fig. 12). Das Resume dieser Demonstration lässt sich in den Sätzen zusammenfassen: a) Bei Idiotie mit zurückgebliebenem Längenwachsthum besteht keine Hemmung der Knochen-Anlage, im Gegentheil, eine zeitlich schnellere Entwickelung. (343) b) Kleine Unregelmässigkeiten in der Kern -Anlage eines einzelnen Handwurzel-Knochens, wie sie hier zweimal erschienen, kommen auch unter normalen Verhältnissen vor. c) Verglichen mit den Ergebnissen v. Wyss' bei Cretinismus, rauss, sofern diese auch weiterhin als allgemein zutreffend sich bestätigen sollten, die ätiologisch anders bedingte Idiotie streng vom Cretinismus getrennt werden. d) Die bei Idiotie schneller als in der Norm sich vollziehende Kern- Anlage in den Knochen der Hand dürfte wohl für das ganze Skelet zutreffen, gestattet daher, die Lehre von der prämaturen Synostose der Schädelknochen auch heute noch als möglich anzunehmen. Fisr. 11. Fie. 12. (344) Literatur. V i rc h 0 w , Knochen- Wachsthum und Schädelform, mit besonderer Rücksicht auf Cretinismu». Virchow's Archiv 1858, Langhans, Yirchow's Archiv, Bd. 149. Pal tauf, Zwergwuchs 1891. V.Ranke, Ossification der Hand. Münchn. med. Wochcnschr. 1868. V, Wyss, Beiträge zur Kenntniss der Entwickelung der Skelette von Cretinen und Cretinoide». Fortschr. a. d. Geb. d. Röntgen-Strahlen. Bd. III. Heft 1-3. 1899. Hofmeister, Ueber Störung des Knochen- Wachsthums bei Cretinismus. Fortschr. a. d. Geb. d. Röntgen-Strahlen. Bd. I. H. 1. Gasne et Londes, Compt. rend. 1898. I. Yol. 12. Springer et Sorbanesco, Compt. rend. 1897. 17. IV. Joachimsthal, üeber Zwergwuchs und verwandte Wachsthums -Störungen. Deutsche med. Wochenschrift. 27. IV. 1899. Vi er or dt, Auat.-phys. und phys. Daten und Tabellen. Jena 1893. Hr. Joachimstbal stimmt den Ausführungen des Vortragenden bei. Die Verzögerung im Verschluss der Fontanellen (Ossifications-Stellen) ziehe sich bei Idioten mitunter bis zum 40. Jahre hin. — ^ Hr. Rud. Virchow weist darauf hin, dass er niemals behauptet habe, der Cretinismus sei von vorzeitiger Synostose der Schädelknochen abhängig. Im Gegen- theil habe er selbst Beispiele von Cretinismus beigebracht, bei denen die Ossifi- cation der Nähte und Fontanellen sich in gewöhnlicher Weise vollzogen hatte. Ihm eigenthümlich sei der Nachweis, dass bei Cretinen eine vorzeitige Synostose der Knorpelfugen am Schädelgrunde vorkomme und dass davon die be- kannte „Cretinen-Physiognomie'' abzuleiten sei, die auf einer Verkürzung des Schädelgrundes beruhe. Leider kümmern sich die jüngeren Autoren, welche über Cretinimus schreiben, sehr wenig um die Literatur; er selbst habe in einer Reihe von Special-Abhandlungen, die auch durch Abbildungen erläutert seien, seine Erfahrungen veröffentlicht. Eine zusammenfassende Darstellung stehe in seiner Monographie über „Die Entwickelung des Schädelgrundes im gesunden und krank- haften Zustande und über den Einfluss derselben auf Schädelforra, Gesichtsbildung und Gehirnbau" (Berlin 1857, S. Gl, GS, 78); entsprechendeAbbildungen sindinTaf. IV beigefügt. Im Vordergrunde der Betrachtung steht daher der Zustand des Grund- beins; eine besondere Neigung zur Verknöcherung an den Knochen des Schädel- daches und der Seitentheiie bei Cretinen, habe ich nicht behauptet. Freilich halte ich es noch jetzt für ausgemacht, dass jede vorzeitige Synostose eine A'^erkürzung der betreffenden Knochen bedingt, aber nur die Verkürzung des Grundbeins (Os tribasilare) bedingt das „Cretinen '"-Gesicht". Da sich dieses nicht bei allen Cretinen findet, so ist siuch nicht zu erwarten, dass bei allen eine Verkürzung des Grundbeins vorhanden ist. Aber die leidige Gewohnheit, gewisse Sätze nachzu- schreiben, nicht etwa dem Original-Autor, sondern lediglich den Auszüge bringenden Schriftstellern, ist so eingebürgert, dass sie zuletzt in den allgemeinen Sprachgebrauch Thesen einführt, welche den Nachschreibern zugerechnet werden müssen. Er könne daher in Bezug auf den Cretinismus nur den dringenden Wunsch aussprechen, dass diejenigen, welche seine Betheiligung an der Untersuchung dieser wichtigen Krank- heit erörtern wollen, sich auch seine Original-Abhandlungen ansehen. Besonderen Werth würde er darauf legen, wenn dabei sein Vortrag „über die Physiognomie der Cretinen" (Würzb. Verhandl. 1857, VII, S. 199) und seine ausführliche Abhandlung ., Knochen wachsthum und Schädelform, mit besonderer Rücksicht auf Cretinismus" (345) (sein Archiv 1858, Bd. 13, S. 323), mit in Betracht gezogen würden; daselbst stehe S. 352 ein kurzes Resume seiner Auffassung. — ('S) Hr. Rud. Virchovv legt ein von Hrn. F. Noetling eingesandtes Waldmesser aus dem Himalaya Tor, wie es dort im gewöhnlichen Gebrauche ist. Dasselbe steckt, wie die Waldmesser in Tirol, in einem langen Holzstiel und hat eine stark gekrümmte schneidende Klinge. — Hr. V. Luschan ist der Meinung, dass dieses Messer mit den von ihm be- schriebenen Geräthen nicht in einem genetischen Zusammenhange stehe. — Hr. Virchow betrachtet alle diese Messer als autochthone Erfindungen der Bewohner, welche aus dem Bedürfnisse sich erklären, seitliche Aeste abzu- tragen. — Der in der Sitzung anwesende Hr. Noetling bestätigt, dass diese Messer von den Eingebornen selbst hergestellt werden. — (9) Neu eingegangene Schriften: 1. Bischoff, H., Die germanisch-romanische Sprachgrenze in Belgien und Nord- Frankreich. Braunschweig 1901. 4". (Aus: Globus, Bd. 79.) 2. Katzer, Friedrich, Zur Ethnographie des Rio Tapajos. Braunschweig 1901. 4". (Aus: Globus, Bd. 79.) 3. Stenz, F., Die Gesellschaft „vom grossen Messer" (Boxer). Braunschweig 1901. 4«. (Aus: Globus, Bd. 79.) 4. Krämer, Augustin, Ein Besuch von Gran Canaria. Brauschweig 1900. 4*'. (Aus: Globus, Bd. 78.) 5. Vincenz, Friedrich v., Ein Ausflug zu den Teppich-Knüpfern in Kula. Braunschweig 1900. 4». (Aus: Globus, Bd. 78.) Nr. 1 — 5 Gesch. d. Hrn. Rieh. Andree. (1. Rzehak, A., Ein merkwürdiges Votiv-Gefäss. Brunn 1901. 8°. (Aus: Zeit- schrift des Mähr. Landes-Museums.) Gesch. d. Verf. 7. Capitan, L., Exposition de l'Ecole d'Anthropologie et de la Sous-Commission des raonunients megalithiques. Paris 1901. 8**. (Aus: Bulletins et Memoires de la Societe d'Anthropol.) Gesch. d. Verf. s. Heger, Franz, Gustav Bancalari. Wien 1901. 4o. (Aus: Mittheil. d. Anthro- pologischen Gesellschaft.) Gesch. d. Verf. 9. Lasch, Richard, Die Verstümmelung der Zähne in America und Bemerkungen zur Zahn-Deformirung im Allgemeinen. Wien 1901. 4°. (Aus: Mitth. d. Anthrop. Ges.) Gesch. d. Verf. 10. Blasio, A. de, L'uomo preistorico in terra di Bari (Epoca paleolitica). Napoli 1901. 8°. (Aus: Rivista mensile di Psichiatria forense, Antropologia criminale e Scienze affini.) Gesch. d. Verf. 11. Preuss, K. Th., Kosmische Hieroglyphen der Mexikaner. Berlin 1901. S"'. (Aus: Zeitschr. f. Ethnologie.) 12. Derselbe, Die Schicksalsbücher der alten Mexikaner. Braunschweig 1901. 4*^. (Aus: Globus.) Nr. 11 u. 12 Gesch. d. Verf. (346) 13. Mahoudeau, Pierre-G., et L. Capitan, La question de l'homme tertiaire ä Thenay. Paris 1901. 8". (Aus: Revue de l'Ecole d'Anthropol. XI.) Gesch. d. Verf. 14. Zittel, Karl A. v., Grundzüge der Palaeontologie (Palaeozoologie). München und Leipzig, R. Oldenbourg, 1895. 8». Angekauft. 15. Zell, Th., Polyphem ein Gorilla. Berlin, W. Junk, 1901. S». Gesch. d. Verlagshandlung. 16. Beiträge zur alten Geschichte, herausgegeben von C. F. Lehmann. Bd. 1. Heftl. Leipzig, Dieterich, 1901. 4». Gesch. d. Verlagshandlung. 17. Wimmer, Ludv. F. A., De Danske runemindesmaerkcr. Vol. II. Kobenhavn, Gyldendal 1899 — 1901. 2». Gesch. d. Societe Roy. des Antiquires du Nord. 1«. Madsen, A. P., Sophus Müller, Carl Neergaard, C. G. Joh. Petersen, E. Rostrup, K. J. V. Steenstrup, Herluf Winge, Affaldsdynger fra stenalderen i Danmark. Paris, Kjobenhavn, Leipzig 1900. 4<». Gesch. d. Hrn. Sophus Müller. 19. Cohn, Fritz, Ableitung der Declinationen und Eigenbewegungen der Sterne für den internationalen Breitendienst. Berlin, G. Reimer, 1900. 4^ (Veröffentl. d. Centralbl. der international. Erdm. N. P.^Nr. 2.) Gesch. d. Hrn. Rud. Virchow. 20. Mason, Otis T., A primitive frame for weaving narrow fabrics. — Pointed bark canoes of the Rutenei and Amur. Washington 1!»01. S». (Aus: Report of the U. S. National Museum for 1899.) 21. Hough, Walter, An early West Virginia pottery. Washington 1901. 8<*. (Aus: Report of the U. S. National Museum for 1899.) 22. Adler, Cyrus, and J. M. Casanowicz, Descriptive catalogue of a coUection of objects of jewish cereraonial deposited in the U. S. N, M. by Hadji Ephraim Benguiat. Washington 1901. 8». (Aus: Report of the U. S. National Museum for 1899.) Nr, -20 — 22 Gesch. d. Smithsonion Institution. Sitzung vom 20. Juli 1901. Vorsitzender: Hr. R. Virchow. (1) Gäste: Hr. Prof. v. Lenhossek, Budapest, und Dr. Muskat, Berlin. — (2) Die Gesellschaft hat ihr ordentliches Mitglied, Consul Hermann Pränkel, durch den Tod verloren. — (3) Von hervorragenden Fachgelehrten sind Oberst v. Tröltsch in Stuttgart, der Gustos an der mineralogischen Abtheilung des hiesigen Museums für Naturkunde, August Tenne, Professor an der Universität (f 9. Juli), und Johannes Schmidt, Professor der Geschichte hierselbst (f 4. Juli), gestorben. — (4) Hr. Bastian hat am id. Juni seinen 75. Geburtstag gefeiert. — (5) Als neue Mitglieder werden angemeldet: Hr. Stabsarzt Dr. Werner in Thorn, „ Dr. phil. Alexander Sokolowsky, Assistent am zoologischen Garten in Berlin, „ Dr. med. Gustav Muskat in Berlin. (6) Die XXII. allgemeine Sitzung der Deutschen Anthropologischen Gesellschaft wird am 5. bis 9. August in Metz stattfinden. Der Vorsitzende bittet um möglichst zahlreichen Besuch dieser Versammlung, der ersten, die in Lothringen zusammentreten wird. Er theilt mit, dass zu dieser, auf seinen Vorschlag einberufenen Versammlung von allen Seiten des in gewisser Beziehung für uns noch jungfräulichen Landes das grösste Entgegenkommen ge- zeigt wird. — (7) Vom 22. bis 28. September wird die 73. Versammlung der Gesell- schaft Deutscher Naturforscher und Aerzte in Hamburg abgehalten werden. Dieselbe verspricht eine ungewöhnlich glänzende zu werden. — (8) Zur Feier des 70. Geburtstages von Prof. W. His in Leipzig ist aus Bei- trägen seiner Verehrer dessen Porträt -Radirung von Hrn. Hans Gide ausgeführt worden. Die Uebergabe derselben nebst einer Beglückwünschung hat am 11. Juli stattgefunden. — (9) Der Vorsitzende des Orts- Ausschusses des römisch -germanischen Central-Museums in Mainz, Hr. Lippold, hat unter dem 22. Mai 1900 eine Nachricht an Hrn. Rud. Virchow als Mitglied des Gesamrat-Vorstandes gelangen lassen, dass durch den Reichshaushalts-Etat für das Jahr 1900 eine Unterstützung von 30000 Mk. jährlich gewährt und der Zuschuss Hessen's auf 84000 Mk. erhöht (348) sei. Am 29. März 1901 hat in Mainz eine Sitzung des Gasammt-Vorstandes statt- gefunden, in welcher die definitive Organisation der Verwaltung und die Ver- theilung der Gelder unter allgemeiner Zustimmung vorgenommen ist. — (10) Das (alte) Deutsche Orient-Comite hat unter dem Vorsitze des Hrn. Rud. Virchow beschlossen, die Ausgrabungen in Sendschirli wieder aufzunehmen, da ihm durch das (neue) Deutsche Comite ganz Assyrien ver- schlossen ist. Auf seinen Wunsch hat Hr. Felix v. Luschan zugesagt, im Herbst diese Aufgabe zu übernehmen. Es ist somit Hoffnung vorhanden, dass die höchst wichtigen Untersuchungen an dem grossen Tumulus von Sendschirli neue und wichtige Aufschlüsse bringen werden. — (11) Die Ergebnisse der Ausgrabungen an dem Tumulus Schamiramalti vor Van sind kürzlich in 45 Kisten in Berlin eingetroffen und im Pathologischen Institut durch Hrn. W. Belck ausgepackt worden. Dieselben zeigen die sehr wechselnde Zusammensetzung des grossen Hügels, worüber später zu berichten sein wird. Gegenwärtig mag mitgetheilt werden, dass sich darunter unerwartet alte Fundstücke befinden, so insbesondere eine geschäftete polirte Steinaxt von bester Erhaltung in Hirschhorn -Fassung, — ein für jene Gege^nden ganz neuer Fund. — Hr. Belck hat sich entschlossen, zunächst noch eine neue Forschungsreise nach Cappadocien zu unternehmen, hauptsächlich um hethitische Alterthümer und den etwaigen Anschluss der dortigen Cultur an die altarmenische, bezw. chaldische zu suchen. Er hat in Hrn. Max Zimmer, einem Chemiker aus Heidelberg, der in der Gegend von Amassia eine Colonisation begonnen hat, einen geschickten und hülfsbereiten Helfer gefunden. Hr. R. Virchow hat nach eingehender Besprechung mit beiden Herren die Zusage ertheilt, eine Expedition dahin mit Mitteln der Rudolf-Virchow-Stiftong zu unterstützen. Dieselbe soll binnen Kurzem über das Schwarze Meer und Samsun angetreten werden. Baldige -Berichte sind zugesagt. — (12) Hr. Rud. Virchow führt vor die beiden Azteken. Schon seit langer Zeit ist die Aufmerksamkeit der Anthropologen dem Ge- schwister (?)- Paar, das ich heute vorstelle, zugewendet gewesen. Ihre pathologische Stellung unter den Mikrocephalen ist längst anerkannt; vielleicht wäre man darüber schneller ins Reine gekommen, wenn nicht immer von Neuem die Rassen- frage hineingezogen wäre. Für mich ist noch heutigen Tages, wie ich in der Sitzung vom 19. Januar ISTS, S. 27 erörtert habe, die Gesichtsbildung, welche an altmexikanische Deformations- Typen erinnert, maassgebend; ob etwas Negerblüt dabei ist, lasse ich dahingestellt, indess will ich nicht leugnen, dass das Haar an Negerhaar und nicht an Azteken-Haar erinnert. Im Uebrigen entsprechen die Ge- sichtsformen ganz den Thon-Piguren und den Abbildungen auf Thon-Gefässen, wie sie in der neueren Zeit auch aus Mittel-America so häufig gefunden sind. Was die Grössen -Verhältnisse anbetrifft, so habe ich in der Sitzung vom 21. Juli 1877 (Verhandl. S. 290) sowohl für den Schädel, als für den Körper zahlreiche Mess- zahlen gegeben. Bei einigen späteren Gelegenheiten habe ich meine Angaben er- weitert. Diesmal schien es mir vorzuziehen, einmal wieder genaue Abbildungen J (349) zu liefern. Hr. Hof-Photograph Günther ist, wie immer, sehr gefällig gewesen und ich kann jetzt Photographien der nackten Körper zeigen. Dabei ist zu bemerken, dass begreiflicherweise über das Alter des Paares nichts bekannt ist. Ich selbst kenne die Leutchen seit beiläufig 35 Jahren; man kann sie daher als „alt" bezeichnen. Ersichtlich ist der Ernährungszustand von Bartola ein sehr günstiger: ihr Fettpolster ist gut gerundet und ihre Brüste zeigen noch jetzt eine bemerkenswerthe Fülle. Maxime dagegen ist etwas hager und namentlich die unteren Extremitäten sind ausgemacht atrophisch; dabei haben die Füsse starke Verdrehungen, ins- besondere der rechte, der ausser einer starken Auswärtsdrehung eine ganz ver- drückte Stellung der Zehen zeigt. Sehr auffällig ist die Länge der Extremitäten im Verhältniss zu der der Bartola. Auch die Zurückschiebung des Vorderkopfes bei Maximo geht weit über den Zustand des Kopfes von Bartola hinaus. (350) Es ist noch zu erwähnen, dass der Gesundheitszustand beider Individuen ein recht günstiger ist, soweit es sich um die vegetativen Vorgänge handelt. Dagegen hat die geistige Entwickelung keine namhaften Fortsehritte gemacht: man kann sich über gewisse einfache Verhältnisse mit den Leutchen verständigen, aber es fehlt ihnen jede Initiative. Ihren Gefühlen können sie einen schwachen Ausdruck geben, indess hat ihr Lächeln doch stets einen mechanischen Charakter; tiefere Empfindungen sind ihnen fremd geblieben. — (13) Hr. Ed. Krause zeigt Eisensachen der Wikinger-Zeit von Mewe, Westpr. Diese Eisensachen gehören dem ersten Funde der Wikinger- Zeit an, der in Westpreussen gemacht wurde. Die ausführliche Publication wird demnächst durch das Provincial-Museum in Danzig erfolgen. (351) Dieser erste Fund aus Westpreussen ist zugleich einer der reichsten und man darf sagen schönsten seiner Zeit, da eine ganze Anzahl tauschirter Stücke darin enthalten ist. Ich kann diese Fundstücke hier vorlegen, weil sie mir vom Danziger Museum auf mein Anerbieten zur Conservirung übersandt sind; ich benutze die Gelegen- heit, damit die Fundstücke hier besichtigt werden können, bevor sie an das Museum in Danzig zurückgehen, wo sie, wenigstens für uns Berliner, schwer zugänglich sind, Avegen der Entfernung. Es wurden mir folgende Eisensachen übersandt, die, soviel mir bekannt ge- worden, zu einem Gräberfunde gehören: 1. 1 Schwert, dessen Knauf und Parirstange mit Silber und Bronze tauschirt sind; 2. 2 Steigbügel, mit Silber, Bronze und Kupfer in verschiedenen Mustern tauschirt; 3. 2 Schnallen, mit Silber und Kupfer tauschirt; 4. 2 Schnallen mit Kupfer tauschirt; 5. 2 Knöpfe mit Silber tauschirt; G. 1 Trense, deren Seitenringe mit Kupferblech belegt sind, das mit (ge- triebenen?) Reliefmustern verziert ist; 7. 9 Gewichte aus Eisen, mit Bronze überzogen; 8. 1 Lanzenspitze; 9. 1 Feuerstahl; 10. 1 Wagebalken; 11. 4 Messer; 12. 14 grosse Nägel; 13. 1 Haken mit Feder- Vorstecker; 14. verschiedene Beschläge; 15. desgl. anderer Form; ausserdem 1(). Reste vom Rande einer Bronze-Schale. Von besonderem Interesse sind die unter Nr. 1 — 7 aufgeführten Stücke wegen der Verwendung verschiedener Metalle zu ihrer Herstellung. Schon das Schwert Nr. 1 zeigt ausser der Verwendung von Eisen (oder Stahl), noch die von Silber und Bronze für die Tauschirungen an Knauf und Parirstange. Diese gleichzeitige Anwendung von Silber und einem gelben Metall (Bronze oder Messing anstatt Gold, das mir bei alten Tauschirungen noch kaum begegnet ist) ist fast die Regel bei den alten tauschirten Eisensachen, wenngleich auch solche vorkommen, die nur Silber-Tauschirungen aufweisen, wie z. B. die Knöpfe Nr. 5. Viel seltener ist das Auftreten von Kupfer, das bei Nr. 4 allein, bei Nr. 3 mit Silber und bei Nr. 2 sogar mit Silber und Bronze vereint verwendet ist. Die Seitenringe an der Trense Nr. 6 sind mit reliefirtem Kupfer-Blech über- zogen (plattirt?), dessen Reliefs durch Pressung oder „Treiben" erzeugt sind, — eine Technik, die sich schon früh mit der Tauschirung zur Ausschmückung von Eisen- Schmuckstücken vereinte. Wir finden sie schon in der Merowinger-Zeit. So sehen wir in der berühmten v. Chlingensperg'schen Sammlung aus dem alt- bajuwarischen Gräberfelde bei Reichenhall, 4. bis 7. Jahrhundert nach Chr., jetzt als Geschenk Sr. Majestät des Kaisers im Königl. Museum für Völkerkunde zu Berlin, Riemenzungen und ähnliche Schmuckstücke, deren aus Silber oder aus Silber und Bronze bestehende Tauschirung von einem schmalen, reliefirtem Bronze-Bande um- zogen ist. Auch andere Funde aus Bayern in dem genannten Museum (Sammlung (352) Nagel) zeigen die gleiche Verwendung reliefirter Bronze-Streifen. Die Reliefs sind feine Perlstäbe und ähnliche Ornamente. Von grossem Interesse sind auch die unter Nr. 7 aufgeführten neun Gewichte, welche aus Eisen bestehen, das mit einer ganz dünnen Schicht Bronze überzogen ist. Es werfen sich hier zwei Fragen auf: 1. warum hat man das Eisen mit Bronze überzogen? 2. warum hat man die Gewichte nicht ganz aus Bronze gemacht? Diese Fragen glaube ich beantworten zu können. Eisen rostet sehr leicht. Durch das Rosten wird es unansehnlich und nimmt an Gewicht zu, da bei der Bildung von Rost zu dem aus dem Gewicht entnommenen Eisen Sauerstoff und Wasser hinzutreten. Wird die Rostschicht mit der Zeit dicker, so springt sie beim Gebrauch leicht ab, wodurch das Gewicht wieder verringert wird. Dieser Process würde sich im Laufe der Zeit öfters wiederholen und so das Gewicht des Gewichtstückes stets ein schwankendes sein. Dem beugt der Ueberzug von Bronze vor, der ausserdem kein Fälschen der Gewichte durch Abfeilen zulässt, da dann das Eisen sichtbar werden würde; weshalb man auch das Gewicht nicht gleich ganz aus Bronze hergestellt hat. Soviel über die Eisensachen des sehr wichtigen Fundes, dejen ausführlichere Beschreibung ich ebenso, wie die der wohl sonst noch dazu gehörigen Fundstücke (Gefässe usw.) dem Westpr. Provincial-Museum zu Danzig überlassen muss. — (14) Hr. P. Traeger überreicht zwei Abhandlungen über das Gewohnheitsrecht der Hochländer in Albanien^). Die Bewohner der Gebirge in Albanien regeln ihre Rechtsverhältnisse nach einem ihnen eigenthüralichen Gewohnheitsrechte, welches zweifelsohne für die Rechtskunde ein interessantes Studien-Object ist. Die an sich nicht beträchtliche Literatur über Albanien enthält jedoch sehr geringe und oft unrichtige Aufschlüsse darüber; Dr. J. G. v. Hahn giebt in seinem Buche „Albanesische Studien" auf S. 176 — 181 Mittheilungen über dieses Gewohnheitsrecht, welche das Eingehendste und Richtigste sind, was bisher über diesen Gegenstand publicirt wurde. Er ver- dankte diese Mittheilungen einem italienischen Missionär, P. Gabriel Capacci, welcher viele Jahre unter den albanischen Hochländern lebte. In seinem späteren Buche „Reise durch die Gebiete des Drin und Vardar" giebt v. Hahn auf S. 338 — 341 noch einige weitere Notizen über das Gewohnheitsrecht, wie es speciell die Mirditen- Stämme anwenden. Neuestens hat nun die seit einiger Zeit in Brüssel in albanischer Sprache er- scheinende Revue „Albania" in den Heften Nr. 9 und 11 des I. Bandes und in den Heften 1, 2, 3, 6, 7, und 10 des II. Bandes und dem Hefte 4 des III. Bandes zwei ausführlichere Aufsätze über das Gewohnheitsrecht aus der Feder zweier albanischer Pfarrer gebracht. Wir geben diese beiden leider unvollständigen Aufsätze mit Zu- stimmung der Autoren nachstehend in deutscher Uebersetzung wieder. 1) Einer der wenigen zuverlässigen Kenner Ober-Albaniens, der k. k. General-Consul in Skutari, Hr. Theodor Ippen, hatte die Freundlichkeit, mir die nachfolgenden Auf- zeichnungen über das Gewohnheitsrecht nordalbanesischer Stämme zur Mittheiiung in der Anthropol. Gesellschaft zu überlassen. Wie in den von Hrn. Ippen beigefügten ein- leitenden "Worten gesagt ist, sind die beiden Niederschriften bereits einmal veröffentlicht worden, aber nur in albanesischer Sprache und in einer schwer zugänglichen Zeitschrilt. Hr. Ippen hat sich das Verdienst erworben, diese Uebersetzung herstellen zu lassen und sie mit dem Urtext auf ihre Richtigkeit und Genauigkeit hin zu vergleichen. P. Traeger. (353) I. Das Recht der Stämme von Dukadschin. (Von Pfarrer Don Lazar Mjedia.) Wir besitzen keine schriftlichen Aufzeichnungen, um unsere von Lek (Alexander) Dukadschini herstammenden Gesetze mit Sicherheit angeben zu können. Wir müssen uns deshalb auf die Tradition stützen und von Leuten, die der Gewohn- heits-Gesetze kundig sind, diese zu erfahren suchen. Obwohl jeder Theil der Hochlande behauptet, die Gesetze des Lek Dukadschini genau beibehalten zu haben, so ist doch nicht anzunehmen, dass in denselben nach Maassgabe der Zeit und der Umstände keine Veränderung eingetreten sei. Wenn nun auch die Gesetze, welche ich im Nachfolgenden darstelle, von den bei anderen Stämmen gebräuchlichen in Einigem abweichen, so ist doch die Grundlage bei allen eine gemeinsame. Meine Darstellung bezieht sich auf die Stämme des Dukadschins, d.h. auf die Stämme Schala, Schoschi, Riri, Plani, Dschoani und To plana. Ich will mit der Listitution der Blutrache und den Vorschriften, die sie regeln, anfangen. L Die Blutrache. A. Derjenige, welcher seine Blutrache, ohne dass eine Weiterung mit ihr ver- bunden sei, ausübt, wird deswegen weder von seinem Stamme, noch von der Re- gierung behelligt. Ich sagte ohne Weiterung, weil z. B. die Ausübung der legitimen Blutrache, w'enn der Schuldige unter dem Schutze eines Dritten steht, den Bluträcher in Conflict mit dem Beschützer des Blutschuldners bringt, wie ich später bei Erörterung über diesen Schutz näher ausführen werde. B. Wer ohne Berechtigung zur Blutrache einen Menschen, sei es ein Mann oder ein Weib, ein Erwachsener oder ein Kind, tödtet, verfällt folgenden Strafen: 1. Seine Häuser werden verbrannt und niedergerissen. "2. Seine gesammte bewegliche Habe (Hausrath, Getreide, Vieh usw.) mit Aus- nahme der Waffen, welche in oder ausserhalb seines Gehöftes gefunden wird, wird confiscirt. Die Waffen müssen, auch wenn sie beim Niederbrennen des Hauses aus demselben weggenommen wurden, so schnell als möglich dem Eigenthümer zurückgegeben werden, sonst verfällt man in die auf die Entwaffnung eines Anderen gesetzte Busse, welche nach dem Gewohnheitsrechte 4 Beutel, d. i. 2000 Piaster beträgt. 3. Er rauss seine Wohnstätte und sein Stammgebiet mit der ganzen Familie, d. i. Männer, Weiber, Kinder verlassen. 4. Er muss die Busse an den Stamm und an die Regierung zahlen; dieselbe beträgt 4 Beutel und 200 Piaster (2200 Piaster). 1000 Piaster davon bekommt die Regierung, 1000 die Vorsteher seines Stammes, 200 der Bülükbaschi^) mit seinen Gendarmen, welche die Busse eintreiben kommen. Diese Busse zahlt man in Vieh oder anderen Gegenständen, welche in diesem Falle viel höher als nach dem eigentlichen Werthe eingerechnet werden. 5. Er muss alles das zahlen, was die Häupter des eigenen Stammes und die Regierungs-Organe bei der Tagfahrt, welche zur Vornahme der Execution gehalten wurde, verzehrt haben. 6. Der Blutrache verfallen nicht nur seine Familie mit ihren Mitgliedern, sondern auch seine unbeweglichen Güter, derart, dass sie Eigenthum der Verletzten 1) Bülükbasclii ist eine Art „Regierungs-Commissar" bei jedem autonomen Hochländer- Stamm. Verhandl. der Berl. Anthropol. Gesellschaft 1901. 23 (354) und zur Blutrache Berechtigten werden. Um den Besitz dieser Grundstücke wieder zu erlangen, muss der Schuldige eine Befreiungs-Gebühr zahlen, deren Höhe von einem Schiedsgericht bestimmt wird, und zwar immer niedriger als der eigent- liche Werth des Gutes ist. Auf dem so befreiten Boden kann dann wieder ein Haus gebaut werden und die Weiber mit einem oder mehreren männlichen Mit- gliedern, je nachdem es der zur Blutrache Berechtigte erlaubt, heimkehren, damit sie die Grundstücke bewirthschaften. 7. Für einen Erschlagenen verfallen nach den heutigen Gesetzen wenigstens 6 Männer der Blutrache, so zwar, dass der Thäter selbst und alle männlichen Mit- glieder seines Hauses in Blutrache kommen; sofern in dem Hause nicht 6 Männer sich vorfinden, so muss diese Zahl aus seiner Verwandtschaft completirt werden; alle diese müssen das Stammgebiet verlassen. 8. Heutzutage werden die Wohnstätten der Verwandtschaft nicht mehr nieder- gebrannt, aber sie muss, um sich davon zu befreien, eine gewisse Geldbusse zahlen, deren Höhe sich nach dem Grade der Verwandtschaft richtet (etwa 500 — 10» »0 Piaster). Früher hat man die Häuser der Verwandtschaft auch verbrannt und alle haben flüchtig werden müssen. Vor 6 Jahren wurde von Abdul Iv er im Pascha, damals Vali von Scutari, die Vorschrift octroyirt, dass die Blutrache-Berechtigten nur das der Blutrache ver- fallene Haus verfolgen sollten, Avährend den anderen Verwandten hingegen weder das Haus niedergebrannt noch irgend eine Busse auferlegt werden sollte, die- selben auch nicht der Blutrache verfallen und geächtet werden sollten. Aber diese Neuerung erhielt sich nicht. 9. Der zur Blutrache Berechtigte kann einen jeden von den der Blutrache Verfallenen tödten: damit ist die Blut-Angelegenheit erledigt. 10. Die der Blutrache Verfallenen können ihr eigenes Heim nicht besuchen, wenn es nicht der zur Blutrache Berechtigte erlaubt, oder w^enn sie nicht von jemandem unter Schutz und Geleite genommen werden. 11. Wird die Blutrache nicht ausgeübt, sondern ausgeglichen, so zahlt der Schuldige der beschädigten Familie 6 Beutel, d. i. oOOO Piaster Entschädigung. Früher war diese Entschädigung viel kleiner und es giebt noch Leute, die sich an solche von SOO Piaster erinnern können. C. Der Gedungene trägt keine Verantwortung für den im Namen des Auftrag- gebers ausgeübten Mord, letzterer allein ist für Alles verantwortlich. Wenn der Gedungene getödtet oder verwundet wird, so hat der Auftraggeber keine Haftung an dessen Familie. D. Wenn mehrere Personen auf einen Menschen schiessen und der Erschossene ist von soviel Kugeln getroffen als Angreifer waren, so sind alle diese verpflichtet, die Blutrache mit allen ihren Folgen und Unkosten solidarisch zu tragen. Wenn aber nicht alle Kugeln der Angreifer getroffen haben, so kann jeder von diesen seine Unschuld durch einen mit 24 Eideshelfern zu schwörenden Eid beweisen. Auf dem, der die 24 Eideshelfer nicht beizustellen vermag, bleibt die Blutrache haften. Wenn alle aber die 24 Eideshelfer beistellen können, so bleiben sie für den Mord gemeinschaftlich verpflichtet. Es können solche Fälle auch in gütlichem Wege entschieden werden, auf die Weise, dass alle Complicen einverständlich die Blutrache gemeinschaftlich auf sich nehmen. E. Alle diese oben erwähnten Strafen gelten nur für den Mord, welcher an einem Angehörigen des eigenen Stammes verübt wird. Wegen des Mordes an einem- Angehörigen eines fremden Stammes, mit welchem keine Besä, d.i. gegen- (355) seitiges Versprechen in Frieden zu leben, besteht, wird man nur zu der Geldbusse an die Regierung verurtheilt. Manche Fälle bleiben sogar ganz straflos. F. Wenn zwei Stämme in der Besä (Gottesfrieden) sind, und ein Mord von einem Angehörigen des einen Stammes an dem Angehörigen des anderen Stammes begangen wird, so vergeht sich der Mörder gegen die Häupter seines Stammes, weil dieselben dem anderen Stamme gegenüber die Bürgen für die Besä sind: deshalb wird er nach den Vorschriften behandelt als ob er einen unter Schutz und Geleit Stehenden getödtet hätte. G. Wenn man jemanden tödtet, der zu den 6 Stämmen des Dukadschin nicht gehört, tritt keine Strafe ein. II. Ueber Verwundungen. Bei Verwundungen wird ebenso vorgegangen wie beim Todtschlag, es treten hier auch beinahe dieselben Strafen ein, nur in leichterem Grade und zwar: a) die Häuser der Schuldigen werden verbrannt und zerstört; b) seine Familie wird geächtet und er mit allen männlichen Mitgliedern seines Hauses unterliegt der Blutrache; doch fallen bei Verwundungen nur drei Männer unter die Blutrache. Wenn die Familie mehr als 3 männliche Mitglieder hat, fallen alle unter die Blutrache — ausser dass sich dieselben ihre Befreiung durch Geld oder Gnade des Blutrache-Berechtigten erworben haben; c) die unbeweglichen Güter unterstehen auch der Blutrache, wie oben er- wähnt wurde, nur werden sie durch eine kleinere Befreiungs-Gebühr losgekauft; d) die nicht im gemeinsamen Haushalte lebenden Verwandten des Schuldigen, sofern sie nicht seine Geschwister und Geschwister-Kinder sind, verfallen nicht der Blutrache; e) der Schuldige niuss eine Geldbusse zahlen, die jedoch den Betrag von llOO Piaster nicht übersteigen darf, wenn sie durch Vieh oder andere Gegenstände bezahlt wird. Im baaren Gelde zahlt man höchstens 550 Piaster: f) wie bei dem Todtschlag ist auch hier die Versöhnung gestattet und findet sogar häufig statt. Das hierfür zu entrichtende Entschädigungs-Geld richtet sich je nach der Wunde: da man für einen Todtschlag 6 Beutel Entschädigung zahlt, so wird angenommen, dass jede Hand und jeder Fuss mit einem Viertel davon, d. i. mit IV2 Beutel zu entschädigen sind. Z. B.: wenn jemand durch die Ver- wundung einen Arm oder einen Fuss verliert, bekommt er bei der Versöhnung ] V2 Beutel Entschädigung. Ausser dieser Entschädigung muss der Schuldige auch die ärztliche Behandlung -des Verwundeten bezahlen. III. Ueber Schutz und Geleite. Der Todtschlag eines unter dem Schutze eines Dritten stehenden Mannes oder „Freundes", wie es kurzweg genannt wird, wird bei den Dukadschins unbarm- herzig und unversöhnlich gerächt. Der Dukadschin gewährt die Aussöhnung der Blutrache für den Vater, für den Bruder, darauf, den erschlagenen Gastfreund zu rächen, verzichtet er nie. Derjenige, welchem der Gastfreund erschlagen wurde, kann nicht unter seinen Genossen erscheinen, bevor er nicht die Blutrache für den Gastfreund genommen hat. Es ist vorgekommen, dass nicht bloss Verwandte, sondern direct ein Bruder den anderen wegen einer dem Gastfreunde zugefügten Unbill getödtet hat. (356) Es giebt 2 Kategorien von solchen Freunden: Der Freund, dem durch Bürgen Schutz garantirt wurde, d. h. derjenige, welcher sich unter den dauernden Schutz einiger mächtiger Leute stellt, damit er vor einer Gefahr gesichert sei, und der Freund im Geleite, d. i. derjenige, welcher sich, weil er Blutschuld hat, oder sonst etwas fürchtet, zu seiner Sicherheit von jemandem auf einem Wege begleiten oder ins Haus aufnehmen lässt. Wenn der Freund, dem seine Sicherheit garantirt wurde, ermordet wird, müssen es die Garanten als Ehrenpflicht betrachten, den Schuldigen zu verfolgen, ebenso wie es die Familie des Ermordeten thut. Es werden nicht nur die Häuser des Schuldigen verbrannt, sondern auch seine übrigen Güter vollständig zerstört, wie z. B. die Mauern um die Felder werden niedergerissen, die Bäume und Wein- stöcke werden umgehauen und auch seine Verwandtschaft wird auf ähnliche Weise verfolgt und die Aecker werden unbrauchbar gemacht. Der Boden des Schuldigen bleibt im Besitze der Familie des Ermordeten und kann durch keine Befreiungs- Gebühr eingelöst werden. Ueberhaupt darf eine freiwillige Versöhnung der zwei feindlichen Familien nicht ohne Zustimmung der Garanten stattfinden, und diese geben sie nie. Jeder der Garanten ist berechtigt, den Thäter oder dessen -der Blutrache anheimgefallenen Verwandten zu tödten. Mit noch grösserer Strenge und noch grösserer Erbitterung wird die Blutrache gegen den Mörder des unter Geleite stehenden Freundes ausgeübt, sei dieser in Begleitung eines Mannes oder eines Weibes, eines Erwachsenen oder eines Knaben der schützenden Familie ermordet worden. Auch wenn der Erschlagene seinem Todtschläger Blut schuldig, jedoch im Momente der Ermordung im Geleite eines Dritten war, so hat sich die zwischen jenen Beiden bestehende Blutrache nicht ausgeglichen, wie es sonst der Fall wäre, sondern die alte Blutrache besteht weiter und es entsteht eine neue, da die Familie des Geleitenden den ermordeten Freund wie ihr eigenes Mitglied rächt. Derjenige, dem der Gastfreund erschlagen wurde, sacht dem Mörder und seiner Sippe jeden möglichen Schaden zuzufügen, er tödtet den Mörder oder jemanden aus dessen Sippe, wo er ihn erreichen kann und rächt so den ermordeten Gast- freund. IV. Die Aussöhnung der Blutrache. Es giebt zweierlei Aussöhnung der Blutrache: entweder geschieht sie freiwillig- von Seiten der beiden Parteien oder sie geschieht auf Befehl seitens der türkischen Regierung. A. Es ist für diese letztere Versöhnung nicht bestimmt, nach Ablauf von wie- viel Jahren sie zu erfolgen habe, sie geschieht, wenn der Sultan sie zu decretiren geruht. Während die anderen Stämme die Aussöhnung der Blutrache in Scutari vor- nehmen, werden die Blutrachen bei den Dukadschins im Gebirge ausgesöhnt. Sobald der diesbezügliche Firman angelangt ist, schickt die türkische Re- gierung von Scutari jedem Bergstamm einen eigenen Külükbaschi mit einem Schreiber und einigen Gendarmen zu den Dukadschins hinauf. An diese all- gemeine Versöhnung sind folgende Bedingungen geknüpft: 1. Jeder Bergstamm muss dafür sorgen, dass die Regierungs-Organe freie Wohnung und sie und die eigenen Stammes-Chefs Verpflegung bekommen, so lange sie sich dort wegen dieser Versöhnung aufhalten müssen. 2. Man muss für die Ausgleichung jeder Blutrache-Angelegenheit mindestens 250 Piaster zahlen und zwar zahlt die Hälfte der Blutrache -Pflichtige und die (357) übrige Hälfte der Blutraehe-ßerechtigto. Diese Bussen werden unter die Chefs des Stammes vertheilt und die Regierung erhält denselben Antheil wie ein Chef. 3. Die Sühnegelder für Wunden richten sich je nach der Schwere derselben. 4. Der Schuldige zahlt ausserdem 150 Piaster Regierungs-Gebühr für einen Mord und 75 für eine Verwundung, welche Gebühren der Vertreter der Regierung erhält. 0. Der Schuldige erhält endlich eine Versöhnungs-Urkunde und zu grösserer Sicherheit werden ihm einige Garanten auf die Dauer von 5 Jahren bestimmt. 6. Wer während dieser 5 Jahre dem Regierungs-Frieden zuwider handelt, ver- fällt den strengsten Strafen der Regierung und hat auch den Gutstehern gegenüber Blutschuld für den ermordeten Freund (§ III). B. Die freiwillige oder private Versöhnung findet nur auf Intervention von Freunden statt durch Verzeihung seitens der Familie des Erschlagenen. Um die Verzeihung zu erlangen, muss der Schuldige an einem grossen Feiertage, in Be- gleitung von Freunden und Bekannten der beleidigten Familie und mit einem in der Wiege verkehrt liegenden Kinde, sich mit gebundenen Händen in das Haus des Blutrache-Berechtigten begeben. Die ganze Begleitung bittet um Gnade. Die sozusagen Überfallene Familie geht hinaus und hält mit ihren Verwandten eine Berathung. Wenn die Versöhnung beschlossen worden ist, befreit sie die Hände des Schuldigen von ihren Fesseln und legt das Kind in der Wiege gerade. Dann dictirt sie die Entschädigung, wenn sie eine will, aber dies darf nicht den ge- setzlich bestimmten Betrag von 6 Beuteln übersteigen. V. Der Raub und Diebstahl. Der Raub war früher bei den Dukadschins als ritterlicher Erwerb angesehen und deshalb gab es beständig gut organisirte Räuber-Banden, die den Schrecken der Stadt Scutari und ihrer Umgebung bildeten. Diese Banden raubten nie etwas innerhalb der 6 Stämme von Dukadschin oder bei ihren Freunden, die ihnen Brod gaben: und daher fanden sie immer Helfershelfer und Unterstandsgeber. Jetzt ist aber der Raub im Ansehen gesunken, er gilt für eine Schande und man kann sagen, er existirt beinahe nicht mehr. Wird innerhalb des eigenen Stammes ge- stohlen, so treten die folgenden gesetzlichen Bestimmungen ein: 1. für jeden geraubten oder gestohlenen Gegenstand wird der zweifache Werth gezahlt: 2. wenn der Raub oder Diebstahl durch Einbruch in das Haus, die Hütte, die Viehhürde, die Kornschöber oder die Bienenstöcke verübt worden ist, zahlt der Schuldige, ausser den erwähnten zweifachen Werth des Gegenstandes, noch 5U0 Piaster Strafe wegen des Hausfriedensbruches. VI. Der Beweis. Wenn der Beschädigte den Schuldigen nicht in flagranti ertappt hat, so kann er auf zwei Arten den Beweis gegen ihn erbringen; nehmlich durch den Eid oder durch den geheimen Zeugen (Kaputzar). A. Der Eid kann nicht von dem Kläger oder Beschuldigten selbst abgelegt werden, sondern derselbe wird von einer von den Schiedsrichtern bestimmten An- zahl eidesfähiger Männer aus der Verwandtschaft des zum Eid Zugelassenen ge- leistet, widrigenfalls der Kläger, bezw. der Beklagte sachfällig wird. B. Der geheime Zeuge (Kaputzar) rauss den folgenden Bedingungen ent- sprechen: (358) a) Der Kaputzar muss ein Mann sein und zwar gereiften Alters. b) Er wird zu drei verschiedenen Malen von zwei durch die Parteien s^e- Avühlten Schiedsrichtern einvernommen, von denen einer vom Beschädigten, der andere vom Beschuldigten gewählt wird; seine drei Aussagen werden verglichen, ob sie gleichlautend sind. c) Die Einvernehmung des Kaputzar erfolgt im Geheimen und sein Name wird nicht bekannt gegeben, denn sein Auftreten als Zeuge kann ihn; oft den Kopf kosten. d) Er muss auch für seine Angaben einige Stützpunkte vorweisen oder wenigstens als ein ehrenvoller und gewissenhafter Mensch bekannt sein. e) Wenn der geheime Zeuge approbirt worden ist, so kann der Beschuldigte nicht mehr den Gegenbew'eis durch Eid führen, sondern er muss sich in die Yer- urtheilung fügen. fj Wenn die zwei erwählten Schiedsrichter dem geheimen Zeugen kein Ver- trauen schenken wollen oder der Beschuldigte sich den Schiedsrichtern nicht unter- werfen will, dann kann der geheime Zeuge selbst sich nennen und seine Person der öffentlichen Beurtheilung anheimstellen; dies erfordert aber einen grossen Math seinerseits. g) Er erhält für seine Deposition ein Honorar, welches von den Richtern, je nach der Wichtigkeit des Process-Gegenstandes, bestimmt wird, sofern sich die Interessenten darüber nicht schon früher vereinbart haben. Wenn der geheime Zeuge sich aber öffentlich genannt hat, so bekommt er, ohne Rücksicht auf den Werth des Process-Gegenstandes, 500 Piaster. Diese Kosten hat der Verurtheilte allein zu tragen, während das Honorar der Schiedsrichter zur Hälfte von ihm und zur Hälfte von der obsiegenden Partei entrichtet werden muss. — 2. Das Gewohnheitsrecht der Stämme Mi-Schkodrak (Ober-Scutariner Stämme) in den Gebirgen nördlich von Scutari. Ton Pfarrer Don Nikola Aschta. Lek (Alexander) Dukadschini, von der fürstlichen aus Mirdita stammenden Familie dieses Namens, welcher vor der türkischen Occupation lebte, gab einige Gesetze heraus, welche sich bald bei den Dukadschins und Mirditen, wie auch bei den Ober-Scutarinern und den Hochländern der näheren Umgebung von Scutari (Ranza) verbreiteten. Diese Gesetze haben sich traditionell beinahe unverändert erhalten und sind bei unseren Gebirgs-Bewohnern, insbesondere in Mirdita. in voller Kraft. Sie haben allerdings ihre Schattenseiten, aber sie bieten doch bei unseren schwierigen Verhältnissen eine gewisse Sicherheit für die Ehre, das Ver- mögen und die guten Sitten. Das albanesische Volk theilt sich in die Stände der Städter, Bauern des Flach- landes und Hochländer (Malsor). Die Städte unterliegen der türkischen Verwaltung, und die Flachland-Bauern hängen von der Stadt ab. Aber die Hochländer der Gegend von Scutari, welche in Stämmen leben, haben die eben erwähnten eigenen Gesetze oder den „Codex von Lek Dukadschini". Um die Ausführung dieser Gesetze zu überwachen, haben sie auch ihre eigenen Häuptlinge (Paria), nehmlich den Bajraktar oder Bannerträger als Vorstand des Stammes, den Krüe oder Haupt als Vorstand eines Viertels, den Gjobar oder Executor als Vorstand jeder Sippe. Der Bajraktar hat die Aufgabe, alle Angelegenheiten, welche den ganzen Stamm betreffen, zu erledigen. Er versammelt sein Volk einige Male des Jahres, . (35<)) um festzustellen, ob alle im allgemeinen Interesse vorher getroflenen Maassnahraen oder besondere Abmachungen eingehalten worden sind, oder ob jemand für die Uebertretung zu bestrafen ist; ob dieselben weiter einzuhalten sind, oder ob andere sich als angemessener erweisen und dergl. Diesen Versammlungen müssen nicht nur die Kren (PI. von Krüe) und Gjobar beiwohnen, sondern der ganze Stamm. Seine Hauptaufgabe ist aber die Führung im Kriege. Der Krüe kann auch solche Versammlungen in seinem Ortsviertel abhalten, aber nur für Angelegenheiten, die dieses letztere allein betreffen und von keiner öffentlichen Competenz sind; für diese besteht nur der Bajraktar. Aber seine Hauptaufgabe ist, die Zahl der von den streitenden Parteien je nach der Wichtig- keit des Processes auszuwählenden Plekj (Schiedsrichter) unwiderruflich zu be- stimmen, oder eventuell selbst als ausgewählter Richter zu fungiren. Die Gjobar sind mehr die Executiv-Organe der Justiz, jeder über sein eigenes Geschlecht, sie haben aber in der Verwaltung des Stammes soviel Recht, dass der Bajraktar und die Kren kein Uebereinkommen ohne ihre Zustimmung treffen können. Um die Streitigkeiten zwischen zwei grösseren Parteien oder Stämmen sicherer zu erledigen, hat die türkische Regierung im Jahre 1856 in Scutari für alle Gebirgs- Be wohner, mit Ausnahme der Mirditen, ein Gericht (Dzibal Odasi^) errichtet, wo sie unter der Leitung eines von der Regierung ernannten Vorsitzenden (Ser- kerde^) die Gerichtsbarkeit nach ihren Gesetzen ausüben. Wie der Serkerde für die Gesammtheit der Stämme, so wird auch ein Külük- baschi-^) für jeden Stamm ernannt.. Aber beide sind Einrichtungen neuerer Zeit, früher haben die Gebirgs-Bewohner selbst alle Streitigkeiten erledigt. Weil diese Gesetze nicht codificirt sind, so muss man eine lange Erfahrung und genaue ethnographische Kenntnisse des Landes haben, um dieselben zu be- herrschen, so dass in manchen schweren Fällen oft lange verhandelt wird, eventuell der ganze Stamm sich versammelt oder noch weiter Umfrage gehalten werden muss, bevor jemand über eine frühere Entscheidung ähnlicher Fälle Auskunft geben kann. Aber die allgemein bekannten Gesetze in Bezug auf Mord, Verwundung, Miss- handlung und sonstige Fälle sind die folgenden: I. Mord und Todtschlag. a) Weil ein Mordfall den ganzen Stamm betrifft, so ist letzterer verpflichtet, den Mörder zu bestrafen. Der Bajraktar, die Kren und Gjobars überfallen das Haus des entflohenen Schuldigen und nach einem reichlichen Schmause auf seine Kosten verbrennen sie ihm das Haus. Der Schuldige muss ausserdem 3000 Piaster Strafe zahlen, welche grösstentheils dem Bajraktar, dann den Kren und Gjobars zu Gute kommen. Wenn der Schuldige aber, anstatt das Haus zu verlassen, sich gegen seinen Stamm zur Wehre setzt, dann können von diesem letzteren ein oder mehrere andere Stämme zur Hilfe gerufen werden. So streng ist das Gesetz nur für diejenigen, welche unberechtigt einen Mord in dem eigenen Stamme begangen haben. Wenn der Ermordete aber einem anderen Stamme angehört, winl dem Schuldigen das Haus nicht verbrannt und keine Strafe zugemessen, nur bleibt er der Familie des Getödteten eine Blutrache schuldig, er 1) türkisch; bedeutet Kammer der Berge. 2) persisches Wort. 3) Eine Art Regieruiigs-Commissar: die wörtliche Bedeutung ist Comman° 54' südlicher Breite und 145° 30' östlicher Länge. Sie besteht aus drei bewohnten (Suf, Taün und Wasun) und drei unbewohnten (Piegiem, Tetek und Tofon) Inseln und wird gewöhnlich zu Melanesien gerechnet, obwohl alle Reisenden^), wie v. Schleinitz, Strauch, Kubary, welche die- selben besucht haben, übereinstimmend angeben, dass die Bewohner in ihrem Aussehen sich von den Papuas, den typischen Melanesiern, vielfach unterscheiden. So haben sie ziemlich langes, krauses, weiches und dichtes Haar im Gegensatz zu dem wolligen, büschelförmigen Haar der Papuas; sie sind ferner von leicht kastanienbrauner Hautfarbe (Strauch) im Gegensatz zu den dunkleren Papuas. Die Nase ist im Allgemeinen gebogen, nicht breit, die Lippen nicht aufgeworfen, nicht einmal dick, wie dies bei den eigentlichen Melanesiern gewöhnlich der Fall -welches die HHrn. J. Schwalbe und C. Strauch unter dem Titel „Virchow-Bibliographie 1843-1901" haben drucken lassen. Dasselbe wird auch mir selber ein augeuehmes Mittel des Nachschlagens bleiben. 1) v. Schleinitz in Zeitschrift der Gesellschaft für Erdkunde. Berlin 1877. Bd. 12, S. 238ff. Strauch in Zeitschrift für Ethnologie. Berlin 1877. Bd. 9, S. 34ff. Kubary: in Schmeltz und Krause, Die ethnographisch-anthropologische Abtheilung des Museums fiodeffroy in Hamburi^-. Hamburg 1881. S. 446 ff. (368) ist. Rubary rühmt ihre lange Adlernase, ihren starken Haarwuchs, nicht nur im Bart, sondern auch auf den unteren Extremitäten und dem Gesäss. Ihre Statur ist mittelgross und ihre Kopfform nach den Messungen an Lebenden im Mittel mesocephal. Kubary^) untersuchte 7 Bewohner und fand: 4 Männer mit einem Kopf-Index von 80,4 bis 83,6 | , • • nr-.. , • t j ^ „„\ , . „.,' d. 1. im Mittel einen Index 2 . r, . « „ 76,2 bis 77,7 1 Frau „ „ „ „ 72,8 I Eine absichtliche Deformation des Kopfes ist unter ihnen unbekannt. Auch die Sprache nähert sie nach demselben Forscher den Bewohnern der Saraoa- und Carolinen-Inseln. Dagegen sind zwei Sitten bei ihnen im Gebrauch, welche speciell melanesisch sind, nehmlich das Durchbohren des Nasenknorpels bei beiden Geschlechtern und das Durchschlitzen des Ohrs bei den Frauen. Diese letztere Mode bildet die einzige Zierde der Frauen auf den Anachoreten. Schon in der Kindheit wird unter einem bestimmten Cereraoniel der ganze Helixrand mit einem Obsidianmesser abgetrennt, die dadurch gebildete Schlinge nach geheilter Wunde allmählich durch Aufziehen von dicken Schildpattringen immer länger aus- gezogen und durch Kokosblattnerven steif erhalten, so dass ein^ solches Ohr zu- weilen bis auf die Brust reicht^). Nach dieser kurzen Schilderung der Lebenden ging der Vortragende darauf über, die Schädel dieser Menschen zu demonstriren, von denen in der Literatm- bisher, soweit ihm bekannt, nur drei publicirt sind, während er heute in der glücklichen Lage war, deren neun vorlegen zu können. Von diesen gehören 6 [Anachoreten 1—6^)] der Sammlung der Gesellschaft an, welche dieselben vor mehreren Jahren von der bekannten Firma Umlauff in Hamburg erstanden hat: ein Schädel [Anachoreten 1^)] gelangte in den Besitz des Referenten durch Hrn. Marine-Stabsarzt Dr. Brandstätter, welcher denselben auf einer Reise mit S. M.^ Schiff „Elisabeth" in den Jahren 1881 — 83 erworben hatte; '2 Schädel endlich 3) — 26 121 und 26 122 — gehören der anthropologischen Sammlung des Anatomischen Instituts*) hierselbst an und wurden dem Referenten freundlichst von Hrn. Prof. Wilhelm Krause zu der heutigen Demonsh-ation geliehen. — Ausser diesen ;> Schädeln besitzt die Sammlung des K. Museums für Völkerkunde bezw. des Hrn. Prof. v. Luschan noch 6 Schädel von den Anachoreten-Inseln, welche der Letztere dem Vortragenden ebenfalls freundlichst zur Verfügung stellte, so dass er im Ganzen 15 Schädel dieser Provenienz vergleichen konnte^). Auf den ersten Blick fällt ein gemeinsames Merkmal bei allen Schädeln auf, welches bei keinem andern Schädel sonst beobachtet ist: sie sind sämmtlich über dem oberen Augenhöhlenrand durchbohrt. Die Durchbohrung ist regelmässig in der Pars orbitalis des Stirnbeins, nahe dem Processus zygomaticus erfolgt, stets 1) Schmeltz und Krause a. a. 0. S. 446. 2) Kubary a. a. 0. S. 450. 3) Diese Bezeichnungen gelten auch für die weiter unten folgende Beschreibung der einzelnen Schädel und die Tabelle der Maasse. 4) Diese Schädel wurden von der Expedition auf S. M. Schiff ^Gazelle" erworben standen jedoch unter dem Verdacht, dass sie nicht von den Anachoreten, sondern von den Inseln Henris, Echiquier oder den Admiralitäts-Inseln herstammen. Nach unserer Unter- suchung ist der Verdacht wahrscheinlich unbegründet. Siehe Katalog der Schädel- Sammlung, Berlin II, 1, von Rabl-Rückhardt im Archiv für Anthropologie Bd. 14. 5) Diese letzten G Schädel befinden sich nicht unter den unten genauer beschriebenen und gemessenen Exemplaren. (369) beiderseits und bis in die Orbita durchdringend; einmal war das Loch zuerst etwas zu sehr nach innen gebohrt, so dass es mit einer kittartigen Masse aus Pflanzen- mark wieder geschlossen und ein zweites Loch mehr nach aussen an der üblichen Stelle gebohrt werden musste. Der benutzte Bohrer war ein scharfes Instrument, denn von allen Löchern oder Kanälen zeigt nur eins eine etwas gesplitterte Aus- trittsöffnung im Dach der Augenhöhle. Von den 15 verglichenen Schädeln zeigten 14 diese Durchbohrung. Man könnte nun meinen, diese Löcher hätten zum Durch- ziehen von Schnüren und zum Aufhängen der Schädel gedient. Das ist jedoch nicht der Fall. In diese kleinen Kanäle wurden vielmehr, wie Hr. Prof. v. Luschan den Referenten überzeugte, die Stiele von Blumen und Gräsern zur Ausschmückung des Schädels gesteckt, ebenso wie grössere Büschel davon in den Sehläfengruben befestigt waren. Was die Farbe der Schädel betrifft, so sind viele von Rauch deutlich gebräunt, einige durchweg, andere nur an der Basis oder auch nur fleckweise. Die In- tensität wechselt von schmutzig braun bis dunkel schwarzbraun, — ja ein Schädel ist oberflächlich deutlich angekohlt, so dass er nahe am Feuer gelegen haben muss. Doch sind einige Schädel auch mit Kalk bemalt. Nur ein Schädel in der Sammlung des K. Museums für Völkerkunde, derselbe, der auch keine Durchbohrung über den Augenrändern zeigt, ist auch ohne jede künstliche Färbung. Ausser diesen Merkmalen zeigen die meisten Schädel noch die Eigenthümlichkeit, dass die beiden Nasenhöhlen mit Pflöcken aus Pflanzenmark ganz fest zugekeilt sind, so dass die Pflöcke von der Apertura pyriformis an bis zu den Choanen die Höhlen ganz ausfüllen; zuweilen ist auch die Highmorshöhle und die Fissura orbitalis superior sammt dem Foramen opticum so aasgestopft. Dabei sind natürlich die Nasenscheidewand und die angrenzenden Theile des Oberkiefers arg beschädigt worden. Diese Ausstopfung muss vor dem Aufhängen in dem räucherigen Räume geschehen sein, da die äussere Oberfläche der Pflöcke ebenso rauchbraun gefärbt ist, wie die Schädelknochen selbst. Es liegen also hier die realen Zeugnisse dafür vor, dass auf den Anachoreten- Inseln die Sitte besteht, die Schädel zu präpariren, mit Blumen oder Gräsern zu schmücken und in den raucherfüllten Hütten aufzubewahren. Man hat lange Zeit geglaubt, dass diese Schädel gleichsam Trophäen seien und von erschlagenen und aufgezehrten Feinden herstammten. Spätere Beobachtungen von Reisenden*) haben aber gelehrt, dass dies selbst für die Hütten von Kanni- balen nicht zutrifft, sondern dass die Schädel verstorbenen Verwandten angehören und mit besonderer Verehrung aufbewahrt werden. Dieser Schädelcult bildet einen Theil des Ahnencultes überhaupt und ist in Melanesien weit verbreitet, besonders in Neu-Guinea, dem Bismarck-Archipel, auf den Salomons-Inseln, den Neuen Hebriden, ferner auf der Hermit-Insel und wie eben erwiesen, auf den Anachoreten; ja er ist auch für einzelne Punkte in Mikro- nesien, wie auf dem Gilbert-Archipel (Finsch) und in Polynesien, wie auf den Marquesas-Inseln (Tetens) bezeugt. Es ist dies gewiss ein wichtiges Zeugniss für die Verbreitung des melanesischen Einflusses auf der ganzen Inselwelt der Südsee. Allgemein scheint die besondere Verehrung der Unterkiefer zu sein, welche oft allein an einem Gehänge um den Hals getragen oder in der Hütte besonders 1) Finsch, Ethnologische Erfahrungen aus der Südsee, I, S. 114. Wien 1893. (Aus den Annalen des K. K. Naturhistorischen Hofmuseums.) Ferner Kleinschmidt und Tetens in Schmeltz und Krause 1. c. S. 434 und 458. Verhandl. der Berl. Anthropol. Gesellschaft 1901. 24 (370) aufbewahrt werden; darauf ist wohl auch der Mangel derselben an allen vor- liegenden Schädeln zurückzuführen. Dagegen ist die Behandlung des Schädels selbst nicht überall die gleiche. Auf den Hermit-Inseln werden die Todten verbrannt und die Schädel, mit Blumen in den Augenhöhlen geschmückt, zum Andenken an Bäumen aufgehangen (Tetens). — AufMatupi im Bismarck-Archipel sah Finsch 1881, wie die Schädel der Reichen nach Jahresfrist wieder ausgegraben, roth bemalt und festlich aus- gestellt wurden. — Auf Mioko, in der Duke of York-Gruppe, sah Kleinschmidt, wie die Schädel aus den Gräbern aufgenommen und in Körben in die Hütten der Verwandten zur Aufbewahrung gebracht wurden. — Auf den Anachoreten-Inseln endlich wurden die Schädel über den Augenhöhlen durchbohrt, mit Blumen geschmückt und mit fest zugestopften Nasenhöhlen in den Hütten aufgehängt, welche wohl oft mit Rauch ganz erfüllt waren. Was nun die Schädelform selbst betrifft'), so ist sie mesocephal mit Neigung zur Brachycephalie; nur ein Schädel (Nr. 4) ist mit einem Index von 74,4 nach dem üblichen Schema zwar noch dolichocephal, steht aber schon an der Grenze der Mesocephalie, während zwei ausgesprochen brachycephal sind. — Vier Schädel sind mehr oder weniger plagiocephal der Art, dass stets das rechte Tuber parietale und die unter und hinter demselben liegenden Knochen abgeflacht und gegenüber der linken Seite verschoben erscheinen. — Alle Schädel erscheinen in der Norma verticalis mehr oder weniger breit eiförmig und zwar liegt die grösste Breite stets etwas vor und unterhalb der gut entwickelten Tubera parietalia, während die Stirn bald schmäler bald breiter abgestutzt erscheint. Von der Gegend der grössten Breite fallen die Seitenwände meistens ziemlich gerade, zuweilen nach unten etwas convergirend ab. Das Hinterhaupt dagegen, von dessen Ausdehnung die grösste Länge und damit der Index wesentlich abhängt, ist bald mehr ausgezogen, bald mehr steil, daher der Index bald niedriger, bald höher ausfällt. In drei Fällen (Nr. 2, 3 und 7) ist das Hinterhaupt derartig abgeplattet, dass der Schädel nicht bloss darauf steht, sondern eine deutliche Fläche sich von der Umgebung abgrenzt. Diese Abplattung ist zwar künstlich, aber doch nur eine zufällig erzeugte, da weiter keine Spur einer beabsichtigten Deformation nachweisbar ist. Die meisten Schädel sind nach dem üblichen Schema hypsicephal, nur einer (Nr. 6) ist orthocephal, steht indess mit dem Index von 75 an der Grenze der Hypsicephalie, während ein zweiter (Nr. 4), der auch dolichocephal ist, nach dem Schema noch chamäcephal genannt werden muss, obwohl er mit dem Index von 70 schon an der Grenze der Orthocephalie steht. — Alle Schädel sind aber breiter als hoch, und zwar theils brachystenocephal, theils hyperbrachystenocephal nach Volz^) bis auf einen (26 122), der etw'as höher als breit ist. Die Schläfengrube ist gewöhnlich schmal, die Ala magna des Keilbeins zeigt meistens eine seichte, rinnenartige Vertiefung, doch tritt nur einmal eine wirkliche Stenokrotaphie (Nr. 3) mit tiefer Rinne und blasenartiger Hervortreibung des Stirn- 1) Wir haben es hier unterlassen, die Schädel nach dem Geschlecht gesondert zu betrachten und die Mittel aus den Maassen zu ziehen, da die Trennung nach dem Geschlecht, besonders bei den Naturvölkern, sehr unsicher und die Zahl der untersuchten Schädel noch zu klein ist. Indessen giebt die unten folgende genaue Beschreibung und die Tabelle der Maasse alle erforderlichen Daten für eine Verwerthuug auch nach dieser Richtung hin. 2) W. Volz: Beiträge zur Anthropologie der Südsee. — Archiv für Anthropologie, Bd. 23, S. 13(J. (371) beins über der Ala magna beiderseits auf. Dagegen findet sich einseitige Bildung von Schaltknochen, Ossa epipterica, zweimal vor und zwar einmal rechtsseitig (Nr. 1) \ind einmal linksseitig (Nr. 2). Einmal erreicht die Ala magna nur mit einer kleinen Spitze das Scheitelbein (Nr. ti). An einem Schädel (26121) ist ein vollständiges Os Incae erhalten, während Reste der Sutura transversa occipitis noch an zwei anderen (7 und 26 122) sichtbar sind. Die Capacität der Schädel ist im Allgemeinen nur gering. Wenn auch der eine Schädel (Nr. 1) mit 15i»5 ccm an der Grenze der Kephalone steht, so bleiben doch alle Uebrigen weit hinter diesem zurück. Nur einer (Nr. 6) ragt noch mit 1340 ccm vor allen Uebrigen, welche unter 1300 ccm bleiben, hervor, — ja ein Schädel (Nr. 7) sinkt sogar mit 1 180 ccm in die Klasse der Nannocephalen hinab. — Auch der von R. Krause^) beschriebene weibliche Anachoreten-Schädel mit einem Index von 79.0 fasst nur 1140 ccm Inhalt. Das Obergesicht ist im Ganzen breit, jedoch nach dem üblichen Schema noch leptoprosop. Die Augenhöhlen sind bei allen gross; der Eingang hoch und fast viereckig, oft schräg nach unten und aussen sich erweiternd und vortretend, wo- durch der Ausdruck etwas Wildes erhält. Die Nase ist nicht breit, der Nasen- rücken gewöhnlich sattelförmig vertieft, die Nasenbeine sind gut entwickelt und vorn öfter nach unten umgebogen. Nui 2 Schädel (Nr. 6 und 26 122) zeigen mehr platte und breite Nasen. Der Oberkiefer ist etwas prognath oder sogar orthognath. Der Gaumen ist mittelbreit, tief und wo der Processus alveolaris erhalten ist, hufeisenförmig: leider ist der Letztere meistens abgeschlagen. Im Ganzen also stimmen die Schädel gut zu der Beschreibung, welche die Reisenden von den Lebenden machen. Fragt man nun nach der Stellung, welche die Bewohner der Anachoreten unter den Südsee-Insulanern einnehmen, so gehören sie nach der Eintheilung, Avelche Volz") auf Grund eingehender kraniologischer Studien vorgeschlagen hat, überwiegend zu der polynesischen Rasse, welche aus dem malayischen Archipel etwa um den Beginn unserer Zeitrechnung dorthin eingewandert sein soll. Volz nimmt bekanntlich eine älteste australoide Grundbevölkerung an, in welche hinein in mehreren Schüben zuerst eine Einwanderung der Papuas oder Melanesier und zuletzt ein Eindringen der polynesischen oder malayischen Rasse erfolgt ist und sucht durch scharfsinnige kraniologische Analysen in der heutigen Bevölkerung der Südsee noch diese drei Elemente nachzuweisen. Wenngleich nun bei der starken Mischung der Rassen in der Südsee eine solche Scheidung nach rein kraniologischen Indices immer nur einen bedingten Werth hat, so muss man doch nach der übereinstimmenden Schilderung der Reisenden und nach der Beschaffenheit der Schädel bestätigen, dass die Bevölkerung der Anachoreten somatisch sich von den Papuas in mehrfacher Hinsicht unterscheidet und überwiegend polynesische Elemente enthält, obwohl sie andererseits durch gewisse characteristische Sitten, wie den Schädelcult iind die cosmetische Verunstaltung der Nase und Ohren den Ersteren nahe verwandt erscheint. Excurs über Sergi's tassonomische Methode der Schädel-Untersuchung. Ausser Volz hat Sergi=*) eine grosse Zahl von Südsee-Schädeln untersucht und glaubte darunter 11 Varietäten mit mehreren Subvarietäten unterscheiden zu 1) Schmeltz und Krause a. a. 0. S. 615. •2) Volz a. a. 0. S. 97 ff., besonders aber S. 152. 3) Archiv für Anthropologie. Bd. 21, S. 339 ff. 24" (372) können. Von diesen Varietäten passt die Beschreibung seiner vierten thellweise auf die oben demonstrirten Anachoreten-Schädel. Seine 400 untersuchten Schädel stammen fast sämmtlich aus Dörfern an der Dawson-Strasse, zwischen den Insehi Fergusson und Normanby her, nur Wenige von der Küste von Neu-Guinea; doch giebt er an, dass Formen seiner vierten Varietät auch auf den Andamanen, den Philippinen, ferner auf den Inseln Timor, Arru und Baw ak vorkommen. Er belegt diese Varietät mit dem Namen: Mesocephaliis clitoplatimetopus (d.i. mit geneigter, abgeplatteter Stirn) und charakterisirt sie weiter durch die Attiibute: euryhomalo- bregmatisch (d. h. mit breiten und platten Parietalia), hypsicephal, elattocephal (d. h. mit einer Capacität von 1150 — VSOO ccni), mesoprosop, mesoiThin, mesokonch und prophatnisch (d. h. mit alveolarer Prognathie), — wie man sieht, theils mit den allgemein üblichen, theils mit neuen, von ihm eingeführten Ausdrücken. Von der Ueberzeugung ausgehend, dass die bisher allgemein übliche Ein- theilung nach dem Schädel-Index oft zur Trennung verwandter Formen führt, be- sonders bei den Individuen mit Grenzwerthen, versuchte Sergi die Schädel nach dem Augenmaass und nach einem hervorstechenden Merkmal zu sondern. Er nannte dies die morphologische oder tassonomische Methode, nach welcher er ein natürliches System der Schädelformen aufzubauen versuchte. Dabei verwarf er zuerst das bisherige kraniometrische Verfahren durchaus nicht, sondern benutzte es zur Bestätigung oder Ergänzung der durch das Augenmaass gefundenen Ver- schiedenheiten. Während also die allgemein übliche Methode die Eintheilung nach den Maassen obenan stellte und die so gefundenen Klassen durch die Beschreibung der Formen nach dem Augenschein ergänzt, schlug Sergi den umgekehrten Weg ein, indem er die Gruppen zuerst nach dem Augenschein bildete und diesen Ein- druck dann durch die Maasse ergänzte. In der That gelingt es auf diese Weise oft, ähnliche Formen zusammen zu halten, welche durch das Schema nach den üblichen Indices getrennt würden. Indem Sergi nun aber seine Varietäten nach den am meisten in die Augen fallenden Merkmalen bildete, öffnete er der Willkür des Untersuchenden Thür und Thor und gelangte zu noch unsichereren Bestimmungen wie die ältere Methode. Einige Beispiele von seinen melanesischen Varietäten werden dies erläutern. — Bald bildete er dieselben nach der Gestalt der Norma verticalis, wie den Rhomboido- cephalus Australensis, bald nach der Capacität, wie den Mikrocephalus eumelopus, bald nach dem Horizontal-Index, wie den Mesocephalus clitoplatimetopus, bald nach der Breite allein, wie den Stenocephalus vulgaris, bald nach der Höhe, wie den Hypsicephalus stenoterus, bald nach der Stärke der Arcus superciliares, wie den Proophryocephalus pithekoides, bald nach der Grösse der Gesichtsknochen, wie . den Poikilocephalus makrognathus usw. Wenn nun ein hoher Schädel zugleich einen mittleren Index, eine rhomboidale Norma verticalis und eine geringe Capacität zeigt, wie der demonstrirte Anachorete 7, so kann man ihn in 4 verschiedene Varietäten bringen, je nachdem dem Untersucher das eine oder andere Merkmal auffallender erscheint. Um diese Willkür zu beseitigen, musste Sergi daher für seine melanesische Varietäten die anderen Merkmale des Schädels, wie die Form des Stirnbeins, der Scheitelbeine, des Gesichts, der Nase, Augen und des Kiefers zu Hülfe nehmen, d. h. ebenso verfahren, wie alle Kraniologen es bis dahin schon gemacht hatten, nur dass er viele neue und schwierige Namen einführte, für welche ein besonderes Lexikon erforderlich wurde. Je mehr Schädel Sergi aber untersuchte, desto mehr Varietäten ergaben sich ihm, wie dies anderen Kraniologen früher auch ergangen ist, so dass er neuer- (873) dings sich gezwungen sah, sein ganzes früheres System zu ändern*). Er unter- scheidet nun in erster Reihe dolichocephale und brachycephalc Formen, erhob beide zum Range von Species und nannte die ersteren: Species Eurafricana, die letzteren : Species Eurasica. Zugleich schränkte er die Zahl seiner früheren Varie- täten sehr ein, so dass er im Ganzen deren nur noch 9 beibehält, indem er viele der früheren Varietäten zu sogenannten Untervarietäten degradirte. Diese Gruppen unterscheidet er grösstentheils nach der Gestalt der Norma verticalis, wie die Ellissoide, Pentagonoide, Rhomboide, Ovoide, Beloide, Sphenoide und Sphaeroide, theils aber auch nach der Norma lateralis, wie die Cuboide und Platicephale, während er für die Untergruppen auch die Norma occipitalis und andere Merkmale zu Hülfe nimmt. Dabei vernachlässigt er die Messungen ganz, Alles dem Augen- schein überlassend. Es lässt sich nicht leugnen, dass durch die Ausbildung einer festen technischen Sprache für die mannigfachen Gestalten der Schädelnormen die Verständigung über Schädel ähnlicher Form sehr erleichtert wird. Um nur ein Beispiel anzuführen, bezeichnet Sergi einen Schädel, der in der Norma verticalis nach der üblichen Art der Beschreibung breiteiförmig ist, stark ausgebildete Tubera parietalia besitzt, die grösste Breite in der Gegend derselben zeigt, sich nach vorn allmählich und geradlinig verschmälert, eine breit abgestutzte Stirn, aber ein gewölbtes und aus- gezogenes Hinterhaupt hat, — mit dem einfachen Terminus: Pentagonoides acutus. Das ist ganz gewiss ein Vorzug seiner Methode. Man muss ferner zugeben, dass die Varietäten und Subvarietäten bei einiger Uebung nicht schwer zu unterscheiden sind, wenngleich die Namen für dieselben nicht immer glücklich gewählt sind und eine grössere Zahl von Abbildungen dafür sehr wünschenswerth erscheint. Allein der Grundirrthum Sergi's besteht darin, dass er diese Pormverschieden- heiten für Rassencharactere erklärt, während sie doch noch in die Breite der indivi- duellen Variation fallen. Wir können es keinem Schädel ansehen, ob diese sogen. ,,Rassenmerkmale" ererbt oder nur individuell sind, und nur im ersteren Falle könnten sie als Rassenmerkmale gelten. Dafür fehlen eben bisher alle Vorarbeiten, fehlen besonders Serien von Beobachtungen der Schädelformen ein und derselben Familie durch mehrere Generationen hindurch. Was bis jetzt vorliegt, lehrt nur, dass ein und dasselbe Merkmal bald ererbt, bald individuell erworben sein kann, wie dies zuletzt noch Nyström-) für Schweden bewiesen hat. Auch die von Ammon^) constatirte Thatsache, dass die Bewohner der Städte mehr langköpfig, die Bewohner des Landes mehr kurzköpfig sind, spricht entschieden für die Abhängigkeit der Kopfform von der Beschäftigung und der ganzen Lebensweise. Ganz bestimmt lehrt dies aber das Thierexperiment. Da diese Beobachtungen aus der Thierwelt unter den Rraniologen nicht genügend bekannt zu sein scheinen, so sei es gestattet, auf dieselben hier nach Nehring*), einem der besten Kenner dieser Verhältnisse, ausführlicher einzugehen. Mit der Domestication und der dadurch vielfach herbeigeführten Aenderung der Lebensverhältnisse gebt die Variation Hand in Hand. 1) G. Sergi, Specie e varietä umane. Saggio di una sistematica antropologia. Torino: Frat. Bocca 1900. — Ferner: The mediterranean race: a study of the origin of european peoples. London: W. Scott 1901. 2) Archiv für Anthropologie, Bd. 27, S. 230. 3) Zur Anthropologie der Badener. Jena 1899. 4) A. Nehring, Die Rassen des Schwpines in Rohde's Schweinezucht. 4. Auflage, S. 28 -Bl. (374) Schon bei den frei lebenden Wildschweinen kommen individuelle Variationen hinsichtlich der Profillinie, der Form des Thränenbeins usw. am Schädel vor, noch viel mehr ist dieses bei dem Hausschwein der Fall. „Die mir unterstellte Sammlung", fährt Nehring fort, „enthält unter anderen zwei Schädel des unvermischten primitiven polnischen Landschweines aus der Provinz Posen; beide Thiere entstammen demselben Wurfe, beide sind weiblich, beide unter den gleichen Verhältnissen aufgewachsen, beide wurden im Alter von etwa 2V2 Jahren geschlachtet. Das eine zeigt aber einen besseren Ernährungs- zustand als das andere, und es ist sehr interessant, dass ersteres einen breiteren, höheren Schädel mit concaver ProflUinie, letzteres dagegen einen schmalen, niedrigen Schädel mit völlig gestreckter Profillinie aufweist.'" „Ganz ähnliche Unterschiede zeigen zwei Schädel weiblicher Berkshire-Schweine, welche Hermann v. Nathusius genau beschrieben hat." Das eine war schlecht genährt und zeichnete sich durch einen langen, schmalen, relativ sehr grossen Kopf aus, war mager, schmal und hochbeinig; das andere war gut genährt, und sein Schädel ist wesentlich breiter und höher als der des schlecht genährten, wie die Nathusius'schen Messungen zeigen. „Es muss betont werden, dass gewisse Formverhältnisse des Schweineschädels leichter der Abänderung unterliegen als andere; namentlich sind es die Profillinie, die mit ihr zusammenhängende Stellung der Hinterhauptschuppe, die Jochbogen- breite, die Scheitelhöhe, welche vielfachen Modificationen unterliegen, während die Form des Thränenbeins, das Verhältniss der Länge des Nasenbeins zu der des Stirn- und Scheitelbeines, die Formen und Proportionen der Zähne verhältniss- mässig wenig veränderungsfähig sind. — Je gleichmässiger und urwüchsiger die Lebensbedingungen sind, desto gleichmässiger pflegt die körperliche Entwickelung, desto geringer die Tendenz zu Abweichungen vom Typus zu sein. Aber selbst in der freien Natur kommen mancherlei Unterschiede der Lebensbedingungen zur Geltung, theils fördernd, theils hemmend und störend, und so "finden wir selbst bei den Wildschweinen gleicher Art ziemlich bedeutende Variationen, nicht nur in der Grösse, sondern auch in der Form des Schädels, namentlich hinsichtlich der- jenigen Punkte, welche oben als besonders modificationsfähig bezeichnet sind." „Auch die beiden Wildschweine, welche ich in der Versuchshalle des zoo- logischen Instituts der Landwirtschaftlichen Hochschule aufgezogen habe und seit 2V2 Jahren beobachtete, zeigen manche Abweichungen von dem Typus des normalen frei lebenden Wildschweins; die Profillinie des Kopfes ist nicht so gestreckt, wie bei den letzteren, sondern in der Gegend der Nasenwurzel eingebogen, so dass die Stirn aufsteigend erscheint." „Die Schädel der im hiesigen zoologischen Garten gezüchteten und auf- gewachsenen Wildschweine erweisen sich, wenn man sie mit Schädeln von normalen Wildschweinen gleichen Alters und Geschlechts aus freien, uneingehegten Revieren vergleicht, meistens kürzer, breiter und höher." Soweit Nehring. Welchen mächtigen Einfluss die Aenderung der Lebensweise auf die Grösse und Form des Schädels ausübt, lehrt ferner die Beobachtung an gefangenen Wölfen. Wolfgram^) konnte nachweisen, dass der lange, schmale und niedrige Schädel mit langer Schnauze, welcher den wilden Wölfen eigen ist, durch die Gefangenschaft nicht nur in allen Dimensionen kleiner wird, sondern sich auch 1) Wolfgram, A., Die Einwirkung der Gefangenscliaft auf die Gestaltung des Wolfs- schädels. Jena, G. Fischer, 1894. (37.-)) in einen kurzen, breiten und hohen Schädel mit kurzer Schnauze verwandelt, und das schon in der ersten Generation. Sergi^) selbst gesteht zu, dass das Volumen, die Grösse und Ausdehnung des Schädels und des Gesichts sowohl individuell, wie typisch sein kann. Auch für das wichtigste Formverhältniss, die Dolichocephalie und ßrachycephalie, erkennt er dies indirect an. Während er nehmlich in seiner 4. melanesischen Varietät ausdrücklich erklärt-), dass er die darin auftretenden dolicho- und brachycephalen Formen für individuelle Varianten hält, erhebt er diese Merkmale in seiner Eurafrikanischen und Eurasiatischen Gruppe sogar zum Range eines Species- Characters: denn hinter diesen Speciesnamen versteckt sich nur die alte Be- zeichnung der Dolicho- und ßrachycephalie^). Diese Unsicherheit scheint Sergi auch gefühlt zu haben; deshalb nimmt er die geographische Verbreitung und die Farbe der Haut, Haare und Iris bei seiner neuesten Classification zu Hülfe. Deshalb nennt er z. B. die Dolichoce- phalen Europas und Nord-Africas bis zum Aequator hin Species Eurafricana und theilt dieselbe in eine schwarze afrikanische, eine braune mittelländische und eine weisse nordische Rasse ein. Seine Voraussetzung aber, dass alle diese Doli- chocephalen ihre Kopfform von einem geraeinsamen Urahn ererbt haben, ist aber, wie wir oben sahen, durchaus unbegründet, mindestens sehr zweifelhaft. Dazu kommt, dass Sergi die Farbe der Haut für einen secundären Character ansieht, der nur zur Bildung von Unterabtheilungen verwerthet werden könne, während die Schädelform das unzerstörbare Erbtheil des Menschen von der Urzeit an bilde. Dieser Annahme widersprechen aber alle bekannten Thatsachen. Wir können oft beobachten, dass gleichschädelige Eltern Kinder von verschiedener Schädelform haben ^), während noch niemals vorgekommen ist, dass gleichfarbige Eltern andersfarbige Kinder erzeugt hätten (von den pathologischen Albinos natürlich abgesehen). — Wir wissen ferner, dass die Bewohner vieler Gegenden, wie Böhmens, Russlands, der Riviera u. a.^) im Laufe der geschichtlichen Zeit ihre Schädelform geändert haben und zwar stets von der Dolichocephalie zur Brachy- cephalie, ohne dass eine Einwanderung einer neuen Bevölkerung mit einer von der früheren verschiedenen Schädelform nachweisbar ist, — während doch die Eskimos im Norden seit Jahrtausenden, die Xeger in Nord-America seit Jahr- hunderten ihre Hautfarbe nicht verändert haben"'). — Daher müssen bei allen anthropologischen Systemen auch die von der Haut und ihren Adnexen ent- nommenen stets vererbten Merkmale an die Spitze der Eintheilung gestellt werden, wollen wir wirkliche Rassen erhalten. Sergi' s Varietäten kann dagegen die Be- deutung von Rassen oder gar Species ebenso wenig zuerkannt werden, wie den anderen rein kraniologischen Gruppen, deren Merkmale innerhalb der Grenzen individueller Variation liegen. Sein „System" ist wohl geeignet, die Be- schreibung der Schädelformen zu vereinfachen und die Verständigung zu erleichtern wenn die geographischen Namen, z. B. africus, siculus, pelasgicus usw., weil die- 1) Specie e varietä iimane, p. 169, No. 12. 2) Arch. f. Anthropologie, Bd. 21, S. 359 uud 361. 3) The Mediterranean Race 1. c, p. 252 und 263. — Specie e Varietä umane, p. 202 und 213. 4) Vergl. oben S. 373ff. 5) Vergl. Verh. der Berliner Anthropol. Ges. 1898, S. 249. 6) Vergl. hierzu Virchow, Rud., Ue'ber Rasseubildung und Erblichkeit in Bastian- Festschrift, Berlin 189G, S. loff.; ferner: Die Discussion in den Verhandlungen dieser Ge- sellschaft 1901, S. 204 ff. und S. 245 ff. (376) selben nur irreführen, beseitigt und zu jeder Varietät und Unter -Varietät Ab- bildungen von allen für die Gruppenbildung verwertheten Normen hinzugefügt werden; eine Stammesverwandtschaft der Schädel einer und derselben Gruppe darf aber daraus nicht gefolgert werden. Beschreibung der demonstrirten Anachoreten-Schädel. Anachoreten 1. $ (Tafel VII.)^) Calvarium. Adult. Mesocephal, orthocephal, leptoprosop, hypsiconch, leptorrhin und mesostaphylin. Der Schädel ist gut erhalten. Das ganze Hinterhaupt und die Basis sind dunkel schwarzbraun, die Seitenflächen etwas heller gefärbt, während Scheitel und Stirnbein schmutzig hellgrau aussehen und der Oberkiefer an vielen Stellen mit Kalk bedeckt ist. — Ueber dem oberen Augenhöhlenrand, mehr nach aussen, ist beiderseits ein Loch künstlich durch die pars orbitalis des Stirnbeines gebohrt. — Durch die ganze Nasenhöhle ist ein Pfropfen aus Pflanzenmark fest eingekeilt, welcher an der vorderen Nasenöffnung weisslich, an den Choanen schwarz wie angekohlt erscheint. Ein gleicher Pfropfen steckt in der Fissura vOrbitalis superior, im Foramen opticum, im Foramen lacerum und in dem linken Antrum Highmori. — Die Knochen sind im Ganzen stark, die Arcus superciliares und die Muskelleisten der Hinterhauptsschuppe, besonders die Protuberantia occipitalis externa, kräftig entwickelt. — Die Zähne fehlen sämmtlich, die Alveolen zum Theil resorbirt, zum Theil abgeschlagen. Die Symphysis spheno-basilaris fest verwachsen, die Coronaria inferior beiderseits obliterirt, ebenso die Sagittalis posterior und stellenweise die Schenkel der Lambdanaht. — In der Norma verticalis erscheint der Schädel breit eiförmig, die Tubera parietalia treten deutlich hervor-) etwas über und hinter der grössten Breite. Von dort verlaufen beide Seiten ziemlich geradlinig con- vergirend nach vorn zu der breit abgesetzten Stirn, nach hinten ^zu nehmen die etwas gewölbten Seiten und das massig ausgezogene Hinterhaupt^) das hintere Drittel der Norma ein. Die Jochbogen sind nur massig gewölbt, aber noch sicht- bar. — In der Norma occipitalis sind die oberen Schenkel gewölbt, die Seiten gerade und nach unten convergirend, die processus mastoidei ziemlich klein, aber kräftig und von Muskelansätzen rauh — In der Norma lateralis zeigt die Profll- linie massige Prognathie, die Nasenbeine gut entwickelt und sattelförmig, die Nasen- wurzel flach, die Glabella mittelstark hervortretend, die Stirn ist mittelhoch, ziemlich breit und steigt in der Höhe der gut entwickelten Stirnhöcker sanft gewölbt an. Die Scheitellinie ist lang gezogen und fällt bogenförmig nach hinten ab. Das Hinterhaupt setzt deutlich ab, ist oben schwach gewölbt und wendet sich unten in gerader Richtung nach vorn. Das planum temporale zeigt besonders rechts starke Muskelleisten, die ala magna ist schmal, nicht rinnenartig vertieft und rechts durch ein grosses Epiptericum von dem Scheitelbein getrennt. — In der Norma facialis ist die Stirn massig breit, die Augenhöhlen tief, die vordere Oeffnung gross, fast viereckig und schräg nach unten und aussen hin erweitert. Das Mittelgesicht ist breit, der Alveolartheil der Oberkiefer kräftig. — In der Norma basilaris zeigt sich das Foraraen magnum gross und rundlich, die pars cerebellaris lang und breit, die Processus pterygoidei hoch nnd breit, der Gaumen mittelgross und ziemlich tief. 1) Die pbotographischen Aufnahmeu für die beiden Tafeln verdanke ich der Güte des Hrn. Geh. Sanitätsraths Dr. Bartels. 2) Die Tubera parietalia sind auf der Tafel I Fig. l und 3 durch die hellen Stellen: das ausgezogene Hinterhaupt nur in der Norma lateralis Fig. 3 kenntlich. (377) Anachoreten 2. J. Calvariuni. Adult. Brachycephal, hypsicephal, leptoprosop, hypsiconch, mesorrhin(?) leptostaphylin. Der gut erhaltene schwere Schädel ist fast ganz ebenso gefärbt, wie 1; des- gleichen sind die Nasenhöhlen, das Foramen opticum, die Pissura orbitalis inferior und die rechte Highmors-Höhle durch Pflöcke aus Pflanzenmark verkeilt. In der Pars orbitalis des Stirnbeins sind die gleichen Löcher wie bei 1 vorhanden. — Die Muskelleisten sind sehr kräftig entwickelt, besonders am Hinterhaupt. — Die Zähne fehlen, die Alveolen sind grösstentheils abgeschlagen und die Residuen ge- schwärzt, die Symphysis spheno-basilaris geschlossen, die Coronaria inferior fast ganz obliterirt. — In der Norma verticalis erscheint der Schädel breit eiförmig, vorn schmäler, hinten breit abgestutzt, die Tubera parietalia stehen vor, die grösste Breite liegt dicht unter und vor derselben, von dort verschmälert sich der Durch- messer allmählich nach vorn, während der Contour nach hinten bogenförmig zu dem fast gerade abfallenden Hinterhaupt verläuft. Die Jochbogen sind noch sichtbar. — Die Norma occipitalis zeigt oben flach gewölbte Schenkel, die Seiten nach innen und unten etwas abschrägend. Der obere Theil der Hinter- hauptsschuppe und die angrenzenden oberen Theile der beiden Scheitelbeine sind stark abgeplattet. Diese Abplattung bildet eine deutlich dreieckige Fläche, deren Basis nach unten etwas über der Linea nuchae superior verläuft, deren Spitze in der Sutura sagittalis etwas hinter den Foraraina parietalia liegt; in den beiden Seiten zeigen die Scheitelbeine nahe über der Lambdanaht zwei deutliche Höcker. Der Schädel steht auf dieser Abplattung ganz fest. Die Processus mastoidei rauh und mittelgross. Schwache Plagiocephalie rechts. Schwacher Torus occipitalis. Der obere Theil der Squama occipitalis von der Spitze bis zur Protuberantia occipitalis interna ist auffallend niedrig und misst nur 48 mm, während die pars cerebellaris 55 )i>m hoch ist^). — In der Norma lateralis zeigt das Profil massige Prognathie, die Nasenbeine sind defect, oben schwach eingesunken, die Glabella tritt kräftig hervor, die Stirn steigt in sanftem Bogen nach hinten an, die Scheitel- linie verläuft gestreckt bis zur Scheitelhöhe, von dort fällt das Hinterhaupt zuerst bogenförmig, dann steil ab bis zur Protuberantia occipitalis externa und verläuft unten schräg nach vorn. Das Planum temporale zeigt kräftige Muskelleisten, die Ala magna ist schmal und rinnenförmig vertieft und links durch ein grosses Epiptericum vom Scheitelbein ganz getrennt. — In der Norma facialis zeigt sich die Stirn niedrig und schmal, die Augenhöhlen sind gross und der Eingang fast viereckig und schräg nach unten und aussen hin sich erweiternd, die Nasenwurzel ist massig tief, die Spina nasalis anterior gross, Possae praenasales deutlich. — In der Norma basilaris erscheint das Foramen magnum klein und oval, die Possae cerebellares gut gewölbt, die Processus pterygoidei des Keilbeins niedrig, der Gaumen tief und mittelgross, der Processus alveolaris fast ganz zerstört und geschwärzt. Anachoreten 3. $ Calvarium. Adult. Brachycephal, hypsicephal, hypsiconch, mesorrhin (?). Der Schädel ist vollständig dunkel schwarzbraun bis schwarz gefärbt, an der Basis und hinten intensiver wie vorn. Die Nasenhöhlen sind wiederum durch 1) Beim Anachoreten 1 misst die Oberschuppe 66 mm, die Pars cerebellaris 56 vim. 3 r r - 56 ,. , .. ,, ,, 46 „ .. 4 . . ., 64 „ , .. „ „ 43 . .. 5 „ „ .. 56 ,. ..... . 46 , (378) Pflöcke aus Pflanzenmark zugekeilt, sonst keine Oefinung. Die Pars orbitalis des Stirnbeins zeigt wiederum zwei Perforationen nahe dem Processus zygomaticus und ausserdem links ein drittes, ebenfalls durchgehendes Loch, welches offenbar an der falschen Stelle, zu weit nach innen, gebohrt war und daher später zu- gestopft wurde. — Die Muskelleisten sind an diesem Schädel nicht so kräftig, wie bei den beiden ersteren, auch ist er kleiner und leichter. — Die Alveolen sind vollständig resorbirt, die Coronaria links schon weit obliterirt, rechts nur in ihrem unteren Theile. Die Symphysis spheno-basilaris verknöchert. — Die Norma verticalis zeigt einen breit eiförmigen, nach vorn stark verschmälerten Umriss mit deutlich hervortretenden Tubera parietalia etwas oberhalb und hinter der grössten Breite, die Jochbogen noch sichtbar, das Hinterhaupt schwach ausgezogen und am Lambdawinkel etwas abgesetzt. — Die Norma occipitalis erscheint fünfeckig, die oberen Schenkel steil, dachförmig ansteigend, und zwar der linke mehr wie der rechte, die seitlichen nach unten convergirend, die beiden unteren Winkel abgerundet. Das rechte Tuber parietale steht deutlich tiefer wie das linke, die ganze rechte Seite ist schief, der Schädel plagiocephal. Die Spitze der Ober- schuppe und die oberen anstossenden seitlichen Theile der Ossa parietalia zeigen wieder eine schwache Abplattung, deren obere Spitze noch in dbr Sagittalnaht in der Höhe der Foraraina parietalia liegt, so dass der Schädel darauf steht. Die Processus mastoidei sind klein und rauh. — In der Norma lateralis zeigt sich der Oberkiefer (mit resorbirten Alveolen) orthognath, die Nasenwurzel flach, die Nasenbeine klein und sattelförmig eingebogen, die Stirn niedrig und schmal, die Glabella flach. Die Mittellinie biegt auf der Stirn winklig um in die ziemlich steil ansteigende Scheitelwölbung, welche bald hinter dem ersten Drittel der Sagittalis einen Wulst bildet, zu dessen Seiten je eine breite, seichte Furche schräg nach vorn bis zum Stirnbein hin verläuft. Von dort fällt die Scheitellinie allmählich zur Hinterhauptswölbung ab. Die Muskelansätze im Planum temporale sind schwach ausgeprägt, die Ala magna ist sehr schmal und besonders links tief rinnenförmig, der untere Theil des Stirnbeins unterhalb der Linea semi- circularis und hinter den Processus zygomatici beiderseits stark blasenartig hervor- getrieben, so dass hier eine deutliche Stenokrotaphie vorliegt. — In der Norma facialis erscheint der Augenhöhlen-Eingang mittelgross, annähernd viereckig und sich nach unten und aussen schräg erweiternd, das Mittelgesicht schmal, die Spina nasalis anterior stark entwickelt. — In der Norma basilaris sieht man das Foramen magnum gross und fast elliptisch, den Gaumen ziemlich breit, soweit der Mangel der Alveolen ein Urtheil gestattet. Anachoreten 4. $. Calvarium. Matur. Dolichocephal, chamäcephal, leptoprosop, chamaconch, mesorrhin. Der Schädel ist fast überall dunkel schwarzbraun, nur auf der rechten Seite und hinten dunkelbraun, an der Basis besonders am Gaumen oberflächlich ver- kohlt. — Die Nasenhöhlen sind durch Markpflöcke zugekeilt, welche vorn und hinten ebenfalls oberflächlich angekohlt sind. Ebenso sind in der Pars orbitalis des Stirnbeins nahe am Processus zygomaticus wiederum, wie bei den früheren Schädeln, zwei Perforationen sichtbar. — In der Schädelhöhle ist eine Anzahl breitere und schmälere Bastfasern enthalten. — Die Muskelleisten sind nicht be- sonders stark entwickelt, der Schädel ist im Ganzen klein und leicht. — Die Zähne fehlen sämmtlich, die Alveolen sind theilweise abgeschlagen. Die Symphysis spheno-basilaris ist verknöchert, die Coronaria fast ganz obliterirt, die Sagittalis im vierten Fünftel ganz obliterirt, in den übrigen Theilen ist die Verwachsung (379) schon weit vorgeschritten. — Die Norma verticalis zeigt einen verlängert eiförmigen Umriss, in welchem die Tubera parietalia weniger eckig in der Gegend der grössten Breite hervortreten, mit etwas abgestutzter Stirn und schwach ausgezogenem Hinterhaupt. Die Jochbogen sind sichtbar. — In der Norma occipitalis erscheint das Hinterhaupt oben flach dachförmig mit geraden, nach unten etwas convergirenden Seiten. Die Scheitelbeine bilden längs der hinteren zwei Drittel der Sagittalis eine breite und seichte Rinne. In der Lambdanaht mehrere kleinere Wormsche Knochen, 2 grössere im Ponticulus Casserii. Die Processus zygomatici sind klein und glatt. — In der Norma lateralis erscheinen das Profil orthognath, die Nase flach dachförmig; die Nasenbeine defect und schmal, die Glabella flach. Die Mittellinie biegt in der Höhe der Tubera frontalia winklig um, verläuft dann ganz gestreckt bis zum zweiten Drittel der Sagittalis, geht dann schräg auf die gut gewölbte Hinterhauptsschuppe über, um sich von der Protuberantia occipitalis externa an fast gerade nach vorn fortzusetzen. Die Alae magnae sind rinnenartig vertieft. — Die Norma facialis zeigt ein niedriges Gesicht und eine niedrige, schmale Stirn. Das Mittelgesicht ist von mittlerer Breite, die Augenhöhlen sind gross, der Eingang fast viereckig, die Spina nasalis anterior entwickelt. — Die Norma basilaris zeigt ein kleines, ovales Foramen magnum, einen tiefen, schmalen, zungenförmigen Gaumen und niedrige, breite Processus pterygoidei. Anachoreten 5. "5 (!) Calvarium. Adult. Mesocephal, hypsicephal, hypsiconch, niesorrhin, brachystaphylin. Die Farbe des Schädels ist zum Theil schmutzig weissgrau, zum Theil bläulich grau, nur an der rechten Seite sind einzelne Stellen am Hinterhaupt und an der Basis schmutzig braun. Ueber den Augen sind im Stirnbein zwei Perforationen sichtbar, wie bei den übrigen, die innere Oeffnung rechts ist etwas gesplittert. — ■ Die Knochenleisten sind ziemlich entwickelt, der Schädel im Ganzen mittelgross und -schwer. — Die Zähne fehlen, der Processus alveolaris ist grösstentheils ab- geschlagen. Die Symphysis spheno-basilaris ist verknöchert, die Coronaria inferior obliterirt. — In der Norma verticalis erscheint der Schädel wiederum breit ei- förmig, vorn schmäler, hinten breit abgestutzt. Die Tubera parietalia liegen in der Gegend der grössten Breite, treten aber nicht besonders hervor. Die Joch- bogen stehen wenig hervor. — Die Norma occipitalis zeigt, dass das linke Tuber parietale höher steht als das rechte, dass ferner die linke Seite fast gerade, die rechte dagegen abgeplattet und schief ist (Plagiocephalie). Oben ist die ümriss- linie flach. Beide Scheitelbeine sind etwa in der Höhe des mittleren Drittels der Sagittalis bis in die Gegend der Tubera parietalia hin schwach abgeplattet. Das Hinterhaupt tritt kaum hervor. Die Oberschuppe zeigt Osteoporose und einen schwachen Torus occipitalis, in der Lambdanaht kleine Wormsche Knochen. — In der Norma lateralis erscheint der Oberkiefer orthognath, die Nasenbeine sind ziemlich lang und breit, vorn etwas nach unten umgebogen, in der Mitte sattel- förmig vertieft, die Nasenwurzel ist seicht, die Glabella steht deutlich hervor. Die Mittellinie steigt bogenförmig bis zum Bregma, verläuft dann mehr gestreckt bis zum zweiten Drittel der Sagittalis, von dort an wieder bogenförmig bis zur Pro- tuberantia occipitalis externa und wendet sich dann schräg nach vorn. Die Joch- bogen sind gestreckt, die Alae magnae seicht rinnenförmig vertieft. — Die Norma facialis zeigt eine mittelhohe und schmale Stirn, grosse xind viereckige Augen- böhlenöffnungen, ein massig breites Mittelgesicht und eine gut ausgebildete Spina nasalis anterior. — In der Norma basilaris erscheint das Foramen magnum klein und oval, der Gaumen raittelbreit und tief, die Spina nasalis posterior breit und kräftig entwickelt, besonders auf der linken Seite. Anachoreten 6. $. Calvarium. Adult. Mesocephal, orthocephal, chamaeconch, platyrrhin (?), braehy- staphylin (?). Die Farbe des Schädels ist im Allgemeinen schmutzig grauweiss, nur an einzelnen Stellen am Hinterhaupt und an der Basis schmutzig graubraun. Dagegen ist die Lambdanaht, der hintere Thoil der Sagittalis und die Sutura mastoidea schmutzig grün gefärbt; auch die rechte Schläfen-Keilbeingrube bis herab zum Processus al- veolaris des Oberkiefers ist grün gefleckt; endlich zeigt auch das Hinterhauptbein und der Gaumen stellenweise eine grünliche Verfärbung, — alles wohl von der Be- rührung mit einem kupferhaltigen Schmuck. — Die Partes orbitales des Stirnbeins sind wiederum durchbohrt. — Die Muskelleisten sind schwach entwickelt, der Schädel mittelgross und -schwer. Die Zähne fehlen sämmtlich, der Processus alveolaris ist abgeschlagen. — Die Symphysis spheno-basilaris ist verknöchert, die Nähte da- gegen noch nirgends obliterirt — Die Norma verticalis zeigt wiederum einen breit eiförmigen Umriss, vorn und hinten breit abgestutzt, an den Seiten etwas ein- gezogen, die Tubera parietalia treten deutlich etwas über und hinter der grössten Breite hervor, die Jochbogen sind noch sichtbar. — In der Norma occipitalis ist das Hinterhaupt oben flach gewölbt, an den Seiten ziemlich gerade, nach unten convergirend. In der Lambdanaht sind kleine Ossa Wormiana, die Oberschuppe zeigt schwache Osteoporose, die Processus mastoidei sind klein und wenig rauh. — In der Norma temporalis erscheint der Nasenrücken flach sattelförmig, die Nasenwurzel flach, die Nasenbeine gut entwickelt. Die Glabella ist flach. Die Medianlinie biegt auf der Stirn winklig um, verläuft dann in gestrecktem Bogen ansteigend etwa bis zum zweiten Drittel der Sagittalis, dann etwas weniger gestreckt absteigend bis zur Protuberantia occipitalis externa, von da an schräg nach vorn. Die Jochbogen sind wenig gewölbt, die Alae magnae breit, trotzdem erreicht die linke Ala nur noch mit einer kleinen Spitze das Scheitelbein. — In der Norma facialis erscheint die Stirn niedrig, verhältnissmässig breit und gut gewölbt, das Mittelgesicht breit, die Augenhöhlenöffnung mittelgross mit abgerundeten Ecken, die Nase breit und platt, das Praemaxillare defect. — Die Norma basilaris zeigt ein kleines, ovales Foramen magnum, einen tiefen, kurzen und breiten Gaumen und sehr breite Processus pterygoidei. Anachoreten 7. $. Calvarium. Adult. Mesocephal, hypsicephal, hypsiconch. — Nannocephal. Die Farbe des Schädels ist schmutzig grauweiss, nur an einzelnen Stellen des Hinterhaupts, an der Basis, in den Nasen- und Augenhöhlen schwarzbraun. — Die linke Oberkieferhälfte ist defect. Auf dem linken Scheitelbein nahe der Coronaria befindet sich eine an der Oberfläche 28 mm lange und 11 mm breite, in der Tiefe nur lo mm lange und 2 — 3 mm breite Wunde mit scharfen, glatten Rändern, welche die Diploe ganz durchdringt, aber die Lamina vitrea nicht verletzt hat, gar keine Reaction zeigt und daher erst nach oder kurz vor dem Tode entstanden sein muss. — Die Pars orbitalis des Stirnbeins beiderseits durchbohrt. — Die Muskel- leisten sind nur massig entwickelt, der Schädel im Ganzen von mittlerer Grösse und Schwere: die Capacität beträgt nur 1180 cc/h. — Die Zähne und Alveolen fehlen; die Symphysis spheno-basilaris ist verknöchert, die Coronaria unten ganz, (381) oben theilweise obliteriit, auch die Sagittalis stellenweise in der Obliteration weit vorgeschritten. — Die Xorraa verticalis ist breit eiförmig, vorn schmäler, hinten breit abgestutzt, die Seitön von den vorstehenden Tubera parietalia zur Stirn hin etwas eingezogen. Das Hinterhaupt steht nicht vor, sondern ist schwach ab- geplattet, so dass der Schiidel darauf steht. Die Jochbogen sind deutlich sichtbar. — Die Norma occipitalis erscheint oben flach bogenförmig, an den Seiten fast gerade. In der Lambdanaht und der Mastoidealnaht sind kleine Wormsche Knochen vorhanden. Rechts ist ein 13 mm langer Rest der Sutura transversa erhalten. Die Abplattung am Hinterhaupt betrifft den oberen Theil der Schuppe und die an- grenzenden Theile der Scheitelbeine bis an die Foramina parietalia. Die Ober- schuppe ist stark osteoporotisch, die Processus mastoidei sind klein und rauh. — In der Norma lateralis tritt die Glabella deutlich hervor. Die Medianlinie biegt auf der Stirn in der Höhe der Tubera frontalia nach hinten um, verläuft dann in gestrecktem Bogen über den Scheitel bis zur Protuberantia occipitalis externa und wendet sich dann schräg nach vorn und unten. Die Schläfengegend ziemlich stark hervorgewölbt, ebenso die Jochbogen. — In der Norma facialis erscheint die Stirn niedrig und schmal, das Mittelgesicht breit, die Oeffnung der Augenhöhlen gross und viereckig, nach vorn und unten sich schräg erweiternd. — Die Norma basilaris zeigt ein kleines, ovales Foramen magnum und sehr breite, mittelhohe Processus pterygoidei. Anachoreten 20 121. J. Calva. Adult. Mesocephal, hypsiconch. Der Schädel besteht nur aus dem Os frontale, beiden Scheitelbeinen und dem Os Incae, welches durch vollständige Persistenz der Sutura transversa als solches legitimirt ist, ferner den beiden Jochbeinen, Nasenbeinen und den unmittelbar an- stossenden Theilen des Oberkiefers. Das Os Incae ist in der Mitte 55 mm hoch und an der Basis «6 vim breit. — Die Farbe ist schmutzig weissgrau. Die Partes orbitales des Stirnbeins, wie bei den übrigen Schädeln durchbohrt. — Der Schädel ist schwer und hat stark entwickelte Arcus superciliares. — Die Coronaria inferior ist obliterirt, ebenso das vierte Fünftel der Sagittalis. — Die Norma verticalis ist breit eiförmig, vorn etwas schmäler, hinten breit abgestutzt, die Tubera parietalia treten nicht deutlich hervor. — Die Norma occipitalis erscheint oben breit dach- förmig, mit abgerundeten Winkeln, an den Seiten gerade; in der Lambdanaht kleine Ossa Wormiana. — In der Norma lateralis erscheinen die Nasenbeine lang und sattelförmig und am anderen Ende etwas nach unten umgebogen, die Nasenwurzel flach. Die Glabella tritt schwach hervor. Die Mittellinie steigt in gestrecktem Bogen bis zum Scheitel an, von dort wieder in sanftem Bogen bis zur Protu- berantia occipitalis hinab. — In der Norma facialis erscheint das Gesicht breit, die Stirn mittelhoch, schön gewölbt und schmal; der Augenhöhleneingang gross, viereckig und schräg nach unten und aussen hin sich erweiternd; die Nase hoch und schmal. Anachoreten 26 122. $. Calvarium. Adult. Mesocephal, hypsicephal, leptoprosop, mesoconch, platyrrhin, leptostaphylin. Die Farbe des Schädels ist schmutzig weissgrau, nur am Hinterhaupt und an der Basis schwarzbraun. — Die Partes orbitales des Stirnbeines sind beiderseits durchlocht, wie bei den übrigen Schädeln, das linke Loch zeigt einen etwas aus- gebrochenen Rand. — Die Muskelleisten am Hinterhaupt sind kräftig entwickelt, der Schädel im Ganzen schwer. — Die Zähne fehlen, aber alle Alveolen sind (382) ganz erhalten; die Symphysis spheno-basilaris verknöchert, die Coronaria inferior fast ganz, die superior stellenweise ebenfalls obliterirt. — Die Norma verticalis ist breit eiförmig, vorn breit abgestutzt, hinten etwas ausgezogen; die Tubera parietalia sind etwas über und hinter der grössten Breite deutlich, aber abgestumpft. Die Seiten sind ia der Schläfengegend schwach eingezogen, die Jochbogen noch sichtbar. — In der Norma occipitalis erscheint das Hinterhaupt oben flach ge- wölbt, mit abgerundeten Ecken und gerade abfallenden Seiten, doch ist die rechte Seite gegenüber der linken plagiocephal. An der Oberschuppe und den anliegenden Theilen der Scheitelbeine ist eine schwache Abplattung sichtbar; ausserdem besteht zu beiden Seiten der hinteren zwei Drittel der Sagittalis eine seichte breite Furche. In der Lambdanaht sind kleine Ossa Wormiana vorhanden und auf der rechten Seite ist auch ein etwa 15 mm langer Rest der Sutura transversa erhalten. Die Processus mastoidei sind defect und rauh. — In der Norma lateralis zeigt die Profillinie deutliche Prognathie. Der Nasenrücken ist flach dachförmig, die Nasen- wurzel und Glabella flach. Die Mittellinie biegt winklig auf dem Stirnbein um, steigt dann in gestrecktem Bogen aufwärts bis zum zweiten Drittel der Sagittalis, verläuft von dort ab in sanftem Bogen bis zur Protuberantia occipitalis externa und w^endet sich dann in schräger Richtung nach vorn und unten. Die Alae magnae sind mittelbreit, die Jochbogen ziemlich gestreckt. — In der Norma facialis erscheint die Stirn ziemlich hoch und schmal, das Mittelgesicht massig breit, der Augenhöhleneingang gross, viereckig und nach aussen und unten sich schräg erweiternd, die Nase niedrig und platt, die Spina nasalis anterior kurz, Fossae praenasales angedeutet. — In der Norma basilaris erscheint das Foramen magnum klein und oval, die Processus pterygoidei niedrig und breit, der Gaumen tief und schmal, der Processus alveolaris annähernd hufeisenförmig. 2. Zur Anthropologie der Duke of York -Inseln. Die Gruppe der Duke of York-Inseln oder, wie sie jetzt amtlich heisst, von Neu-Lauenburg, gehört zum Bismarck-A.rchipel und besteht aus acht grösseren be- wohnten und einigen ganz kleinen, unbewohnten Inseln: unter den ersteren zählt auch die Haupt-Insel des gleichen Namens und die Insel Mioko. Die Eingebornen^) sind nahe verwandt mit den Bewohnern des Nordens der Gazelle-Halbinsel auf Neu-Pommern und der nächstgelegenen Rüste von Süd-Neu-Meklenburg, — ächte Papuas. Schellong"^), der zwei lebende Eingeborne untersucht hat, fand den einen (von der Insel Utuen) stark kurzköpfig mit einem Index von 85,0, — den anderen (von der Insel Mioko) langköpfig mit einem Index von 67,3, — die Nase breit und flach, die Supraorbital- und Jochbogen stark ausgeprägt. — Auch die Unter- suchung der 11!) Schädel von Mioko, welche Rud. Krause^) im Museum Godeffroy bearbeiten konnte, ergab 100 Dolichocephale, 18 Mesocephale und 1 Brachy- cephalen, — also überwiegend Langköpfe. Keiner von beiden Forschern spricht aber von einer Deformation der Schädel. Um so interessanter ist der deformirte Schädel von Mioko, den der Vortragende in der Sitzung vorlegte und welchen er ebenfalls vom Marine-Stabsarzt Dr. Brandstätter*) zum Geschenk erhalten hatte mit der Versicherung, dass er denselben eigenhändig aus einer Hütte auf der Insel Mioko entnommen habe. 1) Vergl. MittheiluDgeu von Forschungsreisendeu und Gelehrten aus den Deutscheu Schutzgebieten 1901, Bd. 14, S. 125 if. 2) Zeitschrift für Ethnologie 1891, Bd. 23, S. 182 u. 222. 3) Schmeltz und Krause a.a.O. S. 584— 609. 4) Siehe oben S. 3G8. (383) Dass in Melanesien die Sitte der Deformation nicht unbekannt sei, wissen wir lange aus den Publicationen von Busk^), R. Krause^), Plower^) und Virchow*), — allein alle diese Berichte beziehen sich nur auf künstliche Langköpfe (Chamae- dolichocephali artificiales), wie sie an der Südküste von Mallicolo, einer zu den Neuen Hebriden gehörigen Insel, so vielfach vorkommen. Der vorliegende Schädel aber zeigt gerade eine entgegengesetzte Art der Deformation : er ist breit und hoch geworden, ein Hypsibrachycephalus artificialis, eine Art Thurmkopf. Wohl beschreibt Yirchow*) einen deformirten Schädel von der polynesischen Insel Niue oder Savage Island, welcher die gleiche Form der Verunstaltung zeigt und zwar in noch höherem Grade, da er bis zu einem Breiten -Index von 93,8 zu- sammengequetscht ist, während der vorliegende nur einen Index von 85,0 besitzt, — wie denn überhaupt auf den malayischeu und polynesischen Inseln, besonders auf Tahiti, diese Form oft beobachtet worden ist, — allein noch niemals bisher im Gebiet des eigentlichen Melanesiens. Es wird daher, bis weitere analoge Beob- achtungen bekannt werden, einstweilen fraglich bleiben, ob der Schädel von einem Eingeborenen von Mioko oder von einem erschlagenen Feinde von einer polynesischen Insel herstammt, ob derselbe also für ein Zeichen des Schädelcultes oder für eine Trophäe gehalten werden muss. Allerdings zeigt der Schädel noch Reste einer rothen Bemalung, wie sie gerade auf dem Bismarck-Archipel an einheimischen Schädeln beobachtet ist 5). Die Kiefer- ränder und Augenhöhlen wurden mit rothen Streifen eingefasst oder es wurden auch rothe Streifen oberhalb der Augenbrauen oder sonst im Gesicht und bis auf das Schädeldach hin gezogen. Finsch*^) sah, wie schon oben bemerkt, noch ISSI auf Matupi solche roth bemalte Schädel festlich zu Cultzwecken ausgestellt. Die übrigen Verhältnisse ergeben sich aus der Abbildung auf Tafel VIII und der genaueren Beschreibung des deformirten Schädels von Mioko (Tafel VIII). Calvarium. Adult. Hypsibrachycephalus artificialis, leptoprosop, mesoconch, platyrrhin, mesostaphylin. Die Farbe des Schädels ist im Allgemeinen grauweiss: nur der innere und untere Augenhöhlenrand, desgl. der Processus alveolaris des Oberkiefers zeigen schwache Reste einer rothen Bemalung, Spuren davon sind auch auf der Stirn er- halten. Ausserdem sind viele Stellen im Gesicht, in den Schläfengruben und in der Gegend der Processus mastoidei mit Kalk bestrichen. Auf der linken Seite, in der Gegend des unteren hinteren Winkels des Scheitelbeins, befindet sich ein 51 mm hoher und 41 mm breiter Defect, welcher sich auch über den hinteren Thei' der Squama ossis temporis und den oberen Theil des Felsenbeins ausdehnt und mit einem scharfen Werkzeug nach oder kurz vor dem Tode hervorgebracht ist, da die Knochenränder überall scharfrandig sind und nirgends eine lebendige Reaction zeigen. Diese Verletzung hat zugleich Spalten im linken Scheitelbein bis zum Tuber parietale hinauf, ferner im Schläfenbein bis zum Jochbogen und durch die Fossa glenoidalis hindurch erzeugt. Ausserdem verläuft ein klaffender Spalt 1) Journal of the Anthropological Institute of Great Britaiu and Ireland 1877, p. 202. 2) Verhandl. d. Vereins für naturwissenschaftl. Unterhaltung, Bd. IV, Hamburg 1879. 3) Journal of the Anthrop. Instit. of Great Britain etc. 1882, p. 75. 4) Diese Verhandlungen, Bd. 16, S. 153 ff. 5) Schmeltz und Krause a. a. 0. S. 19 u. 434. 6) Ethnolog. Erfahr, a. a. 0. S. 113. (384) CS H ■HD C' O CO o O t~- -^ 5^ "M CC I^ O 00 CM T-H -^ »^ CO e- >o T-( ""^ 1— ( l« c^ fw iH' O , CT (-) (■^ , _, — o tc — (M CO :r) _, 1-1 CO o o « ec '^. 15 o c— '— • CvJ o üO lO w- CO CO 1— ( Tl »-( — ' Tti ■^^ '"' »-< r^ CO o ■^ (M :o — H CO — .— ^' (>J fM CA o ^ CO *-7 ^ '— > ■^ 1—1 1-t T-H -H t— i'; O CO lO (>j vo O crj C<1 (M O CO o .-I •^ 1— I 1-1 T-1 Of o -^ -ti ■0 o^ CC t- "* ,- rr, >o lO 1—1 •<* 05 — 'H '^ CO CO c^ td 05 o o ■M 1—1 Oi C£> 05 f^J 1—1 1—1 1— 1 lO "" tH TH 1-1 o -^ lO Ol- Ci CO --i K* — o CM t~ 'H 05 -- lO i 05 i" -" lO ^^^ o CO CO 1—« c- CJ OS dC) (74 Cl >ii 05 Ol CO T-( ^"^ ''^ 1—1 1—1 •>* T-l lO +0 1—1 m rn <~> ,J CO CO C5 <-^ .^' :^ r— lO rN .o «* c^ (N c— r* CO 1—1 c— (TS OJ o CO iC t— CO T-( X cr> -y CO o L— a> ^ CO CO (M 1—1 05 c— <_> OJ 1—1 ^^ '"' o i—i ■^ ^ '"' 'CD c;5 2 . > i^ -2s '^ ^- ? 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Gesellschaft 1901. lO — '— CO r: er. — CM CO ■<* CMC^4C^3s^^cMcoeocococo (380) durch den rechten Processus pterygoideus des Keilbeins, sowie durch die äussere Wand der rechten und die obere Wand der linken Orbita: endlich fehlt der Pro- cessus zygomaticus des rechten Jochbeins. — Die Knochen des Schädels sind stark, die Muskel-Ansätze massig entwickelt. — Die Zähne fehlen sämmtlich bis auf die zwei ersten rechten Molaren, welche noch gar nicht abgeschliffen und von Betel geschwärzt sind. Die Alveolen sind sämmtlich erhalten. Die Symphysis spheno- basilaris ist verknöchert, die Nähte dagegen noch ganz erhalten: die Sagittalis und Coronaria nur wenig gezackt. — Der Schädel ist stark deformirt und zwar fronto-occipital. Das Hinterhaupt ist besonders stark nach vorn und unten gedrückt, so dass der Schädel darauf steht und der Hinterhaupts-Index nur 2.'),1 beträgt; dagegen ist der untere Theil des Stirnbeins stark nach hinten gedrängt, so dass der Längen-Durchmesser des ganzen Schädels dadurch sehr verkürzt worden ist und nur Kio mm beträgt. Die Tubera frontalia sind stark abgeflacht, während der hintere Theil des Stirnbeins und der vordere Theil der Scheitelbeine in der Gegend des Bregma als schwacher aber unverkennbarer Wulst hervortritt, zu dessen beiden Seiten seichte Furchen zu fühlen sind. Eine breitere, tiefere Rinne ist auf beiden Scheitelbeinen längs der Sagittalis sichtbar, welche vorn, dicht hinter der oben beschriebenen An- schwellung, schmal beginnt, sich dann mehr verbreitert und auf der oberen Spitze der Hinterhaupts-Schuppe endet; quer über der Protuberantia occipitalis externa ver- läuft dann wiederum eine breite Furche, welche wohl, wie die früheren, von Bindentouren herrühren. Im Ganzen ist der Schädel durch die vordere und hintere Abplattung kürzer, höher und breiter geworden, ein Hypsibrachycephalus artificialis. — Die Norma verticalis erscheint breit viereckig, vorn und hinten breit ab- gestutzt; die Arcus superciliares treten in geschweiftem Bogen hervor, die Tubera parietalia treten stark hervor über und hinter der grössten Breite, die Stirn fällt schräg nach vorn ab, die Jochbogen stehen vor. — Die Norma occipitalis er- scheint oben bogenförmig mit gerade abfallenden unten schwach convergirenden Seiten, das Hinterhaupt nach vorn abgeschrägt; in der Lamdanaht sind grössere und kleinere Schaltknochen vorhanden und beiderseits 14— Ki mm lange Reste der Sutura transversa erhalten. — In der Norma lateralis erscheint der Oberkiefer stark prognath, die Nasenbeine sind lang, schwach sattelförmig und am vorderen Ende etwas nach unten gebogen, Nasenwurzel tief, Glabella hervortretend. Die Medianlinie verläuft auf dem Stirnbein zuerst schräg nach hinten und oben bis zur Höhe der Tubera frontalia, dann in gestrecktem Bogen bis zum Scheitel, weiterhin fast gerade nach unten bis zur Spitze des Os occipitis und wendet sich dann schräg nach vorn. Die Alae magnae sind schmal, seicht rinnenförmig und er- reichen beiderseits, nur mit ausgezogener Spitze, das Scheitelbein. — Die Norma facialis zeigt die Stirn schmal und stark fliehend, den Augenhöhlen-Eingang mittelgross und viereckig, die Nase hoch und massig breit, zu beiden Seiten der Spina nasalis anterior schwache Fossae praenasales, — den Processus alveolaris endlich nach oben und vorn gebogen. — In der Norma hasilaris erscheint das Foramen magnum gross und oval, die Processus pterygoidei niedrig und breit, die Spina nasalis posterior kurz und breit, der Gaumen endlich lang, mittelbreit, tief und hufeisenförmig. — Erklämng der Tafeln. Tafel YII: Der Anachoreteu-Schädel Nr. 1 in seinen ö Normen. ., Till: Der deformirte Schädel von Mioko in seinen 5 Normen. (387) (o) Hr. ülshausen sprach über Bernstein-Funde in Italien. Der Vortrag wird später erscheinen. — (4) Hr. Karl von den Steinen demonstrirt eine anthi'opomorphe Todten-Urne von Maracä. (Hierzu 'J'afol IX mit den Urnen H und C) Das schöne Stück wurde jüngst von dem unter Leitung des Prof. Yngvar Nielsen stehenden ethnographischen Museum in Christiania, das noch ein zweites und grösseres Exemplar besitzt und beide aus Para erhalten hat. in Umtausch er- worben. Mit besonderer Rücksicht auf die „Gesichts-Urnen", für deren Betrachtung auch in America stets der Virchovv'sche Aufsatz aus dem Jahre 1870, vergl. Zeitschr. für Ethnol. H, S. 73, zum Ausgangspunkt gedient hat, giebt der Vortragende ein- leitend einen kurzen Ueberblick über die drei keramischen Fundstätten an der Mündung und im Norden des Amazonas: auf der Insel Marajo, deren Todten- Urnen schon Martins bekannt waren und deren Töpferei im VI. Bande der „Archivos do Museu Nacional do Rio de Janeiro" 1885 eine ausführliche Behandlung er- fahren hat, ferner am Rio Cunany an der Küste von Brasilisch-Guayana, wo das unter Emilio A. Goeldi erblühende „Museu Paraense" (vgl. dessen Memorias I, 1900) aus Schachtgräbern neue und ansserordentlich schöne Typen hervorgeholt hat, sowie drittens am Rio Maraea, einem kleinen oberhalb Maeapa in den Amazonas von linksher einströmenden Plüsschen. Die Grotten von Maraea, die hoch über dem Ufer am Ende einer steil ab- fallenden Ebene liegen, wurden 1872 von dem verdienstvollen Amazonas-Forscher Ferreira Pen na besucht. Er fand dort frei auf dem Boden unter vielen Scherben zwei vollständig erhaltene anthropomorphe und mehrere zoomorphe Urnen von durchaus anderem Stil als die Marajö-Gefässe. Nähere Angaben und Abbildungen finden sich in einer nachgelassenen Arbeit des nordamerikanischen Geologen Carlos Frederico Hartt (S. 25ff.) in dem erwähnten VI. Band der Archivos M. N., sowie ebendort in einer breit angelegten, leider im Gegensatz zu Hartt mit unglücklichen Speculationen durchsetzten Untersuchung von Ladislau Netto über die Marajö- Keramik. Kleine zoomorphe Urnen sind dargestellt: Fig. 3, S. 38 („Jabuti = Schildkröte?"), idem S. 399, aus dem Museum in Para, und ein „Tapir?", S. 399 (beschrieben S. 39), früher in Rio, jetzt im Berliner Museum für Völkerkunde. Die Thier-Urnen haben menschliche Gesichter und zeigen auf dem Rücken eine mit einem Deckel verschliessbare Oeffnung; der Deckel war mit einer weissen Substanz angekittet. Sie enthielten Knochen, aber nur wenige, während die anthropomorphen Urnen nach Penna ganze Skelette geborgen haben sollen und zwar in der bestimmten Ordnung, dass das Becken auf dem Boden, die Röhrenknochen an der Wandung neben den kleinen Knochen und der Schädel obenauf lagen. Hartt giebt die Abbildung und Beschreibung der beiden von Penna auf- gefundenen Urnen, die beide eine auf einem Schemel sitzende Menschen-Figur darstellen und die wir mit A und ß unterscheiden wollen. A: Arch. M. N. VI, Fig. 1, p. 30, desgl. p. 313, nach einer Photographie, aber mit undeutlichen Einzelheiten. Es ist die kleinere Urne, nur 38 cm hoch, der Leib 15 cm breit. Sie enthielt ein Kincier-Skelet. 25 * (388) B: Von Hartt besonders beschrieben in einer vorläufigen Mittheilung „on the o'ccurence of face urns in Brazil", American Naturalist, Salem 1872, Bd. VI, p. 607. Die rohe, schematische Abbildung ist zum Vergleich hier auf Tafel IX wiedergegeben. Die Urne befindet sich in Pani und enthält Theile eines Skelets; der Schädel fehlt. Hartt bezweifelt auch, dass sie gross genug sei, um ein ganzes Skelet zu bergen: Der Kopf 9 — 10" hoch, der cylindrische Körper einschliesslich des Schemels 2' hoch und etwa 9" im Durchmesser. Zu den beiden Hartt' sehen Urnen gesellen sich nun die Berliner Urne C und die grössere von Christiania, alle mit demselben Typus: auf einem vierfüssigen Schemel sitzt hoch aufgerichtet eine nach dem Geschlecht bezeichnete menschliche Figur von cylindrischem Körper. Die nach vorn mit fast rechtwinkligen Ellen- bogen vortretenden Arme sind auf die niedrigen Kniee gestützt; der Kopf von der Form eines flach abgestumpften Kegels, ist, als ein abzuhebender Deckel dem Rumpf-Cylinder aufgesetzt. C: Die Berliner Urne, auf Tafel IX in drei Ansichten dargestellt, besteht aus glatt verstrichenem, röthlich lehmfarbenem Thon und hat folgende Maasse: Kopf 13 (7/;, Rumpf 33,5 cm, Schemel 8,5 cm, insgesammt bb^m hoch. Durch- messer des Rumpfes 20,5 cm. Der Schemel, vorn 22,5 i-w, seitlich 18,5 c/n breit, hat die bekannten 4 Füsse, die paarweise aus je einem etwas schiefgerichteten Brettchen ausgeschnitten sind; an der viereckigen ringsum vorspringenden Sitzplatte sind seitlich Ansätze, wahr- scheinlich Kopf und Schwanz eines Thieres, abgebrochen. Bei dem Schemel von A ist dieser Kopf erhalten und trägt, wie die zoomorphen Urnen, menschliche Ge- sichtszüge. Die Beine fallen auf durch die kurzen, äusserst dickbäuchigen Unterschenkel, eine Besonderheit, die auch den Thier-Urnen eigenthümlich, dem Stil anzugehören und nicht etwa Producte der Waden-Uraschnürung darzustellen scheint. An den platt aufstehenden Füssen Polydaktylie: links zählt man 9, rechts S Zehen, bei 1> beiderseits G. Den Füssen nicht unähnlich sind die Hände mit G oder 7 Fingern. die auf die Kniee aufgestützt sind. Dabei stehen die Unterarme senkrecht mit den Ellenbogen gleich Knieen vorwärts gerichtet, während die Oberarme in 45° und zwar zu weit nach vorn von der Brust ausgehen. Ueber den Ellenbogen und über den Handgelenken Armbänder. Man hat den Eindruck, als ob die sonderbare Stellung der cylindrischen Arme durch eine ungeschickte Lösung der Aufgabe, die Armröhren frei abzusetzen, zu Stande gekommen sei. Eine genauere Betrachtung zeigt, dass es sich in gewissem Sinne um eine .,Skelet-Urne" auch in morphologischem Sinne handelt. Man erkennt in flachen Vorwölbungen seitlich ausserhalb des Ursprungs der Extremitäten die Gelenk- köpfe der Humeri und der Femora; man erkennt auch als kleine Knöpfe die Condylen der Humeri und Femora, sowie die inneren und äusseren Knöchel ober- halb der Füsse, vcrgl. die Abbildungen auf Taf. IX. (Zur besseren Deutlichkeit sind die Theile hell angemalt worden, aber zu stark weiss ausgefallen.) Als ein schmaler quergekerbter Grat ziehen die Dorn -Fortsätze der Wirbelsäule den cylindrischen Rumpf hinab, vergl. die Rücken-Ansicht. Zwischen den Armen er- scheinen als Schenkel eines stumpfen Winkels die beiden Schlüsselbeine. Eine ähnliche Knochen-Darstellung bemerkt man bei der schematischen Zeichnung von B. Die Gelenkköpfe scheint Hartt nicht verstanden zu haben. Z? 5, C $. Das Geschlecht ist sorgfältig charakterisirt. Bei 6' Nabel und Brust- Avarzen, (389) Der Kopf ist der Deckel. 4 Paare von Löchern dicht an dem Rand in regelmässigen Abständen, erlauben Verschnürung. Bei B waren nach Hartt palmstrohähnlichc Roste vorhanden und wurden die beiden Theile hernach mit braunem Wachs verklebt. Die Haargrenze ist durch eine entsprechend gebogene Leiste wiedergegeben. Die Nase reicht als senkrechte Leiste bis nahe an den Rand des Stirnhaars über die querstehenden Augenbrauen empor. Augen und Mund erscheinen als zu- sammengedrückte Ringe. Unter dem Mund und von gleicher Breite ragt in B ein Lippenpflock vor. Der Pflock (oder das Loch für ihn) ist auch bei .1 erkennbar: er fehlt auf der Zeichnung von B. Oben endet der Kopf in eine horizontale Platte mit vorspringendem Rand und hat hinten einen, wie ein Haarknoten oder ein Schmuckstück abstehenden, vier- eckig gestielten Ansatz. Bei .1 und B ist die Platte oben mit zahlreichen konischen Höckerchen besetzt. Solche Kopfdeckol sind noch vereinzelt gefunden worden, vgl. die o Abbildungen im Arch. M. N. VI, Fig. 2, p. 37 (wiederholt p. .ioO), p. 330 und 33L Die letztere hat einen eigenthümlichen Zierat auf dem Scheitel. Bei dieser Gelegenheit sei darauf hingewiesen, wie selten der Gefäss-Deckel in America eine selbständige Ausbildung erfahren hat. In Guatemala giebt es kleine anthropomorphe Gefässe, wo das Köpfchen den Verschluss bildet und ab- gehoben werden kann. — (5) Neu eingegangene Schriften: 1. Baelz, E., Die Rassen-Elemente in Ost-Asien, speciell in Japan. Referat eines Vortrags. Tokyo 1900. S». (Aus: Mittheil. d. Deutsch. Ges. f. Natur- und Völkerkunde Ost-Asiens. VIII. Heft.) 2. Derselbe, Die Ostasiaten. Stuttgart: K. Wittwer 1901. .so. 3. Derselbe, Die körperlichen Eigenschaften der Japaner. T. \. Yokohama 1S83. 4". (Aus: Mittheil. d. Deutsch. Ges. f. Natur- und Völkerk. Ost-Asiens. XXVIII. Heft.) Nr. 1 — 3 Gesch. d. Verf. 4. Preuss, K. Th., Phantasieen über die Grundlagen der Cultur. Braunschweig 190L 40. (Aus: Globus.) Gesch. d. Verf. ö. Onnis, E. Ardu, Officine litiche in Sardegna. Cagiiari 1901. S». (Aus: ,,La Piccola Rivista".) Gesch. d. Verf. 6. Schliz, A., Das steinzeitliche Dorf Grossgartach. Stuttgart: Enke 1901. 4". Angekauft. 7. Petrie, W. M. Flinders, Diospolis Parva. The cemeteries of Abadiyeh and Hu 1898/99. With chapters by A. C. Mace. — London, Egypt exploration fund 1901. 40. Angekauft. 8. Lista, Ramön, Los Indios Tehuelches. Buenos Aires: P. E. Coni 1S94. 8*^. Gesch. d. Hrn. Lehmann-Nitsche, La Plata. 9. Hollender, Artur, Om Sveriges nivuförändringar efter människans invandring. Stockkolm, P. A. Norstedt 1901. S». (Akad. Afhandl.) 10. Grip, Elias, Skuttungemälets Ijudlära. Stockholm, P. A. Norstedt 1901. 8". (Akad. Afhandl.) 11. Petrini, E., Om känslolagar, üpsala, C. J. Lundström 1900. 8°. 12. Alrutz, G. L. R., Untersökningar öfver smärtsinnet. üpsala 1901. S«. (Akad. Afhandl.^ (390) 13. üschakoff, J., Das Localisations-Gesetz. Eine psychophysiologische Unter- suchung. I. Helsingfors, Central-Druckerci 11)00. 8°. (Dissert.) Xr. 9 — 13 Gesch. d. Kgl. Universitäts-Bibliothek in Upsala. 14. Die Säcuiarfeier der Gesellschaft für nützliche Forschungen zu Trier am 10. April 1901. Trier 1901. 4". 15. Pestschrift der Gesellschaft für nützliche Forschungen zu Trier. Der Psalter Erzbischof Egberts von Trier von H. V. Saxierland und A. Hasel off. Mit 62 Lichtdruck-Tafeln. Trier 1901. 4o. Nr. 14 u. 15 Gesch. d. Gesellschaft f. nützl. Forsch, zu Trier. 16. Cretu, Grigorie, Lexicon slavo-romänesc. Bucuresci, G. Göbl 1900. 8°. 17. Marian, Siin. Fl., Serbätorile laRomanT. Studiu etnografic. Vol. III. Bucuresci, C. Göbl 1901. 80. 18. Sturdza, Diinitrie A., si C. Colescu-Yartic, Acte si docuuiente relative la istoria renascerer romaniei. Vol. I. Part IL Vol. VI. Part IL Vol. VIIL Bucuresci, C. Göbl 1896—1900. 8«. Nr. 17 u. 18 Gesch. d. Rumänischen Akademie zu Bukarest. 19. Studies [of the] Colorado College. Vol. IX. Colorado Springs 1901. 8". 20. Strebel, Herman, The sculptures of Santa Lucia Cozumafiualpa, Guatemala, in the ethnological Museum of Berlin. Washington 1901. 8'^. (Aus: Smithson. Report for 1899.) 21. Blumentritt, Ferdinand, List of native tribes of the Philippines and of the languages spoken by them. Washington 1901. 8". (Aus: Smithsonian Report for 189!».) 22. Virchow, Rudolf, The peopling of the Philippines. Washington 1901. 8". (Aus: Smithson. Report for 1899.) 23. 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Berger, Philippe, The excavations ofCarthage. Washington 1!»0U. 8^ (Aus: Smithson. Report for 1898.) Nr. 19 — 30 Gesch. d. Smithsonian Institution. Sitzung vom Ki. November lOOl. Vorsitzender: Hr. R. Yirchow. (1) Der Vorsitzende begrüsst die Gäste: Hrn. AV. v. Haaneken und Hrn. Major Kundt. — (2) Seit unserer letzten Sitzung im Juli hat der Tod manchen erfahrenen und kenntnissreichen Forscher dahingerafft. Darunter ist in erster Linie zu erwähnen der grosse Xordlands- Forscher, Freiherr Adolf Erik Nordenskjöld, der am 1-2. August im Alter von 59 Jahren in Stockholm verstorben ist. Seine wissenschaftliche Tüchtigkeit und seine starke Willenskraft hat ihn zum Stolz und zum Liebling seiner Nation gemacht. Wir ver- missen in ihm einen erprobten lieben Freund. Sein Sohn Otto ist aber als wissen- schaftlicher Chef der schwedischen Südpolar-Expedition in Süd-America angelangt; ein älterer ist vor einigen Jahren, nachdem er die Gegend der Kliff Dwellers in Nord-America durchforscht und in einem trefflichen Werke geschildert hatte, der Schwindsucht erlegen. — Am 16. August hat die Berliner Universität eine ihrer grössten Zierden ver- loren: Karl Weinhold, der berühmte Germanist, ist in Nauheim, wo er eine Linderung seines langen Leidens suchte, unerwartet schnell verstorben. Er war uns im Laufe der letzten Jahre recht nahe getreten, indem er diejenige Seite der Anthropologie mehr pflegte, welche unsere Gesellschaft nicht in gleicher Aus- dehnung bearbeiten konnte, nehmlich die volkskundliche. Als Hr. Virchow es ablehnen musste, in unserer Gesellschaft eine volksthümiiche Abtheilung ins Leben zu rufen, entschloss Weinhold sich auf seinen Rath, stark gedrängt durch den xanruhigen Ulrich Jahn, die bis dahin von Steinthal geleitete sprachwissenschaft- liche Zeitschrift zu übernehmen und eine besondere Gesellschaft für Volkskunde zu gründen. Bis zu seinem Tode führte er den Vorsitz in derselben; seine liebens- würdige Ruhe und sein tiefes Wissen sicherten ihm einen grossen Erfolg. Wir vermissen ihn schmerzlich. — Etwas früher, am 4. August, schloss der Tod die Augen eines anderen sehr thätigen Mitgliedes, des Ritterguts-Besitzers Alexander Treichel, der im G4. Lebens- jahre nach langen und schweren Leiden einen sanften Tod fand. Er starb auf seinem Gut Hoch-Paleschken in Westpreussen an Kehlkopf- Krebs, nachdem er eine gewaltige Operation, die Excision des ganzen Kehlkopfes, mit Ergebung er- tragen und für kurze Zeit eine Besserung erfahren hatte. Sein Geist war bis zu- letzt ungebrochen; seine letzte Arbeit wurde der Gesellschaft in der Sitzung vom lö. December 1900 vorgelegt. Er war ein „selbstgemachter Mann", der an der Hand der Botanik seinen Weg in die objective Methode gefunden hatte. Seine sehr be- gabte Tochter, die ihn auf manche seiner Reisen begleitete und die selbst schrift- stellerisch thätig ist, weilt mit ihrem Manne, dem bekannten Erforscher von Niederländisch-Indien, in Frankfurt a. M. — (392) (;}) Fast um die gleiche Zeit, am 5. August, ist in München eines der origi- nellsten Mitglieder der Deutschen Anthropologischen Gesellschaft, Johannes Sepp, 85 Jahre alt. gestorben. Als er zu uns trat, hatte er schon einen Ruf als parla- mentarischer Redner erlangt und bei unseren General-Versammlungen bewährte er sich als ein sehr gewandter Volksredner. Ursprünglich in mehr religiösen Studien beschäftigt und der clericalen Richtung zugewandt, war er nach der Begründung des Deutschen Reiches entschlossen in die nationale Bewegung eingetreten. In dieser Zeit besuchte ihn, auf seine Einladung, Hr. Virchow auf seiner schwäbischen Besitzung, dem alten, berühmten Kloster Wessabrunn, in dessen Umgebung Sepp eine Fülle alter germanischer Cultstätten aufgefunden zu haben glaubte. Das Kloster war ein sehr kostspieliger Besitz, der nichts einbrachte und der daher nicht gehalten werden konnte. Das an sich verbitterte Gemüth des greisen Mannes wurde dadurch tief erschüttert. Nichtsdestoweniger hielt er an seinen alten Er- innerungen fest. Es wird gewiss Interesse haben, folgenden Brief zu lesen, den Hr. Virchow bei Gelegenheit unserer letzten Feier von ihm erhalten hat. Der Brief lautet: Hochedelgeborner Herr Geheimrathl v Anspruchslos auf Ehren und Würden, haben Sie, der Stolz der deutschen, ja europäischen Gelehrtenwelt, das «0. Lebensjahr erreicht, und alle Welt wünscht Ihnen hierzu Glück. Als Stern im Reiche der Wissenschaft, wie seit Leibniz kein so universeller Geist mehr aufgetreten, haben Sie Licht in die ursprüng- liche Vergangenheit der Menschen gebracht und, als eigentlicher Begründer der neuen Wi^ssenschaft der Anthropologie, selbst die Gräberwelt belebt, ohne uns arme Sterbliche zum Pitheken-Geschlcchto zu erniedrigen. Die ganze Nation triumphirt im Hinblick auf einen so überlegenen Geistesmann. Einst haben Sie als Professor uns Bayern zunächst angehört. Gestatten Sie einem Ihrer eifrigsten Verehrer und bescheidenen Mitglied des Anthropologen-Vereins, auch Theil- nehmer an Ihren berühmten Congressen, mir dem 85jährigen, Ihnen meine Huldigung zu Ihrem Geburtstage darzubringen. Möge Ihr unermüdlicher Geist noch lange den Körper aufrecht erhalten, Sie dürfen uns nicht fehlen. Ihrer Weisheit gegenüber wird mancher sonst eminente Fachmann sich fragen: wer kann Ihnen die Schuhriemen auflösen? Viele Ihrer Anhänger sind hinüber- gegangen, auch der mir näherstehende Altersgenosse Sc haaff hausen hat uns verlassen, ich selbst habe nichts mehr vor mir als das Grab; aber es drängt mich, vor dem letzten Abschiede noch einmal zu Ihnen als einem Manne der Unsterblichkeit aufzublicken. Lassen Sie für Ihre unsterblichen Leistungen im Namen des Vaterlandes gleich Tausenden mit Dankesiiusserung sich Ihnen empfehlen und in Ihr Gedächtniss zurückrufen Ihren aufrichtigst ergebenen Diener München, ',). October 1!»01. Professor Dr. J. Sepp. (4) Die Gesellschaft hat wieder eines ihrer correspondirendcn Mitglieder ver- loren. Am 7. Juli starb in Batavia Hr. Dr. L. Serrurier. Professor an der Special- Schule für den Civildienst von Niederländisch-Indien. Viele von uns werden sich ■ seiner erinnern. Er hat uns bei Gelegenheit des internationalen Amerikanisten- Congrcsses in Berlin besucht. — (5) Als neue Mitglieder werden gemeldet: Hr. Landrichter Wilhelm Langerhans in Berlin. .. Dr. med. Gustav Muskat in Berlin, (3113) Hr. cand. med. Walter Loh mann in Berlin. „ Reichstags-Abgeordneter Bassermann in Mannheim, „ Dr. Hermann Pühner in Strassburg i. E., „ Rentner John Carl Gudewill in Braunschweig. (6) Hr. Staatsrath Dr. Rad de in Tiflis feiert am 26. November seinen 70. Geburtstag. Der Vorstand hat ihm ein Glückwunsch-Schreiben gesendet. — (7) Als Rechnungs-Revisoren sind wieder die HHrn. E. Friedel und Eis sauer gewählt worden. — (s) Hr. Dr. med. Lewitt hat die Anfertigung des General-Registers für die Bände XXI — XXX unserer Zeitschrift übernommen und die Arbeit bereits begonnen. — (*») Das Museum für die Deutschen Volkstrachten und die Erzeug- nisse des Hausgewerbes veranstaltet vom L'). bis 18. November eine Aus- stellung von Bauern-Schmucksachen. — (10) Hr. J. G. F. Riedel schreibt aus dem Haag in einem Briefe an den Vorsitzenden, 16. September, über die sogenannten Mongolen -Flecke der Kinder. Die charakteristische Thatsache — nehmlich die sogen. Mongolen-Flecke — , welche Hr. E. Baelz beobachtet und in der März-Sitzung besprochen hat, habe ich schon vor Jahren bei Kindern auf Selebes und anderen Indonesischen Inseln beobachtet; selbst bei einem jungen Papua-Mädchen. Wenn ich nicht irre, habe ich Ihnen von Gorontalo bereits darüber geschrieben. Ich bin z. Z. in Europa und kehre bald wieder nach Indonesien, meiner Heimath, zurück. — (11) Hr. E. Baelz (Tokio) schreibt auf seiner Rückreise aus Vancouver, British Columbia, Canada, 19. August, zur Frage von der Rassen -Verwandtschaft zwischen Mongolen und Indianern. In den Sitzungen der Berliner anthropologischen Gesellschaft im Februar und März d. J. behandelte ich ausführlich die blauen Flecke, welche alle neugeborenen Mongolenkinder in der Kreuzbeingegend (und oft auch anderwärts) zeigen, und auf welche ich zuerst im Jahre 18.S-_> die Aufmerksamkeit gelenkt hatte. Ich habe die Flecke ausser bei Japanern auch bei koreanischen, chinesischen und malayischen Kindern beobachtet, und habe geschlossen, dass sie ein wesentliches Merkmal der gesammten mongolischen Rasse darstellen, das man auch zur Entscheidung der vielumstrittenen Frage von der Verwandtschaft zwischen den Mongolen und den Indianern Nordamerikas benutzen sollte. Ich habe nun Gelegenheit gehabt, in der Missionstation bei North Vancouver in British Columbia zwei indianische Kinder zu untersuchen, ein reinblütiges von 2 Jahren und ein Halbblut von 11 Monaten. Beide Kinder zeigten dieblauen Flecke, aber allerdings weit weniger deutlich als Mongolenkinder, so dass man ffcnau zusehen musste. um sie zu bemerken. (3\U) Obwohl man natürlich aus einer so kleinen Zahl keine Schlüsse ziehen darf, ist doch die Beobachtung au sich interessant, und wenn weitere ausgedehnte Untersuchungen das Vorkommen der blauen Flecke als Regel bestätigen, so hat man zum ersten Mal ein typisches anatomisches Beweismal für die nahe Ver- wandtschaft der beiden Rassen. Es wäre übrigens wünschenswerth, dass man auch bei den dunkelen (brünetten) Rassen Mittel- und Südenropas nachforschte, ob sich nicht dort, wenn auch nur mikroskopisch und im späteren Fötalleben (bei dem Mongolen fötus habe ich sie im 4. Monat nachweisen können) Spuren von diesen Flecken finden. Man hat ja die „alpine" oder keltische Rasse schon oft in Beziehung zu den Mongolen ge- bracht, und es wäre, diese Beziehung als richtig vorausgesetzt, geradezu auf- fallend, wenn sich bei ihr nicht wenigstens Andeutungen dieses merkwürdigen Phänomens nachweisen Hessen. Die geburtshülflichen Kliniken haben reiches Material zur Entscheidung dieser Frage. — (12) Das correspondircnde Mitglied Capt. Fedor Schulze sendet aus Batavia, "2. October, folgende Abhandlung: Der Mensch in den Tropen. Unter diesem Titel erschien im 16. Heft des 20. Jahrgangs der Zeitschrift: .,Yom Fels zum Meer"' ein Artikel von Dr. J. Myleus, dessen Inhalt meiner persönlichen Erfahrung so widerspricht, dass ich beschloss, meine Ansichten dar- über auseinander zu setzen, um möglichst irrthümliche Urtheile über tropisches Klima zu neutralisiren, zumal da ja wirklich in letzterer Zeit das Interesse von ganz Europa für die Tropen sehr zugenommen hat. "Während meines 43jährigen Aufenthalts in Ostindien und meiner vielen Reisen durch den ganzen Malayischen Archipel von Nord nach Süd und von Ost nach West habe ich, wiewohl kein Medicus seiend, doch als ethnologischer Forscher Gelegenheit gehabt, Länder und Bewohner gründlich kennen zu lernen und seine Verhältnisse nach allen Richtungen zu studiren. Dass das für den Europäer ungewohnte Klima der Tropen bei einer Ueber- siedelung Gefahren in sich birgt, ist nicht zu leugnen, aber weit würde man von der Wahrheit sein, wenn man diese Gefahren überschätzen wollte, oder wenn man annähme, dass dies Klima den Europäer unfähig für körperliche Arbeit mache. Dass während der heissen Tagesstunden überhaupt anstrengende Arbeit in der Sonne nicht rathsam ist, unterliegt keinem Zweifel, die Verhältnisse in Indien sind aber so, dass dies auch keineswegs nöthig ist. Ohne seiner Gesundheit zu schaden, kann der Europäer des Morgens von G— 9 Uhr und gegen Abend von Ve^ bis 6 Uhr (auch ohne Schatten) Feldarbeit verrichten, während er die übrige Tageszeit verständiger Weise zu Arbeiten im Schatten oder unter Dach und Fach benutzen kann. Eine Siesta Mittags möge recht angenehm sein, nöthig ist sie aber nicht. Ein Schlaraffenleben während der heissen Tageszeit zu führen, bedingt das Tropenklima absolut nicht. In den Gebirgsgegenden (200 — 1000 m über dem Niveau des Meeres) sind die Bedingungen noch bei Weitem günstiger. Commentare hierfür wird jeder auf- merksame Beobachter auf Java, Sumatra und anderen Inseln des Ostindischen Archipels finden. (395) Locale Yerhitltnisse üben allerdings wohl Einfluss aus, doch können diese bei einer Beurtheilung' dos Klimas nicht als niaassgcbend consirt werden, wo so eine übergrosse Auswahl von Land besteht. Ehe ich zu einer näheren Detaillirung meiner Meinung übergehe und speciell auf die europäische Arbeitskraft in den Tropen einen Bück w^erfo, will ich hier erst noch auf einzelne Irrthümer weisen, die mir in obengenanntem Artikel be- sonders auffielen. — Vieles ist ja auch richtig und zutreffend, was ich hierunter noch releviren werde. Ob die Engländer bei einer Uebersiedelung nach Ostindien immer das Cap als Zwischenstation nehmen, um den Uebergang vom europäischen zum indischen Klima zu vollziehen, möchte ich stark bezweifeln, leicht ist es wohl nachzuweisen, dass dies nicht der Fall ist und dass die meisten englischen Transportdampfer durch den Suez-Canal direct nach Vorderindien gehen. Dahingegen stimme ich der richtigen practischen Consequenz zu, dass all- mählicher Uebergang rathsam ist. Aber dazu bedarf es keiner aparten Zwischen- station, so als Capland, weil ja in Ostindien überall Bergländer zu finden sind, die ein sogenanntes capländisches Klima haben und wo sich der Europäer aus- gezeichnet akklimatisiren kann. Dass der Europäer in Ostindien wegen der Steigerung der Wärmeproduction durch körperliche Arbeit nur zu leitenden Stellungen verwendbar sein soll, ist un- richtig, resp. eine ganz verkehrte Auffassung. Man braucht sich nur die tausende europäischen Werkstätten auf Java anzusehen, um anderer Meinung zu werden. — Darin verrichten Europäer neben Chinesen und Malayen körperliche Arbeit 8 bis 10 Stunden täglich, ohne dass sie ihre Gesundheit schädigen. — Und die Werk- stätten findet man nicht allein in den Gebirgsgegenden, sondern selbst grössten- thc'ils an den Rüsten. Dieser Zustand datirt allerdings erst seit ungefähr iO Jahren, früher scheute der Europäer solche Arbeit. Angenommen, dass der Europäer für den sogenannten nassen Reisbau (Sowa- Reis) nicht so gut taugt wie der Eingeborene, so will damit noch keineswegs gesagt werden, dass er für andere Feldarbeit unfähig sei; — es bestehen in den Tropen ausser dem Reis ja noch so viele andere Culturen, wobei der Arbeiter sich nicht so lange Zeit der Sonnenhitze bloszustellen hat. Die Landbau -Colonie bei Puspo (Pasaruan) und hunderte kleine Höfe von pensionirten Militärs im. Innern Javas beweisen, dass der Europäer, wenn er zweckmässig lebt, in den Tropen auch Feldarbeit verrichten kann. Nach der Meinung des Schreibers (Dr. Myleus) herrscht in Ostindien eine fuichtbare Sterblichkeit und mangelhafte Entwickelung von Kindern, von Europäern geboren; dies kann statistisch als ganz unrichtig erwiesen werden. Für das Kind bestehen hier in Lidien sehr günstige Condilionen. Körperlich und geistig ver- kümmerte Kinder kennt man hier wohl gar nicht. Der circulus vitiosus des Hrn. Dr. Myleus ist in Niederländisch-Indien nicht zu finden. Die Natur thut hier sehr viel, und das Leben in der freien Luft entwickelt das europäische Kind hier sehr günstig. Sogenannte Kinderkrankheiten sind un- bekannt. Wenn das indo-europäische Kind in geistiger Entwickelung hinter dem in Europa lebenden von gleichem Alter zurückbleibt, so ist die Ursache dafür lediglich zu suchen im mangelhaften Unterricht und geringerer Aufsicht von Eltern usw. Die Verhältnisse in Europa erleichtern die Aufsicht über Kinder, während das freie Leben in Indien diese sehr schwierig macht. Sehr richtig sagte Dr. v. d. Burg, der in Niederländisch-Indien ungemein reiche tropenpathologische Erfahrungen gesammelt hat, dass die geistig-e Leistungsfähigkeit der Europäer in Indien nicht durch das Tropenklima herabgesetzt würde. (Citat des Dr. Myleus). Weiter glaube ich nicht, dass das Tropenklima auf das Nervensystem der Tropenbewohner besonders ungünstigen Einfluss, der sich in Schlaflosigkeit und nervöser Reizbarkeit äussert, ausübt. Nervöse Menschen sind überall zu finden, in Indien nicht mehr als in Europa oder Amerika. Ebenso wenig leidet normalerweise das Moralgefühl, während Tropenkoller, in Indien wenigstens, ganz unbekannt ist. Ich entsinne mich nicht, während der 4o Jahre meines Aufenthalts in den Tropen eine Spur von diesem angeblichen Leiden gefunden zu haben. Arzt bin ich nicht, aber doch wohl ein aufmerksamer Beobachter. Dr. Myleus sagt dann auch wohl sehr richtig (nach Mense), dass dieser Tropenkoller eigens von Laien erfunden sei, um je nach der Parteien Hass oder Gunst vervverthet zu werden. Auch excentrische Menschen findet man unter den in den Tropen wohnenden Europäern nicht mehr als in der gemässigten Zone, in Niederländisch-Indien sind dergleichen Naturen selbst selten. Dr. Myleus' Meinung, dass unter den Palmen der Tropen für schwache Charactere mehr Gelegenheit bestehe, um aus dem moralischen Gleichgewicht zu kommen, ist ohne Grund; im Allgemeinen ist der europäische Tropenbewohner nicht weniger solide als der Bewohner der gemässigten Zone. Dergleichen ver- kehrte Ansichten können nur das Product sein von ungenügender, oberflächlicher Beobachtung. Ebenso ist es ganz unrichtig, zu sagen, dass die Gelegenheit, um aus dem moralischen Gleichgewicht zu kommen, in den Tropen grösser sei als in Europa und Nord-Amerika, wo Gesetz, Gesellschaft und gute Sitten wachen und engere Schranken ziehen. Ich will darauf nur antworten: Man sehe sich Niederländisch Ost-Indien an, dessen europäische Einwohnerschaft ein Mixtum von allerlei europäischen Nationen ist, die friedsam und gesittet neben einander leben, und bald wird man einer anderen Meinung zugethan sein. Das Concubinat in den niederen Ständen von Europäern und eingeborenen Frauen ist wohl weniger unmoralisch als die rafftnirte Prostitution in Europa. Der Europäer lebt mit diesen Frauen (Njahi = Gattin) ehrlich und ordentlich, nur das Attest des Standesbeamten fehlt, weil eine Partei christlich, die andere mohamedanisch ist. Scheidung besorgt keine Schwierig- keiten, Kinder folgen eventuell dem Stande des Vaters. Dergleichen Ehen, ohne Standesbeamten geschlossen, sind keineswegs unmoralisch, sondern den Ver- hältnissen des weniger Wohlhabenden angemessen und thun meistens Avas Solidität anbetrifft, nicht unter vor unseren gesetzlichen Ehen. Was Dr. Myleus über Tropenkrankheiten sagt, ist nur sehr relativ auf- zufassen. Wirklich specifische Tropenkrankheiten giebt es ja in Ost-Indien nicht, während eine Menge Krankheiten des Nordens hier selten oder gar nicht vor- kommen; auch Epidemien richten hier viel geringere Verwüstungen an als in Europa. Städte, wie Bombay, Madras usw., machen darin allerdings eine Aus- nahme, ebenso die Stadttheile in Niederländisch-Indien, die von Chinesen occupirt sind und wo man enge Gassen und dicht bei einander gebaute Wohnungen (Petaks) findet. Was die Malaria betrilft, darüber sind die Gelehrten wohl noch nicht einig. Dr. Myleus nennt die Malaria die wichtigste Tropenkrankheit, die nach R. Koch durch die Stiche der Mosquitos übertragen werde. Ob dies Alles richtig ist, will ich nicht beurtheilen, die Erfahrungen des Laien will ich nicht gegenüber den Forschungen des berühmten Arztes stellen, wiewohl die medicinische Pacultät in Ost-Indien en bloc das Problem ebenfalls als noch nicht gelöst betrachtet. (397) Meine Erfahrunf? lehrte mich, dass Malaria in Ost-Indien verhältiiissraässig viel in sumpfigen Küstenländerti vorkommt, weniger in Gebirgsgegenden, beinahe gar nicht im Gebirge über IJOU m Höhe. Dr. med Rupert in Garut, ein alter, el'- fahrener Tropenarzt, constatirte Malariafälle in dem so besonders gesunden Garut (Preangerland, West-Java, 700 m über dem Meeresniveau) und zwar in den zwei Monaten nach der Reisernte, wonach sich stets absolut keine Fülle mehr zeigten. Dasselbe lüsst sich von Malang (Ost-Java) und anderen Gegenden sagen. Ganz frei von Malaria sind nur die hohen Gebirgsgegenden, wo keine nasse Reiscultur besteht. Mit Hinsicht darauf könnte man sagen, dass Malaria wirklich eine Tropen-Krankheit sei, da sie aber auch im Süden Europas und überhaupt bei Sümpfen vorkommt, dürfte die Qualification als ^Tropenkrankheit" wohl nicht ganzi richtig sein. Ob es möglich sein wird, auf kleinen Inseln die Mosquitos ganz auszurotten, muss wohl bezweifelt werden. Eine Eigenthümlichkeit der ostindischen Malaria ist, dass sie sich nicht weit von den sumpfigen Gegenden entfernt, auf einige Meilen Abstand von Rawas (Sümpfen) findet man absolut gesundes Klima. Demnach müssten sich evenlualitor europäische üebersiedelungen in grossem Maasstabc keine Rawa-Gegendcn oder Küstenstriche zum neuen Domicil aussuchen. Ganz stimme ich Dr. Myleus bei, wo er sagt, dass Tropenkrankheiten die geringsten Hindernisse für das Fortschreiten der Colonisation seien und dass die moderne Hygiene die Mittel zur Assanirung ungesunder Gegenden bietet. Früher war Niederländisch Ost- Indien verrufen wegen seiner schlechten Gesundheits- verhältnisse und jetzt kann man nicht anders sagen, als dass die meisten Plätze im Archipel besonders gesund sind. Dies verdankt man hauptsächlich der durch- geführten modernen Hygiene. Dass übrigens, nach Dr. Myleus' Meinung, die Hauptschvvierigkeit für Coloni- sation in den Tropen in unabänderlichen physikalischen V^erhältnissen, in dem Zwiespalt zwischen Wärraehaushalt und Stoffwechsel des Organismus liege und dass daran jede dauernde Uebersiedelung in grossem Maasstabe scheitern müsse, darf man, meiner Meinung nach, nur als eine Warnung zu Vorsicht und zweck- mässiger Organisation annehmen. Die Verhältnisse in Kamerun und in Ostindien sind sehr verschieden, wollte man auf Grund von den Zuständen in Kamerun concludiren, dass in den Tropen überhaupt für den europäischen Arbeiter kein Platz sei, so würde man einfach fehlgreifen. Ueber die Akklimatisationsfähigkeit urtheilt Dr. Myleus auch wohl etwas sehr apodictisch. Was die Chinesen betrifft, hat er ja vollkommen Recht, von allen Völkern akklimatisiren sie sich wohl am leichtesten, doch im Uebrigen bin ich nicht seiner Meinung. Im Malayischen Archipel akklimatisiren sich im Allgemeinen von allen Europäern die Germanen am leichtesten; die Archive des holländischen Militär-Departements und die Standesamtsregister könnten dazu eine Statistik liefern. Darauf folgen die Portugiesen, Spanier, Franzosen, Italiener, Holländer und dann erst die Eng- länder. Im Allgemeinen will der Engländer auch in den Tropen englisch bleiben, und er spottet der Lebensweise, welche dem indischen Klima angemessen ist. Was- ür. Myleus übrigens über die Ausbreitung des gelben Elements sagt, ist nur allzuwahr; die sog. „gelbe Gefahr" ist nicht zu unterschätzen; die Chinesen ver- mehren sich in den Tropen so stark, dass sie den factischen Besitz der europäischen Colonien wirklich gefährden. Auch durch Kreuzung mit einheimisch-indischen (398) und europäischen Elementen dringt das chinesische Blut überall ein. In einem folgenden Geschlechte bleibt der chinesische Mischling- meistens noch quasi Chinese? aber in folgenden Geschlechtern verliert sich dies schon und werden die Nach- kommen europäisch. Vor einigen Jahren sandte ich einen von mir entworfenen Stammbaum einer hier lebenden europäischen Familie ein, der in der Zeitschrift für Ethnologie in Berlin publicirt wurde. Er behandelte die Portpflanzung eines 1711 nach Ost -Indien gekommenen holländischen Ehepaares mit verschiedenen Zweigen und Kreuzungen. Besonders interessant w'ar dabei wohl, dass das europäische Blut sich bereits bis ins sechste Geschlecht gehalten hatte, aber auch, dass der portugiesische Mischzvveig ganz besonders productiv war. Chinesische Mischung fand erst im vierten Geschlecht statt, lieferte aber sehr günstige Resultate, während die Nachkommen, die jetzt noch zur Stelle sind, geistig und körperlich für die Zukunft noch viel versprechen. Deutsche Kreuzung fand in der Familie nicht statt. Die Fi'age nun, ob im Allgemeinen europäische Colonisation in Ost -Indien möglich sei und ob der Europäer sich überhaupt in den Tropen akklimatisiren kann, wage ich mit ,,Ja" zu beantworten. Aber nicht alle Gegenden in Ost-Indien taugen in wirthschaftlicher Beziehung zu einer Uebersiedelung in grossem Maass- stabe. Letzteres würde eine Bedingung für sich sein, die bei eventuellen Plänen nicht übersehen werden darf, ja worüber man selbst a priori im Klaren sein muss. Ganz als Laie will ich hier nur als meine Erfahrung und Beobachtungen kundgeben, dass der Gesundheitszustand des Europäers im Ostindischen Archipel hauptsächlich von seiner Lebensweise abhängt. Die Lufttemperatur ist ziemlich gleichmässig, bedeutende Schwankungen kommen nicht vor, auch der Unterschied zwischen Tages- und Nacht-Temperatur wirkt nicht störend auf die Gesundheit, im Gegentheil, ich möchte wohl sagen, es sei eine Conditio sine qua non. Da die atmosphärische Luft viel Wasserdarapf enthält, müssen die Wohnungen auch demgemäss eingerichtet sein, während die Nahrung des arbeitenden Europäers ganz speciell mit der Warrae-Oeconomie in Einklang stehen und deshalb ver- schieden sein muss von der der höheren Stände, die nach Belieben Siesta halten oder, wie Dr. Myleus sagt, ein Schlaraffenleben führen und spazieren gehen können. Der Temperatur-Spielraum des gesunden Europäers in Ost-Indien variirt zwischen :{6,5 und 37,5 ° C. Eine Steigerung bis 42, bezw. 42,5 ° oder ein Fallen auf oo, bezw. 32 ° C. hat meistens den Tod zur Folge. Nur in acuten Fällen kommt dies vor. — Es ist mit der Blutwärme des Europäers in Indien gerade so wie mit dem Anaeroid be- stellt, man müsste das Steigen und Fallen mit dem Nonius beobachten. Von grösster Wichtigkeit für die Gesundheit ist die Wirkung zwischen Wärme- Haushalt und Stoffwechsel, was nur durch zweckmässige Nahrungsaufnahme zu erreichen ist, während Qualität und Quantität der Nahrung in gutem Verhältniss zu den körperlichen Anstrengungen stehen müssen. Uebermässige Anstrengungen jeglicher Art und überreichliche Nahrungs- aufnahme, wodurch die Wärmeproduction aus dem richtigen Verhältniss gedrängt wird, wirken störend auf die Organe und können selbst gefährlich werden. Da- mit will aber nicht gesagt sein, dass der Europäer in Indien sich vor grossen Anstrengungen fürchten muss, diese werden ihm nicht schaden, wenn er sich dabei nur vor Erkältung d. i. zu schneller Abkühlung hütet, was allerdings nicht immer (35)9) geschieht, da das kalte Bad den Verstand oft betrügt. Viel weniger gefährlich sind Diätfehler. Wirft man einen Rückblick anf die Verhältnisse in Ost-Indien, wie sie vor 30 oder 40 Jahren waren, und vergleicht sie mit denen der Gegenwart, so kommt man zu ganz eigenthümlichen Conclusionen, und bieten das „Einst" und „Jetzt" enorme Contraste; — man kann daraus ersehen, was von einer europäischen Colonie in den Tropen gemacht ist. Eine andere Frage wäre es, ob nicht mehr hätte gethan werden können, doch diese gehört nicht in unseren Rahmen; ein Factum ist, dass das kleine Holland verhältnissmässig viel gethan hat. Vor 40 Jahren wurde in Niederländisch-Indien sehr viel Alcohol gebraucht, die Europäer lebten im Allgemeinen roher und unmoralischer als heutigen Tages. Jetzt ist gerade das Umgekehrte der Fall. Ausserdem haben die Mittel der modernen Hygiene während der letzten 30 Jahre so auf die Zustände im Allgemeinen eingewirkt, dass die neuen Verhältnisse denen des alten Ost-Indiens nicht gleichen. Besonders demzufolge ist die früher so gefürchtete Sterblichkeit in Ost-Indien nicht nur auf ein Minimum reducirt, sondern der allgemeine Gesundheitszustand, das Wohlbefinden, ist bedeutend gehoben. Die Tabellen des Standesamtes in Niederländisch-Indien über die letzten 20 Jahre zeigen, dass die Zahl der Sterbefälle von Europäern verhältnissmässig geringer ist als die in Flolland, während die Zahl der Geburten in Holland pro- portionell die Ost-Indiens übertrifft. Dies Letztere erklärt sich aber leicht aus dem Umstände, dass in Indien viele Europäer, besonders in den niederen Ständen, in sogenanntem Concubinat mit ein- geborenen Frauen leben, die egoistischer Interessen halber ungern Mutter werden. Die Fortpflanzung im Mittelstande ist normal. Fragt man nun, wer von den Europäern in Niederländisch-Indien eigentliche Arbeit verrichtet, so lässt sich folgende Uebersicht aufstellen: Ausser den lOOOO europäischen Soldaten zählt Niederländisch-Indien un- gefähr 50 (»00 europäische Männer, worunter allerdings wohl 10 000 Mischlinge und 15 000 Creolen sind. Höchstens ein paar hundert Europäer in Niederländisch-Indien sind so situirt, dass sie nur einige Stunden täglich zu arbeiten brauchen. Bei Weitem der grösste Theil der europäischen Einwohnerschaft arbeitet 0 - 10 Stunden oder durchschnittlich 8 Stunden. Der Kaufmann, Notar, Advokat, Industrielle usw. arbeitet wohl nicht in der Sonne, ebenso der Bureaubeamte, aber eigenthümlicherweise ermüdet dergleichen Arbeit in Indien mehr als Arbeit im Freien. Handwerker und Fabrikarbeiter arbeiten gewöhnlich von ß Uhr Morgens bis 4 Uhr Nachmittags, mit einer kleinen Rast des Mittags. Der Dienst des Militärs in Friedenszeit ist so regulirt, dass die Kräfte so viel wie möglich gespart werden; für die Verpflegung wird sehr gut gesorgt; tägliche Uebungen und Märsche unterhalten das Widerstands-Vermögen für die Anstrengungen im Kriege. Bei den Expeditionen wird oft sehr viel vom Militär gefordert, trotz- dem ist der Gesundheitszustand der Truppen in der Regel befriedigend — Sonnen- stich, als Folge von übergrosser Ermüdung kommt nur selten vor. Alcoholisten haben dazu die meiste Chance. Ueber die Arbeit der Europäer in den Tropen hat man in Europa vielerseits ganz verkehrte Begrifi'e, im Allgemeinen wird von Europäern in Indien mehr ge- arbeitet, als man wohl denkt. (400) Die Hauptfactoren für einen günstigen Gesundheitszustand in Indien sind aber stets eine genügende, zweclcmässige Nahrung, Ruhe nach anstrengender Arbeit und Reduction des Alcohol-Gebrauchs auf ein Minimum. (Siehe auch: „Führer auf Java" von L. P. M. Schulze. Seite 40ff.). Nach meiner festen Ueberzeugung hat der Machtspruch: ..Für den europäischen Arbeiter ist in den Tropen kein Platz" keinen festen Grund. Das Klima der Küstenländer und Niederungen ist sehr verschieden von dem des Innern von grossen Inseln, und dieser Unterschied zeigt sich bereits auffallend auf verhältnissmässig kurzem Abstände. So hat z. B Java schon auf 20— 4li k)n Abstand von der Küste ein gesundes frisches Klima, und findet man noch weiter dem Innern zu beinahe europäische Luft. Die herrlichen üppigen Gemüse- und Obstgärten im Preanger- Lande, der Landbau im Tengger- Gebirge, das prächtige Ajan-Ajan-Plateau bei Boadowosö, die Umgegend von Malang, Salatiga, die ganze Landschaft Kedu (Mittel-Java), ein grosser Garten, beweisen dies am besten; da ist auch Landbau, von Europäern selbständig betrieben, zulässig. Holland hat in vieler Beziehung noch wenig von seinem colossalen Reichthum der Colonien profitirt, warum? Dies ist eine Frage, deren Beantwortung hier wohl nicht am Platze sein dürfte, da sie ganz ausser dem Rahmen dieser Be- trachtung liegt. Viele Europäer, die nach Indien kamen, zogen es vor, nicht wirklich zu arbeiten, weil es ja von Alters her Gebrauch war, die Eingeborenen für sich arbeiten zu lassen, und daraus ist hauptsächlich die irrthümliche Meinung zu er- klären, dass der Europäer in den Tropen nur zu leitenden Stellen zu verwenden sei. In Nachfolgung davon meinten die Indo-Europäer auch zu gut für persönliche Arbeit zu sein, bis der Pauperismus sie zwang, die Hände an die Arbeit zu schlagen und jetzt befinden sie sich dabei sehr wohl. Die Colonisationsfrage ist von zu grosser Wichtigkeit, um irrthümliche Mei- nungen stillschweigend zu übergehen; man fasse Obiges nicht auf als eine Kritik. OS möge nur den Character von Meinungsaustausch haben, _du choc des opinions jaillit la verite", ist sicher wohl ein wahres Sprichwort. — (Li) Hr. 0. Helm in Danzig übersendet unter dem LS. August folgende Mit- theilung: Chemische Untersuchung von Bernstein -Perlen aus alten Tempel -Ruinen Babyloniens und aus Gräbern Italiens, sowie Verfahren zur Bestimmung der ßerusteinsäure im Bernstein. Hr. Prof. H. V. Hilprecht, Leiter der nordamerikanischen Expedition zur Er- forschung der altbabylonischen Ruinen von Nippur (dem jetzigen Niffen), hatte die Freundlichkeit, mir eine Anzahl der dort gefundenen Gegenstände zur Auswahl für chemische Untersuchungen zu übersenden. Ich berichtete über einige der- selben, welche aus Bronze und Kupfer angefertigt waren, bereits in diesen Ver- handlungen 1901, 157. Heute wähle ich einen anderen Gegenstand unter den Funden aus, den Bern- stein. Es waren davon zwei Perlen vorhanden, welche zwei Halsketten entnommen waren, deren andere Glieder sehr mannigfache waren. Es befanden sich unter ihnen einige, welche aus einer glänzenden Muschel geschnitten waren, andere aus bunten oder einfachen Glasflüssen und Email angefertigt, andere aus Thon, Achat. Bronze, Serpentin, Anthracit und Knochen. Die zwei aus Bernstein gefertigten hatten durch Oxydation und eingedrungene Erdfeuchtigkeit bereits sehr gelitten (401) und eine durchweg rothbraune Farbe angenommen; sie krümelten, mit den Fingern zerdrückt, völlig auseinander. Hr. Hilprecht hatte die Proben aus einem Thonsarge entnommen und schätzt ihr Alter auf 300 Jahre v. Chr., vielleicht etwas jünger. Bei der von mir vorzunehmenden chemischen Untersuchung handelte es sich darum, ob diese Bernsteinperlen aus Succinit gefertigt waren, d. h. aus dem Bern- stein, welcher dem fern belegenen Ostseegebiete entstammt, oder aus einem andei'cn fossilen Harze, welches einem näher belegenen Orte entnommen war. Von Letzterem kommen hier namentlich in Betracht: Sicilien, wo am Fusse des Aetna der schön gefärbte und gut bearbeitbare Simetit vorkommt, und Syrien, in welchem Lande aus Kreideschichten am Libanon fossile Harze gegraben werden, welche allerdings keine schönen Farben tragen, sich auch wegen ihrer mürben Beschaffenheit nur wenig zur Anfertigung von Perlen eignen, doch immerhin noch der Bearbeitung unterzogen werden können. Beide genannten bernsteinähnliche fossile Harze unterscheiden sich von dem eigentlichen Bernstein, dem Succinit, in chemischer Beziehung durch den Mangel an Bernsteinsäure. Um die Herkunft der beiden aus den Ruinen von Nippur stammenden Bernsteinperlen festzustellen, war es daher nur nöthig, ihren Gehalt an Bernsteinsäure zu ermitteln. Ich gebe nachstehend die Verfahren an, nach denen ich diese chemischi'U Untersuchungen vornehme, deren ich im Laufe der letzten zwei Decennien eine sehr grosse Anzahl ausführte. Es sind das zwei Verfahren, ein auf nassem Wege bewirktes und ehi auf trockenem Wege ausgeführtes, welchem Letzteren ich den Vorzug gebe. Im (Mstcron FaUo behandele ich eine abgewogene Menge des sehr fein zerstosseiien fossilen Harzes im Wasserdampfbade und in einer verschlossenen Flasche längere Zeit mit einer frisch bereiteten Lösung von Kali- oder Natron- hydrat in 9ßprocentigem Alkohol. Ich nehme auf \0 g Harzpulver etwa 5 f/ Alkali und 100// Alkohol. Dann flltrire ich das Ungelöste ab, wasche zunächst mit Alkohol gut nach, dann noch sorgfältig mit kochend heissem Wnsser, um die im Rückstande enthaltene, an Alkali gebundene Bernsteinsäure aufzulösen. Die alko- holische Lösung verdunste ich sodann, vermische den stark nach Bernsteinöl riechenden harzigen Rückstand mit dem wässerigen Auszuge und sättige ihn in der Wärme mit Chlorwasserstoffsäure ab, bis eine saure Reaction eingetreten ist. Dadurch, scheidet sich ein harzartiger Körper ab, welcher durch ein Papier- ftlter leicht getrennt wird. Die Lösung concentrire ich durch Abdampfen und vermische sie mit einer klaren Lösung von Chlorbaryum in Alkohol und Ammoniak. Es scheidet sich dadurch nach längerem Stehen die Bernsteinsäure als basisch bernsteinsaurer Baryt ab, welcher abfiltrirt, m.it Spiritus ausgewaschen, getrocknet und gewogen wird. Aus dem Gewichte kann dann der Gehalt an Bernsteinsäure berechnet werden. Auch kann die Bernsteinsäure aus der Barytverbindung rem dargestellt werden. Es geschieht das am zweckmässigsten, wenn sie mit der erforderlichen Menge Schwefelsäure verrieben und mit heissem Wasser behandelt wii-d. Es entsteht auf diese Weise unlösliche schwefelsaure Baryterde und lösliche Bernsteinsäure. Sollte in der abfiltrirten Lösung noch freie Schwefelsäure ent- halten sein, so kann solche leicht durch vorsichtigen Zusatz einer Lösung von Barythydrat daraus entfernt werden. Die in der Lösung befindliche Bernstein- säure wird durch Abdampfen des Wassers und Trocknen bei 100—120° C. rein gewonnen. Verhandl. der Berl. Antliropol. Gesellscliaft 19U1. 26 (402) Die Ermittelung der im Succinit oder anderen fossilen Harzen vorhandenen Bernstein säure durch trockene Destillation führe ich in folgender Weise aus: Ich schütte eine gewogene Menge des zerkleinerten Harzes in eine tubulirte gläserne Retorte, verbinde dieselbe mit einer geräumigen Yorlage und erhitze die Retorte im Sandbade. Zunächst entwickeln sich dicke Rauchwolken in der Retorte, welche in die Vorlage abfliessen: bald darauf schmilzt das Harz und geräth all- mählich ins Sieden. Die Rauchwolken condensiren sich zu einer trüben Flüssigkeit und einem braunen Oele. Ich setze die Destillation so lange fort, als noch Dämpfe übergehen. Dann höre ich damit auf, lasse erkalten und schneide den Hals der Retorte mittelst eines Instrumentes ab. Den Hals und die Vorlage spüle ich sorgfältig mit heissem destillirtem Wasser ab, lasse das Gemisch von Oel und wässeriger Lösung noch einige Zeit in der Wärme stehen und trenne sie mittelst eines Papierfilters, wasche noch mit ein wenig Wasser nach. Die durchfiltrirte Flüssigkeit verdunste ich im Darapfbade bis zum Trocknen. Will ich die in dem Destillate enthaltenen flüchtigen organischen Säuren noch als solche erhalten und recognosciren, es sind das gewöhnlich Essigsäure und Ameisensäure, so nehme ich die Verdunstung nicht in einem offenen Gefässe vor, sondern in einer Retorte mit daran gefügtem Kühl- rohre und Auffangglase. Den Rückstand löse ich nochmals in Wasser auf, filtrire abermals und dampfe in einem tarirten Glasschälchen ab. Die Krystalle trockene ich einige Zeit bei 100 — 120° C. und wäge sie. In den meisten Fällen bestehen diese Krystalle aus Bernsteinsäure-Hydrat, welches sich durch seine Krystallgestalt und die ihm eigen- thümlichen chemischen Reactionen als solches feststellen lässt. Einmal erhielt jch durch trockene Destillation nicht Bernsteinsäure, -sondern Krystalle von Pyro- gallol und zwar aus f-inem in Oberbirma vorkommenden bernsteinähnlichen fossilen Harze, dem Birmit. Ein andermal erhielt ich eine sehr geringe Menge einer nach Benzoe riechenden krystallinischen Substanz aus einem fossilen Harze, welches aus New Jersey in Nordamerika stammte. Bleiben beim Verdunsten des Destillats keine Krystalle zurück, so war auch keine Bernsteinsäure im Untersuchungs-Objecte enthalten. Oft sind die aus sehr alten Grabstätten entnommenen Ai'tefacte von Succinit durch eingedrungene Luft und Erdfeuchtigkeit so verwittert, dass sie kaum noch als Succinit anzusprechen sind. Das verwitterte Harz hat eine dunkelrothe Farbe angenommen und lässt sich leicht zerbröckeln. Der Luftsauerstoff hat das Harz oxydirt, die darin enthaltene Bernsteinsäure ist zum Theil daraus entführt: ausserdem sind organische Substanzen, Kalkerde und andere erdige Substanzen in das Harz eingedrungen und haben sich mit ihm verbunden. Auch die Bernsteinsäure dürfte in diesem Falle fast stets an diese Erdbasen, namentlich an Kalkerde gebunden sein, aus welchem Grunde sie durch Destillation nur schwer oder nur zersetzt daraus zn gewinnen ist. Ste muss in diesem Falle durch Zusatz von Phosphor- säure frei gemacht werden. Auf diese Weise kann derjenige Theil der Bern- steinsäure, welcher noch unzersetzt in dem verwitterten Harze enthalten ist, daraus durch trockene Destillation gewonnen werden. Auch bei der Bestimmung der Bernsteinsäure aus den in Babylonien ge- fundenen Bernsteinperlen setzte ich zur Bindung der in ihnen enthaltenen Kalk- erde eine kleine Menge Phosphorsäure zu. Ich erhielt dann durch trockene Destillation aus den Perlen 2,6 pCt. Bernsteinsäure-Hydrat. Wenn dieser Gehalt auch nicht voll der gemeinhin im Succinit enthaltenen Bernsteinsäuremenge (3 bis (403) 8 pCt ) entspricht, so glaube ich doch, dass die PeHen einst aus Succinit gefertigt worden sind und dass der Mindergehalt nur bedingt ist durch die etwa 2()0() Jahre lang überstandcne Verwitterung, verbunden mit Infiltrationen von Erdfeuchtigkeit und darin gelösten Kalk- und anderen Salzen, welche einen Theil der in den Perlen enthaltenen Bernsteinsäure in Anspruch nahmen. Aehnlich so verhielt es sich mit zwei aus den alten Königsgräbern von Mykenae entnommenen Bernsteiu- perlen. welche mir im Jahre 1884 Schliemann übergab. In der einen sehr ver- witterten fand ich nur 1,6 pCt. Bernsteinsäure, in der anderen von der Ver- witterungsschicht befreiten 6 pCt. Bernsteinsäure. Zur Vervollständigung der hier angeführten chemischen Untersuchungen von Bernsteinartefacten aus alten Grabstätten führe ich noch einige auf Italien Bezug habende Untersuchungen an. Im Jahre 18.S2 erhielt ich von dem Grafen Gozzadini in Bologna sieben verschiedene Perlen und sonstige bearbeitete Stücke aus Bern- stein, welche aus Grabstätten der ältesten Eisenzeit und der etrurischen Epoche stammten und dem Museum in Bologna entnommen waren. Der Gehalt an Bern- steinsäure, welche ich aus ihnen erhielt, bewegte sich zwischen 4,8 und ii,."! pCt. Von C. Pigorini, Director des prähistorischen Museums in Rom, erhielt ich drei Proben von Bernstein-Artefacten, welche aus Grabstätten der ältesten Eisenzeit entnommen waren. Von diesen Proben enthielt die aus Jesi in der Provinz Arcona stammende 5,8 pCt. ficrnsteinsäure, die von Palestrina in der Provinz Rom 4,1 pCt., die von Carpineto in der Provinz Ascoli Piceno 4,n pCt. Die aus Palestrina und Carpineto stammenden Stücke waren durchweg stark verwittert und von rothbrauner Farbe; das von Jesi stammende Stück war eine grosse flache Perle, besass eine hellgelbe durchscheinende Farbe, war sehr hart und aussen mit einer dünnen roth- braunen Vervvitterangsschicht bezogen. Neuerdings erhielt ich von Brn. Dr. 0. Olshausen in Berlin zwei Bernstein- perlen zur chemischen Untersuchung, welche alten Grabstätten Italiens entnommen waren. Die Eine aus Poggio alla Guardia, dem alten Vetulonia in Etrurien stammende war durchweg stark verwittert, aussen braunroth, innen glänzend dunkel- roth verändert und Hess sich mittelst der Finger leicht zerkrümeln. Sie enthielt 5.-2(i i)Ct. Bernsteinsäure. Die Andere aus der Nekropole von Novilara bei Pesäro, dem alten Pisaurum, in Umbrien stammende war sehr hart, von gelblicher undurch- sichtiger Farbe und trug aussen eine etwa 2 mm starke braunrothe ^'erwitterungs- schicht. Sie enthielt (5,15 pCt. Bernsteinsäure. Wenn ich nun auch durch die vorbeschriebenen chemischen Untersuchungen in den Bernstein-Artefacten Italiens nur den bernsteinsäurehaltigen Succinit finden konnte, so ist es doch nicht ausgeschlossen, dass die alten Bewohner Italiens auch die in ihrer Heimath gewonnenen bernsteinähnlichen fossilen Harze kannten und zu Perien und anderen Schmuckgegenständen verarbeiteten. Namentlich gilt diese Verwendung von dem am Fusse des Aetna in Sizilien vorkommenden Simetit, welcher den Succinit an Parbenschönheit und Feuer, namentlich in seinen rubin- rothen Stücken übertrifft und keine oder nur Spui-en von Bernsteinsäure enthält. Weniger geeignet zur Anfertigung von Schmuckgegenständen ist ein in den Apenninen vorkommendes bernsteinsäurefreies fossiles Harz, welches gewöhnlich matte und unansehnliche Parbentöne trägt und nur eine geringe Härte besitzt. Es empfiehlt sich, die alten Grabstätten Italiens auch ferner auf das Vorkommen etwaiger aus einheimischem Material gefertigter Bernstein-Gegenstände zu unter- suchen, wobei als Erkennung ihrer Zugehörigkeit der Gehalt an Bernsteinsäure entscheidend ist. — 26* (404) (14) Eine Einladung zu der Jahres-Versamnilung des Voigtliindischen alterthumsforschonden Vereins zu Hohenleuben für den "29. August ist leider während der Ferien eingegangen und daher nicht den Mitgliedern bekannt geworden. — (15) Der Vorsitzende hat zwei Schreiben des Dr. Max Uhle erhahen, be- treffend die deformirten Köpfe von peruauischeu 31umieii und die Uta -Krankheit. 1. Ein Schreiben aus Ica, "28. Juni: Vor mir liegt das V. Heft der Zeitschrift für Ethnologie, 1900, in welchem ich Seite 2-26 Ihre Besprechung des Ranke" scheu Werkes über altperuanische Schädel finde. Es ist mir darnach Bedürfniss, Ihnen auszudrücken, wie sehr ich die von Ihnen zu der Frage der künstlichen Deformation genommene Stellung durchaus billii^e und nach meinen zwar rein archäologischen Erfahrungen durchaus stützen zu müssen glaube. Die von der Prinzessin Therese von Bayern von Pachacamac zurückgebrachten Schädel stammen unzweifelhaft von den innerhalb der alten Stadt liegenden Gräberfeldern, besonders jedenfalls von dem Gräberfelde am Fasse des alten Pachacamac -Tempels, wo ich theils selbst l'S9G viele Schädel, welche ich nicht transportiren konnte, zurückliess und wo auch zwischen 1^96 und liJOO von einheimischen Arbeitern, sogenannten Huaqueros, emsig weiter gegraben worden ist. Ich selbst habe auf dem Sonnentempel in Pachacamac noch Schädel in vorzüglicher Erhaltung 1900 angetroffen, die ich 1N96 dort freiliegend zurückgelassen hatte. Die in der Ebene der alten Stadt Pachacamac ausgegrabenen Schädel gehören zumeist einer einheimischen Bevölkerung der Rüste aus der Zeit vor der Besitz- nahme der Stadt durch die Incas an, und thatsächlich ist die an den Schädeln dieser Zeit in dieser Gegend angetroffene Deformation nicht so ausgeprägt, dass man durchaus nöthig haben würde, auf Absichtlichkeit oder nur auf Künstlichkeit (aus Mode) zur Erklärung ihres Ursprunges zu schliessen. Insofern würde ich nach meinen Erfahrungen nicht viel dagegen einzuwenden haben. Avenn, wie Hr. Prof. Ranke thut, lorscher dieselbe als mehr zufällig als bewusst künstlich dem Ursprünge nach ansehen. Aber wie Sie sehr richtig bemerken, es giebt eben auch andere Deformationen, welche vermöge der auffälligen Abnormität, die durch sie den Schädeln verliehen wird, und starken Regularität dieses stark excentrischen Characters in ganzen Bevölkerungsmassen, kaum den Schluss zulassen, dass nicht eine bewusste Mode irgendwelcher Art zu solchen stark excentrischen und dabei der Häufigkeit nach regulären Ergebnissen führte. Dahin würden besonders die langen Schädel, welche in den Gräbern des Hochlandes von Bolivia in manchen Gegenden fast ausnahmslos auftreten und auch die gewisser Gegenden und Perioden der Küste gehören. So findet sich auch in der Gegend von Ica eine bestimmte sehr alte Cultur, in deren sie repräsentirenden Gräberfeldern fast alle Schädel und zwar ausserordentlich auffallend lang deformirt sind. Ich habe auch eine in einem Grabe aufgehängtes Wiegenkind aufgefunden, an welchem die Bandagirung, mit welcher es auf der Wiege festgebunden ist, deutlich zeigt, wie die Deformirung bewirkt wurde. Das ursprüngliche Entstehen der Deformirung durch das Festbinden kann ja als zufällig betrachtet werden, die durchaus hohen und im Allgemeinen gleich grossen Effecte können von einer Annahme, dass eine bewusste Mode direct oder indirect mit im Spiele war, nicht wohl getrennt werden. Wir haben ja auch Nach- richten, dass sich verschiedene alte Völkerschaften durch ihre Kopfformen unter- schieden; wenn dieser Unterschied sichtlich vorhanden war, so lag es ja auch nahe. (405) dass er bewusst zur Unterscheidung der Völkerschaften durch besondere Behandlung der Schädel der Kindernach einer Stammesmode benützt wurde. Was soll es denn auch heissen, wenn einer der spanischen Vicekönige oder alten Erzbischöfc (ich weiss nicht im Momente, wer es war) den Aimaras von Bolivien die Portübung- der Kopf-Deformation verbot, wenn damit nicht anerkannt wurde, dass die Aus- übung d(>r Deformation des Schädels an den Kindern an sich eine bewusste Mode darstellte? Ich finde in Heft IV Ihrer Zeitschrift 1900, S. "234, auch einige Bemerkungen über die peruanische Krankheit Uta, die ich zwischen Trujillo und Huamachuco, besonders in Otuzco vielfach beobachte. Bis zum Augenblicke habe ich nicht den Eindruck gewinnen können, dass es sich um eine nicht venerische Krankheit, also eine nicht dem „huant" ähnliche Krankheit handele. Wunderlich erscheint nur die Idee, dass die Uta mit Tuberculosis zu thun haben soll, ebenso die Bemühung der Widerlegung dieser Idee. Meine Notizen über Uta habe ich nicht zur Hand. Ich will versuchen, sie Ihnen später zu senden. In der Gegend einwärts von Trujillo gilt die Uta für unheilbar ausser durch ein Pflaster, welches chinesische Kräuterdoctoren liefern, vorausgesetzt, dass dieses zeitig angewendet wird. Das trifft ja zunächst wenig das Wesen der Krankheit, lässt aber wohl schon erkennen, wie w^enig wahrscheinlich man bei der Krankheit an Tuberculosis zu denken hat. — "2. Ein Schreiben aus Barranco, 12. Juli: Ein kurzer Aufenthalt in der Nähe von Lima gab mir Gelegenheit, mich noch- mals mit der Frage der künstlichen Schädeldeformation der altperuanischen Indianer, wie sie sich nach Ihrer Besprechung des Ranke'schen Werkes, Zeitschrift für Ethnologie 1900, S. 226, stellt, zu beschäftigen. Besonders konnte ich einige ältere Zeugnisse über die alte Deformation nachschlagen. Darnach möchte ich folgendes als Ergänzung zu meinem früheren Schreiben bemerken. Wir haben es mit drei Begriffen zu thun, Zufälligkeit, Künstlichkeit oder Ab- sichtlichkeit der Deformation. Es scheint mir, dass der Begriff' Künstlichkeit dabei in doppeltem Sinne genommen werden kann. Die Deformation kann eine künst- liche und doch eine unbeabsichtigte sein. Diese würde der Fall sein, wenn „durch die Art der Befestigung der Säuglinge oder durch die Art der Kopfbekleidung oder durch prolongirtes Liegen auf harten Unterlagen Verunstaltungen des Kopfes erzeugt werden'" Die künstliche Deformation kann aber auch eine beabsichtigte sein. In diesem Sinne scheint mir „künstlich'* gebraucht zu sein in Ihrem Satze: „Wo wären jemals Schädel, wie die von Medanito oder Nacimientos bei einer beliebigen Bevölkerung gesehen worden? Wir müssen also bei den Deformationen unterscheiden: I. zufällige, unbeabsichtigte; II. künstliche in dem Sinne, dass durch künstliche Vorrichtungen, die etwas anderes bezwecken, Deformationen sich ungewollt als Nebenwirkungen einstellen, etwa wie die Deformirung der Leber, bei der Verengerung des weiblichen Thorax oder überhaupt bei Moden, die zunächst etwas ganz anderes bezwecken; III. künstliche in dem Sinne, dass künstliche Vorrichtungen oder Maass- nahmen direct dazu dienen, den Effect zu errreichen. Das ist also die rein absichtliche Deformation. Meines Erachtens steht es ausser allem Zweifel, dass die altperuanischen Schädeldeformationen nicht nur solche der I. Art, und auch nicht nur solche der (406) I. und II. Art sind, sondern dass auch Zeugnisse dafür vorliegen, dass ein grosser Theil der altperuanischen Deformationen, solche der III. Art, also direct absicht- liche gewesen sein müssen, wie es von jeher ja auch angnommen wurde. Um die Künstlichkeit der peruanischen Schädel-Deformation als Mode, wenn nicht für das ganze Gebiet, aber doch für einen grossen Theil desselben ausser Frage zu stellen, führe ich nur Folgendes an: Zahlreiche Synodal-Briefe der Erzbischöfe empfehlen den kirchlichen Visi- tatoren und Pfarrern die alte Gewohnheit (costumbre). die Köpfe der Säuglinge umzuformen, zu verfolgen. Auch den Collahuas wurde verboten, den Kopf der Säuglinge umzuformen (Rel. geogr. II, p. 40: Esto les esta ya pro hibido por ordenanzas). Verbieten kann man doch nur, was Mode ist, nicht was durch Zufall entsteht. „A los jueces seglares se encarga y pede que hagan ejemplar castigo de los hechiceros que tal hacen.'* Resol. IUI, pte 2 des Concilio de Lima ed 1614. Ich führe diese Stelle hier nur zum Beweise der künstlichen Entstehung der Deformation durch Mode an, da aus ihr nicht unbedingt hervorgeht, dass die Verunstaltung des Schädels dabei um ihrer selbst willen beabsichtigt war. ^ Wie verschiedene benachbarte Stämme sich wie durch eine ]\tode dui'ch die ihnen in der Jugend gegebene Gestalt der Köpfe unterschieden, geht aus folgender Stelle, die von den Cabanas und Collaguas handelt, hervor: Rel. geogr. II, p. 41: Estos (los Cabanas) son muy diferentes en la cabeza ä los Collaguas, porque recien nacidos los nifios et nifuis se les atan muy recio y la hacen chata y ancha muy fea y desproporcionada; la cual se atan con unas cuerdas blancas ä mancra de mechas, y dando muchas vueltas al rededor quedan las cabezas ensanchadas. Conöcense bien en la hechura de las cabezas, el ques natural de Cabana, y el ques Collagua, que los Colla- guas se ahusan la cabeza langa y estos Cavanas ancha y chata. Andere Zeugnisse aber beweisen nun, dass die Deformation, wenigstens zum Theil direct als Zweck angestrebt wurde. Dann haben wir also die absichtliche Deformation Xr. III, deren Vorkommen unter den alten Peruanern Ranke so sehr bestritt. Es werden dreierlei Gründe für die künstliche und absichtliche Uebung der Deformation angegeben. 1. Damit die spitzen Wollmützen, die zum Theil einen Bestandtheil der Tracht bilden und also in gewisser Weise klimatisch bedingt sind, gut passen. Hier dient also die Deformation in gewisser Hinsicht der Tracht und der Mode, aber sie wird doch direct und bewusst angestrebt. •2. Die Wirkungen, die sie auf die günstige Veränderung des Characters ausübt. Es ist dabei ganz irrelevant, ob die Ausübung dieser De- formation im Grunde auf einer Mode beruht, und ob die Mode wieder ursprünglich zufällige Verunstaltungen zum Anlass hatte. Unzweifelhaft geht aus diesen Angaben hervor, dass sich die alten Indianer von Zwecken, denen die Deformation diente, Rechenschaft zu geben suchten, und dass sie demnach auch für sie selbst, wenigstens zum Theil als eine in der Ausübung beabsichtigte zu gelten hat. 3. Abergläubische Zwecke anderer Art. In allen den Fällen, wo von Deformationen der Schädel nach einem der eben angeführten drei Gründe die Rede ist, haben wir von absichtlicher Schädel- deformation (oben nach III) zu reden. Hier die Stellen: (407) Ad 1 : Rel. geogr. 11, p. 40: Es ist von den Mützen (chucos), die die Collaguas, wie andere Aimara-Stämme, zu tragen pflegten, die Rede und so fortgefahren: „y para que se pudiesen tener en la cabeza se la apretahan ä los ninos recien naeidos tan reciamente que se le ahusaban y adelgazaban alta y pro- longada lo mas que podian" .... Ad "2: Pachacuti Santacruz stammte aus einer alten einheimischen Adels- familie des nördlichen Boliviens, und der von ihm geschriebene Bericht ist aus rein indianischem Geiste dictirt. Bei ihm finden sich folgende Stellen: Trcs Relac. de antiq., p. '246: Este mismo Inca (Manco Capac) los habia mandado que atasen las cabezas de las criaturas para que sean simples y sin animo, porque los Indios de gran cabeza y redonda suelen ser atrevidos para cualquier cosa mayormente son inobedientes. P. "253: (Leoque Yupangui) . . . tambien habia mandado que todas las naciones a el sujetas les atasen las cabezas de las criaturas, para que sean largas y que- brantadas de frente, para que fuesen obedientes. Ebenso gaben die Caraques bei Manta in Ecuador, die auch die Köpfe der Säuglinge deformirten, einen ähnlichen Grund, aus dem sie das thaten, an; Cieza, Crönica del Peru I, cap. 50: Decian ellos que ponian de estos talles las cabezas, porque serian mas sanos y para mas trabajo. Ad 3: Aus den Beschlüssen des Provincial-Concils von Lima 1567, dessen Befolgung neu 15, p. 10) vorliegt. Derselbe ist l'Sy? in einem alten Grabe von Ulloma (Humata) in Bolivien gefunden worden. Die zugeschärften und eingefurchten Ränder des Substanz-Verlustes lassen keinen Zweifel darüber, dass an ihm Heilungs -Vorgänge stattgefunden haben. Wahr- (409) scheinlich \v;ir das Locli vor der Verwesung durch eine Membran geschlossen. Das Loch befand sich in diesem Falle neben dem hinteren Theil der Sutura sagittaüs im rechten Parietale; der Schädel war nicht deformirt. — (Ki) Hr. Finanz- und Baurath Wiechel in Dresden übersendet unter dem •22. August folgende Mittheilung: Der Wall im Oberholz bei Thräna. Dem in den Verhandl. 1901, S. öS abgedruckten Bericht über Aufnahmen und Ausgrabungen im Gebiet eines Ringwalles im Oberholz kann ich einige Ergänzungen auf Gruud eigener, bereits im Juli l-sfid angestellter, noch nicht veröffentlichter Untersuchungen anfügen. Der nachstehende Plan giebt den Ringwall, der in der Oberreit'schen Karte von Sachsen mit „der alte Schloss platz" bezeichnet ist, in vollkommener Genauigkeit nach dem im Jahre 1885 aufgenommenen Expropriations-Grundriss für die Leipzig- Geithainer Eisenbahn wieder: nur die Westecke wurde durch Ab- schreiten ergänzt. Hiernach hat der Ringwall die Form eines Trapezes, dessen Langseiten schwach gekrümmt sind; er umschliesst eine Waldwiese, durch die der Länge nach unweit des Nordrandes ein Graben läuft, in den kurze Seitengräben von zwei sumpfigen Stellen innerhalb des Ringwalles bei a und h münden. Bei /' liegt noch ein Deckstein eines Sammelschrotes in der Wiese, neben dem 1890 noch Spuren eines Tümpels (jetzt ausgefüllt) zu bemerken waren. Der Wiese wird noch bei / und /.• durch Gräben Wasser zugeführt; ausserdem zeigt der Ringwall Wasser- Durchlässe bei e, /', (j. Innerhalb des Walles liegen noch bei c zwei wasserhaltende Tümpel, während bei // nächst dem Kernwerk eine jetzt trockene Teile zu be- merken ist. Wasser in nennenswerther Menge tritt nur im südlichen Ringwall- Graben auf, eingeleitet durch eine östliche Graben- Verlängerung bis zum Ostteich im Försterei-Grundstück. Ein zweiter Teich liegt an der Nordwest- Spitze des Ringwalles, neben dem (8 >n östlich) der Wiesengraben vorbeiläuft und sich nördlich über die Felder fortsetzt. Vom Wiesengraben führt ein Querschlag in den Teich. Ausserhalb des Öüd-Ringwalles und dessen östlicher Verlängerung zieht sich vor dem Wege neben dem üstteicho in 15—17 m Abstand, ein stellenweise seichtes unbedeutendes Gräbchen parallel hin, das 150/« vor der SW.-Ecke den Hauptwall- Graben verlässt und sich im Bogen dem .,Butterwege'' anschliesst mit dem es auf den „Mühlweg" trifft, welcher Weg ebenfalls durch zwei 1»> m von einander ab- stehende Gräben eingefasst wird, die den Ringwall-Gräben wenig nachstehen. In gleicher Richtung mit dem Süd-Ringwall zieht sich südlich in etwa 40 m Abstand ein Weg hin, der in der Oberreit'schen Karte von Sachsen „Scheideweg" be- nannt ist. Auch der westliche Quer-Ringwall setzt sich südltch als Graben ein Stück fort; ausserhalb der SW.-Ecke liegt ein Steintrog im Walde. Quer über die etwa 18 m breite Wiesenmündung (neben dem Westteich) läuft ein Wiesengraben, der den Anschluss herstellt. Im Kernwerk habe ich im Juli 189(1 Grabungen veranstaltet, die in der Mitte des 13 zu 10 m messenden, fast rechteckigen Plateaus einen mit Steinen gepflasterten Feuerheerd aufdeckten, in dessen Nähe Holzkohle, gebrannte Leiimstücke mit Ast-Abdrücken, und frühmittelalterliche Gcfäss-Scherben^), die auch im Graben ge- 1) Der Sammlmig des Vereins für Geschichte Leipzigs überwiesen. (410) (411) funden wurden, sowie ein m esserartiger Eisenrest lagen. In der Nähe bei m und n sind trichtergrubenartige Tollen zu bemerken. Auch bei / dicht am Nord-Ringwall befinden sich Spuren von (alten?) wenig ausgedehnten Erdbauten. Zur Beurtheilung der Anlagen ist wichtig, dass am „alten Schlosse" die ältesten in dieser Gegend erkennbaren Wegzüge vorboilaufen: ein NS.-Weg von Leipzig über Stötteritz, Grosspössnau als „alte Strasse" nach Borna, und ein WO.- Weg von Eythra über Güldengossa als „hohe Strasse" nach Grimma. Auch ein Weg von Zwenkau über Magdeborn und Störmthal mündet in den hier jetzt „Mühlweg'^ genannten alten WO. -Weg, während von hier sich die „Alte Strasse" über Lausigk nach Rochlitz, sowie als Seitenzweig unter dem Namen „Pürstenwcg"' nach Colditz^) ansetzt. Man möchte hiernach das Kernwerk als befestigten früh- mittelalterlichen Strassen-Schutzwachposten ansehen. Der Ringwall, dessen Vertheidigungsfähigkeit vielleicht durch Verhau und Plechtwerk erhöht gewesen ist, hat offenbar den Zweck gehabt, die Waldwiese mit ihrer sorgfältigen Wasser-Zuleitung wirksam einzuhegen. Diese eingehegte Stelle kann benutzt worden sein, das Vieh des Strassen-Wachpostens in der damals wohl in weiterem Umfange von dichtem Walde bedeckten Gegend geschützt vor Wölfen unterzubringen. Der ganze Charakter der Anlage spricht aber auch dafür, dass wir eine „Fliehburg" vor uns haben, die für die Zeiten der Landflucht mitten im Walddickicht, auf der Wasserscheide zwischen Pleisse und Parthe, zur Aufnahme benachbarter Dorf-Einwohner mit deren Vieh vorbereitet worden war. Die Grösse des umhegten Raumes — 0,75 lia — entspricht etwa dem Plächen- raume zweier alter Dörfer von damals üblicher Porm. Dass eine derartige Anlage bis in vorlavische Zeiten zurückzudatiren sein wird, machen die mehrfachen Funde höchst wahrscheinlich. Jedenfalls hat man in der Zeit der deutschen Be- setzung des Landes nach 930 die vorgefundenen Anlagen am Kreuzpunkt wichtig gewordener Verbindungswege für Einrichtung eines Strassen -Schutzpostens aus- genutzt. Dass das Graben- und Wall-System irgendwie mit Stammes-Grenzen zusammen- hängen könnte, ist wohl absolut ausgeschlossen. Die flache, ehemals von sumpfigen Stellen durchsetzte Gegend ist in weitem Umkreise nach allen Seiten von gerad- linigen und gekrümmten Gräben und Teich-Anlagen durchsetzt. Auch im Oberholz ziehen sich noch viele Gräben hin. So begegnet uns östlich Thräna die „Garten- wiese" mit dem ,, Heegeholz", von wo sich der Thrängraben nördlich hinzieht. Nördlich Thräna und Fuchshayn liegt die „'Burgwiese" ebenfalls mit einem „Heegeholz" und eine Anzahl von Gräben: der „Pössgraben", „Lohngraben", „Königsbachgraben", „Markgraben", „Mittelgraben" usw. Localnamen, wie „Scheideweg" und „Markgraben" deuten allerdings auf Grenzen; es liegt aber kein ausreichender Anlass vor, hier an andere als Flur- Grenzen zu denken. Die gute Erhaltung und die leichte Zugängigkeit vom Haltepunkt Oberholz der Leipzig- Geitheiner Bahn lassen diese alte Fliehburg und spätere Strassen- wache als ein Beispiel erscheinen, das Beachtung und Besichtigung verdient. — 1) Untersuchungeu über die ältesten Wege in Sachsen in der Zeit um 800 — 1200 n. Chr. habe ich in den Abhandlungen der ..Isis" (Dresden) 1901 unter Beigabe einer auslühr- lichen Karte veröffentlicht. (412) (17) Hr. A. Voss überschickt unter dem 3. September ein Exemplar des von Hrn. Prof. Deichmüller in Dresden herausgegebenen Aufrufes über die Verzeichnung der in Sachsen vorkommenden Alterthümer nebst einer Probe des ausgefüllten Fragebogens. Dem ersten Auftreten der Bevölkerung unseres Landes in der Geschichte ist ein langer Zeitraum der Entwickelung vorangegangen, über welchen nur dunkle Sagen und Ueberlieferungen berichten, dessen Spuren aber der heimische Boden in zahlreichen Alterthümern aus allen urgeschichtlichcn Perioden von der jüngeren Steinzeit an bis in die frühslavische Zeit bis zur Gegenwart treu bewahrt hat. Diese stummen Zeugen der Vorzeit allein ermöglichen es, den Schleier zu lüften, der über der frühesten Vergangenheit unseres Volkes ruht, und ein Bild der Ur- geschichte desselben zu geben, welches um so vollkommener sein wird, je voll- ständiger die Fund-Gegenstände selbst bekannt sind. Die urgeschichtlichen Alterthümer Sachsens sind zum grossen Theil in kleinen öffentlichen und in Privat-Sammlungen zerstreut, in keinem Museum aber kann der Ueberblick über dieselben erlangt werden, dessen die wissenschaftliche Forschung zu einer syste- matischen Darstellung der Urgeschichte des Landes bedarf. Um nun die möglichst vollständigen Grundlagen für die urgeschichtliche Er- forschung des Königreichs Sachsen zu schaffen, hat das Königlich Sächsische Ministerium des Innern beschlossen, die innerhalb der Landesgrenzen gefundenen urgeschichtlichen Alterthümer inventarisiren zu lassen, d. h. ein Verzeichniss der noch vorhandenen und, soweit es möglich ist, auch der bereits verschwundenen Urgeschichts-Funde aus dem Königreich Sachsen zusammenstellen und Abbil- dungen derselben, namentlich solcher, deren Vernichtung durch Kultur oder nicht sachgemässe Behandlung in den Sammlungen nicht ausgeschlossen ist, aufnehmen zu lassen. Mit der Ausführung dieses Beschlusses ist vom Königlich Sächsischen Ministerium des Innern Hr. Deichmüller beauftragt worden. Derselbe wendet sich an Sie mit der Bitte, ihn bei der ihm anvertrauten Aufgabe durch Mittheilung der Ihnen bekannt gewordenen urgeschichtlichen Alterthümer aus Sachsen unterstützen zu wollen. Zu diesem Zwecke geht Ihnen ein als Probe ausgefüllter Fragebogen zu, dessen Beantwortung durch die beigefügte Uebersicht über die in Sachsen vorkommenden Urgeschichts-Funde erleichtert werden soll. Weitere Fragebogen stehen zur Verfügung. Dresden, im Juli l!jt>L Professor Dr. Joh. Deichmüller, Custos des Königlich mineralogisch-geologischeu Museums nebst der prähistorischen Sammlung. Uebersicht über die in Sachsen voritommenden urgeschichtlichen Alterthümer. Die urgeschichtlichen Alterthümer werden nach der Art ihres Vorkommens eingetheilt in bewegliche, welche lose in der Erde vorkommen, und in Boden- Alterthümer, welche mit dem Erdboden mehr oder weniger fest verbunden sind. Zu den beweglichen Funden gehören Beile, Hämmer, Aexte aus verschiedenem Gesteins-Materiale, Waffen, Geräthe, Schmuck aus Bronze, Eisen oder Edelmetall u.a.m. Sie werden entweder vereinzelt (Einzelfunde) oder in grösserer Zahl beisammen (Waffen- oder Depotfunde) beim Pflügen des Ackers, beim Roden von Baumwurzeln, in Torfstichen, auf See- und Teichgründen, auf dem festen (413) Lande auch unter grösseren Steinblöcken gefunden. Massenfunde liegen in der Erde entweder frei oder in einem Thon- oder Mctall-Gefäss eingebettet. Als Boden-Alterthümer sind zu bezeichnen Ansiedelungen, Werkstätten, Schanzen und Wälle, Gräber, Cultus- und Opferstätten, alte Strassen- züge, Spuren alten Berg- und Ackerbaues. 1. Ansiedelungen, Wohnplätze. Werkstätten. Von urgeschichtlichen Wohn platzen sind im Ilachen Lande nur die Heerd- stellen erhalten, welche als kesseiartige Vertiefungen (Trichtergruben) in das Erd- reich eingeschnitten, sich durch die mit Holzkohlen durchmischte, dunkelgefärbte Ausfall ungsmasse von dem umgebenden gewachsenen Boden unterscheiden. Neben grösseren, durch Feuer geschwärzten und gerötheten Steinen und schwachgebrannten Lehmstücken mit Abdrücken von Holz und Zweigen (Hüttenresten) enthalten diese Gruben Bruchstücke von Gefässen und Geräthen, welche von den einstigen Be- wohnern als werthlos weggeworfen wurden, Thierknochen, Muschelschalen, ver- kohltes Getreide als Ueberreste von Nahrungsmitteln, flache Mahlsteine oder kugelige Rlopfsteine, welche zur Zerkleinerung der Könerfrüchte dienten. In gebirgigen Gegenden sind als Wohnungen auch flöhlen benutzt worden, zuweilen in ver- schiedenen urgeschichtliehen Perioden. In der Nähe der Wohnplätze liegen öfter Werkstätten, in welchen Geräth- schaften verschiedener Art hergestellt worden sind. Hier findet man ausser den verwendeten Rohstoffen zahlreiche Abfälle und misslungene oder unvollendete Gegenstände, auf den Werkstätten der Mettallzeit Gussformen aus Thon oder Stein und Schmelzstücke von Bronze und Eisenschlacken. Zu den Ansiedelungen gehören auch die Pfahlbauten, welche in Torfstichen, Mooren, Sümpfen und Seen vorkommen können; in der Umgebung derselben sind auf dem Seegrunde Wirthschafts-Abfälle verschiedener Art angesammelt. 2. Schanzen und Wälle (Heiden- oder Schweden-Schanzen). Als Befestigungen dienten die Wälle, welche mit rundem (Rundwälle) oder bogenförmigem Grundriss (Bogenwälle) im Fiachlande, in Sümpfen und auf Berg- kuppen angelegt sind oder vorspringende Bergzungen gegen das dahinterliegende ebene Land abschliessen. Auch Langwälle ziehen sich in manchen Gegenden in grösserer Ausdehnung durch das Gelände hin. Zu ihrem Aufbau sind entweder Erde oder Steine oder beide Stoffe gemischt verwendet, zuweilen sind sie durch Feuer künstlich verschluckt (Schlackenwälle). In der äusseren Umgebung der Wälle finden sich öfter Gräber oder Werkstätten, im Innern (dem Kessel) Heerd- stellen; die Zugänge zu den Sumpfwällen führen z. Th. über Pfahlbrücken. Aussen- seite der Umwallung und Kessel sind meist reichhaltige Fundstellen von Wirth- schafts-Abfällen und Geräthen. 3. Gräber. Nach der äusseren Form der Begräbnisse unterscheidet man Flachgräber und Hügelgräber, nach der Bestattungsweise Skeletgräber und Brandgräber, letztere mit vollständiger oder nur theil weiser Leichen -Verbrennung. In den Flachgräbern liegen die Leichenreste in Gruben unter der Erd- oberfläche ohne äusserliche Kennzeichen, entweder einzeln oder zu grösseren Gräberfeldern vereinigt, in letzteren theils in Reihen geordnet (Reihengräber), theils regellos über eine grössere Fläche vertheilt (Urnenfelder, Wenden-Kirchhöfe). (414) In den Hügelgräbern sind die über oder in dem gewachsenen Boden an gelegten Begräbnisse mit Erd- oder Steinhügeln überdeckt, welche zuweilen von einem Kranze grösserer Steine umgeben sind. Ein Hügelgrab enthält oft mehrere Bestattungen aus verschiedenen Perioden. Die Hügelgräber liegen meist in Gruppen von unregelmässiger Anordnung beisammen. Bei der Aufgrabung von Skeletgräbern ist es wichtig, zu wissen, ob die Skelette frei im Erdboden oder in Holzsärgen, in Kisten aus flachen Steinplatten, auf einem Brett oder einem Steinpflaster lagen; nach welcher Himmelsrichtung das Skelet lag, wohin Kopf oder Füsse zeigten; ob es auf dem Rücken, der Seite oder dem Gesichte lag, ob es ausgestreckt war oder ob die Beine angezogen waren. In Brandgräbern ist darauf zu achten, ob die Knochenreste ohne weiteren Schutz frei in der Erde lagen oder ob sie in kistenartigen Bauten aus Steinen oder in Gefässen eingeschlossen, ob letztere von Steinen umgeben und bedeckt waren; ob sich Knochen nur in einem oder in mehreren Gefässen befanden. 4. Opfer-, Cultus- und Gerichtsstätten. Auf derartige Stätten deuten volksthümliche Namen (Opferstein, Teufelsstein, Teufels- oder heiliger See, heiliger Born u. a.) hin, die den OertHchkeiten anhaften. Beachtung verdienen auch die solchen Plätzen anhaftenden Sagen, wofern sich deren Ursprung aus alter Zeit nachweisen lässt. 5. Verkehrswege, Bergbau, Ackerbau. Zu beachten sind Reste alter Strassen und Handelswege, deren Vorhandensein durch Bezeichnungen wie Rennsteig, Rennweg, Heerstrasse usw., oder in sumpfigen Gegenden durch Bohlenwege oder Dämme angedeutet wird: ferner Spuren uralten Bergbaues (Zinn-Bergbau im Erzgebirge) und Ackerbaues, letztere in Form lang- gestreckter Beete, die am ehesten in waldigen Gegenden erhalten sein können. — (LS) Hr. A. Götze übergiebt folgende Antwort auf die Angriffe des Hrn. Reinecke [diese Verhandlungen 1900, S. 600— 608] i). Meine letzten Arbeiten über neolithische Themata haben durch Hrn. Paul Reinecke in Mainz an oben genannter Stelle eine Kritik erfahren, welche bezüglich ihres Inhalts eine ausführliche Correctur verlangt. Was die von ihm gewählte Form betrifft, so vermag ich nicht, ihm auf das Niveau, auf dem er sich bei der Niederschrift seiner „Bemerkungen- befunden hat, zu folgen. Im Folgenden soll nun Punkt für Punkt der „Bemerkungen^ erörtert werden. S. 600, Absatz 1, enthält das Thema von Reinecke's „Bemerkungen": wir werden sehen, in wie weit ihm die Ausführung entspricht. S. 600, Absatz '2, wird behauptet, dass die östlichen Kugel-Amphoren mir unbekannt seien. Ich habe Zeitschrift S. 154ff. eine genaue Definition der Kugel- Amphoren gegeben, wonach ich drei Gruppen unterscheide, die typischen Kugel- Amphoren (A), die abgeschwächten (B) und die entfernteren Verwandten (C). Da nun nach Zeitschrift S. 156 nur die Gruppen A und B statistisch behandelt werden sollten, die osteuropäischen Kugelamphoren aber nach meiner Definition der Gruppe C angehören, habe ich sie, um die Darstellung nicht zu compliciren, absichtlich 1) Das Manuscript war bereits zur Sitzung vom l.'i. .Juni eingereicht, der Druck ist aber in Folge äusserer Umstände verzögert worden. G. (415) weggelassen. Der Satz: „Dass sich die Gruppe der „Kugel-Amphoren" im Weichsel- Gebiet und selbst in Ost-Europa nachweisen lässt, ist Götze unbekannt", entspricht also nicht dem Thatsächlichen. S. 601, Absatz 1. Reinecke hat wohl übersehen, dass auch ich die Zu- gehörigkeit des Metall-Röllchens zu dem neolithischen Inventar des Langen-Eich- städter Grabes angenommen habe, allerdings mit einer gewissen Reserve, welche mir wegen der Angabe Klop fleisch' s geboten erscheint. Dass gegenüber den Mittheilungen des Majors Scheppe, welcher das Grab durch Soldaten ausgraben liess(!), die Notiz Klopfleischs so ganz ohne Belang sein sollte, wie Reinecke meint, wird bei denjenigen, welche Klop fleisch 's Gewissenhaftigkeit kennen, wenig Glauben finden. S. 601, Absatz 2, fordert Reinecke von mir, dass ich mich mit dem Vorstande der Altenburger Sammlung über Dinge hätte verständigen sollen, über welche er, Reinecke, bei einem Besuche der Altenburger Sammlung sich nicht klar ge- worden ist. Das ist doch wohl zu viel verlangt! Wie Zeitschrift S. 161 zu lesen ist, habe ich mich mit dem genannten Vorstande in Verbindung gesetzt und das Resultat der Correspondenz a. a. 0. objectiv mitgetheilt. S. 601, Absatz 3 u. S. 602, Absatz 1. „Belege für Kugel-Amphoren bayrischen Fundortes giebt es noch nicht. Götze's Angaben (Zeitschrift S. 162) sind voll- ständig zu beseitigen," sagt Rein ecke. Diese Sätze, als Kritik ausgesprochen, haben nur Sinn unter der Voraussetzung, dass ich das Vorkommen von Kugel- Amphoren in Bayern behauptet hätte. Das ist aber wiederum nicht der Fall; im Gegentheil habe ich zwei Angaben, nach denen Kugel-Amphoren in Bayern vor- kommen sollen, weiter verfolgt und in dem einen Falle die Unzuverlässigkeit der Angabe ausdrücklich festgestellt, während in dem anderen Falle etwas Genaueres sich überhaupt nicht ermitteln Hess. Warum Rein ecke die vollständige Be- seitigung der objectiven Mittheilung meiner Erkundigungen fordert, ist mir unverständlich. S. 602, Absatz 2. Der von mir dem Rössener Typus zugewiesenen Schale von Hofgeismar (Verhandl. S. 241) will Rein ecke die Merkmale dieser Gruppe ab- sprechen und möchte sie mit der Bandkeramik in Verbindung bringen. Dem gegenüber brauche ich wohl nur auf die Schale von Rossen (Verhandl. S. 244. Fig. 1, Nr. 13) hinzuweisen, welche mit jener im Profil, in der Anzahl, Anordnung und Gestaltung der Griffel und in dem breiten horizontalen Stichband überein- stimmt; auch die von den Griffeln herabhängenden Ornamentbänder der Hof- geismarer Schale finden sich häufig beim Rössener Typus vor. lieber die Ver- gleichspunkte mit der Bandkeramik schweigt Hr. Reinecke, und es dürfte ihm auch schwer fallen, ein Analogon aus der Bandkeramik beizubringen. Dass er sich gegen die Zuweisung dieser Schale zum Rössener Typus sträubt, dürfte seinen Grund darin haben, dass er sein ürtheil hierüber schon früher festgelegt hat, als er sie bei der Besprechung des Hofgeismarer Fundes^) irrthüralicher Weise der Bandkeramik zuwies, ohne ihren „Rössener" Charakter zu erkennen. S. 602, Absatz 3, wird mir der Vorwurf gemacht, dass ich die (nicht publi- cirten) „Rössener" Gefässe der Wiesbadener Sammlung nicht kenne. Diesem Vorwurf fehlt aber die Spitze, weil meine Statistik der Rössener Funde gar nicht den Anspruch auf Vollständigkeit macht, wie aus Verhandl. S. 243 mit voller Deutlichkeit hervorgeht. 1) Corresp. -Blatt der Deutschen anthropologischeu Gesellschaft 1S99, S. 36. (416) S. 602, Absatz 4. Ob man das Gefäss von Dalmer zur Rössener Gruppe rechnen will oder nicht, ist ja schliesslich Sache des subjectiven Ermessens. Wenn Rein ecke aber behauptet, es fehle ihm die hierfür eigene Dekoration, so irrt er jedenfalls, denn das Gefäss ist mit dem Muster (Vcrhandl. S. -2411, Fig. 6, Nr. 9) ornamentirt, ein Muster, welches nach dem Nachweis auf S. 248 öfters in der Rössener Gruppe vorkommt. S. 602, Absatz 5. Ich freue mich constatiren zu können, dass Reinecke meiner Ansicht bezüglich der nahen Verwandtschaft des Gefässes von Nieder- Seeste mit der Rössener Gruppe und bezüglich dei- dadurch vermittelten engen Beziehungen dieser zu der nordwestdeutschen Gruppe, welchen in meiner Er- örterung eine wichtige Rolle zufällt, sich anschliesst. Während ich aber eine Einwirkung der nordwestdeutschen Gruppe bei der Bildung des Rössener Typus annehme, glaubt Reinecke umgekehrt Einflüsse des Rössener Typus innerhalb der nordwestdeutschen Gruppe annehmen zu können und zwar mit der Begründung, dass in Mittel-Europa und auch anderswo in unserem europäisch-mittelländischen Culturkreise die CultureinÜüsse sich jeder Zeit (von wenigen, aber selbstverständ- lichen Ausnahmen abgesehen) von Süd nach Nord bewegten" (!). Mit solchen all- gemeinen Sätzen lässt sich Nichts beweisen! Wenn gewisse Efemente namentlich in der Ornamentik, wie ich sie Verhandl. S. 252 und 25.i; nachgewiesen habe, All- gemeingut der nordwestdeutschen Gruppe in ihrer ganzen Ausdehnung sind und ausserdem vereinzelt im Rössener Typus auftreten, dann liegt doch das Abhängig- keits-Verhältniss der letzteren Gruppe von der ersteren auf der Hand. Ein weiteres eclatantes Beispiel in diesem Sinne, welches Yerhandl. S. 252 nachzutragen wäre, habe ich erst nach Veröffentlichung meiner Arbeit bemerkt: Ein Gefäss von Rossen ist mit breiter Stichkanal -Verzierung versehen, bei welcher in der Mitte des Kanals eine feine Linie, offenbar als Vorzeichnung des Musters, läuft. Diese Technik nun ist in dieser Ausführung ganz characteristisch für die nordwestdeutsche Gruppe und findet sich in deren ganzem Bereich sehr häufig: wenn man in dfesem Falle einen Einfluss der Rössener Gruppe auf die nordwestdeutsche annehmen wollte, dann raüsste man überhaupt die ganze nordwestdeutsche Keramik von den Rössener ableiten. Aber die Sache verhält sich eben umgekehrt. S. 602, Anmerkung 2. Nach der Form dieser Anmerkung muss der Leser an- nehmen, dass ein Irrthum meinerseits vorliege. Thatsächlich handelt es sich jedoch um eine falsche Fundorts-Angabe in Lindenschmit's „Alterthümern", für- welche ich nicht verantwortlich bin; das Ergänzungs-Heft zu den „Alterthümern" mit den Correcturen war beim Drucke meiner Arbeit noch nicht erschienen. S. 603, Absatz 1. Der W^insch Reinecke's nach Veröffentlichung der Scherben von Stempfermühle kann gelegentlich erfüllt werden. S. 60:3, Absatz 2. Reinecke bezweifelt die Zugehörigkeit der Scherben aus der Bockstein-Höhle zum Rössener Typus. Er übersieht aber dabei, dass bereits auch ich bei zweien der von mir citirten drei Scherben durch beigefügte B'rage- zeichen meinen Zweifel ausgedrückt habe. Es ist ja selbstverständlich, dass die Be- stimmung solcher kleiner Fragmente, wenn ihnen nicht ganz besonders characteristische Merkmale anhaften, stets mehr oder weniger unsicher sein wird. S. 603, Absatz o, wird an der Zusammenstellung der Gefässformen Mancherlei ausgesetzt; worin besteht nun das Mancherlei? Erstens: ..Die wichtigen bauchigen Gefässe mit hohem Hals nach Äit der grossen Vase von Steeten des Wiesbadener Museums fehlen ganz; auch Schalen, wie die vom Rochusberg bei Bingen, ver- missen wir hier." Einen Hinweis auf eine etwaige Publication giebt Reinecke (417) zu diesem Urtheil nicht, man darf also annehmen, dass die betreffenden Gefasse nicht veröffentlicht sind; wenn das aber zutrifft, wird man mir keinen Vorwurf daraus machen können, dass ich sie ausgelassen habe. Vielleicht hat aber Reinecke das in den Annalen für Nassauische Alterthumskunde XV, Taf. VIII, Fig. 1, abgebildete Gefäss von Steeten im Sinne? Nun, dieses Gefäss habe ich zwar nicht abgebildet, aber bei dem Text zu der Formentafel (Verhandl. S. 245) unter Nr. 1» ausdrücklich erwähnt. Was ferner das Binger Gefäss anlangt, dessen Typus fehlen soll, so vermuthe ich, dass Reinecke das von ihm, Westdeutsche Zeitschr. XIX, Taf. XIII, abgebildete Gefäss im Sinne hat. Aber ist denn nicht dieser Typus auf meiner Formentafel unter Nr. 9 dargestellt? Zweitens: Wenn die Zeichnung des Gefässes Nr. 22 meiner Formentafel mit dem Original nicht übereinstimmt, so bin nicht ich, sondern Compter, nach dessen Publication meine Zeichnung angefertigt wurde, verantwortlich. Jedenfalls wird man constatiren müssen, dass meine Zeichnung mit der Compter'schen Vorlage in allen wesentlichen Punkten übereinstimmt, also richtig ist. Der Satz Reinecke's: „Die nach einer Compter'schen Ergänzung wiedergegebene Zeichnung Nr. 22 ist durchaus falsch", ist also zum Mindesten geeignet, die falsche Vorstellung zu erwecken, als ob ich falsch abgezeichnet hätte. Drittens: „Das bedeutsame Guirlanden-Ornament dieser Gruppe ist bei Götze ganz unterdrückt; auf der Vase Nr. 17 ist es gänzlich miss verstanden, selbst in der Uebersicht der Ornament-Formen vermisst man es." Diese Behauptung entspricht wieder einmal nicht den Thatsachen. Was zunächst die Vase Nr. 17 anlangt, so liegt das Missverständniss wohl auf Seite des Hrn. Reinecke, welcher übersehen hat, die durch die Rundung des Gefässes bedingte perspectivische Verkürzung des Ornaments in Betracht zu ziehen. Das Bogen-Muster ist aber nicht nur auf diesem Gefäss, sondern auch in der Uebersicht der Ornament-Formen unter Nr. 28 auf- geführt, also trotz Reinecke's gegenth eiliger Behauptung vorhanden. Viertens: „Das auf der Vase Nr. 24 von Ingelheim nur wenig deutlich aus- gedrückte Bogen-Muster berührt Götze mit keinem Wort, obschon es sich hier um ein wichtiges Merkmal handelt, wie die Grossgartacher Funde gezeigt haben." Die Grossgartacher Funde kamen bei der Abfassung meiner Arbeit nicht in Betracht, denn die ersten Abbildungen der dortigen Keramik wurden erst lUOl veröffentlicht. Im Uebrigen bemerkt Rein ecke ganz richtig, dass die Bogen-Muster des Nieder- Ingelheimor Gefässes „nur wenig deutlich ausgedrückt" sind; dieser Umstand hat mich eben veranlasst, von ihrer Aufnahme in die Zusammenstellung der Rössener Ornament-Muster abzusehen. Was das angebliche Fehlen wichtiger Typen in meiner Formentafel anlangt, so sei nur auf den einen Umstand hingewiesen, dass dieselbe 27 Typen wieder- giebt, während Hrn. Reinecke's Formenschatz des Rössener Typus (Westdeutsche Zeitschr. 1900, XIX, Taf. XIII) insgesammt 7 ganze Gefässe und 2 Scherben enthält. S. 604, Absatz 1. „Die Keramik der rheinhessischen Leichen-Felder haben wir nicht dem „Rössener Typus" zuzurechnen (Verhandl. S. 246), sondern nach wie vor der Band-Keramik. Götze scheint sich nicht darüber klar zu sein, was man als handverzierte Gruppe und als Rössener Gattung aufzufassen hat." Hierdurch soll doch unbedingt beim Leser die Meinung hervorgerufen werden, als ob ich die betreffende Keramik dem Rössener Typus zutheile. Aber was habe ich Verhandl. S. 246 thatsächlich gesagt? „Ferner kann man in Zweifel sein, ob man die Gräber-Felder von Worms und Monsheim zur Band-Keramik oder zum Rössener Typus rechnen soll; die Gefäss- Verhandl. der Berl. Aiithropol. Gesellschaft 1901. 27 (418) Formen gehören noch völlig der Ersteren an, während sich in der Ornamentik seilen eine starke Annäherung an den Letzteren bemerkbar macht." Angesiclits einer solchen Differenz zwischen dem, was ich gesagt haben soll und dem, was ich thatsächlich gesagt habe, verliert die Kritik jede Bedeutung. S. 604, Absatz 2, spricht Rein ecke über meine Nachweise bezüglich der Entstehung des Rössener Typus seine subjective Meinung aus. Ueber diese kann man aber, da er nicht einmal den Versuch macht, meine Ausführungen zu wider- legen oder für seine Ansicht Gründe beizubringen, zum nächsten Punkte übergehen. S. 604, Absatz 3. Ich habe Verhandl. S. 260ff. ausgeführt, dass die Zonen- Becher und die Schnur-Keramik einen verschiedenen Ursprung haben, aber doch zu einer gewissen Zeit neben einander bestanden haben müssen. Für letzteren Umstand habe ich folgende Belege vorgeführt: Erstens die Beeinflussung der Ornamentik der Schnur-Keramik durch die Zonen-Becher, zweitens das vergesell- schaftete Vorkommen und drittens die Existenz von Mischformen. Trotzdem ver- misst Reinecke einen deutlichen Nachweis für die theilweise Gleichzeitigkeit beider Gruppen. „Das Metopen-Band des Bechers von Nautschütz ist keines- wegs ein in Schnur-Technik wiedergegebenes Zonen-Ornamenf." Warum denn nicht? Wer sich nur einigermaassen mit den Einzelheiten der neolithischen Orna- mentik befasst hat, muss doch auf den ersten Blick sehen, dass das betreffende Metopen-Band innerhalb der Schnur-Keramik ganz fremd dasteht und deshalb durch eine Einwirkung von Aussen verursacht sein muss. Ebenso sicher ist aber dann, dass dabei nur die Gruppe der Zonen-Becher in Betracht kommen kann, wo dieses Ornament heimisch ist. Man muss also hier an einer Beeinflussung der Schnur- Keramik durch Zonen-Becher festhalten. Für das vergesellschaftete Vorkommen beider Gruppen hatte ich zwei Beispiele angeführt: Die Funde von Korbetha und von Heckkathen. Letztere lehnt Reinecke kurzer Hand ab, weil er sie noch nicht gesehen habe (!). Die Fund-Verhältnisse des Korbethaer Grabes werden als unsicher hingestellt; wenn aber Reinecke, wie er selbst gesteht, „völlig im Unklaren" ist, ob es sich um ein unberührtes Grab oder um ein solches mit Nachbestattungen handelt, dann sollte er sich auch des ürtheils enthalten, „dass hier von einer ungestörten Lagerung nicht gesprochen werden darf". „Zudem wären die schnurverzierten Scherben dieses Hügels noch genauer auf ihre Be- schaffenheit zu prüfen." Das habe ich auf Grund von zuverlässigen Zeichnungen bereits gethan; die Scherben gehören zweifellos der Schnur-Keramik an. Was drittens die Existenz von Mischformen, namentlich des Zonen-Schnurbechers, an- langt, so behauptet Reinecke einfach, „die Zonen-Schnurbecher gehören für uns (für wen?) untrennbar zur Schnur-Keramik, ein Mischproduct im Sinne Götze's sind sie nicht". Bei der Begründung dieses Satzes geht er von der Voraussetzung aus, dass ich die Zonen-Schnurbecher für locale Imitationen der Zonen-Becher halte. Das ist aber wiederum ein Irrthum Rein ecke's; wie er das aus meinen Worten herauslesen kann, ist mir ein Räthsel. Ich habe doch nicht A'on einer Imitation gesprochen, sondern deutlich genug gesagt, dass ich die Zoneu-Schnur- becher für ein Mischproduct aus Zonen-Becher und Schnur-Becher halte, bei dessen Bildung beide Theile mitgewirkt haben. S. 605, Absatz 1 und 2. Als einen Beweis für das zeitliche Verhältniss meiner beiden Gruppen-Coraplexe zu einander hatte ich die Fund-Verhältnisse des Lat- dorfer Hügels angeführt, welcher von Klop fleisch ausgegraben worden ist, Hr. Reinecke wirft mir Dilettantismus vor, weil ich die central und tief liegenden Gräber des Latdorfer Hügels für älter halte, als die peripherisch und höher (419) liegenden Gräber; ich fürchte nur, dass sich dann die meisten meiner Collegen mit getroffen fühlen werden. Vor Allem ist aber zu berücksichtigen, dass nicht erst ich das zeitliche Verhältniss beider Schichten zu einander bestimmt habe, sondern dass bereits Klopfleisch dies gethan hat, welcher die schnurkeramischen Funde des Latdorfer Hügels als Schicht I und diejenigen des Bernburger Typus als Schicht II bezeichnet. Meines Erachtens wiegt denn doch das ürtheil eines so vorsichtigen Beobachters wie Klopfleisch etwas mehr als die Meinung Hrn. Rein ecke's. S. G05, Absatz 3. Für die Bestimmung des zeitlichen Verhältnisses der Schnur- Keramik zu den Kugel-Amphoren hatte ich die mit diesen beiden Gruppen ver- gesellschafteten Flintbeil-Typen herangezogen und festgestellt, dass die Erstere von älteren, die Letztere von jüngeren Beil-Typen begleitet wird. Dazu bemerkt Reinecke: „Erinnert sich denn Götze nicht, dass nach Montelius in Schweden schnurverzierte Becher oder Glocken-Becher oder Abarten beider in der III. Stufe des jüngeren skandinavischen Stoinalters auftreten, in jener III. Stufe, welche sich durch die „breitnackigen" Stein-Beile auszeichnet?" In der That kann ich mich nicht erinnern, dass solche Becher in Schweden vorkommen; aber merkwürdiger Weise scheint auch Reinecke's Gewährsmann Montelius nichts davon zu wissen, wenigstens führt dieser in seiner letzten grossen Arbeit^) unter den Ländern, in denen die Glocken-, bezw. Zonenbecher vorkommen, Schweden nicht mit auf. Ebenso wenig unterrichtet zeigt sich Rein ecke aber auch auf dem Ge- biete der Typologie der nordischen Flintbeile. Denn erstens gehören die „breit- nackigen" Beile (vergl. Müller, Ordning, Stenalderen, S. 9) nicht in Montelius' III. Periode, wie Rein ecke meint, sondern zu S. Müller's älteren Formen, welche etwa Montelius' Periode I entsprechen (der genau entsprechende Typus fehlt in den Abbildungen zu Montelius' Perioden-Eintheilung). Zweitens bezeichnet Reinecke die Beile der II. Periode Montelius' als „schmalnackig". Die bei Montelius unter Periode II abgebildeten Beile heissen aber „dünnnackige" (vgl. Müller a. a. 0. S. 9 und Fig. 54 und 55) und sind jünger als die „breitnackigen". Wenn nun Reinecke sagt: „Das aus Langen-Eichstedt erhaltene Feuerstein-Beil ist . . . eher ein schmalnackiges," d. h. also dünnnackiges „(nach Montelius typisch für die II. Stufe der neolithischen Zeit), als ein breit- nackiges," so widerlegt er mich nicht, sondern er bestätigt im Gegentheil meine Auffassung; denn darin liegt ja eben mein Beweis für das chronologische Ver- hältniss der Schnur-Keramik zu den Kugel-Amphoren, dass erstere zusammen mit den älteren breitnackigen Beilen, die Kugel-Amphoren aber mit jüngeren Beiltypen vorkommen. Ob es sich bezüglich der letzteren um dünnnackige oder nicht viel- mehr um dicknackige Beile handelt, ist eine weitere Frage. Reinecke bezeichnet ja das Langen-Eichstedter Beil als „schmalnackig" (d.h. also wohl „dünnnackig"); ob diese Bestimmung richtig ist, bin ich augenblicklich nicht in der Lage zu con- troliren, möchte sie aber nach der allerdings undeutlichen Abbildung beiLinden- schmit (Alterth., Bd. II, Heft VIII, Taf. I, Fig. 7) anzweifeln. Eine Feststellung des Thatbestandes ist bezüglich des Langen-Eichstedter Grabes mir momentan nicht möglich. Wie dem aber auch sei, jedenfalls gehören alle in Gesellschaft von Kugel-Amphoren gefundenen Flintbeile, soweit sie mir im Original oder nach brauchbaren Abbildungen bekannt geworden sind, sämmtlich vierkantigen, jüngeren Typen an. 1) Montelius, Die Chronologie der ältesten Bronzezeit in Norddeutschland, und Skandinavien 1900, S. SS und 116 f. 97* (420) S. 606, Absatz 1, und S. 607, Absatz 1. Reinecke ereifert sich darüber, dass ich von einem „Schussenrieder Typus" und einem „Mondsee-Typus" gesprochen und diese Gruppen von der „allgemein-europäischen Band-Keramik losgelöst" habe. Nun, ob man keramische Gruppen mit so ausgeprägtem, speciellem Charakter als besondere Typen bezeichnen will oder nicht, ist schliesslich Ansichtssache. Und ob man diese Gruppen als „stark locale Differencirungen" der Band-Keramik, wie Rein ecke will, oder als nahe verwandte Gruppen auffasst, ist doch schliesslich ziemlich einerlei und jedenfalls eine Frage von so untergeordneter Bedeutung, dass es nicht nöthig gewesen wäre, ihr eine volle Druckseite zu widmen. Was die bei dieser Gelegenheit vorgebrachten Einzelheiten anlangt, so ist zunächst die Be- hauptung Reinecke's: „Die Schussenrieder Vasen-Gattung ist, nach dem augen- blicklichen Stande unserer Kenntnisse, auf das Federsee-Gebiet und Olzreuthe be- schränkt," wiederum irrthümlich, denn das Gefäss vom Michelsberge lässt sich nicht wegleugnen, gleichgültig, ob man ihm den Titel „versprengtes Stück" giebt oder nicht. Und wie steht es mit dem von mir erwähnten Gefässe von Zürich, ganz abzusehen von den nicht ornamentirten zahlreichen Henkel -Kannen des Bodensees von Schussenrieder Form? Ferner rechne ich zum Schussenrieder-Typus ein Gefäss, welches ich bei meiner Arbeit übersehen hatte und fiiermit nachtrage; es befindet sich im Stuttgarter Museum mit der Bezeichnung „Hartneck bei Lud- wigsburg". Schliesslich trage ich noch ein im Museum für Völkerkunde befind- liches ornamentirtes Gefäss des reinsten Schussenrieder Typus vom Ueberlinger See nach. Es kommen also doch noch mehr „versprengte" Stücke zusammen, auch wenn das Konstanzer Gefäss, für dessen etwaige falsche Etiquettirung im Rosgarten-Museum ich nicht verantwortlich bin, hierbei auszuscheiden ist. Was ferner das Verhältniss des Schussenrieder Typus zu den Eichelsbacher Funden an- langt, so habe ich mich darüber durchaus nicht so bestimmt ausgesprochen, wie es nach Reinecke's Aeusserungen über meine Ignoranz den Anschein haben könnte; allerdings halte ich, trotz Reinecke, daran fest, dass — 'nicht gekreuzte Schraffuren schlechthin — wohl aber die Art und Weise, wie die SchrafCuren her- gestellt sind, für ein Charakteristicum des Schussenrieder Typus gelten kann. Eine ähnliche Technik findet sich beim Rössener Typus wieder, weshalb man in manchen Fällen wegen der Zutheilung zu der einen oder der anderen Gruppe zweifelhaft sein kann. Die Eichelsbacher Gefässe rechne ich nicht schlechthin zum Schussen- rieder (oder Rössener?) Typus, sondern zur Band-Keramik, aber ihre Ornamentik ist durch die genannte Gruppe beeinflusst. Wenn noch mehr derartige Funde vor- kommen und nach Reinecke eine locale Gruppe der Band-Keramik bilden, so beweist das nichts gegen mich, sondern zeigt eben nur, dass nicht nur Eichels- bach, sondern die betreffende ganze Gruppe bezüglich der Ornamentik beein- flusst ist. S. 607, Absatz 2. „Eine chronologische Fixirung der „Pfahlbauten-Keramik", wie Götze (Verhandl. S. 273) sie will, schwebt noch ganz in der Luft. Wie im Augenblick die Verhältnisse liegen, ist kein Grund vorhanden, sie jener älter- neolithischen Gattungen folgen zu lassen." Diese beiden Sätze Reinecke's haben zur Voraussetzung, dass ich die Pfahlbauten -Keramik chronologisch fixirt hätte und zwar so, dass sie auf die „älter-neolithische" Gattungen (d. h. meinen ersten Gruppen-Complex Schnur-Keramik — Zonenbecher — Zonen-Schnurbecher) folgen. W^as habe ich aber thatsächlich gesagt? „Für eine sichere Entscheidung zu Gunsten des I. oder IL Falles (d. h. ob die Pfahlbau-Keramik dem ersten Gruppen- complex vorangeht oder folgt) giebt das Fund-Material noch keine genügende Handhabe."- Weiterhin , möchte ich vorläufig annehmen", dass der IL Fall (421) zutrifft, indem ich einige Momente anführe, welche darauf hinzuweisen scheinen, aber ich bemerke hierzu ausdrücklich: „Als Beweis können die angeführten Momente allerdings nicht gelten, und so soll die Pfahlbau -Keramik nur mit allem Vorbehalt zwischen dem I. und II. Haupt-Abschnitt eingereiht werden." Ferner formulirte ich dies in folgendem chronologischen Schema: I. Haupt-Abschnitt: Schnur-Keramik = Zonenbecher = Zonen-Schnurbecher 1 , DP 1 ,. x^ •, ( oder umgekehrte!). Fiahlbau- Keramik J * ^ -' Das ist denn doch wirklich ein starkes Stück, eine solche mit allen Cautelen ausgesprochene provisorische Meinungsäusserung als eine chronologische Pixirung zu bezeichen und mich auf den zweiten Pall festnageln zu wollen, trotzdem ich die Möglichkeit des ersten Palles ausdrücklich hervorhebe! Ich constatire, dass hier wiederum eine starke Differenz vorliegt zwischen dem, was ich nach Hrn. Reinecke gesagt haben soll, und dem, was ich thatsächlich gesagt habe. S. 608, Absatz 1, wird empfohlen, die Chronologie der Steinzeit mit Hülfe der Bronze- und Eisenzeit herzustellen; das ist mir unverständlich. S. 608, Absatz 2, verweist Reinecke auf die Correctur, welche er in der „Westdeutschen Zeitschrift" meiner Pormentafel der Schnur-Keramik kürzlich hat angedeihen lassen; ich bin also gezwungen, auch hierauf einzugehen. Pig. 28 meiner Formentafel soll nach Reinecke einen „Glocken-Becher mit Zonen-Ornament" darstellen. Hierüber kann man streiten. Das Gefäss gehört der Schnur-Keramik an. Wenn Reinecke in dessen Ornament ein „Zonen-Ornament" sieht, so würde hierin eine weitere Bestätigung für das liegen, was ich über den Einfluss der Zonen-Becher auf die Ornamentik der Schnur-Keramik gesagt habe. Was ferner die auf meiner Formentafel dargestellten Rössener Typen und ihre Berichtigung durch Hrn. Reinecke anlangt, so möchte ich zunächst darauf hinweisen, dass ich bereits 181)1 eben in derselben Arbeit über die Schnur-Keramik^) angedeutet habe, dass die genannten Typen doch vielleicht nicht zur Schnur-Keramik gehören. So sage ich von den Rössener Gefässen, dass sie fremde Einflüsse zeigen („Gefäss- Pormen" S. 45), und von dem zum Rössener Typus gehörenden Kessel (ebenda, Taf. 1, Pig. 45) bemerke ich „es ist nicht ausgeschlossen, dass er einer anderen keramischen Gruppe der jüngeren Steinzeit angehört" (ebenda S. 42). So etwas verschweigt jedoch Hr. Reinecke. Aber nicht nur diese Andeutungen hätte er kennen müssen, sondern er musste auch aus anderer Quelle wissen, dass ich den Rössener Typus schon seit langem von der Schnur-Keramik abtrenne und als be- sondere Gruppe behandele. Er hätte also die öffentliche Correctur mir auch über- lassen können. Wenn er mir aber hierin zuvorkommen wollte, dann hätte er — das kann man verlangen — zum mindesten erwähnen müssen, dass ich meine An- sicht hierüber bereits geändert hatte. Aber gerade im Gegentheil schlägt er einen Ton an, als ob er mich über diese Dinge belehren müsste. S. 608, Absatz 3. Ich erwähnte eben, dass Reinecke von meiner jetzigen Auf- fassung über die Rössener Keramik Kenntniss hatte, und das leitet über zum letzten Passus seiner „Bemerkungen". Er hebt da hervor, er habe seit 1897 im Mainzer Museum durch die Aufstellung des-neolithischen Materials nach Gruppen „schon das angedeutet, was dem dem neolithischen Gebiet Pernerstehenden in Götze's Arbeiten als etwas wesentlich Neues erscheinen kann". Nimmt man hierzu die An- deutungen auf S. 600, Absatz 1, dass er nicht nachweisen wolle, in wie weit er 1) Die Gefäss-Formen und Ornamente der neolith. schnurverz. Keramik. (422) und ich unabhängig von einander zum gleichen Resultat gelangt seien, dann kann man nicht umhin, anzunehmen, dass Hr. Rein ecke mich eines Plagiats beschuldigen will. Dem gegenüber stelle ich fest, dass Hr. Paul Rein ecke mich im Januar l'S;}4 in Weimar besucht und bei dieser Gelegenheit das von mir zusammengetragene neolithische Material gesehen hat. Ich hatte es damals bereits nach Gruppen geordnet, jede Gruppe in einen besonderen Umschlag mit entsprechender Aufschrift gethan und die Umschläge zusammengelegt, in der Absicht, später einmal die Gruppen an sich und in ihrem Verhältnisse zu einander zu bearbeiten. Auf diese Weise hatte ich damals die Schnur-Keramik, die Band-Keramik, den Bernburger Typus, die Kugel-Amphoren, die Zonenbecher und auch den Rössener Typus als je eine besondere Gruppe behandelt. Im Vorstehenden glaube ich nachgewiesen zu haben, dass die Kritik des Hrn. Reinecke inhaltlich in jedem einzelnen wesentlichen Punkte unberechtigt war. Ein Wort über die Form, in der dies gesagt ist, zu verlieren, halte ich für über- flüssig. Ich kann aber nicht umhin, die von ihm angewandte Methode, wenn man es so bezeichnen darf, kurz zu berühren. In einer ganzen Reihe von Fällen wird der Inhalt meiner Ausführungen in das Gegentheil verkehrt oder es werden mir sonstige Irrthümer untergeschoben, welche thatsächlich nicht vorhanden sind; diese flngirten Fehler geben dann die Grundlage für die Polemik ab. Das ge- schieht so oft und in so eclatanter Weise, dass man auf den Verdacht kommen kann, es handele sich nicht um Flüchtigkeits-Fehler des Hrn. Reinecke, sondern um bewusste Methode. Ob eine solche vorliegt, und wie eine derartige Handlungs- weise zu beurtheilen wäre, unterbreite ich hiermit dem Urtheile der Fachgenossen. — (19) Hr. C. F. Lehmann übersendet eine Mittheilung über die chaldische Inschrift auf dem Bingöl-dagli. Am gastlichen Tische des Herrn Dr. Raynolds in Van theilte uns in der Weihnachtszeit des Jahres 1898 der englische Consul, Captain (jetzt Major) Maunsell mit, dass der englische Reisende Mr. Lynch auf dem Bingöl-dagh eine Keilinschrift entdeckt habe und erklärte diese Nachricht für sicher beglaubigt. Dies veranlasste uns, auch unsererseits einen Besuch des Bingöl-dagh zur Nachforschung nach diesem, wegen seines Standorts anscheinend besonders wächtigen Document in unser Programm aufzunehmen. Dieser Besuch fiel, nach der im Frühjahr 1899 eingetretenen Theiluug der Routen und der Arbeit, Herrn Belck zu. Er wurde im Herbst 1899 ausgeführt. Seine Nachforschungen hatten ein negatives Resultat, und Belck verwies die Bingöl-dagh-Inschrift in das Reich der Fabel: „auch die dort von den verschiedensten Seiten her signalisirte Keil-Inschrift ist lediglich eine Mythe "^). Die chaldische Keil-Inschrift auf dem Bingöl-dagh ist aber den- noch vorhanden. In seinem vortrefflichen Reisewerk über Armenien 2) giebt Lynch einen ge- nauen Bericht über die Auffindung der Keil-Inschrift auf dem Gipfel des Bingöl- dagh, die seinem Reisegefährten Mr. Oswald im Jahre 1897 geglückt ist. Auf diesen Bericht sei für alles Nähere verwiesen (a. a. 0. II, S, 73 u. S. 373 mit n. l)"*). 1) W. Belck: Zeitschrift für Ethnologie 1899, S. 266. 2) Armenia, Travels and Studies. 2 vols, London 1901. 3) Der betr. Stein wurde unterhalb des Westgipfels (Bingöl Kala) gefunden. Lynch weist daraufhin, dass auch Strecker (Zeitschr. d. Ges. f. Erdkunde, lY, 521) in einer (423) Lynch, der auch den Alterthümern und speciell den chaldischen Inschriften in seinem Werke specielle Aufmerksamkeit widmet und dabei auch alle ihm zugäng- lichen Berichte über unsere Forschungen gewissenhaft verwerthet, konnte hinzu- fügen, dass aller Wahrscheinlichkeit die Bingöl-dagh-Inschrift nach Prof. Sayce's ürtheil von Sardur Argistihinis herrühre. Da somit offenbar die Inschrift genügend erhalten war, um die Lesung wenigstens eines Theiles zu ermöglichen, wandte ich mich an Herrn Lynch mit der Bitte, mir eine Copie der Inschrift zugänglich zu machen, und im Einver- ständniss mit Lynch übersandte mir Hr. Sayce eine Copie der Abschrift des Hrn. Oswald, über die ich, ohne einer eventuellen Publication der Inschrift im Originaltext vorgreifen zu wollen, Folgendes berichte: Die neunzeilige Inschrift bedeckt etwas mehr als die Hälfte der oben liegenden und copirten Seite des stelenförmigen Steines. Dass auch die andere Seite be- schrieben wäre, ist nicht ganz ausgeschlossen. Die Inschrift ist, wie so oft, durch Eingrabung eines christlichen Ornaments beschädigt und absichtlich verstümmelt. Der Text rührt, wie Sayce richtig erkannt hat, zweifellos von einem Sardur her, die. wohl erhaltenen beiden ersten Zeichen ™(ILU) schliessen jede andere Lesung aus, da von chaldischen Herrschernamen nur Sardur mit dem Gottes- Determinativ anhebt. In Zeile 2 sind von den ersten zwei Zeichen genügende Spuren erhalten um die Lesung ""Ar zu sichern, es handelt sich also, wie es auch historisch das allein Wahrscheinliche, um Sardur (HI) Argistihinis. Den genaueren Erhaltungszustand von Z. 1 und 2 zeigt die folgende Umschrift: ■ "'(ILU) [Sa]r-d[u]-[r]i-[e?]-se '"A[r-gis-t]i-[hi-ni]-se Von den weiteren Zeilen ist verhältnissmässig mehr erhalten. Aber bei aller Sorgfalt der Copie macht sich doch der Nachtheil der An- fertigung von Keilschrift unkundiger Seite geltend. Mit Recht bezeichnet Hr. Sayce die Beschaffung eines Abklatsches als ein dringendes Bedürfniss. Mit einiger Wahrscheinlichkeit ergänzbar erscheinen: Z. 4. pu[-lu-si k]u- [g]u -n[i] - e. Z. 8. pa-ri (MATU) A-lu-si- . (?)a (so auch Sayce, bei Lynch, p. 73, Nr. 1). "Weiterer zum Theil nahe liegender Lesungs- und Ergänzungs-Versuche ent- halte ich mich vor der Hand. Der Inhalt des vorliegenden Textes lief also hinaus auf den Bericht von der Abfassung der Inschrift und von Eroberungen im Lande A - lu - si -.(?)- a, in (oder nahe) welchem also wohl der Bingöl-dagh belegen war. Die Errichtung dieser Stele auf diesem wichtigen Gebirgstock, über welchen die Route von Van und Bitlis nach dem Norden (Erzerum usw.) führt, hat im Rahmen der Nordzüge Sardur's III. (vergl. die Zuschriften Nikolsky 15, 16, 12, 13/14) eine ähnliche Bedeutung wie für Menuas' Züge zum Urmia-See die Kelischin- Stele, die auf der Passhöhe der Ostgebirge deren wichtigsten Markstein bildet, seitdem die Inschrift von Tastepe muthwillig zerstört worden ist. Dass nicht jeder erste Versuch, zu einer vorhandenen Inschrift vor- und durch- zudringen, erfolgreich ist, ist eine alte Erfahrung. Auch ich habe in dieser Hinsicht Lehrgeld zahlen müssen. Der vorliegende Fall mahnt zur Vorsicht im Ableugnen Vertiefung nahe dem mittleren der 3 Bingöl- Gipfel (Kara Kala) eine Keil-Inschrift ge- sehen hat. Möglicherweise sind also mehrere Keil-Inschriften auf dem Gebirgsstock des Binfföl vorhanden. (424) solchen Vorhandenseins. Nachkommende Reisende dergestalt an erneuten Ver- suchen, die vielleicht zum Ziele führen, zu verhindern, erscheint nicht wohlgethan. Ich schliesse mit einer Aufzählung der seit unserer Expedition neu bekannt gewordenen chaldischen Inschriften: 1. a) und b), Menuas-Inschriften von Baghin, aufgefunden a) von Basmadjan und, unabhängig von ihm, auch von Huntington, b) von Huntington. S. meine Berichte, diese Verhandl. 1900, S. 4;)1, Anmerk. 2 und S. 572 ff. 2. Argistis I. Menuahinis, herausg. von Basmadjan, s. Verh. 1000, S. 572, Anmerk. 5. 3. Sardur's 111. Inschrift vom Bingöl-dagh. 4. Rusas' II. Stele, gefunden in Surp Krikor unweit Etschmiadzin; s. darüber meine erste Nachricht, Verhandl. 1900, S. 431, und meine Publication in der . Zeitschrift der Deutschen Morgenl. Gesellschaft, Bd. 56, S. 101— 115 1) 2). — (20) Hr. 01s hausen übersendet eine Mittheilung betreffend ägyptische hausurnenäliiiliche Thon-Gefässe. Ich möchte die Aufmerksamkeit auf einige merkwürdige ägyptische Thon- Gefässe lenken, welche unseren Haus-Urnen mit kuppeiförmigem Dach und hoch- liegender Eingangs-OelTnung ausserordentlich gleichen. Dem Werke Plinders Petrie's „Diospolis parva, the oemeteries of Abadiyeh and Hu", 1898/99, London 1901, ent- nehme ich die nachstehenden Zeichnungen zweier solcher Gefässe, die auf Taf. 25 zu p. 52 abgebildet sind. Sie haben (Deckel) Thüren zum Schliessen der Oeffnungen und ähnliche Einrichtungen zum Festhalten der Deckel, wie sich beide auch an unseren Haus- und Thür-Urnen finden. Die Form der Gefässe ist, wie die hier beigefügten Skizzen zweier deutscher und einer dänischen Haus-Urne lehren, ganz Fiir. 1. Fi"- 2. ähnlich; ein Unterschied liegt jedoch in dem allerdings nur niedrigem Fuss (mit Ilachem Boden), welchen die ägyptischen Gefässe besitzen. — [1) Inzwischen von Belck behandelt, oben S. 222£f, C. L. Correctur-Zusatz.] i) Hinzu träte, falls den Nachrichten der Tageszeitungen zu trauen, eine von Hm Belck im Museum zu Constantinopel gefundene Inschrift. C. L. (425) Diospolis parva und Abydos [jetzt Hu (How, Hau) und AbadiyehJ lagen er- heblich unterhalb Thebens [Diospolis (magna)] am linken Nil -Ufer in über- Aegypten. Die Gefässe wurden dem von Petrie mit Y S bezeichneten Begräbniss- Figr. Däuemark. Platz von Hau entnommen, der im wesentlichen in die Zeit der 13. bis 17. Dynastie fällt, d. h. ins mittlere Reich (1:2. bis 17. Dynastie) und in die Zeit der Hyksos-Könige (13. bis 17. Dynastie). Der Berichterstatter A. C. Mace sagt, sie seien ein Räthsel; von vielen Vermuthungen über ihren Gebrauch wäre die wahr- scheinlichste vielleicht die, dass es sich um Modelle von Korn- Behältnissen handle. In der That zeigte mir Hr. Prof. Er man im ägyptischen Museum antike thönerne Darstellungen von Vorrathshäusern, die lebhaft an obige „Haus-Urnen" erinnern. Mag diese Deutung für letztere nun richtig, und damit viel- leicht auch für einen Theil unserer späten nordischen Haus-Urnen mit ihren sonderbaren, einem Wohn- hause so gar nicht mehr gleichenden Formen eine Erklärung gefunden Fig. 4. /.• V. V. Burgkemnitz bei Bitterfeld. Fisr. /.•2;2. Polleben, Mansfelder Seekreis. sein oder nicht, die Aehnlichkeit ist jedenfalls gross. Wir müssen aber auf den erheblichen Zeitunterschied hinweisen, der für beide Gefäss-Gruppen besteht. Die ägyptische Chronologie leidet bekanntlich an dem Uebelstande, dass die alten Köniefs- Listen von Manetho und Anderen, an sich mit manchen Fehlern behaftet, auch eine verschiedene Deutung zulassen insofern, als man die Reihen- folge der Könige ununterbrochen fortlaufend sich denken kann, oder zum Theil aus parallelen Reihen nebeneinander herrschender Könige gebildet, wodurch die Gesammtreihe verkürzt würde. Zu den Aegyptologen, welche im Allgemeinen zu einer niedrigeren Zeitansetzung neigen, gehört auch Hr. Er man. Er theilt mir indess mit, dass man doch einige Fixpunkte für absolute Zeitbestimmungen habe, die sich aus astronomischen Beobachtungen ergeben, nehmlich einen für den Anfang der 12. Dynastie, etwa 2000 vor Chr., und zwei in der l>i. Dynastie, angenähert die Jahre 1650 und 1500. Der Zeitraum von der 13. bis 17. Dynastie sei dagegen ganz dunkel. Andere Forscher würden den Anfang der 12. Dynastie um 500 und mehr Jahre früher setzen, aber auch so steht fest, dass jene hausurnenartigen Thon-Gefässe (mindestens) in die erste Hälfte des 2, Jahrtausends vor Chr. fallen, während von unseren nordischen Haus-Urnen nach Montelius (im Corresp. -Blatt der Deutschen anthropol. Gesellsch. 1897, S. 123) die ältesten ins 12. bis 11. Jahr- hundert gehören, die jüngsten Thür-Ürnen aber noch um mehrere Jahrhunderte später sind. — (21) Hr. Lucien Mayet (Lyon) übersendet eine Mittheilung^ Ueber Hypertrichosis lumbo-sacralis und ihre Auffassung als ein 8tignia (3Ierknial) von Entartung-. Die Entartung — deren Definition durch eine verminderte physische und geistige Vollkommenheit sich bemerkbar macht und die zur Sterilität und sogar zum frühreifen Aussterben des einzelnen Wesens und seiner Nachfolger führen kann, ein Zustand, welcher in der allgemeinen Pathologie und in der Neuropathologie einen so wichtigen Platz einnimmt — macht sich durch ziemlich zahlreiche Er- kennungszeichen bemerkbar, wir dürfen nicht pathognomonische Zeichen sagen, welche den körperlichen und geistigen Verfall des Entarteten anzeigen, diese sind die Merkmale (Stigmata) der Entartung. Diese Stigmata zerfallen in anatomische, physiologische, psychologische und sociologische. Die Bildung der anatomischen Maler ist die Folge von fehlerhafter Ent- wickelung des Fötus, einer Entwickelung, die in solchen Fällen und deren Gründe noch unsicher und streitig sind; die gewöhnlichen Ursachen der Entartung sind: Alkoholismus, Syphilis, Tuberculose, Paludisme (Stumpf-Ansteckung), Kropf, Pellagra (mailändische Rose), usw. Die anatomischen Stigmata der Entartung sind heut zu Tage festgestellt durch die Missgestaltung. Ihre Anzahl ist gross. Einige sind sehr bekannt: Schädel- und Gesichts- Asymmetrie, Ohr-Missbildungen, Zahn-Abweichungen, Glieder-Unförmigkeiten z. B.; andere sind seltener und über einen speciellen Fall eines anatomischen Males, der selten vorkommen dürfte — über Hypertrichosis lumbo-sacralis — ge- statten wir uns heute zu handeln. Die Bezeichnung Hypertrichosis lumbo-sacralis (Trichosis lumbalis, Hypertrichosis circumscripta mediana, Hypertrichosis lumbalis, lumbal Trichose, Hypertrichose dorsale, lombaire, sacree usw.) bezeichnet das Vorhandensein eines Haarbüschels auf einer grösseren oder kleineren Hautfläche der Rücken-, Lenden- und Kreuzbein-Gegend. Dieser Haarbüschel hat mehr oder weniger Analogie mit dem Schwanz der Faunen, wie ihn gewöhnlich Maler und Bildhauer darstellen. (427) „Die behaarte Hautfläche" — sagte Hr. Fere, welcher von dieser Gleich- förmigkeit überrascht war — „zeigte weder eine Hautveränderung, noch eine andere Hautdicke oder eine abnormale Hautfärbung. Die Circonferenz der be- haarten Stelle ergab eine stark merkbare Haarwuchs-Verdünnung, und die Haut nahm ohne plötzliche Scheidelinie das normale und glatte Aussehen an." Dieser sonderbare Fall wurde mehr von Chirurgen als Anatomen oder Neuro- logen studirt. Hypertrichosis lumbo-sacralis existirt in Wirklichkeit zugleich mit Spina-bifida occulta. Auch ist der Fall ausschliesslich in der Diagnose dieser Spina bifida occulta untersucht worden. Wir haben eine andere Ansicht von Hypertrichosis circumscripta mediana und unserer Meinung nach hat die Hypertrichosis eine — zum Theil — verschiedene und vielumfassendere Bedeutung. In der That, wenn wir die Fälle, die heute bekannt gemacht sind, prüfen, lesen wir für den grössten Theil: Spina bifida occulta mit Hypertrichosis lumbalis. Z. B., die Fälle von Yirchow, Recklinghausen, Brunner, Joachimsthal, Jäger, Hoche, Kellner u. A.^) 1) S. Literatur-Verzeichniss Nr. 2, 4, 5, G, 7, 8, 10, 12, 14, 16, 17, 18, 20, 21, 22, 23, 24, 25, 26, 27, 28, 30, 31 und 32. (428) Es kann jedoch Spina-bifida occulta ohne Trichosis circumscripta existiren. Wahrscheinlich sehr oft bleiben solche Fälle unbemerkt. Wir können hier die Beobachtungen von Kirmisson, Sainton, Marchand, Ardouin, Bohnstedt, Joachirasthal, Dalziel, Jacobsen u. A.^) anführen, und den Fall eines Ujährigen Mädchens, welches wir im Hospiz der Charite, in Lyon, in den Sälen des ver- storbenen Dr. Levrat gesehen haben. Endlich, in anderen Fällen ist Hypertrichosis lumbo-sacralis von keinem Wirbel- spalte begleitet. Hierhergehören die Beobachtungen unserer ausgezeichneten Collegen Dr. Bartels, Ohmann-Dumesnil, Fere, Voisin u. A.^). Zu diesen Fällen können wir einen Fall, welchen wir vor Kurzem im Hotel- Dieu, in Lyon, beobachtet haben, hinzufügen, und den wir im Nachstehenden be- sprechen wollen. Ob eine Missbildung der Wirbelsäule damit verbunden sei oder nicht, Hyper- trichosis lumbo-sacralis bleibt voll und ganz ein anatomisches Stigma der Ent- artung, denn das Vorhandensein der Spina bifida ist selbst das Product einer starken und missgestaltenden (teratologischen) Wirkung auf den Fötus. Es ist schade, dass nur einige Schriftsteller die anderen gleichzeitigen Körper- und Geistesmängel zu erforschen gesucht haben. Fischer nimmt Notiz von der Verwachsung der Zehen bei einem 10jährigen Mädchen; Sonnenburg von der Poly- mastie; Joachimsthal und andere Beobachter führen verschiedene Krümraungen der Wirbelsäule — Scoliose, lordose, cyphose usw. — au; Voisin, Fere und, vor Kurzem, Kellner, haben die Idiotie bemerkt. Was speciell unseren Fall anbetrifft, so folgt hier dessen Beschreibung: Josephina D wurde im Januar 1901 in das Hötel-Dieu, in Lyon, auf- genommen. Sie war hochgradig schwindsüchtig und starb am 6. März 1901. Ihr Mann verbat ausdrücklich, die Leiche zu öffnen. Die Kranke hatte eine merk- würdig behaarte Stelle neben der Lenden- und Kreuzbein-Gegend. Diese behaarte Stelle deckte die folgende Fläche: In der Höhe, den 3. Lendenwirbel — 5. Kreuz- bein-Wirbel; in der Breite, rechts, bis 5 cm von der Mittellinie, links, bis ungefähr 8 oder 9 cm. In der Nähe des Centrums sind die Haare mehr lang und dicht als in der des Umfangs. Die grösste Länge der Haare betrug 28 cm. Die grosse Ab- magerung der Kranken erleichterte die Prüfung des Rückgrates. Man konnte dieses so gut als nach einer anatomischen Zergliederung sehen und erforschen. Man war überzeugt, dass kein Wirbelspalt, keine angeborene Missbildung, keine Spina-bifida occulta vorhanden waren. Man bemerkte dagegen: Plagiocephalie mit links vorherrschender Asymmetrie; schiefe Stirn; gegen die Augenbrauen eingepflanzte Haare; Gesichts-Asymmetrie; keine Ohrläppchen, keinen Ohrsaum (oreille non ourlee); Zahn-Missbildungen; Brachydactylie; Scoliose usw. Die Erkrankte, deren Fall besprochen wurde, war unbestreitbar eine Entartete. Neben den anderen Entartungsmerkmalen, welche diese Entartete bezeichnete, be- stand Hypertrichosis lumbo-sacralis. Diese letztere kann bestimmt als anato- misches Stigma der Entartung festgesetzt werden. Zum Schluss bemerken wir, dass die Abnormität darin beruht, dass die Ab- weichung der gewöhnlichen Vertheilung der Haare, welche beim normalen Menschen längs der Wirbelsäule — und speciell in der Nähe der Lenden- und Sacral-Gegend — länger und viel dichter sind, unser Fall eine diesbezügliche üebertreibung bildet. — 1) S. Literatur-Verzeichniss Nr. 20, 34, 35, 40, 42, 47. 2) ebenda Nr. 1, 3, 13, 15, 19, 29. (429) Literat ur-Verzeichni SS. I. 1. Ornstein. — Zeitschrift für Ethnologie (Verhandl. d. Berl. Ges. f. Anthropol. usw.), 1875, VII, S. 91 und 279: „Eine ungewöhnliche Behaarung der Sacralgegcud eines Menschen." — id. 1876, VIII, S. 247: „Neuer Fall von sacraler Behaarung." — id. 1877, IX, S. 485: „Sacral-Trichose bei Hellenen" (memoire avec figures). — id. 1880, XII: „Ein Fall von Trichosis sacro-lumbalis als Varietät der Sacral- Trichose." 2. R. Virchow. — Zeitschrift für Ethnologie 1875, VII: „Ein Fall von Hypertrichosis circumscripta mediana, combinirt mit Spina bifida."' — Deutsche med. Wochenschr. 1884. — Verhandlungen Berliner med. Gesellschaft 1891, 1, S. 78. 3. M. Bartels. — Zeitschrift für Ethnologie 1877, VII, S. 110. — id. 1879, XI, S. 145. — id. 1880, XIII, S. 21.3. — Archiv für Anthropologie I, XIII. — Berliner klin. Wochenschr. 1892, Nr. 33, S. 833. 4. F. Tourneux et E. Martin. — Journal de l'anatomie et de la physiologie 1881, S. 7. 5. F. Fischer. — Deutsche Zeitschrift für Chirurgie 1883, XVIII, Nr. 1. „Ein Fall von chronischer Ostilis des Metatarsal-Knochen und lumbaler Trichose," 6. Sounenburg. — Berliner klin. Wochenschr. 1884, Nov., S. 756. 7. Lücke. — Tageblatt der 58. Versammlung deutscher Naturforscher uud Aerzte in Strassburg 1885, Sept., S. 276. „Ueber sogen, congenitaler Hüftgelenk-Luxation." 8. F. V. Recklinghausen. — Virchow's Archiv für pathol. Anatomie usw. 1886, CT, S. 243. „Untersuchungen über die Spina bifida: S^iina biüda occulta mit sacro- lumbaler Hypertrichose." 9. J. Bland Sutton. — The Laucet 1887, II, j). 4. ..Abstract of a clinical lecture on Spina bifida occulta." 10. Conrad Brunner. — Virchow's Archiv für pathologische Anatomie usw. 1887, CVII, S. 494. „Ein Fall von Spina bifida occulta mit congenitaler lumbaler Hyper- trichose." 11. A. Dood. — The Lancet 1887, II, p. 1063. — „A case of lumbar hypertrichosis." 12. Thornburn. — Brain 1888. — On the injuries of the cauda equina. 13. Ohmann-Dumesuil. — Journal of cutaueous and genito-urinary diseases 1888, p. 97. 14. Bergmann. — Verhandlungen der Berliner med. Gesellschaft 1890, XXI, S. 117. 15. Fere. — Nouvelle iconographie de la Salpetriere 1890, p. 45, 48. „La queue des satyres et la queue des faunes." 16. Jones. — British med. Journal 1891, 24 janv., p. 173. 17. G. Joachimsthal. — Berliner klin. Wochenschr. 1891, Nr, 22, S. 536, „Ueber Spina bifida occulta mit Hypertrichosis lumbalis." Cf. aussi: Verhandl, der Berliner med. Gesellschaft XXII, 1, S. 78, 2; S. 55. 18. Curtius. — Langenbeck's Archiv für klinische Chirurgie 1893, XLV, S. 194. „Beitrag zur Pathologie der Spina bifida lumbo-sacralis." 19. J. Voisin, — L'idiotie. Paris. Alcan 1895. 20. G, Joachimsthal. — Virchow's Archiv für pathol. Anatomie usw, 1893, CXXXI, S, 488. „Ein weiterer Beitrag zur Casuistik der Spina bifida occulta mit localer Hypertrichose, (Cf. Zeitschrift für Ethnologie 1892, XXXIV, Verhandl, der Berliner anthropol. Gesellschaft, S. 313) usw. usw. 21. H. Ribbert. — Virchow's Archiv für path. Anatomie usw, 1893, CXXXIL S, 381, „Beitrag zur Spina bifida occulta lumbo-sacralis."' 22. E. Saalfeld, — Virchow's Archiv für path. Anatomie usw. 1894, CXXXVII, S. 384. „Ueber Spina bifida occulta mit hypertrichosis lumbalis." 23. Jens Schon. Berliner klinische Wochenschrift 1894, Nr. 5, Nr, 113. „Ein Fall von Spina bifida occulta mit Hypertrichosis lumbalis," 24. G, Muscatello. — Langenbeck's Archiv für- klinische Chirurgie 1894, S. 384, Ueber die angeborenen Spalten des Schädels und der Wirbelsäule," (430) 25. Taruffi. — Oit. Muscatello. 26. Fürst. — Deutsche medicin. Wochenschrift 1895, Kr. 15, «. 103. „F^in Fall von Spina bifida occulta mit Hypertrichosis lumbalis." 27. — St. Peterbiirger med. Wochenschrift XXF, Nr. 23. ,.Spina bifida mit Hypertrichosis lumbalis." 28. J. Rotgaus. — Cit. Joachimsthal. 29. Geyl. — Cit. Joeger. 30. Joeger. — Dissert Strassburg 1899. „Ein weiterer Beitrag zur Casuistik der Spiua bifida occulta mit localcr Hypertrichosis." 31. Ho che. — Societe de medeciue de Nancy, 25 jauvier 1899, iu Revue medicale de l'Est, 15 mars 1899, p. 186. ,.Un cas de spiua bifida." 32. Kellner. — Ceutralblatt für Chirurgie, 1. Juni 1901, Nr. 22. „Ein Fall von Trichosis lumbalis mit Spina bifida occulta." 33. Lucien May et. — C. R. de PAssociation des Anatomistes de langue fraugaise. III0 Sess. 1901. p. 155 — 157. Note sur 0. Hypertrichose lombo-sacree. n. 34. Kirmisson. — Bulletiu medical 1887, No. 53. 35. Sainton. — Revue d'orthopedie II, 1891, p. 455. „Kote sur un cas de Spina bifida occulta." 36. Shield. — Transactions med. soc. Loud. 1891/92, XY, p. 467. „Gase of Spina bifida occulta necrosis of foot and talipes." 37. Poumayrac. — Etüde sur les hypertrichoses. These de Bordeaux 1892/93, No. 46. 38. Ecker. — Archiv für Anthropologie XII, S. 129. 39. Michelson. — Ziemssen's Handbuch der Haut-Krankheiten. — Vircho'n-'s Ai-chiv füi- path. Anat. usw., €., S. 74. 40. W. Wanjura. — „Von der genetischen Beziehung der über der Wirbelsäule gelegenen circumscripten Hypertrichose für Spina bifida occulta." Dissert. Berlin 1892. 41. Marchand. — Cf. art. „Spina bifida" in Eulenburg's Encykl. der ges. Heilkunde. 42. Bohnstedt. — Virchow's Archiv für path. Anatomie usw. 1895, CLX, S. 47. „Beitrag zur Casuistik der Spina bifida occulta." 43. F. Regnault. — Medeciue moderne 1895. 44. Ardouin. — Revue d'orthopedie VII, p. 470. 45. Dalziel. — The Lancet, 8 fev. 1896, p. 360, in C. R. de la „Glascow med. chir. Society." 46. Fere. — La famille nevropathique, p. 272. Paris. Alcan 1894. 47. Jacobson. — Revue d'orthopedie VIII, 1897, p. 130. 48. L. Battistelli. — „II sistema pilifero nei normali e nei degeuerati." — Arch. di psichiatria 1900, I, p. 1, et Atti della soc. romana di antropologia 1900, p. 161. 49. L. Mayet. — Gazette des hospitaux, 5 et 12 janvier 1901. Les stigmates anatomiques de la degenerescence. 50. — Nouvelle Iconographie de la Salpetriere, No. 3, Mai-Juni, 1901, Paris. (22) Hr. P. Ehrenreich überreicht der Gesellschaft die Photographie einer sicilianischen Wahrsagerin. — (2-3) Hr. Ferdinand Gold stein spricht: lieber die Eintheilung der mittelländischen Rasse in Semiten, Hamiten und Jafetiteu. M. H. Wenn Sie die Eintheilung der mittelländischen Rasse nach den Söhnen Noah's ins Auge fassen, so bemerken Sie, dass man hier von dem gewöhnlichen Wege ethnologischer Forschung abgewichen ist. Die Eintheilung des Menschen- Geschlechts nach ethnologischen Gesichtspunkten ist eine naturwissenschaftliche (431) Eintheilung, die Eintheilung nach den Söhnen Noah's eine theologische. Der Ethnologe sucht die natürlichen Eigenthüralichkeiten der Menschen zu ermitteln, um nach ihnen seine Classificirungen zu machen, und überspringt dabei die Grenzen, die Politik und Religion gezogen haben, die Eintheilung nach den Söhnen Noah's wäre unmöglich ohne unser Religionsbuch, die Bibel. Die Bibel erzählt, Noah habe 3 Söhne gehabt, Sera, Ham und Jafet und unterstellt jedem dieser drei eine Anzahl von Völkern, und man hat sich nun vorgestellt, dass diese Ein- theilung ethnologische Verhältnisse zur Voraussetzung habe. Diese Ansicht ist schon recht alt. Sie stammt ursprünglich von Eichhorn, Professor in Jena, aus dem Jahre 1787. Eichhorn hatte in seinem Werk, „Einleitung in das Alte Testament", die Bezeichnung Semiten und Hamiten für die entsprechenden Völker gebraucht, und da er grosses wissenschaftliches Ansehen genoss, so acceptirte man sie. Seitdem haben die Wissenschaften auf allen Gebieten die grössten Um- wälzungen erfahren, gegen die Eichhorn'sche Eintheilung sind auch wiederholt die schwersten Einwände geltend gemacht worden, trotzdem hat man an ihr nicht nur in Deutschland bis zu dieser Stunde festgehalten, sondern sie ist auch von Renan in die französische und von Max Müller in die englische Wissenschaft hineingetragen worden. Ich habe die Sache einer neuen Prüfung unterworfen und will die Resultate, zu denen ich gekommen bin, jetzt Ihrer Beurtheilung vorlegen. Die Völker-Tafel führt als Söhne Ham's auf: Kusch — die Aethiopen, Mizrajim — die Aegypter, Kanaan — die Kanaanäer und Put, eine libysche Völkerschaft, deren Identificirung bisher noch nicht vollkommen gelungen ist. Von diesen vier Völkern bewohnten die Aethiopen nach den Berichten der alten classischen Schriftsteller die verschiedensten Gegenden, es gab asiatische Aethiopen, ostafrikanische und auch westafrikanische. Heute versteht man unter Aethiopen ausschliesslich die ostafrikanischen, an den Süden Aegyptens stossenden Länder, und es ist unbestritten, dass auch die Völker-Tafel ausschliesslich an diese bei Aufzählung der 4 Söhne Ham's denkt. Eine ethnische Einheit bilden diese Völker nicht, es ist daher auch nicht möglich, von einer kuschitischen oder äthiopischen Rasse zu reden. — Ueber die Herkunft der alten Aegypter ist man noch nicht zu voller Klarheit gelangt. Blumenbach unterschied nach den Monumenten 3 Typen: einen indischen, einen äthiopischen und einen aus diesen beiden ge- mischten. Hartmann hielt die Aegyter für Abkömmlinge der nubischen Kuschiten. Virchow schliesst, dass die Vorfahren der rothhäutigen Aegypter, denen wir so häufig auf den Tempel-Malereien begegnen, einer gelben Rasse angehört haben, und dass sie sich allmählich unter dem Einfluss von Licht und Luft verändert haben. — Ganz unmöglich kann man bei den Kanaanäern von einer einheitlichen Rasse sprechen, denn die Bibel und zwar gleich die Völker-Tafel entwirft uns hier ein so ungemein buntes Völkerbild; sie spricht von Amoritern, Chetas, Sinitern, Chiwitern und noch vielen anderen Völkern, Völker die nur zum kleineren Theil bisher identificirt sind, zum grösseren dagegen nicht, von denen jedoch eins un- zweifelhaft ist, nehmlich dass sie nicht alle einer und derselben Rasse angehört haben. Wenden wir uns zu den Völkern Senrs, so führt hier die Völker-Tafel auf: Assur — die Assyrer, Aram — die Aramäer, Elam — die Kissier der Griechen, Lud — die Lj'der und Arpachsad, eine räthselhafte Völkerschaft. Von diesen vier Völkern werden die Assyrer und Aramäer allgemein zu den Semiten gezählt, ebenso allgemein werden aber die Elamiten nicht zu den Semiten gezählt, und von den Lydern ist es wenigstens vielen zweifelhaft, ob sie zu den Semiten zu zählen (432) seien. Den Jafetiten gegenüber ist man vorsichtiger gewesen, auch Eichhorn spricht nur von Hamiten und Semiten, dagegen nicht von Jafetiten. Aber ab- gesehen davon, dass hierin eine Inconsequenz liegt, hat es doch nicht an Autoren gefehlt, die die Jafetiten mit den Indogermanen zusammengebracht haben, um so verwunderlicher, als nur der kleinere Theil dieser Völker bisher identificirt ist. Gomer sind die Kimmerier, Madai die Meder, Jawan die Jonier und Griechen. Was aber Magog, Tubal, Tiras und Mesech sind, die als weitere Völker hier noch genannt werden, das ist unsicher. Allerdings hat man gesagt, Mesech seien die Moscher. Falls das richtig ist, würden sie wieder nicht hierher passen, denn Strabo theilte die Moscher ein in Iberer, Kolcher und Armenier. Von diesen drei Völkern waren die Kolcher sicher die nächsten Verwandten der Aegypter, also Hamiten, die Iberer waren ihnen verwandt, also ebenfalls Hamiten, auf die Armenier werde ich noch zu sprechen kommen. — Gehen wir über die Bibel hinaus, so mehren sich die Widersprüche. Im Süden des Euphrat wohnte das Volk der Chaldäer, Ur soll ihr Mittelpunkt ge- wesen sein, das Ur-Kasdim der Bibel, von wo Abraham ausgezogen ist. Man glaubt, die Stadt im heutigen Mughair wiedergefunden zu haben.^ Es existirt aber noch ein zweites Volk der Chaldäer, im Norden des Euphrat, das auch die Chalyber hiess, und man hätte nun wohl niemals sonst gezweifelt, dass diese beiden räumlich keineswegs besonders getrennten Völker der Chaldäer mit einander verwandt seien, wenn man nicht die Chaldäer des Südens zu den Semiten, die des Nordens aber nicht zu den Semiten gezählt hätte. Aus diesem Grunde hält man diese beiden Völker für völlig von einander verschieden^). Aehnlich liegt es bei den Iberern. Die Iberer wohnten im Süden des Kaukasus, im heutigen Georgien. Es existirt aber noch ein zweites Volk der Iberer, von denen die iberische Halb- insel, der Ebro (Iberus) ihren Namen tragen, und man hätte hier wohl ebenfalls niemals gezweifelt, dass diese beiden Völker der Iberer mit einander verwandt sind 2), besonders, da ausser dem Namen noch viele Zeichen ihrer einstigen Zu- sammengehörigkeit vorhanden sind, und die Alten überliefert haben, dass beide in Beziehung zu einander gestanden haben. Und zwar ist beides überliefert, sowohl dass die Iberer des Kaukasus von den spanischen Iberern, wie auch, dass die spanischen Iberer von den kaukasischen abstammen. Armenien pflegt man zu den Indogermanen zu zählen; Strabo aber sagt, dass die Armenier die nächsten Ver- wandten seien der Syrer, Assyrer, Araber, also Völker, die man heute allgemein zu den Semiten zählt, und fügt hinzu, dass die Armenier auch Aramäer geheissen hätten^), und in üebereinstimmung hiermit steht Moses von Chorene, nach dem Aram der eponyme Stammvater der Armenier gewesen wäre. — Ich könnte die AVidersprüche noch leicht mehren, aber Sie werden mir aus dem bisher Angeführten zugeben, dass ich ein Recht hatte, zu zweifeln, ob denn 1) Die südlichen Chaldäer waren nicht das älteste Volk im Euphrat- Tigris-Gebiet. Sie müssen also hierher gewandert sein, und es lieisst den Verhältnissen Gewalt anthun, wenn man dabei an ein anderes Volk als an die Chalyber-Chaldäer, dieses uralte Cultur- volk, denken wollte. Unbedenklich identificirt sie denn auch Knobel (Die Völker-Tafel der Genesis, S. 163 f.). Erwähnen möchte ich, dass Lehmann und Belck im Gebiet der alten Chalder ein sehr umsichtig angelegtes Canal-System gefunden haben, und dass das- selbe das Euphrat-Tigris-Gebiet auszeichnete. 2) Knobel erklärt es für eine Thorheit, sie zu trennen a. a. 0. S. 113. Nach Reineggs hat sich durch mündliche Ueberlieferung die Erinnerung an den Zusammenhang der spanischen und kaukasischen Iberer erhalten. Bei Hasse, Entdeck, usw. II. S. 112 f. 3) p. 41f. TS4 (ed. Casaub.). (433) die Bibel durch ihre Einlheilung nach den Söhnen Noah's eine ethnologische Eintheilung hat geben wollen. Verstärkt wurde mein Zweifel durch die Thatsache, dass ethnologische Erwägungen der Bibel so gut wie ganz fremd sind. Die Bibel kennt Staaten und vor allem Religionen. Sollte es denn nicht möglich sein, dass Sem, Ham und Jafet Religions-Stifter, oder, was im Alterthum stets damit gleich- bedeutend war, Götter gewesen sind? Sollte es denn nicht möglich sein, dass die Völker auf Grund religiöser Gemeinschaft zusammengestellt worden sind? Ich bin zu der Ueberzeugung gekommen, dass es gar nicht anders sein kann, und will den Beweis jetzt vor Ihnen führen. — Ich beginne mit Jafet. Von Jafet hat man schon längst behauptet, dass er ein Gott gewesen sei, man hat nehmlich seine Identität mit dem Japetos der Griechen erkannt. Die Namen Japetos und Jafet sind ja in der That ungemein ähnlich, die Aehnlichkeit wird noch grösser, wenn wir die Form nehmen, die Moses von Chorene für diesen Sohn des chaldäischen Noah hat. Nach Moses von Chorene hatte Xisuthros, der Noah der Chaldäer, auf den ich noch zu sprechen kommen werde, 3 Söhne: Srovan, Titan und Japetosthe. Japetos war ein Titane, d. h. ein Gott oder Halbgott. Die Titanen versuchten die Götter zu stürzen und sie scheinen mit diesem Unternehmen zunächst auch Erfolg gehabt zu haben, denn erst als die Götter die Hülfe der Athene erhielten, konnten sie sich ihrer Feinde erwehren. Die Götter werden die Titanen wohl nicht von ihren luftigen Höhen herabzureissen gesucht haben, wohl aber die Götterbilder, sie werden versucht haben, die Priesterlehren zu zerstören, und da man Feinde der Priester und ihrer Lehren, von jeher Feinde der Götter genannt hat, so kommen wir zu dem Schluss, dass Japetos und die Titanen religiöse Neuerer gewesen sind, sei es, dass sie eine alte Religion stürzen wollten, sei es, dass sie eine neue ein- führen wollten oder, was das Wahrscheinlichste ist, beides. Mit Rücksicht darauf konnte Horaz von dem audax Japeti genus sprechen^). Verfolgen wir die Genealogie des Japetos, so kommen wir auf Prometheus. Von ihm erzählt die griechische Mythologie, er bildete sich Menschen aus Erde, und Athene blies diesen Erd- gebilden Leben ein. Es ist das also dieselbe Sage, die die Bibel von Adam er- zählt, und ich zweifele keinen Augenblick daran, dass die beiden Sagen, die biblische von Adam und die griechische von Prometheus, in genetischem Zu- sammenhang stehen. Tertullian nennt Gott, da er den Menschen aus Erde ge- formt hat, direct den wahren Prometheus-). Zur Strafe für seine Sünden wurde Prometheus an den Kaukasus geschmiedet, d. h. er wirkte in den Landen der Jafetiten. Verfolgen wir die Genealogie weiter, so kommen wir auf Deukalion. Er war ein Skythe, d. h. er stammte ebenfalls aus der Gegend der Jafetiten. An ihn knüpft die griechische Mythologie die Flutsage. Deukalion und Pyrrha waren die einzigen Menschen, die aus der grossen Ueberschwemmung ihr Leben retteten und die Stammeltern des nachwachsenden Geschlechts wurden. Zwei der wichtigsten biblischen Sagen also, das Bilden der Menschen aus der Erde und die Plutsage, knüpfen an Japetos, bezw. sein Geschlecht an, und damit wird es zur Gewissheit, w-enn man bei diesen complicirten Dingen überhaupt von Gewissheit reden darf, dass, was an sich schon sehr wahrscheinlich ist, Japetos und Jafet identisch sind. — Zum Schluss dieses Abschnitts möchte ich noch die Autoren namhaft machen, die diese Materie in ähnlicher Weise behandelt haben, es sind 1) Oarmiua I, 3, 27. 2) Apol., c. 18. Verhandl. der Berl. Anthropol. Gesellscbaft 1901. SS (434) Butt mann (Mythologos) , Hasse (Entdeckungen im Felde der ältesten Erd- und Menschen-Geschichte), Bochart (Geographia sacra). — Ich wende mich jetzt zu den Völkern Harns. Die Völker Harn "s hatten eine gemeinsame religiöse Grund-Vorschrift, die sie von allen anderen Völkern, soweit sie in jener Zeit bekannt waren, schied, und an der sie mit solcher Zähigkeit fest- gehalten haben, dass sie noch in spätester historischer Zeit, ja bis zu dieser Stunde besteht, das war die Beschneidung. Woher die Beschneidung stammt, wissen wir nicht. Ich finde bei Medicinern wie Orientalisten, in Eulenburg's Real- Encyklopädie und in Riehm's biblischem Handwörterbuch die Ansicht geäussert, die übrigens auch Herodot vertritt, sie sei aus Reinlichkeits- oder sanitären Gründen gestiftet worden. Das ist ganz unmöglich. Wie können wir annehmen, dass jene Urvölker solchen Reinlichkeits-Fanatismus gehabt hätten, dass sie diese für jene Zeit sicher nicht ganz einfache Operation gestiftet hätten! Die Beschneidung ist noch heute, wie Sie wissen, weit über die Erde verbreitet, die Somal z. B. und die Abessinier haben sie und sie starren von Schmutz. Von anderer Seite habe ich einmal die Aeusserung gehört, die Beschneidung sei eingeführt worden, weil die Leute ein besonders langes Präputium hätten. Das wird sich schwer con- statiren lassen, weil man ja den jungen Leuten mit dem Eintritt ""der Pubertät das Präputium immer wegschneidet. Es existirt allerdings in Africa ein Volk, das ein auffallend langes Präputium hat, das sind nach Fritsch die Buschmänner, und diese sind unbeschnitten. Ed. Meyer hat den Gedanken geäussert, die Beschneidung sei als Milderung der Castration aufzufassen. Ich halte diesen Gedanken für keinen unglücklichen, aber Ed. Meyer hat seine Hypothese wieder zurückgenommen. Woher also die Beschneidung stammt, wissen wir nicht, daran aber ist kein Zweifel, dass sie eine priesterliche Vorschrift war. Sie wissen, mit welcher Zähig- keit die Israeliten an ihr festgehalten haben. Niemand konnte in Judäa das volle Bürgerrecht erlangen, der sich ihr nicht unterworfen hatte, nur der Beschnittene konnte Proselyt der Gerechtigkeit werden, der Unbeschnittene blieb Proselyt des Thores. Sie wissen auch, welch heftiger Kampf um sie beim Aufkommen des Christenthuras entbrannte; die einen verlangten, dass die Anhänger der neuen Lehre beschnitten werden müssten. die anderen hielten das für überflüssig, und darüber kam es zu einem erbitterten Streit. Dieselbe Operation finden wir aber auch im alten Aegypten. Es ist uns eine Darstellung in einem Tempel zu Karnak erhalten, die die Ausführung der Beschneidung zum Vorwurf hat, und es ist bisher noch so gut wie keine männliche Mumie ausgegraben worden, die unbeschnitten wäre. Dieselbe Operation hatten aber auch die alten Aethiopen. Das hat uns Herodot überliefert, und da die Stelle sonst noch von Wichtigkeit ist, so will ich sie vorlesen: „Die Reicher scheinen mir Aegypter zu sein, und zwar wusste ich das, bevor ich es von anderen gehört hatte. Da ich aber einmal darüber nach- dachte, fragte ich beide, und dabei zeigte es sich, dass sich die Ko Icher besser an die Aegypter erinnern als die Aegypter an die Kolcher. Die Aegypter sagten, dass sie die Kolcher für Nachkommen der Armee des Sesostris halten, und ich stimme ihnen bei, da sie schwarze Haut und wolliges Haar haben. Das aber will nichts bedeuten, denn auch andere sind so beschaffen. Das aber ist von grösserer Bedeutung, dass sich Kolcher, Aegypter und Aethiopen seit alter Zeit die Scham- glieder beschneiden. Die Phöniker aber und die Syrer in Palästina stimmen darin überein, dass sie die Beschneidung von den Aegyptern gelernt haben; die Syrer aber am Thermodon und am Flusse Parthenios und die Makroner, die diesen benachbart sind, behaupten, dass sie sie erst vor kurzem von den Kolchern gelernt haben. Das sind die einzigen Menschen, die die Beschneidung haben, und (435) diese scheinen sie den Aegyptern nachgemacht zu haben. Ob aber Aegypter oder Aethiopen zuerst die Beschneidung gehabt haben, vermag ich nicht zu entscheiden, denn sie scheint aus alter Zeit zu stammen. Dass aber die anderen sie durch Vermischung mit den Aegyptern angenommen haben, dafür ist Beweis, dass die Phöniker. die sich mit Hellenen vermischt haben, sich hinsichtlich der Beschneidung nicht mehr an die Aegypter erinnern, und daher ihre Nachkommen nicht mehr be- schneiden." (II, 104.) Hieraus geht also erstens hervor, dass die alten Aethiopen beschnitten gewesen sind. Zweitens aber geht daraus auch hervor, dass die Ver- mischung zwischen Aegyptera und Aethiopen in eine sehr frühe Zeit fallen und sehr innig gewesen sein muss, denn zu Herodot's Zeit vermochte niemand mehr zu sagen, wer von ihnen zuerst die merkwürdige Beschneidung gehabt hat. Drittens geht daraus aber auch hervor, dass die Vermischung der Aegypter mit den Kanaanäern in eine spätere Zeit fallen muss, denn zu Herodot's Zeit erinnerte man sich in Palästina noch, dass man die Beschneidung einst von den Aegyptern empfangen hatte. — Eine Gottheit Namens Ham kennt nun die ausserbiblische Ueberlieferung eben- falls, es ist die phallische Gottheit Chem, die namentlich in Ober-Aegypten an- gerufen wurde. Aegypten hiess ausser Aegypten und Mizrajim auch noch Cheraia, dieser Name kann nur von dieser Gottheit stammen^), und an sie muss die Völker- Tafel denken, wenn sie von den Söhnen Ham, hebr. Cham, redet. Dass es sich bei Ham um eine Gottheit gehandelt hat, haben schon Buttmann (a. a. 0. I, S. 222) und Bochart (a. a. 0. S. 5) ausgesprochen, sie hielten ihn aber für Ammon. Ewald (Gesch. Israels, IL Ausg., I, S. 375, Anm. 5) verwirft letzteres, hält jedoch die Identität Chams mit Chem für möglich. Es ist hierzu zu bemerken, dass auch Ammon phallisch gebildet wurde und dass er nach Wilkinson Chem ver- drängt hat"). — Es bleiben nun noch die Söhne Sem 's übrig. Dass diese ethnologisch nicht zusammen passen, wird allseitig zugegeben, hier ist es also ganz besonders wahr- scheinlich, dass es sich um eine andere Gemeinschaft gehandelt haben muss. In der That gelingt auch hier der positive Beweis, dass die Völker aus religiösen Gründen zusammengestellt worden sind. Es ist die uralte cbaldäische Gottheit Samas, an die die Völker-Tafel denkt^). Die B^ormen Sem und Samas sind etwas verschieden, allein Josephus nennt diesen Sohn des Noah Semas, hat also für ihn denselben Namen, den die Chaldäer ihrem Samas gaben. Dieser Samas steht nun thatsächlich in Beziehung zum Xisuthros, zum Noah der Chaldäer. Sie wissen, dass die Fluthsage keineswegs biblisches Allein-Eigenthum ist, sondern dass sie sich über die ganze Erde verbreitet findet. Auch die Chaldäer hatten ihre Fluthsage. Dieselbe ist uns einmal durch Berossus überliefert, andermal durch die Thon-Tafeln. Bei den Ausgrabungen in Kujundschik hat der eng- lische Assyriologe George Smith eine Anzahl von Thon-Tafeln gefunden, die den Pluthbericht enthalten. Gestatten Sie mir, Ihnen den hierher gehörigen Abschnitt nach der deutschen Bearbeitung von Hermann Delitzsch vorzulesen: „Alles, was ich hatte, nahm ich zusammen; alles, was ich hatte an Silber, nahm ich zu- sammen, alles, was ich hatte an Gold, nahm ich zusammen, alles, was ich hatte an lebendigem Samen, nahm ich zusammen; alles brachte ich hinauf auf das Schiff; alle meine Knechte und meine Mägde, das Vieh des Feldes, die Thiere des 1) Die Erklärung Plutarch's (de Iside, cap. 33) ist eine werthlose Wortspielerei. 2) Bei Parthey in: Plutarch über Isis und Osiris, S. 177, 229. •S) s. Nachtrag, 28* (436) Feldes, die Söhne des Volkes allesammt brachte ich hinauf. Eine Fluth richtete Samas an und sprach, sagend am Abend: Ich will schwer regnen lassen vom Himmel, geh hinein in das Schiff und schliesse zu deine Thüre. Jene Fluth brach herein, (wovon) er gesprochen hatte sagend am Abend: Ich will schwer regnen lassen vom Himmel. An dem Tage, da ich sein Fest feierte, dem Tage des Wachens, hatte ich Furcht. Ich ging hinein in das Schiff und schloss zu meine Thüre." Sie sehen also, dass Samas thatsächlich zum chaldäischen Xoah in Be- ziehung gestanden hat. Allerdings ist er nicht sein Sohn, wie die Bibel verlangt, sondern sein Gott oder, wie die Bibel sagen würde, sein Vater, allein solche Ver- kehrangen in der Genealogie sind der Bibel durchaus geläufig, am schlagendsten o-eht das daraus hervor, dass Henoch in der einen Genealogie der Vater des Jered genannt wird und in der sofort darauf folgenden sein Sohn. — lieber den Samas-Cult sind wir nur ungenügend unterrichtet, es ist über- haupt schwierig, hier das gemeinsame religiöse Band zu ermitteln, da wir von Arpachsad gar nichts wissen und von der Religion der alten Elamiten ebenfalls so gut wie gar nichts. Die anderen aber hatten eine gemeinsame Religions- Vorschrift, die sie noch in voller historischer Zeit von allen ^übrigen Völkern schied, das war die Prostitution der Weiber zu Ehren der Gottfieit. Diese Sitte fand sich bei den Armeniern^), sie fand sich bei den Lydern, sie fand sich bei den Assyrern, sie fand sich bei den Babyloniern, und da sie also das ganze Euphrat-Tigrisgebiet einnahm, so möchte ich auch ohne exakten Beweis die Be- hauptung wagen, dass sie sich auch bei den alten Elamiten fand. Allerdings ist überliefert, dass dieser Cult einer weiblichen Gottheit zu Ehren celebrirt wurde, der Mylitta, der Astarte, aber es ist etwas ganz Gewöhnliches, dass beim Import einer neuen Gottheit der Inhalt des alten Cultes bleibt, und nur der Name des Gottes, dem zu Ehren er geübt wird, wechselt. Doch mag nun das das gemeinsame religiöse Band gewesen sein oder nicht, die Völker passen ethnisch nicht zusammen, es existirt eine Gottheit Semas oder Samas und diese steht in Beziehung zum chaldäischen Noah, also ist auch hier der Schluss gestattet, dass es sich um eine Religions- Gemeinschaft, keine Rasse -Gemeinschaft ge- handelt hat. Auf Grund dieser Ergebnisse bin ich zu folgendem Schluss gekommen: In noachischer Zeit oder, was wahrscheinlicher ist, in vornoachischer Zeit existirten drei Reiche. Das eine lag in den Kaukasus-Landen, das zweite concentrirte sich um Aegypten. das dritte umfasste das Euphrat-Tigrisgebiet: im ersten wurde Jafet oderJapetos verehrt, im zweiten Chem oder Cham, im dritten Sem oder Semas oder Samas. Und wenn nun die Bibel die entsprechenden Völker Söhne Jafet's, Söhne Ham's, Söhne Sem^s nennt, so entspricht das vollkommen ihrem sonstigen Sprachgebrauch, denn wenn sie von den Söhnen Israels spricht, meint sie niemals leibliche Kinder eines Mannes Namens Israel, sondern sie meint die Anhänger der israelitischen Religion, ein „Volk" Israel hat es ebenso wenig jemals gegeben, wie ein „Volk'' Islam, und ebenso wenig hat es jemals ein „Volk'' Semiten, Hamiten oder Jafetiten gegeben. Demnach ist die alte Eichhorn sehe Eintheilung aufzugeben, und es wird Aufgabe der wissenschaftlichen Ethnologie sein, unab- hängig von den Noachiden, gestützt lediglich auf die historische und naturwissen- schaftliche Methode, diese Völker zu untersuchen. — Bevor ich mich jetzt Ihrer Kritik unterwerfe, möchte ich einen Einwand zurück- weisen, den man vielleicht erheben wird. Man wird vielleicht sagen, dass die 1) Strab., p. 532. (487) Sprache doch beweise, dass es sich hier um eine ethnologische Zusammengehörig- keit, bezw. Verschiedenheit gehandelt hat. Dagegen habe ich zu erwidern, dass die Sprache allein nicht im Stande ist, das entscheidende Rasse-Merkmal ab- zugeben. Gewiss kommt der Sprache eine hohe ethnologische Bedeutung zu, aber man kann ihr doch keine höhere Dignität vindiciren als dem übrigen geistigen Besitzstand, wie alten Sagen, alten Sitten und Gebräuchen, altem Aberglauben u. A. Dazu kann die Sprache wechseln. Aegypten z. B. ist wiederholt erobert worden, die Hyksos brachen ein, die Griechen, die Araber; die Sprache hat dabei ge- wechselt, von der Hyksos-lnvasion wissen wir es nicht, wir wissen es aber von der griechischen und arabischen. Die somatischen Verhältnisse dagegen haben sich nur sehr wenig verändert. Wenn auch das alte Dogma von der absoluten Un- veränderiichkeit der ägyptischen Bevölkerung nach Virchow's Untersuchungen nicht mehr aufrecht zu erhalten ist, so giebt doch Virchow selber zu, dass seit dem neuen Reich, d. h. also trotz der griechischen und arabischen Eroberung der ägyp- tische Volkstyp in seiner Gesammtheit sich nicht mehr verändert hat. Für den vor- liegenden Fall aber kann die Sprache überhaupt nicht herangezogen werden, denn dass die Völker Sem's und die Völker Ham's sprachlich mit einander verwandt sind, wird allseitig zugegeben, und dass die Völker Sem's und die Indogermanen eine grössere Anzahl von Wortwurzeln gemeinsam besitzen, hat Friedrich Delitzsch nachgewiesen in seiner Schrift _ Indogermaniüche und semitische Wurzel -Verwandt- schaft*. — Nachtrag. Ueber die Identificirung Sems mit Samas habe ich weitere Gutachten eingezogen. Ich habe mich an die HHrn. Delitzsch-Berlin und Nöldeke-Strassburg gewandt, die mir in liebenswürdigster Weise ihre Ansicht über diesen Punkt raitgetheilt haben. Beiden spreche ich dafür hiermit meinen gehorsamsten Dank aus. Beide Herren stimmen darin überein, dass eine Gleich- stellung von Sem mit Samas nicht möglich sei. Ich bin daher genöthigt, dieselbe vorläufig fallen zu lassen. Wenn es nicht definitiv geschieht, so hat das folgende Gründe: 1. Deutet der Name Semas für Sem beiJosephus auf Samas; as ist dabei Endung und declinabel: 2. hält auch Fürst einen Zusammenhang von Sehern mit Schemesch für möglich (hehr. Lexikon v. T^flt* und w*f2r); 3. nimmt Buttmann (a. a. 0. I, S. "221f.) einen Zusammenhang von Schein und Schamajim an und fügt hinzu, dass, wenn Philo v. Byblos statt des Namens Uranos den inländischen gebraucht hätte, hier kein anderer als Semas oder Sa mos oder ein ähnlicher stehen müsste; 4. wissen wir über die Herkunft des Samas nichts: von einem der als Semiten bezeichneten Völker scheint er nicht zu stammen, denn die ältesten Thon-Tafeln, die ihn nennen, sind sumerisch abgefasst. Zudem ist es- ausgemacht, dass die sogen. Semiten, die im Euphrat-Tigrisgebiet bereits vorhandene Cultur übernahmen. Warum sollten sie gerade den Samas-Cult importirt haben? Es ist recht wohl möglich, dass bei ihrer Invasion in das Euphi-at-Tigrisgebiet ähnliche Verhältnisse vorlagen, wie bei der fränkischen in Gallien. Mit der Aufgabe von Sem-Samas wird aber natürlich die von mir aufgestellte Hypothese, dass die Völker-Tafel ihre Eintheilung auf Grund religiöser Zusammen- gehörigkeit gemacht habe, in keiner Weise erschüttert. Wenn Jafet und Ham (438) Götter waren, was sich schwerlich wird widerlegen lassen, so folgt daraus, dass auch Sem eine Gottheit war, und es käme nun darauf an, zu ermitteln, um welche es sich hier gehandelt hat, wenn Samas ausgeschlossen werden muss. Auch Ewald (a. a. 0. I, S. 374f.) und Bochart (a. a. 0. S. lOf.) erblicken in Sem eine Gottheit. Die Eintheilung nach den Söhnen Noah's muss daher doch aufgegeben werden, und ich möchte, um es zu erleichtern, daran erinnern, dass Nöldeke sie für eine geographische aber keine ethnographische hält (Schenkel 's Bibel-Lexikon. Art. Sem, Ham, Jafet), dass Barth es für abgeschmackt erklärt, von semitischen und kuschitischen Völker-Gruppen zu reden, ohne die Verhältnisse dieser Völker- schaften zu berücksichtigen (Reisen usw., II, S. 82), dass Hartmann die Ein- theilung völlig verworfen hat (S. 95 seiner Nigritier nennt er sie einen alten Schwindel!) — Hr. V. Luschan: Gegen die Ausführungen des Herrn Vorredners habe ich die schwersten Bedenken. Ich will hier auf Einzelheiten nicht eingehen und bin sicher, dass dies von viel berufenerer Seite geschehen wird, falls dieser Vortrag zum Druck gelangt. Ich möchte nur einen Punkt schon jetzt herausgreifen. Ein Zusammenhang zwischen Sem = istn und Schemesch erscheint mir absolut un- denkbar und mein Nachbar hier zur Rechten (Dr. Winckler), gewiss eine sehr schwerwiegende Autorität, bestätigt mir eben auf meine Frage, dass man ebenso gut Schnitze und Müller in einen sprachlichen Zusammenhang bringen könne. als Sem und Schemesch. Mir ist kein Orientalist bekannt, der jemals an einen derartigen Zusammenhang gedacht hat. — Hr. Minden: Obgleich ich nicht als Fachmann in diesen Dingen sprechen kann und mich auch nicht besonders vorbereiten konnte, möchte ich doch meine Bedenken gegen die Theorien des Herrn Vortragenden nicht zurückhalten. Auch mir, wie Hrn. v. Luschan erscheint die Herleitung des Namens Sem von Samas ganz undenkbar. Die meisten hebräischen Sprachwurzeln sind trilitterae, d. h. sie bestehen aus o Consonanten, da die Vocale nicht mitzählen. Samas (Sms = Schmsch) entspricht dem hebräischen Schemesch, d. h. „Sonne"'. Der mythologische Sonnengott ist der Bibel nicht ganz fremd: in seinem classischen Aufsatz über Simson(Schimschon, Samson) in der „Zeitschrift für Völker-Psychologie" i;un- gefähr 18(i()) hat Prof. H. Steinthal ausgeführt, dass Simson (das on ist Endung) ^ Sonnenmann'' bedeutet, dessen Kraft wächst, wenn die Haare (Strahlen) länger werden. Dagegen kann von einer Identiflcirung von Schem und Samas keine Rede sein. Eine derartige Verlängerung oder Verkürzung einer Sprachwurzel wäre beispiellos. Im Gegensatz zum Vortragenden nehme ich an, dass die Völker- Tafel der Genesis in der That eine ethnographische Eintheilung darstellt. Natürlich kann man dabei nicht an den heutigen Stand der Völkerkunde denken. Der oder die Verfasser der Genesis konnten nur nach dem Maasse ihres Wissens urtheilen. Aber in dieser Begrenzung wollten sie eine vollständige Eintheilung des Menschen- Geschlechts geben. Und zwar stellten sie diejenigen Merkmale in den Vordergrund, die ihnen charkteristisch schienen. Schem heisst „Name", Cham „Hitze" und Japhet — wenigstens nach der plausibelsten Erklärung — „Schönheit"'. Die Griechen und die ihnen verwandten, nördlich von Palästina wohnenden Völker waren für sie „Söhne der Schönheit". Die dunkel pigmentirten Südländer, deren Hautfarbe der Sonnengluth zugeschrieben wurde, waren „Söhne der Hitze". Für ihr eigenes Volk und dessen Verwandte blieb als Merkmal der „Name", d. h. die Berühmtheit. Semiten sind also „Söhne des Ruhms''. Es mag dies keine be- sondere Bescheidenheit beweisen; aber solche Bezeichnung der eigenen Rasse ist in der Völkerkunde nicht selten (z. B. Arier = die Würdigen). Die Bedeutung der Namen Sem, Ham und Japhet ist also ziemlich durchsichtig. Dass damit keine Religions-Verschiedenheit gemeint sein kann, scheint mir ganz klar zu sein. Die Bibel legt ja sonst überall den Nachdruck auf religiöse Unterschiede. Die Volks- kriege sind ihr überall Kriege Israels gegen die falschen Götter. Warum sollte sie gerade hier an dieser Stelle den ünterscliied der Religion verschweigen? Freilich wird man der Theorie des Vortragenden insofern entgegenkommen dürfen, als in jenen alten Zeiten jede Nation ihren besonderen Gott, jeder Ort seinen Localcult hatte. Man wird auch zugeben, dass bei den gewaltigen Völker- Verschiebungen im Orient religiöse Verschiebungen stattgefunden haben. Wir sehen ja überall, dass religiöse Unterschiede durch nationale und nationale durch religiöse Gegensätze verschärft werden. In unseren Ost-Provinzen ist katholisch gleich polnisch und deutsch gleich evangelisch. Deutsch-katholische Colonisten (z. B. die Bamberger) wurden während weniger Generationen polonisirt. Aber was der Vortragende ausführte, war gerade das Gegentheil hiervon. Er betrachtet Ja die Eintheilung in Semiten, Hamiten und Japhetiten als eine lediglich religiöse und nicht ethnographische^). Zum Beweise dessen würde es aber eines viel reicheren Materials bedürfen. — Hr. Gold stein: Die Identificirung von Sem mit Samas stammt von mir (erst nachträglich habe ich gesehen, dass bereits Buttmann etwas Aehnliches gesagt hat). — Um die Etymologie der Namen habe ich mich nicht gekümmert, man ist dadurch in zu viele Irrthümer schon gerathen (Rom = Kraftstadt, Kyno- molgen = Hundemelker, Cuneer = Keilvolk u. A). Sollte hier die Bedeutung der Namen Werth haben, so müsste sich bei ihnen eine einheitliche Tendenz nach- weisen lassen. Das ist aber nicht möglich. Die Hamiten werden vielfach als die Schwarzen gedeutet. Sem bedeutet aber nicht roth oder braun oder eine andere Farbe, und Jafet wird von der Bibel mit Hülfe der ihr so geläufigen Wortspielerei als ,, Weitmacher " wiedergegeben (Gen. IX, 27). — Hinsichtlich der Trilitteralität der hebräischen Sprachwurzeln verweise ich auf das citirte Werk von Delitzsch. — Hr. V. Luschan: Es scheint mir zwecklos, die Frage hier in solcher Art weiter zu spinnen. Meinerseits möchte ich nur darauf verweisen, dass wir gar nicht nöthig haben, uns auf derartige vage Speculationen einzulassen, um über die Stellung der Hamiten zu den Semiten ins Klare zu kommen; es liegt zu dieser Frage schon jetzt eine solche Menge von ganz unanfechtbaren sprachlichen und anatomischen Thatsachen^) vor. dass sie schon heute nahezu als gelöst betrachtet werden darf. Jedenfalls sind die Wege zu ihrer Lösung ganz klar vorgezeichnet; es sind andere, als der, den uns Hr. Gold stein führen will. — 1) Uebrigens will ich nicht unerwähnt lassen, dass einige Mal in der Bibel und sehr häulig in späteren hebräischen Schriften .Sehern", Name, geradezu für „Gott" gebraucht wird. Da nehmlich der Name Gottes selbst nicht gemissbraucht werden darf, so wird er so selten wie möglich geschrieben {Jkvh) und noch seltener gesprochen. Man wendet dafür Umschreibungen an, z. B. Scheckinah (Glanz), makom (Ort) usw. Eine der häufigsten Um Schreibungen ist nun „Sehern". Aber der „Name Gottes" ist natürlich kein Gott Namens Sem. 2) Vergl. z. B. Erman in den Sitzungsber. der Königl. Akademie d. Wissenschaft., Berlin 1900; Sethe, Das ägyptische Verbum, 1899; Erman in der ZDMG., XLVI, p. 93 ff.. und V. Luschan im Globus, Bd. 79, S. 197 ff. (440) (-24) Hr. R. Virchow demonstrirt mit dem Projections- Apparat nackte Auf- nahmen der beiden Azteken Maximo und Bartola. — (25) Derselbe erstattete, unter Vorführung von Projections-Bildern. einen Bericht über die XXXII. allgemeine Versammlung der Deutschen Anthropologischen Gesellschaft in Metz und über die mit derselben ver- bundenen Ausflüge in das Briquetage- Gebiet nach Vic und nach Albersweiler m den Vogesen. — (26) Neu eingegangene Schriften: I. Peiser, F. E., A sketch of babylonian society. Washington 1900. S**. (Aus: Smithson. Report for 1898.) -2. Haeckel, Ernst, On our present knowledge of the origin of man. Washington 1900. N'*. (Aus: Smithson. Report for 1898.) 3. Dubois, Eugene, Pithecanthropus erectus: A form from the ancestral stock of mankind. Washington 1900. 8°. (Aus: Smithsonian Report for 1898.) Xr. 1 — o Gesch. d. Smithsonian Institution. ^ 4. Baumgarten. Joh., Die aussereuropäischen Völker. Abgerundete Charakter- bilder. Kassel: Th. Kay 1885. 8o. 5. Sant'Anna Marques, Severino de, Estudo de anthropometria portuguesa. Lisboa: Minerva 1898. 8*^. 6. Xuttall, Zelia, The fundamental principles of old and new world civilizations. Cambridge, Mass. 1901. 8''. (Aus: Arch. and ethnolog. papers of the Peabody Museum. Vol. II.) 7. Report of the national academy of sciences for the year 1899. Washington 1900. 80. 8. Wiadomosci archeologiczne Czasy przedhistoryczne. 1 u. IV. Warszawa: S. Orgelbrand. 1873/1882. 8». 9. Zawisza, Jan., Mereczowskie okopisko i jezioro Switez zwiedzane w 1871 i 1872 roku. Warszawa: J. Berger 1872. 8». (Aus: BibliotekaWarszawsk.) 10. Derselbe, Recherches archeologiques en Pologne. Warszawa: S. Orgelbrand 1874. s«. II. Pawähski, Adolf, Craentarzysko w Dobryszycach. Warszawa: J. ünger 1875. 8». 12. Dydyüski, X. Dz. J., Urny z krzyzami. Posen 1878. 8». (Aus: Roczn. towarz. przyj. nauk. T. X.) l;;. Kirkor, A. H., Pokucie pod wzgledem Arclieologicznym. W Krakowie 1876. 80. (Aus: Spraw. Avydz. filolog. Akad. T. V.) 14. Kopernicki, J., Dalszy przyczynek do antropologii przedhistorycznej ziem polskich. W Krakowie 1879. s». 15. Förster, Brix, Deutsch-Ostafrika. Geographie und Geschichte der Colonie. Leipzig: F. A. Brockhaus 1890. 8». 16. Johnston, H. H., Der Rilima-Ndjaro. Forschungsreise im östlichen Aoquatorial- Africa. Aus dem Englischen von W. v. Free den. Leipzig: F. A. Brock- haus 1886. 8«. Nr. 4—16 Gesch. Hrn. Rud. Virchow. Ausserordentliche Sitzung vom -iO. November 1!H)1. Vorsitzender: Hr. K. Virchow. (1, Durch den Tod ist dahingeschieden der Physiker Prof. Dr. König- in Berlin. — (2) Hr. Rud. Virchow berichtet, dass sich in Frankfurt a. M. eine neue anthropologische Gesellschaft constituirt hat, und er spricht die Hoffnung aus, dass wir mit derselben in freundschaftliche Beziehungen treten werden. — (3) Hr. Hubert Schmidt spricht: Ueber alt -europäische Gefäss- Ornamentik. Der Vortragende ging von der allgemeinen Frage des Ursprungs der geo- metrischen Ornamentik aus. erläuterte ihre, mehr als 30 Jahre zurückreichende Be- handlung von Seiten der Aesthetiker, Archäologen, Ethnologen, Prähistoriker und suchte durch systematische Analyse der geometrischen Gefäss -Decoration ihre Entwickelungs-Geschichte auf dem alt-europäischen Boden darzulegen. Zwei grosse Decorations-Gebiete stellte er in Parallele: Die altägäische Cultur und die neolithische Periode Nord-Europas. An zahlreichen Beispielen zeigte er, wie in beiden die geometrische Gefäss -Ornamentik ganz gleiche Systeme und Formen aufzuweisen hat, wie diese sich auf die gleiche, dem Nachahmungtriebe entspringende Idee der Uebertragung von Hals- und Brustschmuck des Menschen auf das Gefäss zurückführen lassen, wie mit dieser Idee auch die Ausgestaltung der Gesichts- oder Menschenvase Hand in Hand geht. Die Parallel-Erscheinungen, die er auch auf das noch ungenügend bekannte Gebiet der „mitteleuropäischen Band-Keramik" ausdehnte und andererseits bis in die Zeit der nachchrist- lichen Völker-Wanderungen verfolgte, suchte der Vortragende in ethnologischem Sinne zu erklären und glaubte in der troischen Gefäss-Ornamentik eine Stütze für den sprachwissenschaftlich schon gesicherten Beweis zu sehen, dass die Troer, wie ihre mächtigeren Nachbarn die Phryger, europäischen Ursprungs sind. — Eine ausführliche Behandlung mit Hilfe von zahlreichen Abbildungen, wird das Thema an anderer Stelle erfahren. — (4) Hr. Rud. Virchow macht Mittheilung über neue Nachrichten, welche Hr. W. Belck eingesendet hat. — (5) Neu eingegangene Schriften: 1. Hesse-Wartegg, Ernst v. , Tunis. Land und Leute. Wien und Leipzig: A. Hartleben 1882. 8°. 2. Stojanow, A. N., [Russisch] Bericht über Untersuchung der Kurgane im Gouvernement Kasan 1871. 8". (Aus: Protocolle der Naturforschenden Gesellschaft zu Kasan.) (44-2; 3. [Pestschrift zum] Gutenberg -Fest zu Mainz im Jahre 1900. Zugleich Er- innerungs-Gabe an die Eröffnung des Gutenberg-Museums am 23. Juni 1901. Mainz: H. Quasthoff 1901. 8». 4. Zograf, N. de, Les cränes de la grotte de Macquechevate. Moskau 1899. 4°. (Aus: A. Bobrinsky et N. V. Bogoiavlensky, Les Monts-Zeravchane et les sources d'Oxus. Livr. 1.) 5. Atlas de Finlande. Helsingfors: F. Tilgmann 1899. 2o. Nr. 1 — 5 Gesch. d. Hrn. Rud. Virchow. 6. Roscoe, Henry, Bunsen memorial lecture. Washington 1901. 8". (Aus: Smiths. Report for 1899.) 7. White, William, The progress of steam navigation. Washington 1901. 8*. Aus: Smiths. Report for 1899.) 8. Rice, William North, Scientific thought in the nineteenth Century. Washington 1901. 80. (Aus: Smiths. Report for 1899.) 9. Crookes, William, Some of the latest achievements of science. Washington 1901. 8«. (Aus: Smiths. Report for 1899.) 10. Berthelot, M., The life and works of Brown-Sequard. Washington 1900. (Aus: Smiths. Report for 1898.) 11. Gray, Thomas, The development of electrical science. Washington 1900. 8". (Aus: Smiths. Report for 1898.) 12. Thurston, R. H., A century's progress of the steam engine. Washington 1900. 8«. (Aus: Smiths. Report for 1899.) 13. Foster, Michael, The growth of science in the nineteenth Century. Washington 1901. 8». (Aus: Smiths. Report for 1899.) 14. Virchow, R., Recent advances in science, and their bearing on raedicine and surgery. Washington 1900. 8«. (Aus: Smiths. Report for 1898.) Nr. 6 — 14 Gesch. d. Sraithsonian Institution. 15. Deininger, Joh. W., Das Bauernhaus in Tirol und Yoralberg. Abth. IV. H. 3. Wien o. J. 2o. Angekauft. 16. Müllner, A., Typische Formen aus den archäologischen Sammlungen des krainischen Landes-Museums „Rudolfinum" in Laibach in photographischen Reproductionen. 57 Tafeln. Laibach: Verlag des Museums 19fM). 4*'. Angekauft. 17. Brunotte, Camille, Les marais sales de la valle de la Seille au point de vue botanique. Nancy: Berger-Levrault 1896. 8". Angekauft. 18. Thomas, N. W., Eine internationale Anthropologisch-Ethnographische Biblio- graphie. Braunschweig: F. Vieweg 1901. s". Gesch. d. Verlags-Buchhandlung. 19. Foote, R. Bruce, Catalogue of the prehistoric antiquities. Madras: Government Press, 1901. ^o. Gesch. d. Gov.-Museums in Madras. 20. Kasser, H., Jahresbericht des Historischen Museums in Bern pro 1899 und 1900. Bern: K. J. Wyss 1900/91. H\ Gesch. d. Hrn. E. v. Pelle nberg. 21. Katalog literatury naukwej polskiej. T. 1. 1901. Zeszyt 1. Krakow: J. Filipow 1901. 8^. Gesch. d. Aakademie in Krakow. 22. Andree, Richard, Braunschweiger Volkskunde. 2. verm. Aufl. Braunschweig: F. Vieweg 1901. 8". Gesch. d. Verlags-Buchhandlung. 23. Ethnographie survey oflndia in connection with the census of 1901. Calcutta 1901. 4°. Gesch. d. Governments of India. 24. Macnamara, N. C, Studien über den prähistorischen Menschen und sein Verhältniss zu der jetzigen Bevölkerung West-Europas. Braunschweig 1901. 4". (Aus: Arch. f. Anthrop., Bd. 27.) Gesch. d. Präul. Schlemm. (443) 25. Bastian, A,, Der Menschheitsgedanke durch Raum und Zeit. Bd. 1 — 2. Berlin: F. Dümmler 1901. 8^. Gesch. d. Verlags-Buchhandlung. 24. Codex Fejervary- Mayer. Manuscrit mexicain precolonibion des Free Public Museums de Liverpool (M 12014) Publie en chromophotographie par Le Duc de Loubat. Paris 1901. 8^ Gesch. Sr. Excel lenz des Duo de Loubat in Paris. 25. Charusin, Nicolaus, [Russisch] Ethnographie. Lieferung 1. St. Petersburg 1901. 80. Gesch. d. Frilul. W. Charusin in Moskau. 26. Juynboll, H. H. , Das javanische Maskenspiel (topeng). Leiden 1901. 4°. (Aus: Internat. Archiv für Ethnogr.) Gesch. d. Verf. 27. Mayr, Albert, Die vorgeschichtlichen Denkmäler von Malta. München 1901. 4<>. (Aus: Abh. d. königl. Bayer. Akademie der Wissen.) Gesch. d. Verf. 28. Krocber, A. L., Decorative symbolism of the Arapaho. New York: G. P. Putnam 1901. 8°. (Aus: Americ. Anthropologist.) Gesch. d. Verf. 29. Lasch, Richard, Die Verbleibsorte der Seelen der im Wochenbette Gestorbenen. Braunschweig 1901. 4". (Aus: Globus. Bd. 80.) Gesch. d. Verf. 30. Raune, [Festschrift] den Theilnehmern am Anthropologen-Tage zu Metz (5. bis 9. August 1901) gewidmet vom Museum der Stadt Metz. Metz 1901. 80. Gesch. d. Verf. 3L Lehmann, C. F., Xerxes und die Babylonier. Berlin 1900. H". (Aus: Wochenschrift für classische Philologie.) 32. Derselbe, Armenien und Nord-Mesopotamien in Alterthum und Gegenwart. Berlin 1900. 8o. (Aus: Verhandl. d. Deutschen Colonial- Gesellschaft 1900/01. Heft 4.) 33. Derselbe, Weiteres zu Aristoteles A0HNAIßN nOAITEIA X. Berlin 1900, 8^ (Aus: Hermes.) 34. Derselbe, [Recension über:] Specieller Kanon der Sonnen- und Mond- Finsternisse .... für den Zeitraum vor 900 v. Chr. bis 600 n. Chr. von Ginzel. Berlin 1900. 8^. (Aus: Zeitschr. f. Assyriologie, XV.) Nr. 31—34 Gesch. d. Verf. 35. Bartels, Max, Das medicinische Können der Naturvölker. Jena: G. Fischer 1901. 8". (Aus: Handbuch der Geschichte der Medicin.) Gesch. d. Verf. 36. Morselli, Enrico, II precursore dell' uomo (Pithecanthropus Duboisii). Genova: Frat. Carlini 1901. 8«. Gesch. d. Verf. 37. Chantre, Ernest, L'homme quaternaire dans le bassin du Rhone. Etüde geologique et anthropologique. Paris: J.-B. Bailiiere 1901. 8". (Aus: Annales de l'Universite de Lyon.) Gesch. d. Verf. 38. Hauthal, Rodolfo, Contribuciones al conocimiento de la geologia de la pro- vincia de Buenos Aires. La Plata 1901. 8". (Aus: Publicaciones de la Universidad de La Plata.) Gesch. d. Verf. 39. Woldfich, L N., Lagerplatz des diluvialen Menschen und seine Culturstufe in der Jenoralka bei Prag. Prag: A. Wiesner 1901. 8o. (Aus: Bull, internat. de l'Academie des Sciences de Boheme.) Gesch. d. Verf. 40. Giuffrida-Ruggeri, V., Sulla distribuzione delle intelligenze superiori in Italia. Roma 1901. 8". (Aus: Rivista italiana di Sociologia.) 41. 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Weber, F., Zur Vor- und Früh-Geschichte des Lechrains. Neue Funde und Nachträge, o. 0. u. J. 8«. Gesch. d. Verf. 56. Baelz -Tokio, Ueber vegetarische Massen-Ernährung und über das Leistungs- Gleichgewicht. Berlin 1901. 8«. (Aus: Berliner klin. Wochenschrift.) Gesch. d. Verf. 57. Kohlbrugge, J. H. F., Die Tenggeresen. Ein alter javanischer Volksstamm. Ethnologische Studie, 's Gravenhage 1901. 8». (Aus: Bijdragen tot de Taal-, Land- en Volkenk. van Ned.-Indie, ß' Volgr. IX.) Gesch. d. Verf. 58. Rad de, Gustav, Die Sammlungen des Kaukasischen Museums. Bd. IIL Geologie von N. J. Lebedew. Tiflis 1901. 4». Gesch. d. Verf. 59. Giuffrida-Ruggeri, V., Variations morphologiques du cräne humain. Lyon: A. Storck 1901. s^ 60. Derselbe, Sui residui della fontanella metopica o medio frontale. Como: R. Longatti 1901. 8o. (Aus: Rivista di Biologia generale.) Nr. 59 u. 60 Gesch. d. Verf. Sitzung vom 21. December 1901. Vorsitzender : Hr. R. Virchow. (1) Der Vorsitzende begrüsst den als Gast anwesenden Archivar Dr. Schuster. — (2) Der Vorsitzende erstattet den Jahresbericht für das Jahr 1901. Im Jahre 1901 ist die Zahl der Ehren-Mitglieder unverändert geblieben. Sie beträgt 5. Von unseren correspcndirenden Mitgliedern haben wir ;> durch den Tod verloren, die HHrn. Hazelius (Stockholm), Jimenes de la Espada (Madrid) und Serrurier (Batavia). Somit beträgt die Zahl der correspondirenden Mit- glieder 115. Die Zahl der ordentlichen, zahlenden Mitglieder betrug am Schluss des vorigen Jahres 492. Durch den Tod haben wir 6 verloren, nehmlich die HHrn. Köhler (Posen), Ruthe (Prankfurt a. M.), Pränkel (Berlin), Tolmatschew (Kasan), Treichel (Hoch-Paleschken) und Weinhold (Berlin). Ausgetreten oder gestrichen sind 20. Neu aufgenommen wurden 32. Die Zahl der ordentlichen, zahlenden Mitglieder beträgt also jetzt 498. Die Zahl der immerwährenden Mitglieder ist unverändert geblieben (5). Im Ganzen zählt die Gesellschaft jetzt 503 ordentliche Mitglieder. Bei den sich stetig steigernden Anforderungen, in Bezug auf die Zahl der Ab- bildungen, welche unseren Verhandlungen beigegeben werden sollen und in Rück- sicht auf die hierdurch erheblich anwachsenden Kosten für die Herausgabe unserer Veröffentlichungen ist es dringend wünschenswerth. unserer Gesellschaft neue Mit- glieder zuzuführen. Was unsere Thätigkeit anbetrifft, so haben wir im Laufe des verflossenen Jahres 10 ordentliche und 2 ausserordentliche Sitzungen abgehalten. Unsere freundschaftlichen Beziehungen zu auswärtigen Gesellschaften haben sich erweitert. An der allgemeinen Versammlung der Deutschen Anthropologischen Gesellschaft hat eine grössere Zahl unserer Mitglieder theilgenommen. Von unseren Mitghedern ist sonst noch zu berichten, dass Hr. Dr. Belck in den nächsten Tagen von seiner erfolgreichen kleinasiatischen Expedition zurück- erwartet wird. Hr. V. Luschan und seine Frau Gemahlin sind auf der Fahrt nach Sendschirli begriffen, um dort die unterbrochenen Ausgrabungen fortzusetzen. Wir wünschen ihnen den besten Erfolg. (446) Hr. Li s sauer hat über unsere von ihm mit grösster Pflichttreue geleitete Bibliothek, sowie über unsere Schädel-Sammlung den folgenden Bericht ein- gereicht: Die Bibliothek erhielt im Jahre 1901 durch Tausch, Ankauf und Geschenke einen Zuwachs von 192 Bänden (darunter 97 Bände Zeitschriften und 212 Broschüren, so dass der Gesammt-Bestand sich jetzt, nachdem 270 Broschüren zu 70 Sammel- bänden vereinigt worden sind, auf 9237 Bände und 1410 Broschüren beläuft. In die Schädel-Sammlung wurden 2 Schädel aus der Südsee, welche Hr. Lissauer geschenkt hat, eingereiht. Hr. M. Bartels übergab folgenden Bericht über unsere Sammlung von Photographien: Die photographische Sammlung der Gesellschaft hat sich in dem verflossenen Jahre leider nur in sehr geringem Maasse vermehrt. Die Zahl der Photographien hat nur um 54 Blatt zugenommen. Sie beträgt jetzt 6399 Blatt. Die 6 zu Albums zusammengestellten Photographie-Sammlungen mit 490 Photographien haben einen Zuwachs nicht erfahren. Die photographischen Werke sind auf 24 gestiegen durch den Ankauf des Atlas von A. Müllner: Typische Formen aus den archäologischen Sammlungen des Krainischen Landes-Museums „Rudolfinum'' in Laibach. Laibach 1900 (mit 57 Tafeln). Das Mitglieder-Album der Gesellschaft macht leider nur sehr langsame Fort- schritte. Es sind bisher nur die Photographien von 12 correspondirenden und von 46 ordentlichen Mitgliedern eingesendet. Unsere Ehren-Mitglieder sind in unserem Album noch gar nicht vertreten. Der Königlichen Staats-Regierang sind wir auch in diesem Jahre wieder für einen Staats-Zuschuss von 1500 Mk. zu grossem Danke verpflichtet. Wir würden ohne denselben nicht im Stande sein, unsere Veröffentlichungen in der bisherigen Weise fortzuführen. Aber wir sind trotzdem gezwungen, noch grosse Beträge aus unserer Kasse hinzuzufügen, um die Kosten der Veröffentlichungen aufzubringen. Hingegen deckt der von dem Herrn Cultus-Minister uns zugesicherte Beitrag zur Herausgabe der Nachrichten über deutsche Alterthumsfunde ungefähr die dadurch erwachsenden Kosten. — (o) Der Schatzmeister Hr. Ritter erstattet den Rechnung^ -Bericht für das Jahr 1901. Bestand aus dem Jahre 1900 488 Mk. 68 Pfg. Einnahmen: Jahres-Beiträge der Mitglieder .... 9 964 Mk. — Pfg. Staats-Zuschuss 1 500 _ — „ 11464 ^ — Zahlung des Hrn. Unterrichts-Ministers für die Herausgabe der Nachrichten über deutsche Alterthumsfunde für 1901 . 1 000 Mk. — Pfg. Capital- und Depot-Zinsen 1 300 ,, 30 „ Verkauf von Cliches 14 _ 30 „ 2 314 „ 60 Bestand u. Einnahmen zus. 14 267 Mk. 26 Pfg. (447) Ausgaben: Miethe an das Museum für Völkerkunde 600 Mk. — Pfg. Mitglieder-Beiträge an die Deutsche Anthropol. Gesellschaft . 1 590 ,. — „ Ankauf von Exemplaren der Zeitschrift für die ordentlichen Mit- glieder 2 682 ., — „ Nachrichten über deutsche Alterthumsfunde (Jahrgang 1900), einschliesslich der Remuneration für die Herstellung der Bibliographie, aber ausschliesslich der Abbildungen . . 1 094 .. — ^ Einladungen zu den Sitzungen 140 ^ 45 ^ Index der Verhandlungen für 1900 150 ,, — „ Honorar für das General-Register, Bd. XXI 500 ^ — „ Porti und Frachten 1 147 ^ 73 „ Bibliothek (Ankauf von Werken, Einbänden usw.) 771 „ 16 ^ Bureau- und Schrei b-Materialien 37 „ 60 „ Remunerationen 183 „ HO ^ Ankauf wissenschaftlicher Gegenstände: a) Zeichnungen 197 Mk. — Pfg. b) verschiedene Ausgaben .... 91 „ .50 „ 288 „ 50 „ An die Verlags-Buchhandlung Asher& Co. füi- überzählige Bogen und Abbildungen zu den Verhandlungen für 1900 (Rest- zahlung) 1 421 Mk. :30 Pfg. Abschlagszahlung für 1901 an As her & Co. o 000 ^ — , 4 421 „ 30 . Summa der Ausgaben . 13 ()06 Mk. 54 Pfg. Bleibt Bestand für 1902 660 Mk. 72 Pfg. Das Capital-Vermögen besteht aus: 1. den verfügbaren Beträgen von a) Preussischen 3 '/., procentigen Consols ... 9 000 Mk. b) „ 3Y2proc. convertirten Consols 1 200 „ c) Berliner 372procentiger Stadt-Anleihe . . 21600 ^ d) „ 3^2 procentigen Pandbriefen ... 3 000 ^ 2. dem eisernen Fonds, gebildet aus den ein- maligen Zahlungen von je 300 Mk. seitens 5 lebenslängl. Mitglieder, angelegt in Preuss. 3^2 procentigen convert. Consols 1 500 „ Summa 36 300 Mk. Der Vorsitzende theilt mit, dass der Vorstand statutengemäss die Rechnmig dem Ausschusse vorgelegt, und dass dieser nach Prüfung durch zwei seiner Mit- glieder die vorläufige Decharge ausgesprochen hat. Da aus der Versammlung keine Einwendungen erfolgen, so wird der Antrag auf Ertheilung der Decharge der Gesellschaft unterbreitet. Derselbe wird ein- stimmig angenommen. Der Vorsitzende spricht dem Schatzmeister den Dank der Gesellschaft aus. Wie in früheren Jahren, so ist auch diesmal wieder eine grössere Summe an die (448) Verlags-Buchhandlung als Abschlags-Zahlung abgeführt worden. Wir treten in das neue Rechnungsjahr mit einem sehr geringen Baarbestande ein, mit nur 662 Mk. 72 Pfg. Wir glauben aber, hoffen zu dürfen, dass auch in dem neuen Jahre der Znschuss der Königlichen Staats -Regierung uns ungeschmälert gewährt werden wird, und dann denken wir, dass es uns gelingen wird, ohne Schulden durchzu- kommen. Es möge noch daran erinnert werden, dass die nicht unbeträchtlichen Capital-Bestände, welche der Herr Schatzmeister anführt, zu einem nicht kleinen Theile durch Legate verstärkt worden sind. Vorstand und Ausschuss sind der Meinung, dass diese Bestände zu den laufenden Ausgaben nicht verwendet werden dürfen, dass vielmehr nur die aus ihnen fliessenden Zinsen der jährlichen Be- schlussfassung der Gesellschaft unterliegen. — (4) Hr. Rudolf Virchow machte Mittheilung über die Rechnung der Rudolf-Airchow- Stiftung für das Jahr 1901. Er sprach seinen Dank aus für die durch seine Freunde und namentlich durch die reiche Schenkung seitens der Stadt Berlin erfolgte Bereicherung des Kapital- Vermögens und theilte mit, dass die Ausarbeitung eines Statuts *der Stiftung sich ihrer Vollendung nahe. — (5) Darauf erfolgte die Wahl des Vorstandes für das Jahr 1902. Der Vorsitzende verlas die hierauf bezüglichen Paragraphen der Statuten. Hr. Olshausen stellte den Antrag, den bisherigen Vorstand durch Acclamation wieder zu wählen. Widerspruch erfolgte nicht. Die Wahl durch Acclamation wurde daher vollzogen. Der Vorstand für das Jahr 1902 besteht somit aus den HHrn: R. Virchow als Vorsitzender, Waldeyer und Karl von den Steinen als stell- vertretende Vorsitzende, Voss, M. Bartels, Neuhauss als Schriftführer und W. Ritter als Schatzmeister. — (6) Der Vorsitzende zeigt der Gesellschaft an, dass der Schatzmeister, Hr. Wilhelm Ritter, am 16. December sein 25 jähriges Jubiläum als Schatzmeister der Gesellschaft gefeiert hat. Der Vorstand und Ausschuss hat ihn dazu persönlich beglückwünscht und ihm ein Andenken überreicht. Der Vorsitzende dankt Hrn. Ritter nochmals für die treue und gewissenhafte Amtsführung und spricht den Wunsch aus, dass er der Gesellschaft noch recht lange erhalten bleiben möge. — (7) Als neues Mitglied ist gemeldet: Hr. Dr. med. Otto Katz in Charlottenburg. (.s) Von Gelehrten, welche nicht Mitglieder unserer Gesellschaft gewesen waren, sind gestorben: Hr. Hofrath Müller in Pola, gestorben am 10. September, welcher seiner Zeit die Expedition der „Novara'' mitgemacht hat, und dem die Wissenschaft manche wichtige Mittheilung zu danken hat. — Am .30. November starb in Berlin der berühmte Sanskrit-Forscher Prof. Dr. Albrecht Weber. — Ferner ist der durch seine Forschungen in Neu-Guinea bekannte italienische Reisende de Albertis in seinem Vaterlande gestorben. — (449) (!i) Unser correspondirendes Mitglied, Hr. Studer in Bern, hat im Beginne des Winter-Semesters sein 25jähriges Jubiläum als Professor der Zoologie an der dortigen Universität gefeiert. — (10) Hr. Staatsrath v. Radde in Tiflis, ebenfalls unser correspondirendes Mitglied, übersendet auf die ihm vom Vorstande übermittelten Glückwünsche zu seinem 70. Geburtstage folgendes Dankschreiben: ^Für die freundliche Gratulation zu meinem TU. Wiegenfeste sage ich der Gesellschaft meinen verbindlichsten Dank. Leider liegen die Gebiete meiner Hauptthätigkeit nicht im weitfassenden Programm der Gesellschaft. Doch hoffe ich in baldiger Zeit auch den V. Band der ^Sammlungen des Kaukasischen Museums" vorzulegen, dessen Bearbeitung — Archäologie — soeben die Gräfin Uwarow hier vollendete. Der Druck desselben soll im März beginnen. Im Februar oder schon früher erhält die Gesellschaft den reich illustrirten IL Band (Botanik), welcher via Berlin, Friedländer, im Auslande dann zur Versendung kommt. ,,Mich dem Präsidium und den Herren Mitgliedern der Gesellschaft bestens empfehlend, habe ich die Ehre zu sein v. Radde." (11) Hr. Waldemar Belck übersendet aus Frankfurt a. M. unterm 17. Mai r.'Ol folgende Mittheilung über Alterthümer in Amasia (Klein-Asien). Erst vor wenigen Monaten hatte ich das Vergnügen, unserer Gesellschaft in Hrn. Chemiker Max Zimmer aus Heidelberg ein neues strebsames Mitglied zu- zuführen, und schon ist derselbe eifrig an der Arbeit, die archäologischen und prähistorischen Verhältnisse Klein-Asiens mit aufhellen zu helfen. Hr. Zimmer ist Ende Februar dieses Jahres nach Amasia für längere Zeit — wenigstens einige Jahre — übergesiedelt, um sich dort mit landwirthschaftlichen und technischen Problemen zu beschäftigen, wird aber gerne seine freie Zeit nach Möglichkeit in den Dienst der Alterthumswissenschaft stellen. Unter dem 2s. April er. schreibt er mir aus Atta Bey bei Amasia über seine ersten diesbezüglichen Bemühungen Folgendes: Atta Bey, Amasia, den 2.s. April 1901. „Bisher fand ich zwar noch nicht viel Zeit, mich um anderes als um Land- wirthschaftliches zu kümmern, aber vielleicht interessirt es Sie doch, das Wenige zu hören, was ich bis jetzt nebenbei thun konnte. Ich habe nun in der letzten Woche nochmals genauer die Ihnen in Frankfurt mitgetheilte Beobachtung der Bilder im Innern der sogenannten Königsgräber in Amasia angesehen. Anbei sende ich Ihnen eine ganz rohe Skizze, die ich an Ort und Stelle ohne Hilfs- mittel in mein Notizbuch aufnahm. „Da meine photographischen Apparate noch unterwegs sind, so sende ich Ihnen dies mit der Bitte, mir mitzutheilen, ob es von Interesse für Sie ist, genauere Aufzeichnungen und Maasse, sowie photographische Aufnahmen der genannten Bilder zu haben. Ich hoffe, dass Sie aus den folgenden Notizen ent- nehmen können, ob die Sache von wirklichem Interesse ist. Es handelt sich speziell um eine Grabkammer, deren Lage ich Ihnen durch eine photographische Aufnahme ja später illustriren kann. Verüandl. der Berl. Anthropol. Gesellschaft 1901. 29 (450) „Wenn Sie nach der Skizze (Fig. la) durch die Thür eintreten, kommen Sie in den 1,50 m hohen Raum. Die Wölbung wird Ihnen durch den Aufriss (B^ig. 1 h) veranschaulicht. Fiff. la. Fio-. IL 7 © 0© @ 0 /" Z'3' if 5 E 0 6 <>000000^ > 0 0 (^ ^ 1 Z 3 1 ® J' • 6 1 rh 1 /Jfim- Fig. 1 f. Nr. 5 (= „In der obersten Linie des etwa 4 m langen Tonnen-Gewölbes entdeckt man bei längerer Betrachtung der leider schlimm zugerichteten Wände das in der Skizze (Fig. 1 c) gezeichnete Band. 12 viereckige Felder sind in der aus der Zeichnung zu ersehenden Weise zu einem Bande vereinigt. „Auf der zur Wand des Berges sich neigenden Wölbung endeckt man all- mählich 7 Köpfe oder besser Gestalten in Lebensgrösse. „Nr. 1, 2 und 3 stehen eng zusammen, scheinbar näher zu einander gehörig. I) ist die auf der Skizze (Fig. 2 a) gezeichnete Gestalt. Yom Gesicht ist nichts mehr zu erkennen: wenigstens konnte ich ohne richtige Beleuchtung und ohne geeignete Mittel, nahe an das Bild heranzukommen, nichts erkennen. Deutlich sieht man eine Art Wulst, ähnlich wie man wohl auf alten Bildern einen Heiligen- schein darstellte. Ich gebe Ihnen hier nur die Sachen an, die ich als untrüglich und sicher erkennen konnte; so lasse ich auf meiner Zeichnung alle die Linien weg, deren Bedeutung und Zusammenhang ich nicht erraten konnte. So z. B. schienen mir auch Arme und Beine erkennbar, doch könnte man über deren Stellung streiten. Ich wollte es dann lieber der photo- graphischen Platte überlassen, Ihnen ein Bild zu zeichneu, das Ihnen ganz unparteiisch dann die Wirklichkeit vor Augen stellt, wenn Sie überhaupt diese Sache für wichtig halten. „Unterhalb des genannten Wulstes sieht man eine Art Stola. „Deutlich erkennt man den Aermel. „Eine Reihe kleiner Vierecke dient als Verzierung. „5 Vierecke in einer Reihe. „5 Reihen. Vielleicht kann man aus dem Schnitt des Rockes mit diesem typischen Lappen L etwas ersehen. „Dicht nun neben dieser Figur steht die bei II (Fig. 2b) gezeichnete Gestalt, die mein ungeschultes Auge jedenfalls als Engels-Gestalt ansprechen würde. Der Wulst als Abschluss des Kopfes, das Plügelpaar an beiden Seiten, denn so werden (451) Fio-. 2//. C=^ wohl jedem die beiden grossen, harfenähnlichen Ausbuchtungen erscheinen, lassen kaum einen Zweifel aufkommen. Von der Hüfte der deutlich erkennbaren Gestalt ab erkennt man ein faltiges Gewand, das bis zu einem bei ^S' angegebenen Schemel hinab- reicht. Allerdings kommt es einem vor, als müsse der Schemel im Verhältnis zur ganzen Gestalt tiefer liegen. „Auf der anderen Seite des mittleren Band- feldes sind nur 5 Köpfe erkennbar. Vielleicht, dass die eine Seite zu sehr gelitten hat, vielleicht auch, dass die .") und die 7 auf der anderen Seite = 1'2 den 12 Feldern des mittleren Bandes ent- sprechende Symbole sind. Ueberhaupt ist es schwieriger, auf der der Thür zugekehrten Seite zu lesen. Doch glaubte ich einen gezäumten Pferde- kopf zu erkennen. Jedenfalls aber kann ich Ihnen über diese Seite heute nicht mehr berichten. Ich möchte, wenn die Sache Werth hat, lieber noch genauere Untersuchungen anstellen. Bei ö sehen Sie aber deutlich eine Nr. II (Fig. 2/y) der anderen Seite analoge Engelsgestalt. Bei 6 ist in dem Boden ein Loch, das scheinbar als Halt einer Thürangel diente. „Noch einige andere Sachen fand ich beim Herumklettern auf jenen inter- essanten Felsen, die ich Ihnen zeigen möchte, wenn Sie erst einmal Ihrem Versprechen gemäss vielleicht im nächsten Jahre mit mir hier herumklettern. „Ein anderes Erlebniss der letzten Woche dürfte Sie jedenfalls auch inter- essiren. Ein Türke fand neben seinem Memchane Treppenstufen. Da im Hause neben ihm vor einiger Zeit ein Schatz gehoben wurde, so erwartete er für sich natürlich ein ähnliches Glück. Er grub nun schon seit 3 Monaten Tag und Nacht. Die Treppe führte in der Tiefe von etwa 3 m zu einer sehr schönen, grauen Urne, die zu seinem Leidwesen leer war. Die Urne ist etwa 1,.)0 m hoch und zeigt eigen- artige Verstärkungsreifen, die ähnlich Fassdauben das Gefäss umgeben. Die Urne habe ich sichern lassen, so dass diese jedenfalls geborgen ist. Neben der Urne führte ein enges Loch weiter. Beim Ausgraben und Erweitern des fuchslochartigen Ganges fand der Schatzgräber einen sehr schönen Elfenbein- Würfel, der hier auf meinem Schreibtische liegt, und den ich Ihnen hier genau abzeichne (Fig. 3). .,Der Nr. li gegenüber ist 5. „Nr. 4 und 3 stehen auf den anderen Längsseiten, auf den quadratischen Seitenflächen sind keine Nummern. Eine Tasse fand er ferner; leider hatte er sie seinem Kinde zum Spielen gegeben, und als ich kam, waren nicht einmal die Scherben derselben zu finden. Doppelseitig emaülirte Thonscherben und ein mit Goldbronze gesprenkeltes Stück eines Kruges sind noch in meiner Hand. „Ich zwängte mich durch das enge Loch. bis zum Ende des etwa 372 '« langen Kanals. Dort kam man an eine zusammengestürzte Grabkammer, wie es mir schien. Ich wies den Mann an, die lockere Erde aus derselben noch heraus- zuschaffen. Vielleicht findet er dort seinen ersehnten Schatz. Nächste Woche gehe ich wieder nach Amasia, um zu sehen, ob er etwas zu Tage gefördert hat. 29* Fig. (452) „Ich wäre Ihnen dankbar, wenn Sie mir gelegentlich schrieben, ob ich die Bilder in den Gräbern weiter untersuchen soll. Die Gräber stammen wohl aus altgriechischer Zeit. Die Bilder sind vielleicht in armenischer Zeit ent- standen. Raum dürften Beide wohl aus einer Periode stammen." Max Zimmer. Ueber das Vorhandensein und die Art dieser augenscheinlich altchristlichen, Malereien ist m. W. bisher Genaueres nicht bekannt geworden. Ich habe deshalb Hrn. Zimmer um genaue Untersuchung und erschöpfende Mittheilung gebeten i). Ueber den weiteren Befund des von dem Türken in Amasia aufgedeckten Grab- gewölbes hoife ich in Kurzem nähere Mittheilungen machen zu können. Amasia ist in prähistorischer Beziehung noch fast gänzliche terra incognita; möge die Arbeit des Hrn. Zimmer hier eine recht erfolgreiche für die Wissen- schaft sein. — (12) Hr. Rudolf Virchow legt einen ausführlichen Reisebericht des Hrn. Waldemar Belck über seine Forschungsreise in Klein -Asien vor. Constantinopel, den "22. August 1901. "Wie ich Ihnen schon kurz per Karte meldete, fand ich bei meinem ersten Besuche im Kaiserlich Ottomanischen Museum eine neue chaldische Keil- Inschrift vor, deren Copirung und Veröffentlichung mir seitens der Museums- Direction, in diesem Falle vertreten durch Halil Bey, den Bruder Hamdy Beys, uüt zuvorkommendster Liebenswürdigkeit gestattet wurde. Die neue Inschrift führt die Bezeichnung: „Inschrift von Pasinler^, doch dürfte das nur als provisorisch zu betrachten sein, denn Pasinler würde -als Angabe des Fundortes wohl ein etwas sehr weiter Begriff sein, da es nicht der Name eines Ortes, sondern, wie ich sogleich erkannte, der eines sehr grossen Bezirkes ist, nehmlich des alten Phasiane. Dieser District erstreckt sich von dem Da'er Gebirge beiDelibaba im Osten, bis über Hassankala hinaus im Westen — hier die ganze Thalebene des oberen Araxes-Laufes umfassend — und bis zur heutigen russisch-türkischen Grenze bei Karaurgan im Norden. Es mag hierbei daran erinnert werden, dass wir schon mehrere in diesem Gebiet gefundene chal- dische Inschriften kennen; so befindet sich die grosse Fels-Inschrift des Menuas mit seinem Siegesbericht über die Eroberung des Landes Di aus mitten im Da er- Gebirge, nahe beim Dorfe Yasilitasch (= beschriebener Fels), das eben nach der Inschrift so benannt worden ist. Weiterhin befindet sich ein LS!Ht von mir auf- gefundener chaldischer Schriftstein eingemauert in der armenischen Kirche des Dorfes Del ibaba, in dem König Menuas über den Wiederaufbau eines Palastes in dortiger Gegend berichtet; eine dritte Menuas-Inschrift mit fast gleichlautendem Text ist von de Saulcy in einem Seitenthale westlich bei Hassankala entdeckt worden. Auch die jetzt im TifUser Museum aufbewahrte Inschrift von „Sary- kamisch", in der Argistis I. über seine Eroberung der dortigen Gebiete berichtet, dürfte wohl noch den im alten Phasiane errichteten chaldischen Keil-Inschriften 1) Vergl. zu dieser Beschreibung das weiter unten S. 4GT dieser Verhandlungen Gesagte. (453) zuzuzählen sein, denn sie wurde zwischen Sarykamisch und Karaurgan, näher dem letzteren Orte zu, aufgefunden, und die in ihr genannten Könige sind zum Theil identisch mit den von Menuas in der Yasilitasch-Inschrift erwähnten Herrschern. Es dürfte dabei nicht überllüssig sein, daran zu erinnern, dass Argistis I. der Sohn des Menuas war; es scheint also, als ob die Eroberung des Landes durch Letzteren doch nicht eine so weitgehende Unterjochung der Bevölkerung zur Folge gehabt hat, als dass die depossedirten Fürsten bei seinem Tode es nicht doch mit einem kleinen Aufstande versucht hätten. Zu diesen bisher bekannt gewordenen 3, bezw. 4 Inschriften aus Phasiane gesellt sich nunmehr eine neue. Auf meine Bitte hat Halil Bey sogleich an Rauf Pascha, den Wali von Erzerum, der im vorigen Jahre den Schriftstein nach Fiff. 4. Keil-Inschrift von Hassankala (Pasinler). Constantinopel hat bringen lassen, geschrieben und ihn um nähere Angaben über den Fundort usw. gebeten. Hoffentlich werden die erforderlichen Daten bis zu meiner in etwa 4 Monaten erfolgenden Rückkehr hier eingetroffen sein, so dass ich Ihnen dann gleich die exacte Bezeichnung des Schriftsteins mittheilen kann^). 1) Inzwischen ist mir durch die Liebenswürdigkeit von .Aiiss Bushni'll, Mitglied der Amerikauisclien Mission in Erzernm, sowohl eine der obigen autotypischen Wiedergabe zu Grunde gelegte Photographie des Schriftsteiues, wie auch die Nachricht zugegangen, dass derselbe aus der Mauer der alten Festung von Hassankala herausgebrochen worden ist. Hr. Dr. Lehmann fand dort den Sockelstein einer Stelen- Inschrift (vergl. diese Verhandl. 189".», S. 612\ dazu gesellt sich nun noch diese neue „Keil-Inschrift von Hassankala", um zu beweisen, dass auch die Anlage jener alten „Djinowa(i)s''-Bmg auf die Chalder zurückzuführen ist. (454) Die Inschrift ist auf einem schön und regelmässig behauenen Baustein ein- gegraben, der unzweifelhaft ehemals Bestandtheil einer Mauer gewesen ist, und zwar, wie sich aus dem Inhalt der Inschrift ergiebt, der äusseren Mauerseite des Palastes. Die Charactere sind sehr sorgfältig und regelmässig in das dunkelgraue, sehr harte Gestein eingegraben und vorzüglich erhalten; die Inschrift würde durch- aus vollständig sein, wenn nicht am Ende derselben ein paar Stücke von dem Block abgehauen wären, wodurch die drei letzten der neun Zeilen am Ende ver- stümmelt worden sind, glücklicher Weise ohne dass dadurch der Text resp. dessen Ergänzung irgend wie gelitten hätte. Länge Der Block selbst hat folgende Ausmaassc . 970 mm Die Inschrift dagegen -'35 „ Oben und unten ist die Inschrift durch eine Horizontallinie eingefasst, dagegen fehlt rechts und links die sonst häufige Einfassung durch Verticallinien. Die einzelnen Zeilen der Inschrift sind durch einfache Horizontallinien von einander getrennt. Der Zwischenraum zwischen je 2 solchen Linien (= Zeilenhöhe) beträgt im Durchschnitt etwa 48—49 mw, bei den einzelnen Zeilen aber wie folgt: Zeile 1 = ÖO mm Zeile 4 = 48 mm Zeile 7 = 49 mw . 2-49 „ „ 5 = 50 „ „ 8 = 50 „ Breite öOO mm 4.39 „ Dicke 320—470 mm Fie-. 5. 3 = 49 6 = 47 9 = 47 Der schraffirte Theil {= n) jetzt weggebrocheii. Wie man sieht, herrscht in der Zeilenhöhe eine nicht sehr grosse Regelmässigkeit, ein Factum, dass man übrigens an fast allen chaldischen Keil-Inschriften constatiren kann. Dementsprechend wechselt natürlich auch die Grösse der Charaktere in den einzelnen Zeilen. Zu erwähnen wäre noch die etwas eigenthümliche Form dieses Bausteins, wie sie nebenstehende Skizze veranschaulicht. ' Einen Baustein von ganz gleicher Form fand ich 1899 im armenischen Dorfc Kurdzut an der NO.-Ecke des Van-Sees vor. Ich gebe nun hier den Text dieser neuen Inschrift in Transcription und, soweit das heute schon möglich ist, eine Uebersetzung, wobei ich die Determinative für Gott Mann König durch G. M. K. wiedergeben werde. 1 . (G.) Hai - di - ni - ni us - ma - si - ni 2. (M.) Me - nu - a - se (M.) Is - pu - o ^) - ni - hi - 3. i - ni E. GAL. si - di - is - tu - ni 4. ba - a - du - u - si - i - e 5. (G.) Hai - di - ni - ni al - su - si - ni 6. (M.) Me - nu - a - ni (M.) Is - pu - o - i - ni - [hi] 7. (R.) DAN. NU (K.) al-su[ni (K.)] 8. (L.) Bi - a - i - na[- a - u - e] 9. a - lu - si (St.) [Tu - US - pa (St.)] Stadt St. ni - se 1) Ich transcribire nach dem Vorgange von Sayce, dem neuerdings auch Hr. l»r. C. F. Lehmann gefolgt ist, den Winkelhaken durcli o. (455) Das ist: 1. Für die Chalder, die mächtigen (tapferen?) 2. hat Menuas, des Ispu(i)nis Sohn, .'). diesen Palast wieder (?) aufgebaut, 4. der verfallen war (??), 5. Den Chaldern, den grossen, 6. Menuas, des Ispu(i)nis Sohn, 7. der mächtige König, der grosse König, der König 8. des Landes Biaina, 9. der Bewohner (Fürst) der Stadt Tosp. Zu dem Text der Inschrift wäre Folgendes zu bemerken: Zeile 1: usmasini; für dieses Adjectiv hatte Sayce die Bedeutung „gnädig" gerathen, die sich aber gänzlich dadurch ausschliesst, dass z. B. auch das Land Biaina mit diesem Epitheton ornans in den Inschriften auftritt. Nach den unzähligen Stellen, an denen usmasini vorkommt, und zwar fast ausschliesslich verknüpft mit (G.) Haldinini, d. h. dem Chalder-Volk, erscheint eine Bedeutung wie „tapfer", „wehrhaft" oder „mächtig" das Wahrscheinlichste; dies um so mehr, als es in genau denselben Phrasen mit dem Adjectiv alsuisini, dessen Bedeutung als „mächtig, gross" durch alsu(-nis) = assyr. rabu = „gross" gesichert erscheint, unterschieds- los wechselt. Zeile 2: Auch hier finden wir nur die Form Ispimi(lii-nise) statt des sonst viel üblicheren Ispuini . . ., was mir, zusammengehalten mit der assyrischen Form des Namens (— Uspina), dafür zu sprechen scheint, dass Letzterer Ispunis, nicht Lipuinis gelautet hat. Ispunihinis bedeutet zunächst nur soviel wie „der Ispünier", gerade so wie Diauhinis der „Diäer", Etiuhinis der „ütier" bedeutet; der Begriff der Filiation, welcher den aus Personennamen durch Anhängung des die „Zugehörig- keit, Abstammung" bedeutenden Suffixes hi(nis) entstandenen Eigennamen anhaftet, scheint nur eine Einengung der ursprünglichen Bedeutung, denn thatsächlich bedienen sich nur die unmittelbaren Nachkommen, also die Kinder, dieses Aus- drucks, niemals aber, soweit bisher bekannt, auch die späteren Nachkommen. Dahingegen wird jeder der Könige von Diaus z. B. als Diauhinis, als „Diäer" bezeichnet. Es mag darauf hingewiesen werden, dass Ispu(i)nis in der Inschrift vom Tabriz kapussi in Van von sich selbst einfach als von dem „Sarduräer"' spricht. Zeile 3: sidi-istuni, ein Compositum aus dem Präfix sid(i) und dem Verb ustu; vereinzelt findet sich dafür auch die Schreibung sidi-si-tuni, woraus zu folgern ist, dass das Compositum sidistu gelautet hat. Die Bedeutung von ustu ist durch die Schild-Inschriften Ras as" III. Erimenahinis gesichert, in denen er sagt, dass er den Chaldis-Tempel auf Toprakkaleh bei Van aufgebaut hat (= ustunij. Es ver- dient aber hervorgehoben zu werden, dass in den Kriegsberichten die anscheinend von dem Verbum ustu abgeleitete Form ustadi unzählige Male im Sinne von: „aus- ziehen, gehen, marschiren (mit einem Heer) nach" gebraucht wird, eine Bedeutung, die schon von Sayce vermuthet und durch die Bilingue von Topzauä über jeden Zweifel hinaus bestätigt worden ist^). Für das Präfix sid(i) hat Sayce die Bedeutung von „wieder, auf's Neue iisvv." vermuthet, und seinem Vorgange folgten bisher alle Forscher; eine genauere Untersuchung zeigt indessen, dass diese Annahme keineswegs besonders feststeht, 1) Ustadi (beachte das Locativ-Suffix di) wäre wohl am besten mit „Auf meinem Zuge (nach)" zu übersetzen. (456) und zwar sprechen gerade die schon oben erwähnten Schild-Inschriften Rusas' III. dagegen. Denn wie wir aus Schild-Inschrift- Fragmenten Rusas' II. Argistihinis wissen, hat schon dieser mit Bauten an dem Chaldis-Tempel auf Toprakkaleh zu thun gehabt, und höchst wahrscheinlich ist dieser Tempel schon unter Rusas I. Sarduriliinis, wenn nicht gar schon früher, dort errichtet worden. Sonach konnte es sich also für Rusas III. hier nur um Erneuerungsbauten, eine Wiederherstellung des alten Tempels handeln; er aber spricht nicht von sidistuse, sondern nur von ustuse*}, nicht von einem Wiederaufbau, sondern nur von einem Aufbau des Tempels! Auch die anderen Zusammensetzungen, in denen das Präfix .sid(i) vorkommt, z. B. .sid-auri, sid-aguri usw. geben keinen Aufschluss über die Bedeutung desselben. E. GAL. Ich habe früher die Ansicht vertreten, dass der phonetische Werth dieses Ideogramms im Chaldischen durch inili(s) ausgedrückt werde, und zwar wurde ich dazu veranlasst durch mehrere Bau-Inschriften chaldischer Könige, z. B. Argistis' I., in denen es heisst: E. GAL. zaduni Argistihinili tini; das ist: Einen Palast erbaute ich, Argistihinili heisst ftr. Hierbei drängte sich für Argistihinili(s) die Bedeutung „Argistis-Palast" (bezw. „Bau, Bauwerk") ganz von selbst auf; und da nun das Suffix hi die Abstammung, Zugehörigkeit resp. den Ursprung bezeichnet, so erblickte ich in dem weiteren Suffix (i)nili(s) das chaldische Wort für „Bau, Grossbau, bezw. Palast". Dieser Ansicht hat sich s. Zt. auch Hr. Dr. Lehmann angeschlossen-). Eingehende Studien haben mir nun gezeigt, dass diese Anschauung irrig ist. denn diese combinirten Suffixe hi und nili finden sich nicht nur bei Personen- namen, sondern auch bei Ländernamen vor, noch dazu in Kriegsberichten, in denen nach dem ganzen Zusammenhange an einen derart bezeichneten Bau resp. Palast gar nicht gedacht werden kann. Vielmehr liegt hier die Sache so: Argisti- hinis heisst der ..Argistäer", also „Nachkomme, Abkömmling des Argistis" (in weiterer Einschränkung dann auch „Sohn des Argistis"); hiervon repräsentirt Argistiliinili(s) eine weiter abgeleitete und zwar adjectivische Form, bedeutet also „Argistisch". Substantivirt aber bedeutet es „der (die, das) Argistische". Da- nach ist dann obige Phrase zu übersetzen: „Einen Palast erbaute ich, der „Argistische" heisst er^) (bezw. genannt)." Zeile 4 : ba-a-du-u-si-i-e. Eine derartige scriptio plenissima dieses sehr häufig vorkommenden Wortes ist nach meiner Erinnerung (denn Literatur steht mir hier nicht zur Verfügung) bisher unbelegt. Sayce hat hierfür die Bedeutung „verfallen" vermuthet, die in den allgemeinen Sinn ja wohl gut hineinpasst. Es ist hier aber zu berücksichtigen: 1. dass badusi fast nur im unmittelbaren Zusammenhange mit E. GAL. (= Palast) vorkommt, nie aber auftritt, wenn eine „Stadt", eine „Burg" usw. wieder (?) aufgebaut (= sidistu) wird ; 1) Ich betrachte die von den Verbal-Stäramen (Inlinitiv, der nach der bisherigen An- nahme auf u auslautet, was mit dem Lazischen übereinstimmt) durch Auhängung des Suffixes se abgeleiteten Formen, wie z. B. sidistu-se ispu(i)-se aru-se als Substantive. 2) Diese Verhandl. 1893, S. 221 und 218. 3) tini halte ich für eine Participal-Endung des Verbums ti-u (von dem z. B. auch die oft vorkommende Form ti-u-li-e abgeleitet ist); natürlich kann ein solches Particip auch substantivirt auftreten und imterliegt dann der Flexion, so z. B. in der Inschrift Rusas' II. von Etschmiadzin. (457) 2. dass bei Sayce's Annahme badusie als Adjectiv gedacht ist, als solches aber, wie die Analogie zahlloser anderer Fälle lehrt, unmittelbar hinter dem zug-ehörigen Substantiv zu stehen hätte, während es gewöhnlich durch das Verbum von ihm getrennt auftritt. M. E. ist die Bedeutung dieses Wortes zur Zeit noch völlig dunkel und sehr wahrscheinlich abweichend von der bisher dafür angenommenen. Zeile '.': alusi. Sayce vermuthete hierfür die Bedeutung von „inhabiting". D. H. Müller dagegen „Fürst"; späterhin änderte Sayce seine Ansicht auf Grund des assyrischen Textes der Kelischin-Stele, in der es heisst: sarru(mat) Biaina sa (alu) Tuspa, ganz entsprechend der häufigen chaldischen Phrase: sarru (mat) Biaina alusi (alu) 'Fuspa. Demgemäss betrachtete Sayce alusi als den conformen chaldischen Ausdruck für das assyrische sa (= „von, in"), so dass also obige Phrase im Assyrischen wie im Chaldischen zu übersetzen wäre mit: „König vom Lande Biaina, von (in) der Stadt Tuspa." Nun ist aber alusi ein Substantiv — was sich aus Formen wie alusinini deutlich ergiebt — , kann also unmöglich dem assyrischen sa genau entsprechen; andererseits aber erfordern obige durchaus gleichen Phrasen die sinngemässe Uebereinstimmung beider. Das scheint mir aber sehr gut erreichbar zu sein, wenn man für alusi eine Bedeutung wie „Beherrscher, Fürst" oder ähnlich annimmt, für die im Assyrischen sich ein genau deckendes Wort nicht gefunden hätte, so dass der Tafelschreiber — in diesem Falle ein chaldischer Steinmetz — also dann das Wort sarru = König noch einmal hätte wiederholen müssen. Das aber konnte er auch ganz gut umgehen, ohne dem Sinne zu schaden, indem er die Partikel .sa anwendete, also sagte „König vom Lande Biaina [und] von der Stadt Tuspa". Es würde das also genau unserer heutigen Gepflogenheit entsprechen, denselben Titel nicht unnöthiger Weise zu wiederholen, wie sich das z. B. aus der Titulatur „König von Grossbritanien und Irland" ergiebt. Inhaltlich deckt sich nach meiner Erinnerung diese neue Inschrift genau mit denjenigen von Delibaba und bei Hassankala; in allen diesen handelt es sich um Palast-Bauten im alten Phasiane, dem Reiche Dajani der Assyrer, Diauni der Chalder. In früheren Publicationen^) hatte ich bereits auf Grund der Inschrift von Yasilitasch die Gegend um Delibaba herum als den ungefähren Mittelpunkt dieses Reiches angegeben, bin aber auf Widerspruch einzelner Assyriologen gestossen. Heute vermag ich auf Grund fortgesetzter Studien die Grenzen dieses Reiches schon etwas genauer zu bestimmen. So erstreckte sich dasselbe nach Westen z. B- bis mindestens zur Quelle des Karasu, des westlichen Euphrat-Quellflusses, denn Salmanassar II. berichtet uns in seinen Annalen, dass er bis zur Quelle des Euphrat gezogen sei, dort Opfer dargebracht und bei dieser Gelegenheit den Tribut Asua's, des Königs von Dajani, empfangen hätte. Dieser Bericht ist nun zum Theil als auf einem Irrthum der Schreiber basirend bezeichnet worden; andere Forscher wiecierum erklärten es für unentscheidbar, welche Euphrat-Quelle hier gemeint sei, die des östlichen (des Muradtschai) oder die des westlichen (des Karasu) Quell- flusses. Ganz abgesehen selbst von geographischen Gründen, kann hierfür lediglich der westliche Euphrat in Frage kommen. Denn wenn man dem Muradtschai aufwärts folgt, wird man schon bald oberhalb Diadin, wo der östliche Euphrat durch das Zusammenströmen zahlreicher unbedeutender Quellbäche entsteht, um dann selbst auf ca. 20 km hin als unbedeutender Bach weiterzufliessen, nicht mehr 1) Vergl. ZDMG., Bd. 51, S. 560. (458) wissen, welchem dieser Quellbäche man folgen soll, um zur Quelle des Euphrat zu gelangen. In jedem Falle aber wäre das Endresultat das Erreichen eines Punktes, an dem das Quellwasser langsam hervorrieselt, wie an jedem andern Bache auch, ein Anblick, der nicht gerade besonders hervorragenden Eindruck hervorrufen, geschweige denn zur Anstellung feierlicher Opfer veranlassen kann. Ganz anders bei der Quelle des Karasu, des westlichen Euphrat, die in starkem Strome der Erde entquillt, sofort grosse Bassins füllt und auch heute noch Veranlassung zu allerhand Opfergebräuchen giebt, wie das Hr. Dr. Lehmann eingehend be- schrieben hat^). Sonach hat Salmanassar IL die Quelle des Karasu oberhalb Erzerum besucht und dort auch den Tribut des Königs von Dajani in Empfang genommen. Wir dürfen sonach den Oberlauf des Karasu und des Araxes als Theile des sicherlich nicht unbedeutenden Reiches Dajani bezeichnen. Unter diesen Umständen dürften Namen wie „Da'ir"-Gebirge (bei Delibaba), „Da-ronk" (alter Name für Hassankala) usw. erhöhte Bedeutung gewinnen. Und wenn wir uns dann weiter klar machen, dass die 10 000 Griechen nach Ueberschreitung des Araxes = Phasis auf die Ta-ocher stossen, so dürfte meine, bisher von den Assyriologen vielfach bezweifelte Gleichsetzung der Letzteren mit den Da-jani der Keil-Inschriften er- heblich an Wahrscheinlichkeit gewinnen. Auf dem Schauplatz der Geschichte erscheint das Reich Dajani zuerst unter Tiglatpileser I. von Assyrien (ca. 1020 v. Chr.), aus dessen Bericht sich schon die Bedeutung desselben ergiebt, denn der König Sini von Dajani war der Einzige, der es nach der Niederlage, welche die Nairi-Fürsten in der Ebene von Melasgert im Kampfe gegen Tiglatpileser I. erlitten hatten, noch wagte, dem siegreichen Eroberer weiteren Widerstand zu leisten. Anderthalb Jahrhunderte später bekämpft (und erobert angeblich) dann Salmanassar II. wiederholt Dajani, dessen Kraft dadurch so geschwächt wurde, dass es etwa 50 Jahre später den Angriffen der Chalder-Könige nicht mehr widerstehen konnte. 'Schon Ispuinis kämpfte gegen das Ende seiner Regierung (ca. SOO v. Chr.) gegen Dajani, aber erst sein Sohn Menuas vermochte dieses Reich zu erobern, wie er uns in der Inschrift von Yasilitasch berichtet. Bei seinem Tode und jedenfalls im Zusammen- hange mit den Wirren, die durch die Beseitigiuig des legitimen Thronerben Inuspuas durch dessen jüngeren Bruder Argistis (I.) entstanden, empörte sich Dajani, das dann von Argistis I. in wiederholten erfolgreichen Kriegen nieder- gezwungen wurde. Unter dessen Grosssohn Rusas I. scheint Dajani nochmals einen Aufstand gewagt zu haben, in dem es aber unterlag. Damit verschwindet, so viel wir wissen, dieses Reich aus der Geschichte; nur einige wenige Schrift- steller, in erster Linie Xenophon, erwähnen noch die Ta-ocher. Die Hauptstadt des Landes hiess Zua(na, ni); m. E. findet sich dieser Name in dem der Sannen wieder, die in späterer Zeit in jener Gegend oft genannt werden. Eigene Inschriften, wobei es sich wahrscheinlicher Weise wohl nur um Keil- inschriften handeln könnte, sind bisher von diesem Volke nicht aufgefunden worden; es ist aber um so sicherer darauf zu rechnen, als selbst der so viel nördlicher (12 km nördlich von Alexandropol) wohnende Fürst von Iskigulus sich der Keilschrift bei seinen Correspondenzen bedient hat. — 1) Mitth. d. Geogr. Ges. in Hamburg, Bd. XVI (1900), S. 108. (459) Constantinopel, den 27. August 1901. Die türkischen Behörden sind mir hier mit der allergrössten Liebenswürdigkeit entgegengekommen, namentlich die Direction der Museen (Hamdi BeyundHalil Bey), von denen ich Ihnen beste Empfehlungen übermitteln soll. Unser Arbeits- plan hat deren uneingeschränkte Zustimmung, und sie erwarten mit Interesse das Ergebniss meiner Informationsreise. Soweit ich die Sache überschaue, wird es nicht die geringsten Schwierigkeiten machen, die für die Ausgrabungen erforderlichen Fermane zu erhalten und somit die Lösung der hethitischen Frage der deutschen Forschung zu sichern; es ist mir dabei eine besondere Befriedigung zu constatiren, dass das Hauptverdienst hierbei der von Ihnen ergriffenen Initiative zufällt. Von ganz hervorragendem Nutzen bei meinen Bemühungen ist mir die Unter- stützung des Hrn. Dr. Gies (II. Dragoman der Deutschen Botschaft) gewesen^), der namentlich in den verschiedenen Ministerien die stets und unvermeidlich auf- tauchenden Schwierigkeiten mit grossem Geschick glatt und schnell beseitigt und unseren Bestrebungen ein sehr grosses Interesse entgegenbringt. Letzteres hat er übrigens auch schon bei der Erlangung der Fermane für die Ausgrabungen in Sendschirli, Baalbeck, Babylon usw. bethätigt. — Niksar, den 2-2. September 1901. (Ehemals Cabira-Diopolis-Sebaste-Neocaesarea.) Hocligeehrter Herr Professor Virchowl Hier sitze ich inmitten der grandiosen Ruinen der alten Mithridates-Burg Cabira und lasse die Ereignisse des denkwürdigen mithridatischen Krieges an meinem Geiste vorüberziehen. Wohin ich auch in diesen Tagen meinen Fuss setzte, all- überall klassisch-historischer Boden voller Ruinen und Erinnerungen an alte Zeiten. Lassen Sie mich Ihnen ganz kurz über das bisher Gesehene berichten. Nachdem die Pest in Constantinopel erloschen war, gab es auch endlich wieder einen Dampfer nach Samsun. Es war ein ausserordentlich schmutziges, griechisches Schiff, ein Frachtdampfer, der sich aber durchaus nicht scheute, die vorhandenen 15 elenden Schlaf kojen an mehr als 30 Passagiere zu vermiethen; mochte doch jeder sehen, wie er zurecht kam. Indessen was thun? Es gab vorab keinen zweiten Dampfer, und im Uebrigen konnte ja auch leichtlich jeden Tag ein neuer Pestfall auftreten-). In Sinope hatten wir uns trotzdem einer „Desinfection" zu imterziehen, was um so lächerlicher war, als alle Nachbarstaaten der Türkei alle Quarantäne-Maassregeln aufgehoben hatten. Die „Desinfection" selbst kann man, so wie sie in Sinope ausgeführt wurde, nur als Kinderei bezeichnen, die den ihr Unterworfenen Zeit- und Geldverlust verursacht, ohne vom sanitären Standpunkt aus den Bedrohten auch nur den geringsten Schutz oder Nutzen zu gewähren. Einen mehrtägigen, zum Theil durch wolkenbruchartigen Regen verursachten Aufenthalt in Samsun benutzte ich zu eingehenderer Besichtigung der westlich von Samsun belegenen Ruinen von Amisus, heute Kara-Samsun genannt. Seit etwa 700 Jahren werden dieselben von den Umwohnern als Steinbruch benutzt, und 1) Inzwischen hat Rudolf Lindau sich pensioniren lassen, au dessen Stelle Hr. Testa, bisher und seit langen Jahren I. Dragoman der Deutschen Botschaft in Constantinopel, als Deutscher Vertreter in die Verwaltung der „Dette Publique" eingetreten ist, während Hr. Dr. Gies zum I. Dragoman aufgerückt ist. •2) Thatsächlich wurde am Tage nach meiner Abreise die Quarantäne wieder für Con- stantinopel eingerichtet! (460) zwar mit solchem Erfolge, dass von den Stadtmauern und den aufgehenden Theilen der Hausmauern heute nur noch ganz spärliche Reste vorhanden sind. Mehrere Cisternen. darunter eine solche von iiOO — 700 chm Inhalt, deren gewölbtes Dach auf Marmorpfeilern ruht, sind wohl die Hauptzeugen griechischer Baukunst. Von Ausgrabungen ist in diesem Ruinenfeld wenig zu erhoffen. Mehr kann man sich versprechen von der Aufdeckung früh-byzantinischer und römischer Gräber, in denen recht zahlreiche Beigaben gefunden werden. Am interessantesten aber sind jedenfalls die Kurgane, deren ich 5 unmittelbar am Meeresufer und 3 weiter landeinwärts bemerkte; sie dürften zweifellos alle der Zeit des grossen Mithridates. bezw. noch älteren Epochen entstammen. Von neuen Inschriften fand ich einer- seits mehrere alte griechische Grab-lnschriften, andererseits aber einen kunstvoll gearbeiteten anscheinend hethitischen Siegel-Cy linder, der sich im Besitze des liebenswürdigen Mutessari f von Samsun, Fig- = 30 — 10 Para = '2— 3 Piaster == n-^'u „ 2 4. 1 Batman PflauQien zum Essen . . 5. 1 „ Aprikosen zum Trocknen . 6. 1 „ „ „ Essen . . 7. 1 „ Pfirsische zum Einmachen 8. 1 „ „ „ Essen . . 9. 1 „ Trauben zum Weinmachen 10. 1 . ^ „ Essen ... 11. 1 Oka geschälte Mandeln . . . . = 10 „ usw. usw. (1 Oka = IV4 %; 1 Batman = l'U kg\ 1 Piaster = 18 Pfg.: 10 Para = A'k Pfg-) Die Stadt selbst bietet dem Archäologen kaum etwas von Interesse; einige Reste aus der Seldschucken-Zeit, eine vom Sultan Bajazed erbaute Moschee, das ist so ziemlich Alles, was der Erwähnung werth ist. Wer sich für moderne Ruinen interessirt, mag die beiden Brückenpfeiler bewundern, welche die türkische Regierung vor etwa zwei Jahren im Strombett des schnellfliessenden Jeshil Irmak errichten Hess — vermuthlich für eine neue Brücke, doch wer kennt all die geheimen Gedanken der Effendi's? Vielleicht also waren sie auch' für irgend einen anderen unaufgeklärten Zweck bestimmt — , und die nun der Zerstörungswuth des Flusses zur Zeit seiner Hochfluthen ein sehr erwünschtes Angriffsobject darbieten. um so mehr wird das Interesse des Archäologen gefesselt und concentrirt durch den gigantischen Citadellen-Felsen mit seiner uneinnehmbaren Burg und den prachtvollen Felsenbauten. Namentlich letzteren sah ich mit der grössten Spannung Fig. 8. Der Burgt'elseii von Amassia mit den Ruinen der ehemalige^] Citadelle. entgegen. Einerseits hatte ich bis dahin schon so zahllose Felsenkammern besucht, welche frühere Reisende fast ausnahmslos als Grabstätten bezeichnet hatten, während sie sich bei näherer Untersuchung ebenso ausnahmslos als für Lebende (463) bestimmte Wohnungen erwiesen hatten, so dass ich um so gespannter auf den Besuch der sogenannten „Königsgräber'' von Amassia war, deren Bezeichnung als solche durch Strabo mir an und für sich noch nicht als genügender Grund erschien, an die Richtigkeit seiner Auffassung zu glauben, zumal ja die Ent- stehung der ^ Grabkammern " in so ferne Zeiten zurückgehen konnte, dass man zu Strabo' s Zeiten ihre ursprüngliche Bedeutung und Bestimmung längst vergessen haben mochte. Andererseits aber bot sich mir hier eine erstklassige Gelegenheit, Vergleiche anzustellen zwischen den Felsenbauten der Chalder-Könige und den- jenigen der hiesigen Könige. Als Resultat meiner Besichtigung habe ich zu melden, dass es sich hier in der That um Felsen-Gräber handelt, und zwar nicht nur bei den sogenannten ^Königsgräbern", sondern auch bei fast allen anderen, hier ziemlich zahlreich auf- tretenden Felsenkammern ordinärer Bauart. Wenn schon nichts Anderes, so würde die Eingangs-Oeffnung das beweisen, die meist so hoch angebracht ist über der vor den Gräbern aus dem Felsen herausgehauenen Terrasse, dass es einer Leiter bedarf, um in das Innere zu gelangen; bei dem schönsten der Felsengräber, dem sogenannten „Spiegelgrab" (wegen seiner glänzenden, hochpolirten Flächen so genannt), das sich nicht im Burgfelsen von Amassia, sondern etwa 2 km lluss- abwärts in einer dicht am Wege sich erhebenden Felswand befindet, ist die Ein- gangs-Oeffnung etwa 5 m über der Fels-Terrasse angebracht. Ueber der Eingangs- Oeffnung ist in riesigen griechischen Buchstaben eine kurze Inschrift (Archiereus, in 2 Zeilen geschrieben: 1. Archi 2. 'iereus) angebracht; unterhalb derselben befand sich früher eine weitere zweizeilige griechische Inschrift, die jedenfalls den Namen des dort Bestatteten enthielt, leider aber durch ruchlose Hände bis auf 2 oder -i Zeichen weggehauen worden ist. Ich will gleich hier bemerken, dass dieses Felsen-Grab trotz seiner gewaltigen Dimensionen und seiner hervorragend schönen, künstlerischen Ausführung mir doch nicht ein Königsgrab zu sein scheint, wie man bisher angenommen hat. Meines Erachtens würden die Könige von Amassia ihre Grabkammern so lange in dem Burg-Felsen von Amassia angelegt haben, als dort noch Platz für diese Zwecke zur Verfügung stand; schon die Tbatsache, dass sie im Falle einer feindlichen Belagerung die Gräber und deren Schätze vor den Angriffen der Feinde schützen konnten, musste in dieser Beziehung für sie mass- gebend sein. An Platz für die Anlage von Grabkammern abermangelt es an dem riesigen Felsen durchaus nicht; man könnte ohne jede Schwierigkeit und Platz- Beengung ausser den jetzt dort vorhandenen sechs Gräbern noch Dutzende weiterer Felsenkammern von grossen Dimensionen dort anlegen. Bei dem „Spiegel-Grab'^ dagegen, das gänzlich isolirt von dem Burg-Felsen und durch das tiefe Felsen- Thal des Tersakan tschai von ihm geschieden ist, wäre in Kriegszeiten eine Be- raubung und Zerstörung des Grabes durch feindliche Truppen von der Burg her wohl kaum zu verhindern gewesen. Ich habe diese rein praktischen Gesichtspunkte nur deshalb hervorgehoben, weil von mehreren Forschern behauptet worden ist, die griechische Inschrift über der Eingangs-Oeffnung des „Spiegel-Grabes'- sei erst in späterer Zeit angebracht, beziehe sich also nicht auf den dort ursprünglich Bestatteten. Die Ausführungsart der sechs im Burg-Felsen angelegten Grabkaramern lässt eine fortschreitende Entwickelung der künstlerischen Arbeit und eine ständige Ver- grösserung der Ausmaasse erkennen. Wir finden hier 2 Gruppen von je 3, bezw. 2 Gräbern und ausserdem noch ein ganz abgesondertes Grab. An Letzteres gelangt man beim Aufstiege von der Stadt, und zwar vom Regierungs-Gebäude aus, zuerst. (464) Diese Kammer halte ich ihrer ganzen Ausführung nach entschieden für die älteste der sechs. Zwar wird die Fels-Terrasse vor der Kammer an ihren Enden durch je eine einfach gehaltene viereckige Säule tlankirt, aber die ganze Anlage und Ausführung Fig. 9. Königs-Felseugrab am Burgfelsen von Amassia (vgl. S. 4B5). des in verhältnissmässig bescheidenen Diniensionen gehaltenen Felsen-Grabes ist noch eine sehr einfache: eine kleine, in üblicherweise in die Felswand gehauene Kammer. Klettert man von diesem bisher wenig beachteten Grabe an der steilen Felswand weiter, so passirt man zunächst eine grosse in die Tiefe führende Felsen-Treppe, die nach 47 Stufen und 187^ "« Länge heute zwar verschüttet ist. (465) Fi?. 10. a — Grabkammer, h ~ Fester Fels, c = Eingangs-Oeffniing, d = Gang. früher aber unstreitig bis auf das Niveau des nahe vorbeifliessenden Jeschil Irmak hinabführte und der Wasserversorgung der Burg diente. Das beweist auch das obere Ende dieses Tunnels (dessen gemauerte Gewölbdecke hier durch darauf- geworfene Erdmassen den Blicken der Feinde verborgen war), der unmittelbar hinter den dicken Mauern der untersten Befestigungen endigt. Diesen tiefstgelegenen Theil der Amassia-Burg bezeichnet der Volksmund als ,,Mithridates-Burg". GJeich oberhalb der Letzteren befindet sich die erste Gruppe von '■'> Königs-Gräbern. Schon der erste Blick zeigt hier, dass ein gewaltiger Sprung in der Felsen- Bau- technik des Volkes stattgefunden hat, was darauf schiiessen lässt, dass ein nicht kleiner Zeitraum zwischen der Erbauung der ersten Kammer und diesen drei ver- strichen sein muss. Auch hier finden wir vor den dicht nebeneinander liegenden Kammern Terrassen, die durch einfache, vier- eckige Felsen -Säulen (heute grösstentheils herab- gestürzt^ flankirt werden; aber statt der einfachen, in die geglättete Felswand hineingetriebenen Kam- mern sind hier grosse, gewölbte Fels-Blöcke inner- halb des gewachsenen Felsens frei gehauen wor- den, die im Aeusseren ganz christlichen Kapellen gleichen (s. die Abbildung auf S. 464). Ein breiter Gang gestattet rings um diese Kammern herumzu- gehen, über die sich das Gewölbe des festen Ge- steins spannt (vgl. Fig. 10). Eine grandiose Arbeit, die auf den Beschauer einen mächtigen Eindruck macht. Die Dimensionen dieser 3 Gräber sind beträchtlich grösser als die des erst- besprochenen Grabes; die Aussenwände der freigehauenen Fels-Blöcke theilweise schön polirt. An der unteren Kante der Eingangs-OefCnung des ersten dieser 3 Gräber befindet sich ein stark hervortretendes Fels- Gesims; unterhalb desselben weist die Fels-Fläche noch heute Spuren eines Gips-Bewurfes auf, der, wie es scheint, erst roth, dann schwarz übermalt war und noch die Spuren von Einfassungs-Linien er- kennen lässt, innerhalb deren eine Inschrift, wahrscheinlicher aber eine Malerei an- gebracht gewesen war, die indessen raitsamrat dem allergrössten Theile des Gips- Bewurfes im Laufe der Zeiten abgefallen, bezw. abgeschlagen worden ist. Zweifels- ohne ist diese Verzierung aber erst lange nach der Errichtung der Grabkammern, wohl zur byzantinischen Zeit angebracht worden. Am Felsenhange in ungefähr derselben Höhe weiter kletternd, gelangt man zu einem kurzen durch die Felswand gehauenen Tunnel, von dem eine grossartig angelegte Felsentreppe langsam hinaufführt zu der zweiten Gruppe von zwei Grab- kammern, augenscheinlich den jüngsten dieser sechs Gräber. Diese Treppenflucht ist am Rande eines schwindelnden Abgrunds mit grosser Kunst aus dem Felsen herausgehauen, wobei man die oberen Felspartieen nicht entfernt hat, die jetzt für die Treppen eine überhängende Gewölb-Decke bilden und sie vor dem zerstörenden Einfluss von Wind und Wetter schützen. Auf der linken Seite (für den Hinaufsteigenden) hat man beim Aushauen der Treppenflucht eine etwa meterhohe dicke Bailustrade stehen lassen, die den Beschauer vor dem Hinabstürzen in die grausige Tiefe bewahrt; von der Treppe aus hat man einen herrlichen Ausblick auf die im Grunde des Felsen-Thaies sich hinziehende Stadt Amassia. Im Allgemeinen könnte man diese Treppenfluchten vergleichen mit jener schönen Felsen-Treppe, welche am Van-Felsen zu dem Eingange der so- genannten „Todten-Zimmer'' hinabführt, nur dass hier alle Verhältnisse weit gross- artiger sind bei erheblich vervollkommneter Ausführung. Verband], der Berl. Anthropol. Gesellschaft 1901. 30 (466) Hinsichtlich der beiden Felsen-Gräber ist ein wesentlicher Unterschied nach Anlage und Ausführung gegen die vorhin besprochene Gruppe nicht zu bemerken; man sieht nur die Neigung, die Dimensionen der einzelnen Grab-Anlagen ständig zu vergrössern. Im Uebrigen ist die Ausführung ebenso einfach ohne erkenn- baren künstlerischen Fortschritt. Besonderes Interesse erweckt nur das zweite Grab dieser Gruppe, an das man zuletzt gelangt, denn diese Anlage ist unvollendet liegen geblieben. Weder ist der kapellenähnliche Fels-Block ganz frei heraus- gehauen, noch auch demgemäss der Rundgang um die Grabkammern herum fertig- gestellt worden. Die Eingangs-Oeffnung ? (vgl. Fig. 11) ist nur erst ganz roh und unregelmässig herausgehauen, die ganze Vorderfläche der Felswand noch mit den zahllosen Löchern versehen, die man zwecks Aufstellung der Baugerüste dort an- gebracht hatte, um sie später durch entsprechende Abmeisselung der ganzen Felsen- wand wie bei den anderen Gräbern verschwinden zu lassen. Der unfertige Bau giebt auch dankenswerthe Fingerzeige für die ganze Aus- Fig^. 11. führungsweise; man erkennt deutlich, dass gleich- zeitig in mehreren Etagen gearbeitet wurde. So ist z. B. beim Freihauen der Grabkammer in halber Höhe eine mehr als meterdicke iPelsschicht a, a stehen geblieben; die über derselben befindliche freigelegte Fläche b ist zum Theil bereits so weit fertig bearbeitet, dass mit der Anbringung der Politur begonnen werden könnte, während der unterhalb der Felsschicht a belegene Theil der freigelegten Fläche c nur erst ganz roh hergerichtet ist. Es kann wohl schwerlich irgend .einem Zw^eifel unterliegen, dass dieses un- vollendet gebliebene Grab -Denkmal das jüngste aller hier vorhandenen sechs Felsen-Gräber ist. Aller Wahrscheinlichkeit nach wurde während der Ausführung desselben der hier herrschende König von Thron und Reich vertrieben, wobei es sich aber nicht um einen Kampf mit einheimischen Thron-Prätendenten oder mit benachbarten, stammverwandten Stämmen gehandelt haben kann, sondern um einen durchgreifenden Wechsel in dem das Land beherrschenden Volke. Denn im ersteren Falle w^ürde man doch wohl die Anlage weiterer königlicher Felsen- Gräber mit Sicherheit haben erwarten können, während der thatsächliche Befund dafür spricht, dass die hier zur Regierung gelangten neuen Herrscher keinerlei Vorliebe für Felsen-Gräber zeigten, andere Bestattungsarten vorzogen. Ehe ich der Frage: „Wer waren die Erbauer dieser Königs-Gräber? Und wann ungefähr sind dieselben entstanden?", näher trete, möchte ich noch einige kurze Ausführungen über die Bauart derselben anfügen. Gleich wie die frei aus dem Felsen herausgehauenen, ringsum vom massiven Fels umgebenen Felsen-Gräber äusserlich unseren Kapellen gleichen, oben in einen schön gewölbten Bogen auslaufen, so zeigen auch alle Grabkammern im Innern dieselbe oder eine ähnliche Form. Weder bei den 6 Königs-Gräbern, noch auch bei den meisten der vielen in der Umgegend zerstreut auftretenden gewöhnlicheren kleinen Grabkammem findet man eine ganz flache Decke, wie wir sie bei den Felsen- zimmern in Van ausnahmslos antreffen. Es ist das als ein sehr bemerkenswerther Unterschied zu bezeichnen, als ein wesentlicher Fortschritt in der Fels-Bearbeitungs- kunst. Von den mir sonst bekannt gewordenen Felsen-Bauten chaldisch-alarodischen Ursprungs kann ich nur die Königszimmer in Hasankef am oberen Tigris zum Vergleich heranziehen, deren Decken ebenfalls schöne Bogen repräsentiren, und als deren Urheber die Georgier anzusehen ich inzwischen triftige Gründe gefunden habe. (467) Von ornamentaler Verzierung ist, abgesehen von den schon erwähnten ein- fachen Säulen und etwelchen sehr einfachen Gesimsen, weder aussen noch innen etwas zu bemerken; einige einfache, in die Felswand eingeritzte Figuren alten Ursprungs, wie z. B. zwei sich kreuzende Dreiecke x^, wie man sie namentlich am Spiegel-Grab antrifft, scheinen mir Werkmeister-Zeichen der erbauenden Archi- tecten zu sein. Im Innern eines der Königs-Gräber hat das scharfe Auge des Hrn. Max Zimmer, den ich kürzlich unserer Gesellschaft als Mitglied zuführen konnte, und den ich jetzt hier das Vergnügen habe, in die archäologische Wissen- schaft einzuführen, auf beiden Seiten der Gewölb-Decke die in ihren Umrissen noch schwach erkennbaren geraalten Figuren von 12 menschlichen Gestalten entdeckt^). Eine derselben ist im Besitze eines Flügelpaares, stellt also augen- scheinlich einen p]ngel dar; die anderen Figuren dürften danach Heilige oder Apostel repräsentiren. Das Ganze stammt fraglos aus sehr viel späterer Zeit, der Epoche der Byzantiner, und wurde angebracht, als man einige dieser Felsen- kammern als christliche Betkapellen in Benutzung nahm. Das sieht man besonders schön am Innern des „Spiegel-Grabes", auf dessen Decken-Gewölbe die Gestalten der 1'2 Apostel sehr deutlich erkennbar hingemalt sind. Dass die „Königs-Gräber" aus vorchristlicher Zeit stammen, wissen wir von Strabo; aber auch das sehr viel spätere „Spiegel-Grab" gehört sehr wahrscheinlich noch der vorchristlichen Epoche an; darauf lässt nicht nur die Inschrift, sondern namentlich auch die Thatsache schliessen, dass auf der Aussenfläche des Grabes sich nirgends ein christliches Kreuz eingehauen vorfindet. In Bezug auf den Mangel decorativer Momente herrscht also bei diesen Felsen- Bauten einige Uebereinstimmung mit den Gepflogenheiten der Bevölkerung von Van. Inschriften finden sich an keinem der 6 Königs-Gräber, was zu der Schluss- folgerung führt, dass den Erbauern der Gräber Schrift etwas Unbekanntes war. Denn sicherlich hätten wir sonst nach Analogie anderer Fürsten-Gräber hier mit grosser Wahrscheinlichkeit Inschriften zu erwarten, die zum Mindesten den Namen und Titel des betreffenden Herrschers enthalten würden. Kurz zusammengefasst haben wir also zu constatiren, dass zwar in Anlage und Ausführung dieser Felsen-Gräber einige Aehnlichkeiten mit den Felsen-Bauten von Van vorhanden sind, dass aber hier unter Verwendung beträchtlich grösserer Ausmaasse für alle in Betracht kommenden Verhältnisse und Anlagen eine be- deutend entwickeltere Kunstfertigkeit zum Ausdruck gelangt ist als in Van. Wir werden daraus also zu folgern haben, dass entweder die hiesigen Felsen-Bauten erheblich jüngeren Datums sind als die vanischen, oder aber dass die künst- lerische Befähigung der hiesigen Bevölkerung für Felsen-Bauten den Chalder- Alarodiern erheblich überlegen war. Welcher Epoche gehören nun diese Felsen-Gräber an? Die Thatsache, dass wir keinerlei Inschriften an ihnen finden, beweist wohl zur Genüge, dass sie der vor- mithridatischen Epoche angehören, denn durch Mithridates L, der sich hier ein unabhängiges Reich gründete, wurde zweifelsohne doch wohl auch griechische Schrift und Sprache eingeführt. Vor jener Zeit aber stand dieses Land, wie der grösste Theil Vorder-Asiens, unter der Herrschaft persischer Satrapen. Dass etwa das Gebiet von Amassia nicht mehr zum persischen Machtbereich gehört habe, erscheint gänzlich ausgeschlossen bei der überaus leichten Zugänglichkeit des- selben von Süden, dem eigentlichen Cappadocien, her und der hervorragenden Fruchtbarkeit der ganzen Gegend, die zu den gesegnetsten Asiens gehört und 1) Vevgl. dessen Bericht in diesen Verhandl. 1901, S. 449. 30^ (468) immer gehört hat. Dass etwa die Felsen-Gräber zur Zeit der persischen Satrapen- Herrschaft von einheimischen Schatten-Königen angelegt worden seien, erscheint wenig glaubhaft, zumal wir auch in diesem Falle mit grosser Wahischeinlichkeit das Vorhandensein von Inschriften (wenn nicht anders, so in persischer Keil- schrift) zu erwarten haben würden. Wie ich nun schon vorhin nachzuweisen mich bestrebt habe, muss zur Zeit der Anlage des letzten, unvollendet gebliebenen Felsen-Grabes ein radikaler Wechsel in der Regierung der hiesigen Bevölkerung stattgefunden haben, eine, von ihr gänzlich verschiedene Rasse zur Herrschaft gelangt sein. Als zeitlich nächstes derartiges Ereigniss kommt für uns die Eroberung Cappadocien's und der angrenzenden Gebiete durch Cyrus in Betracht, dem alle diese Länder nach der Be- siegung des Croesus (548 v. Chr.) wohl ohne Kampf zufielen. Das wird also wohl auch mit dem Gebiet von Ämassia der Fall gewesen sein, dessen deposse- dirter Fürst nicht mehr die Zeit fand, sein Felsen-Grab beendigen zu lassen. Noch eine andere, um einige Jahrhunderte früher anzusetzende Möglichkeit käme in Betracht, nehmlich die Eroberung des hiesigen Landes durch die Kimmerier- Armenier. Wenn um 700 v. Chr. die Kimmerier im Besitze von Sinope sind, so werden sie gegen Ende des VHL, bezw. Anfang des VH. vorchristlichen Jahr- hunderts w^ohl auch sicherlich das Gebiet von Amassia plündernd und verheerend durchzogen, vielleicht auch wegen seiner überaus grossen Fruchtbarkeit wie das übrige Cappadocien dauernd besetzt haben. Bei dieser Annahme würde die Ent- stehung der Gräber zwischen 900 and 700 v. Chr. stattgefunden haben müssen. Ein so hohes Alter der Felsen-Gräber anzunehmen, scheint mir indessen bedenklich, namentlich auch wegen der künstlerischen Ausführung derselben. Auch die An- nahme, dass der Sturz der persischen Satrapen-Herrschaft durch Alexander den Grossen und seine Generäle die weitere Anlage von königlichen Felsen-Gräbern verhindert habe, dass also die Vorhandenen durch einheimische Schatten-Könige, etwa im V. und IV. vorchristlichen Jahrhundert entstanden seieir, erscheint mir aus den oben angeführten Gründen wenig wahrscheinlich; immerhin aber kann man dieselbe nicht ganz ausser Acht lassen. Demnach haben wir meines Er- achtens die Ausführung des jüngsten, unvollendet gebliebenen Grabes entweder um ro. .')50 v. Chr. oder, weniger wahrscheinlich, um ro. o30 v. Chr. anzusetzen, wobei ich persönlich der ersteren Zahl den Vorzug zu geben geneigt bin. Und die Gesammtzahl der Felsen-Gräber ist demnach entweder zur Zeit der Perser- Herrschaft, d. h. zwischen 550 und 330 v. Chr., oder aber zwischen ro. 700 bis 550 V. Chr. entstanden, in letzterem Falle also nach der Kimmerier-Invasion, der damals u. A. auch Sinope zum Opfer fiel. Vielleicht haben wir anzunehmen, dass im Zusammenhange mit dieser Invasion ein neues Herrschergeschlecht in Amassia zur Regierung gelangte, das besondere Vorliebe für solche Felsen-Gräber hegte. Das würde dann auch die verhältnissmässig geringe Zahl derselben er- klären, die, wenn man nur die nach Anlage und Bauart zeitlich unmittelbar zu- einander gehörenden beiden Gräber-Gruppen hierbei in Betracht zieht, allerhöchstens ein Intervall von 150 bis 20Ü Jahren ausfüllen können. Ueber das Volk, durch dessen Kunstfertigkeit diese Felsenbauten entstanden sind, lässt sich wohl soviel mit einiger Sicherheit sagen, dass es die für uns bis jetzt noch prähistorische Urbevölkerung dieses Landes gewesen sein muss, über deren Verhältnisse wir, abgesehen von einigen wenigen i'eligiösen Details, fast gar nichts wissen. Immerhin aber genügt selbst dieses Wenige schon, um die Behauptung, es handle sich weder um eine semitische, noch auch um eine arische Bevölkerung, sehr stark zu stützen. Lässt sich dieselbe zur Gewissheit (469) erheben, so würde damit zugleich der Beweis geliefert sein, dass wir es hier mit einer turani sehen Urbevölkerung zu thun haben, denn mehr wie diese drei grossen Völker- und Sprachfamilien hat das nördliche Vorder-Asien im Alterthura ebenso wenig beherbergt, wie das heute der Fall ist. Damit würden wir dann auch für dieses Gebiet einen den turanischen Chaldern von Van stamm- verwandten Tribus zu statuiren haben, der im Zusammenhang und auf Grund dieser Stammes-Verwandtschaft eine ebenso ausgeprägte Vorliebe für Felsen-Bauten be- thüxigte wie die Chalder-Alarodier in Van und Umgegend. Und wenn man nun die Nachrichten der Alten über die älteste Bevölkerung Klein-Asiens sorgfältig studirt, so gelangt man zu der Schlussfolgerung, dass einst das ganze Klein-Asien von Turaniern, mögen sie nun Pelasger, Mäonen, Chalder, Alarodier oder sonst wie heissen, bevölkert gewesen ist, zwischen die von Süden, bezw. Südosten her die Semiten bestrebt waren, sich einzudrängen, aller- dings, so weit wir wissen, mit nur geringem Erfolge, während von Westen und Osten her arische Völkerschaften das feste Gefüge der turanischen Urbevölkerung langsam aber sicher lockerten und auseinandersprengten. Und vergegenwärtigt man sich dann weiter, dass fast das ganze nördliche Vorder-Asien geradezu überschwemmt ist mit Felsen-Zimmern, -Gräbern und anderen derartigen Felsbauten, während man in den alten Sitzen der Semiten und Arier kaum je dergleichen antrifft, so drängt sich uns der Schluss geradezu auf, dass diese so ausgesprochene Vorliebe für Felsen-Bauten geradezu ein ethnologisches Kennzeichen der Tu- ranier gewesen sei. Wenn ich also früher dieses Merkmal in erster und haupt- sächlichster Reihe für die Chalder in Anspruch genommen habe, so neige ich jetzt mehr dazu, es auf die Gesammtheit der turanisch-alarodischen Völker-Stämme auszudehnen und anzunehmen, dass allüberall da, wo wir im nördlichen Vorder-Asien ausgesprochene Beweise solcher antiken Felsenbau- thätigkeit antreffen, wir mit einer turanisch-alarodischen Urbevölkerung zu rechnen haben. Es wird einstweilen noch abzuwarten sein, ob fortgesetzte Unter- suchungen die Richtigkeit dieser Hypothese bestätigen, die uns im bejahenden Falle ein Mittel an die Hand geben würde, die ehemaligen Grenzen der turanischen Urbevölkerung im nördlichen Vorder-Asien gegen ihre semitischen, bezw. arischen Nachbarn zu bestimmen. Ueber die alte Bevölkerung von Amassia, denen wir die Felsengräber verdanken, lässt sich noch soviel mit Bestimmtheit sagen, dass sie recht verschieden gewesen sein muss von derjenigen des kaum 10(t hm südlicher gelegenen Boghazkoi, die nicht nur Sculpturen auf den Felswänden anbrachten, sondern auch mit hie.ro- glyphischer Schrift wohl vertraut waren. Es ist ausserordentlich auffällig, dass nördlich von Boghazkoi und Uyuk die sogen, hethitischen Sculpturen und Inschriften mit einem Male, wie abgeschnitten, aufhören. Lag denn die Hauptstadt Pteria so unmittelbar an der Nordgrenze des Reiches? Das erscheint kaum glaublich; m. E. giebt es hier noch einige Räthsel zu lösen. Auch abgesehen von den Felsen-Gräbern bietet der Burgfels von Amassia noch anderweitige zahlreiche Merkmale der Felsen-Baukunst des hiesigen Volkes. Gleich am Fusse des Felsens fielen mir zahllose kleinere und grössere Stufen auf, die in das Gestein gehauen waren, und je weiter wir hinaufkletterten, desto grösser wurde die Zahl derselben. Mitunter führten dieselben zu kleinen Felsnischen oder -kammern, weit häufiger aber waren sie ohne ersichtlichen Zweck angebracht, gerade so, wie wir das auf dem Felsen von Van so oft zu beobachten Gelegenheit haben. Freilich, so grandiose Treppenfluchten wie in Van, die sich von den Fels- kammern 30—40—50 m hinab erstrecken und dabei oft eine Breite von 2—3 m (470) und noch mehr besitzen, trifft man hier nicht an, sondern meist nur kurze und schmale Felstreppen, auf denen man aber noch bequem gehen kann. Dass diese Treppen für die Anlage von Gärten bestimmt gewesen seien, ist völlig aus- geschlossen, nicht nur hier, wo sie so klein sind, sondern auch bei den grossen Treppen in Van; es wird genügen, darauf hinzuweisen, dass diese Felsstufen hier, wie in Van, ständig dem glühendsten Sonnenbrande ausgesetzt sind, etwa dort angelegte Gärten also ständig einer ausgiebigen Bewässerung bedürfen würden, die sich aus rein technischen Gründen kaum oder doch nur unter den allergrössten Schwierigkeiten ermöglichen lassen würde. M. E. haben diese Stufen und Treppen- fluchten wie im Chalder-Reiche, so auch hier, wesentlich ornamentalen Zweck gehabt. Und demselben Zwecke dienten auch die grossen Fels - Glättungen, die man so häufig an den Felsen von Van und an anderen Stellen beobachten kann. Letztere bestehen oft nur aus einer geglätteten Terrasse, mitunter durch eine breite Stufe verziert, die zugleich als Bank diente; oft ist die Rückseite der Terrasse durch eine senkrechte, geglättete Felswand abgeschlossen, in der hier und da auch wohl viereckige Löcher bemerkbar sind, die wahrscheinlich als Stützpunkte für ein leichtes Holz- oder Zeltdach gedient haben, um im Sommer das Plätzchen zu einem schattigen zu machen. Mitunter schliesst sich an diese Rückwand eine Seitenwand an, mitunter auch zwei Seitenwände, so dass man dann eine nach vorn offene, grosse Nische vor sich hat usw. Alle diese verschiedenen Formen von Felsbearbeitungen und Glättungen treten hier ebenso häufig auf wie in Van: sie zeigen, dass zwischen der Bevölkerung hier und dort eine bemerkens- werthe Aehnlichkeit in der Ausführung ihrer Felsenarbeiten herrscht. Ich habe vorhin die Behauptung ausgesprochen, dass durch Mithridates L hier wohl jedenfalls auch die griechische Schrift eingeführt worden sei. Das ist inzwischen noch weiter bestätigt worden. Hr. Zimmer, der mit bewundernswerther Kühnheit auf den senkrechten Felsen herumkraxelt, hat eine anscheinend neue griechische Inschrift entdeckt auf einer nur sehr schwer zugänglichen Felswand, in der von dem Hyperbasileus Pharnakes die Rede ist. Weiteres demnächst. — Yosgat, den 13. October 19ÜL (3 Tagereisen nördlich von Caesarea.) Lassen Sie mich und meine Reisegefährten, Hrn. Max Zimmer, Hrn. Consul Majewsky und Frl. Xenia Majewsky (meine talentvolle Schülerin in rebus chaldicis, die ich jetzt in die Geheimnisse der hethitischen Alterthümer einweihe) noch einmal unsere herzlichsten Glückwünsche zur si. Wiederkehr Ihres Geburts- tages wiederholen. Mit Ihren zahlreichen anderen Verehrern hoffen und wünschen wir, dass Sie uns und der Wissenschaft noch recht viele, viele Jahre in ungebeugter körperlicher und geistiger Frische erhalten bleiben mögen. Ich bestätige noch unser Telegramm: Professor Virchow, Berlin, Schellingstr. Zum 80. Geburtstage senden herzlichste Glückwünsche aus Cappadocien Dr. Belek, Max Zimmer, Majewsky. Ich fahre in meinem Bericht fort. Von Amassia aus unternahm ich mit Hrn. Zimmer und Hrn. und Fräul. Majewsky einen grossen Ausflug nach Osten, der uns zunächst nach der am Jeschil Irmak gelegenen, kleinen, aber sehr starken Felsenburg Turchal führte, die all- gemein mit der pontischen Veste Gaziura identificirt wird, in deren Nähe Mithri- (471) dates 67 v. Chr. das römische Heer unter Triarius fast A-ollständig aufrieb. Wir copirten hier eine kleine, wahrscheinlich bisher unbemerkt gebliebene, griechische Felsen-Inschrift. Der Burgfelsen zeigte nur wenige unbedeutende Bearbeitungen; nur wenig unterhalb der Spitze aber fanden wir einen prächtig gearbeiteten ge- wölbten Tunnelgang von 2,80 m Breite bei etwa 4 m Höhe, der schräg in die Tiefe hinabführte und wie üblich mit Felsenstufen zum bequemen Auf- und Ab- steigen versehen war. Aber während sonst diese Tunnel zu Wasserläufen hinab- führen, also zum Zwecke der sicheren Wasser-Versorgung im Belagerungsfalle an- Fig. 12. Der mittlere Felsfiitunnel der Burg von Amassia. gelegt sind, endigte dieser Tunnel nach 230 Stufen blind in dem Felsen. Zuerst machte es auf uns den Eindruck, als ob der Tunnelgang hier verschüttet sei, event. also noch weiter in die Tiefe hinabführte; Beobachtungen an anderen Felsenburgen aber zeigten dann, dass diese Annahme nicht zutrifft, dass wir es hier vielmehr mit dem thatsächlichen Ende des Tunnels zu thun hatten, der höchstens auf eine Länge von wenigen Metern durch hereingeschwemmte Regenerde zugeschüttet sein mochte. Zu welchem Zwecke konnte nun dieser Tunnel angelegt sein? Hier kommen zwei Möglichkeiten in Betracht. Entweder sollte dieser unterirdische Gang in (472) Belagerungsfällen der eingeschlossenen Besatzung den "Weg ins Freie öffnen, sei es zu Ueberfällen auf das belagernde Heer, sei es zur Flucht. In diesem Falle musste der Gang in der Nähe der Oberfläche des Felsens, irgendwo auf dessen Abhänge, endigen; und das scheint sowohl hier wie in der Burg von Tokat der Fall gewesen zu sein. Oder aber die Fortsetzung des Tunnels wurde aufgegeben, weil die daran geknüpften Erwartungen sich nicht erfüllt hatten. Schon in der Pelsenburg von Amassia hatte ich eine eigenthüraliche Beobachtung gemacht: man kann dort der Höhe nach unterscheiden: die untersten, mittleren und die höchst- Fiff. la. Felsentreppe im mittleren Tunnel der Burg von Amassia. gelegenen Burganlagen. In der untersten, der sogen. y,Mithridates-ßurg-, führte ein heute theilweise verschütteter Gang zum "Wasserspiegel des Jeschil Irmak hinab. Inmitten der mittleren Burganlagen fanden wir einen zweiten Felsentunnel von imposanten Dimensionen, der bei 5,80 >n Breite und etwa 6 m Höhe nach 260 Stufen bei 81^2 '« Länge (= etwa 60 m senkrechter Tiefe laut Angabe des Aneroid-Baro- meters) endigte, d. h. verschüttet war, wie wir damals annahmen. Das aber kann unmöglich zutreffen, denn von diesem Endpunkte ab bis hinab zum Niveau des Jeschil Irmak haben wir noch etwa 55 m Höhendifferenz, was einer Tunnellänge- (473; von etwa 75 m entsprechen würde, deren Verschüttung durch hereingeschwemmte Regenwassererde um so schwerer anzunehmen ist, als die Lage der Tunnelöffnung eine derartige ist, dass das Eindringen von Regen wasser von oben lier nur schwierig und in geringfügigen Quantitäten erfolgen kann. Der vorhin erwähnte Zweck aber: Ausgang ins Freie, ist hier ausgeschlossen, weil der Tunnel mitten in einem gewaltigen Felsenberge endigt. Aufschluss über den Zweck dieses Tunnels gewährt die oberste Burganlage, in der ein ausserordentlich tiefer Tunnel hinabführt zu einer mitton im Burgfelsen vorhandenen starken Quelle köstlich frischen Wassers. Hier nun kann nicht der geringste Zweifel darüber obwalten, dass der Tunnel aufs Geradewohl in die Tiefe hinabgetrieben worden ist in der Hoffnung, dort irgendwo auf eine Quelle trink- baren Wassers zu stossen. Es war somit der alten Bevölkerung Cappadocien's undPontus' wohlbekannt, dass im Innern massiver Felsenberge Quellen auftreten. Das aber ist eine Ivenntniss, die sich nur auf Grund vieler Felsenarbeiten erlangen lässt. Das beweist nun freilich noch lange nicht, dass dieser Tunnel von der Ur- bevölkerung Amassia's angelegt worden ist, denn die pontischen Könige konnten sich diese Kenntniss der Amassioten bei Anlage ihrer Pelsenburgen sehr wohl zu Nutzen machen. Wohl aber ist diese Thatsache geeignet, die Behauptung, dass die Urbevölkerung Amassia's turanischen Ursprungs gewiesen sei, stützen und be- weisen zu helfen. Stiessen nun die Arbeiter bei diesen Tunnelbauten in der vorgesehenen Tiefe auf keinerlei Quellen, so war es durchaus naturgemäss. wenn sie die Hoffnung, solche anzuschlagen, schliesslich aufgaben und das Weiterarbeiten einstellten. So ei'klärt sich denn in sehr einfacher Weise der curiose Tunnel in der mittleren Burganlage. Ausser dieser Tunnelanlage fanden sich in Turchal specifisch alarodisch- turanische Merkmale von E^elsbearbeitung nicht vor, so dass sich über Zeit und Urheber dieser Burganlage nichts Näheres sagen lässt. Ganz dasselbe gilt von der Pelsenburg von Tokat, die, auf steil aufsteigendem, schmalem Felsgrat gelegen, zwar nur geringen Umfang hatte, aber für die Ver- hältnisse des Alterthums thatsächlich uneinnehmbar war. Auch hier war im Allgemeinen von Fels-Bearbeitung nur w^enig zu sehen, nur der unvermeidliche Felsen- Tunnel existirte im tiefsten Theile der Burg. Auf 87 Stufen führte er steil hinab durch festes, quarzitisches Gestein, um dann in weichem Conglomerat plötzlich blind zu endigen. Hier ist die Decke des am Eingange oben 3,27 )n breiten und ebenso hohen Tunnelganges heruntergebrochen und hat einige Meter des Ganges verschüttet. In diesem Conglomerat-Gestein einen Tunnel, d. h. einen dauerhaften Tunnel zu bauen, erscheint mir weder vernünftig, noch auch leicht ausführbar, zumal für die Verhältnisse des Alterthums. Dazu kommt nun noch, dass der Tunnel dicht unter der Oberfläche des Abhanges endigt, und zwar gleich ausserhalb der untersten Befestigungs-Mauer; andererseits aber haben wir zwischen dem unteren Ende des Tunnels und dem Niveau des Jeschil Irmak eine Höhen- Differenz von etwa 70 m. Unter diesen L^mständen darf man wohl annehmen, dass der Tunnel lediglich als Communications -Weg der Besatzung angelegt worden ist. Auch hier lässt sich Mangels charakteristischer Fels-Bearbeitung nichts Genaues über Zeit und Urheber dieser Burg -Anlage sagen. Auf dem unteren Theile des Felsenhanges bemerkten wir eine ziemlich roh ausgeführte Grab-Kammer etwas eigenthümlicher Construction, deren offene Vorhalle durch eine viereckige Säule in der Mitte gestützt wurde. (474) Zwei Stunden östlich von Tokat liegt hart am rechten Ufer des Jeschil Irmak^) der Ruinen-Hügel, der die Reste des einst so berühmten Tempel-Ortes Comana Pontica birgt, dessen Name sich in dem des benachbarten Dorfes Gümenck-) deutlich erkennbar erhalten hat. Aller Wahrscheinlichkeit nach ist der Tempel bald nach der Einführung des Christenthums als Staats-Religion des römischen Reiches zer- stört worden; die Entstehung eben dieses Gebäudes kann schwerlich weiter als etwa 700 v. Chr. zurückdatirt werden, denn selbst wenn hier schon vorher ein Fi- 14. F e 1 s b u r <; K a 1 c h i s s a r. Tempel existirt haben sollte, so wurde er damals höchst wahrscheinlich durch die Kimmerier geplündert und zerstört. Dem Augenschein nach liegen die Ruinen im Wesentlichen noch heute so da, wie zur Zeit der Zerstörung des Tempels; jeden- falls sind massive Gebäude auf der Rainonstätte in späteren Zeiten nicht errichtet worden. 1) Hier Tosanlu tschai genannt. 2) Auch der ganze District dort zn beiden Seiten des Flusses führt denselben Namen. (475) Etwa 1 km westlich von dem Ruinenhügel bemerkten wir in einem grossen isolirten Felsblock zwei hübschcGrabkammern, deren eine mit einer griechischen Inschrift versehen war. Eine Tagereise nordöstlich von Coraana liegt Xiksar, das Cabira der mithri- datischcn Zeit. Die durch colossale Mauern stark befestigte, kaum einnehmbare Bergfestung, in der Mithridates seine Schätze aufbewahrte, zeigt nirgends Spuren alarodischer Fels-Bearbeitung. Ich vermuthe deshalb, dass sie erst in mithridatischer Zeit angelegt worden ist. Hier wie in Comana wurden über die römische Zeit hinausgehende Alterthümer nicht bemerkt. Der Rückweg nach Amassia über Herek und Ladik (= Laodicea) bot archäologisch nichts Bemerk enswerthes, doch war ich in der Lage, ersteren Ort mit dem von Strabo erwähnten Städtchen Herpa identificiren zu können. Fi«-. 15. Felsenbank auf Kalehissar. Da ich selbst einige Tage unpässlich war, übernahmen es die Herren Zimmer und Majewsky, dem Städtchen Zileh, ehemals Zela genannt, das zur Zeit Strabo's durch seinen Anai'tis-Tempel berühmt war, einen Besuch abzustatten, um die An- gabe Strabo's, dass der Ort „auf dem Walle der Semiramis" erbaut sei, nachzu- prüfen. Es zeigte sich aber, dass der Ruinenhügel durchaus natürlicher Art ist, aus gewachsenem Fels besteht, der an vielen Punkten zu Tage tritt'). Am 30. September verliessen wir Amassia, um nach Südwesten, nach Uyuk und Boghazkoi zu reisen. Nach zweitägigem Marsche betraten wir das Gebiet 1) Schon Julius Caesar bemerkt im „Alexandrinischen Krieg", cap. 72, dass sich an die Mauern von Zela ein wie von Menschenhand gemachter, natürlicher Hügel anschliesst, der auf allen Seiten steil aufsteigt. (476) hethitischer Cultur, deren erste Anzeichen ich auf dem Burgfelsen von Kale- hissar, etwa 4 km nördlich von Uyuk, antraf. Ganz oben auf der Spitze des steil aus der Ebene aufsteigenden Felsens ist eine schöne, freistehende Bank aus dem Felsen herausgehauen, die an den Schmalseiten von liegenden Löwen flankirt wird (s. Fig. 15). Unmittelbar daneben finden sich mehrere in die Felsen gehauene Stufen, auf deren oberster sich die unteren Theile zweier Beine befinden, die einer aufrecht stehenden, frei aus dem Felsen herausgehauenen Gestalt angehört haben müssen. Die Beine und Füsse muss man ihrer, allerdings etwas verwitterten Gestalt nach für Thierbeine halten. Unmittelbar unter diesen Beinstümpfen ent- deckte mein alter Diener Feretsch, der mich auch dieses Mal begleitet, eine zwei- zeilige, leider arg verwitterte Inschrift, die mir altphrygisch zu sein schien; natürlich wurde sie abgeklatscht. Der Burgfels, der im Centrum einer ehemals bedeutenden Ansiedelung gestanden zu haben scheint, ist von nur sehr geringem Umfange und ausserordentlich schwer zu ersteigen. Treppenstufen und ganze Treppenfluchten treten häufig auf, auch an Stellen, wo sie nur ornamentalen Zweck gehabt haben können. Ebenso häufig finden sich Felsglättungen, kleinere und grössere Terrassen, selbst eine schön gearbeitete grosse Nische; sonach kann m. E. an dem alarodis-ch-turanischen Charakter der dortigen Urbevölkerung nicht gezweifelt werden. Das Dorf Uyuk mit etwa S5 v. Chr. einen Einfall nach Syrien und bis nach Palästina hinein^). Damit verschwinden sie für uns vor- läufig aus der Geschichte, sie werden von keinem der classischen Schriftsteller mehr erwähnt, und in modernen Handbüchern der Geschichte heisst es denn regel- mässig von ihnen: „Sie wurden von den einheimischen Völkern allmählich auf- gerieben." Ich werde an anderer Stelle zeigen, dass das eine irrige Anschauung ist, und dass man vielmehr die Kimmerier unverändert durch Jahrhunderte weiter verfolgen kann. Man hat nun bisher die Kimmerier als reine Nomade^n betrachtet, die feste Wohnsitze und Städte nicht liebten, vielmehr auf ihren, kaum jemals mit festen Endzielen unternommenen Wanderungen die durchzogenen Länder plünderten und die Städte „im Anlaufe" eroberten (wie Herodot sagt) und ausraubten, meist wohl auch zerstörten, ohne sich aber jemals irgendwo fest anzusiedeln. Diese Annahme scheint mir indessen nicht in vollem Umfange aufrecht er- haltbar. Schon aus den assyrischen Inschriften müssen wir folgern, dass die Kimmerier sich wenigstens zum Theil sesshaft gemacht und sogar in Städten fest angesiedelt haben. Denn Asurbanipal berichtet uns, dass der König Gyges von Lydien ihm zwei Stadthäupter der Kimmerier, welche er im Kriege gefangen genommen hatte, mit eisernen Retten gefesselt zugeschickt habe (übrigens ein Beweis, dass der südliche Theil von Anatolien damals von den Kimmerier- Horden nicht occupirt war, denn sonst hätte er ja keine Wege-Möglichkeit für seine Gesandtschaft gehabt). 1) Wie ich aus den Angaben der Propheten erschlossen habe. (486) So weit ich heute die antiken Verhältnisse Cappadocien's zu überschauen vermag, irüssen die Kimmerier sich hier nicht mit einer nur vorübergehenden Eroberung des Landes begnügt, sondern sich zum Theil auch dauernd ansässig gemacht haben. Nur so erklärt es sich ganz zwanglos, dass so wichtige und be- deutende Plätze der vormaligen hethitischen Herrschaft, wie üyuk, Boghazkoi und Andere in Ruinen liegen blieben, nie wieder aufgebaut wurden. Auf diese Sesshaftmachung der Kimmerier in Cappadocien weist auch zwingend hin der altarmenische Name dieses Landes, der bei den alten Schriftstellern nie anders lautet wie Gamir (identisch mit Gomer der Bibel, Gimir der assyrischen Keil-Inschriften), d. h. „Land der Kimmerier". und Mazaca, das spätere Caesarea, heutige Kaisarieh, die Hauptstadt Cappadociens, wird von den altarmenischen Schriftstellern zu wiederholten Malen als die „Mutterstadt", bezw. als die „Hauptstadt" der Kimmerier bezeichnet. Alle diese Erwägungen führen dazu, für Cappadocien ein selbständiges kimmerisches Reich anzunehmen, das etwa 700 v. Chr. seinen Anfang nahm und etwa 55(1 v. Chr. durch Cyrus den Persern unterworfen wurde. Von Cappadocien aus, als ihrem Stammsitze, unternahmen dann die Kimmerier ihre. Heerfahrten und Einfälle nach Assyrien, Lydien, Palästina usw. Schon früher nun habe ich in diesen Verhandl. 1895, S. 606, und 1896, S. 317ff. darauf hingewiesen, dass die Kimmerier nahe Verwandte der Thraker-Phrygier gewesen seien, deren unmittelbare Grenz-Nachbarn sie wahrscheinlich einst in Europa waren. Stehen sich aber diese Völker ethnisch und linguistisch besonders nahe, so ist auch zu vermuthen, dass in ihren religiösen Anschauungen ebenfalls eine gewisse Aehnlichkeit, bezw. Uebereinstimmung geherrscht haben wird. Wie nun schon vorhin S. 478 ff. erwähnt, ist der Cultus der Erdmutter-Göttin Ma, wie er in den beiden Comana ausgeübt wurde, phrygischen Ursprungs, bezw. ist er den Griechen als in Phrygien heimisch bekannt geworden. Die Vermuthung, dass auch die Kimmerier diesem Cultus (einem reinen Naturdienste, wie er ausgezeichnet zum Charakter halb oder ganz nomadisirender Völker passt) huldigten, liegt ausser- ordentlich nahe. Und unter diesen Umständen scheint es mir sehr erwägenswerth, ob die beiden Tempel -Anlagen in Comana Pontica und Cappadociae mitsammt ihrem ganzen Gottesdienste nicht einfach kimmerischen Ursprungs sind. Caesarea, 25. October 1901. Inzwischen schreiten die Entdeckungen rüstig weiter. Heute habe ich etwa 23 km nordöstlich von hier enie uralte turanische Stadt-Anlage entdeckt, die sehr interessante Funde liefert. Morgen reisen wir nach Westen in die Budak-owa nach Uergüb,Soghanli usw. zur Besichtigung der dortigen Felsen - W ohnungen, wobei ich auf recht interessante Vergleichsresultate mit chaldischen und allgemein turanischen Felsenbauten hoffe. In einer Woche hoffe ich zurück zu sein und dann Comana Cappadociae zu besuchen, von wo ich die hethitischen Ruinen von Alt- Malatia am Euphrat besuchen will. Von dort geht's über Charput und Arghana nach Egil, wo eine assyrische Sculptur nebst arg zerstörter Keil- Inschrift existirt, an deren Copie sich noch niemand herangewagt hat; hoffentlich gelingt mir das schwere Stück Arbeit. Ob ich noch weiter bis Diarbekr gehe, weiss ich noch nicht: das hängt von der Witterung ab (es ist jetzt schon empfindlich kühl). Jedenfalls ist die mir zur Verfügung gestellte Summe schon seit etwa •2 Wochen aufgezehrt, und ich muss vorläufig aus meiner eigenen schmalen Kasse drauflegen. (487) Würden Sie, mein verehrter Gönner, eine bescheidene Anfrage, ob Sie mir noch einen kleinen Zuschuss zur Verfügung stellen können, übel nehmen? Ich werde namentlich Geld für die Rückreise nöthig haben, zumal für den Aufenthalt in dem theueren Constantinopel, wo ich gleich Alles mit Hamdi Bey bezüglich des Fermans für die Ausgrabungen in Boghazkoi vereinbaren will. Eine dies- bezügliche freundliche Nachricht per Adresse der Botschaft, die mir die Briefe nachsendet, wäre mir sehr erwünscht. Melekob, den 1. November IttOl. (Etwa 100 km südwestlich von Caesai-ea.) Nach fünftägigem Aufenhalte verliessen wir Boghazkoi, um nach dem etwa o5 km südwestlich entfernten Yosgat zu gehen. Diese commerciell recht bedeutende Stadt ist erst gegen Mitte des 18. Jahrhunderts gegründet worden, konnte also nicht gut irgend welche archäologische Ausbeute geben. Doch entdeckten Majewsky's auf einem Ausfluge in den benachbarten Bergen einige Felsenzimmer und eine in die Felsen gehauene kleine Kirche, anscheinend hohen Alters. Mehrere in Yosgat vorhandene griechische Inschriften neueren Datums, sowie eine grosse Anzahl von Marmor-Säulen, die man in die vor 107 Jahren von den Gebrüdern Schapan oglu errichtete schöne und sehr grosse Moschee hineingebaut hatte, stammen aus Ruinen, die sich in der Nähe des etwa 30 km westlich von Yosgat gelegenen Dorfes Nefezkoi befinden und gemeinhin mit der Stätte des alten T avium identificirt werden. Wir besuchten dieses Dorf und die Ruinen, fanden aber ausser einigen neuzeitlichen griechischen Inschriften und einer grossen Anzahl von Marmor- Säulen und ornamentirten Bausteinen, alle augenscheinlich griechischen Ur- sprungs, keinerlei Anzeichen eines über die Zeit der griechisch -byzantinischen Herrschaft hinausgehenden Alters. Sicherlich sind die Ruinen bei Nefezkoi nicht turanischen Ursprungs. In Fendirjemez, 30/,/« östlich von Yosgat, suchten wir, veranlasst durch die. wie sich herausstellte, falschen Angaben eines Beamten der anatolischen Eisen- bahn, Namens Hoffraann, vergeblich nach einer dort angeblich vorhandenen Felsen- inschrift. In Yosgat verliess uns dann, wie ich Ihnen wohl schon schrieb, zu unserem grossen Bedauern Hr. Zimmer, um nach Deutschland zurückzukehren; wahr- scheinlich ist er inzwischen schon bei Ihnen gewesen und hat Ihnen mündlichen Bericht über das bisher Geleistete erstattet. Von Yosgat ging's dann am 21. October weiter gen Süden nach Kaisarieh- Caesarea, der einstigen Capitale des südlichen Cappadocien. Auf dem Wege dorthin bemerkten wir sowohl auf der Hochebene, wie auch auf den benachbarten Berg- und Höhenrücken eine sehr grosse Anzahl kleinerer und grösserer Tumuli, augenscheinlich durchweg Kurgane, wie wir sie vereinzelt auch schon weiter nördlich, so bei Kalehissar, Uyuk, Fendirjemez usw. beobachtet hatten, ein stummer aber sprechender Beweis für clie einstige Anwesenheit der arischen Kimmerier in diesen Gebieten, denn die Turanier kannten diese Art von Bestattung nicht, wenigstens nicht in Anatolien. Einen dieser Kurgane, unmittelbar bei dem armenischen Dorfe Keler gelegen, hatte ich Gelegenheit etwas genauer zu unter- suchen, da die Bauern ihn sehr stark auf der einen Seite angegraben hatten, um die thonige Erde desselben zur Backstein-Fabrication zu benutzen. Es zeigte sich, dass der unzweifelhaft künstlich aufgeworfene Hügel keinerlei Steinkisten an seinem äusseren Rande enthielt, also nicht etwa ein Massengrab war, wie ich sie mehrfach in Trans kau kasien. in Ked ab eg und Umgegend aufgedeckt habe, und als deren (488) imposantesten Repräsentanten ich den Goek tepe bei Urmia mit seinen Tausenden von Steinkisten bezeichnen kann. Sonach kann dieser Kurgan nur in seiner Mitte ein Grab enthalten, wird also ungefähr den Kurganen entsprechen, wie sie Hr. Rösler mehrfach in der Kura- Ebene bei Schuscha geöffnet und unter- sucht hat, die m. E. aller Wahrscheinlichkeit nach arischen Ursprungs sein dürften. Nahe dem Fusse dieses Hügels fanden wir eine grössere Zahl prä- historischer Gräber, oben offene Steinkisten, welche die Armenier als sehr alt, als aus der Djinowiss-Zeit stammend, bezeichneten. Ich benutze die Gelegenheit, um einige Bemerkungen über die Djinowiss- Frage hier einzuflechten. Ich habe diesem Punkte fortgesetzt grosse Aufmerksam- keit gewidmet und dabei eine ganze Reihe interessanter Beobachtungen gemacht. ■ Schon in dem Gebiete von Amassia bekam ich gelegentlich bei Nachfragen nach dem Alter von Inschriften, Festungen usw. den Namen „üjinowiss" zu hören, ohne dass man mir aber nähere Auskunft hätte ertheilen können, was hierunter zu verstehen sei. Nur eins wurde dabei immer wieder betont und wiederholt: „Schock eski, schock (sehr alt, sehr)". Je weiter wir dann nach Süden kamen, desto häufiger wurde Djinowiss genannt, und hier erhielt ich denn auch öfter die Ant- wort, dass es wohl ein Fadischah gewesen sei, aber vor sehr, sehr langer Zeit. Bei schärferem Inquiriren gelang es mir schliesslich, den sagenhaften Herrn zeitlich in etwas zu fixiren. Auf meine Frage: Ist Djinowiss älter oder jünger als Rum (= Römer, Byzantiner)?, hiess es: „Aelter, viel, viel älter als Rum!" Und diese Antwort erhielt ich ausnahmslos, nicht einmal, sondern jetzt wohl schon an die 20—30 Mal. Es kann sonach gar keine Rede mehr davon sein; diesen Djinowiss, wie es alle anderen Forscher vor mir und noch neuer- dings Hr. Dr. Lehmann gethan und mir gegenüber in diesen Verhandlungen vertreten hat, irgendwie mit den Genuesen in Connex zu bringen. Vielmehr dient der Name Djinowiss hier überall dem Volksraunde als die Ver- körperung einer uralten Zeit. Und es ist dabei hochinteressant, zu beobachten, wie der Volksmund Bauten oder Anlagen unzw^eifelhaft griechischen oder römischen Ursprungs niemals als „Djinowiss" bezeichnet, selbst wenn sie einer sehr fernen Zeit entstammen. So viel ich bis jetzt gesehen und beobachtet habe, waren es stets Dinge turanischen Ursprungs, die als „Djinowiss" be- zeichnet wurden, so z. B. Kalehissar, Uyuk, Boghazkoi (sowohl die Stadt- Ruinen, wie auch die Sculpturen) usw. Erst heute noch erzählte mir unser Zaptieh von unterirdischen Felsengängen und Pelsenzimmern, die sich stunden- weit unter der Erde hinziehen sollten, und erwiderte auf meine Frage nach dem Urheber derselben und der Zeitepoche ihrer Entstehung: „Djinowiss, lange, lange vor den Rum, sehr, sehr alt." Dass man sogar die Felsen- Wohnungen hier mit Djinowiss in Beziehung bringt, war mir bisher neu: im Uebrigen bezieht sich das nur auf eine ganz specielle Art derselben, die augen- scheinlich der ältesten Epoche dieser merkwürdigen Bauten in der Budak Owa (d. i. die Ebene westlich von Caesarea) angehört. Und wenn ich früher diesen Namen „Djinowiss" nur im Reiche der turanischen Chalder constatiren konnte und deshalb geneigt war, ihn in ganz specielle Beziehung eben zu den Chaldern zu setzen, so zeigt sich jetzt mehr und mehr, dass er überall da auftritt, wo sich uralte turanische Anlagen vorfinden, dass er also in Beziehung steht zu der turanischen Ur- bevölkerung Vorder-Asiens überhaupt. Wir haben es demnach in Djinowiss nicht mit einem specifisch chaldischen, sondern mit einem allgemein turanischen Heros oder Eponymos von Vorder-Asien zu thun. (489) Erwähnenswerth ist noch, dass, wenn man an einem Orte fragt: Djinowiss scheh burda wardier? (Giebt es hier Djiiiowiss-Sachen?}, man im bejahenden Pralle mit tödtlicher Sicherheit zu Dingen unzweifelhaft turanischen Ursprungs geführt wird. In Caesarea kamen wir am 24. October an; der Mutessarif (Gouverneur) hatte uns Quartier bei einem reichen Armenier verschafft, wir zogen es aber vor, nach Talas, eine Stunde östlich von Kaisarieh, zu den amerikanischen Missionaren überzusiedeln, von denen wir auf das Freundlichste aufgenommen wurden. Eine der Aufgaben, die ich mir für diese mehr orientirende Reise gestellt hatte, war die Bestimmung des thatsächlichen Fundortes der sog. „cappadocischen", mit Keilschrift bedeckten Thon-Täfelchen. Als deren Herkunft wurde von den Händlern bisher stets Cappadocien und das Gebiet von Kaisarieh angegeben; da aber erfahrungsgemäss derartigen Mittheilungen der Händler stets das grösste Misstrauen entgegenzubringen ist, so war diese Frage bisher ungelöst geblieben. Nun hatte mir ein Antiquitäten-Händler in Stambul, der mir einige solcher Täfelchen als ,,cappadocische" zu enormen Preisen aufhängen wollte, bei meinem Incjuiriren nach der Herkunft seiner Täfelchen verrathen, dass sie in Kara üyuk bei Kaisarieh gefunden worden seien. In Talas angekommen, hörte ich dann sogleich, dass ein Ort Kara Uyuk thatsächlich existirt, dass sich dicht bei ihm ein umfangreicher und sehr alter Ruinen-Hügel befindet, in dem die Bauern von Zeit zu Zeit keil- inschriftliche Thon-Täfelchen finden. Wir gingen deshalb schon am folgenden Tage nach dem etwa 2o km nordöstlich von Kaisarieh entfernten Ruinen-Hügel. Es zeigte sich, dass der 500 X ^00 w grosse, etwa 8 — 10 m hohe Hügel aus lockerer, angeblich sehr fruchtbarer Erde und aus zahlreichem Mauerwerk bestand, das aus kleinen und kleinsten Feld- und Rollsteinen mit Zuhülfenahme von Lehm aufgeführt worden w-ar. Letzteres entspricht nun gar nicht der Gepflogenheit der Hethiter, die ihre Mauern aus grossen, mehr oder minder behauenen Steinblöcken aufzubauen pflegten, und zwar ohne Mörtel usw. als Bindemittel, wie Uyuk und Boghazkoi deutlich beweisen. Und hier, in Kara Uyuk, war diese Bauart um so auffälliger, als sich in aller- nächster Nähe Kalkstein, bozw. Tuff und andere leicht bearbeitbare Gesteine vor- finden, mithin die Errichtung echt hethitischer Mauern keinerlei Schwierigkeiten bereitete. Ebenso unvereinbar mit der bislang hier beobachteten hethitischen Bauart war das Vorkommen von Mauern, die aus grossen, an der Luft getrockneten Backstein-Ziegeln aufgeführt waren und sich unmittelbar neben den soeben er- wähnten Steinmauern und auch in gleicher Tiefe mit ihnen vorfanden. Trotz alledem war der Ruinen-Hügel wenn auch nicht hethitischen, so doch augen- scheinlich turanischen Ursprungs, wie ich weiterhin mich bemühen werde nach- zuweisen. Von Befestigungen irgend welcher Art war nirgends etwas wahrzunehmen; es hat hier also eine offene kleine, sehr dicht und mit verhältnissmässig kleinen Häusern bebaute Stadt, bezw. ein grosses Dorf bestanden. Das Ganze machte den Eindruck einer in Eile und mit geringer Sorgfalt ausgeführten Anlage, die bei der angewandten Bauart und der geringen Höhe des Hügels schwerlich sehr lange Zeit bestanden haben kann. Denn Mauern, die aus so kleinen, meist kaum die Grösse eines Kindskopfes erreichenden Steinen aufgeführt sind, krachen erfahrungs- gemäss schon nach etwa einem Jahrzehnt zusammen, wie ich an den Tataren- Häusern in Kedabeg oft genug zu beobachten Gelegenheit hatte. Dann wird der Boden oberflächlich geebnet und ein neues, ebenso kurzlebiges Haus aufgebaut, und so fort, und auf diese Weise pflegt sich das Niveau einer solchen Ansiedlun"- (490) sehr schnell zu erhöhen. Wie sich nun aber noch weiterhin zeigen wird, muss Kara Uyuk seiner Zeit ein Ort von einiger Bedeutung gewesen sein, so dass wir hinsichtlich dieser unglaublich nachlässigen Bauart zunächst vor einem Räthsel stehen. "Wie die zahlreichen Reste von verkohlten Balkenlagen und grosse, zusammen- aesinterte Schlacken-Massen, wie sie nur in Folge einer heftigen Feuersbrunst ent- stehen können, beweisen, ist diese Stadt durch Einäscherung zu Gininde gegangen. Hierbei zeigt sich zugleich, dass wenn nicht alle, so doch mindestens ein Theil der Häuser zwei-, bezw. mehrstöckig gewesen sein muss, denn über denverkohlten Balken fanden wir an einer Stelle eine IV2 — 2 m hohe Erdschicht, die ihrer Dicke wegen nicht etwa das flache Lehmdach der Häuser repräsentiren kann, sondern nur das heruntergestürzte obere Stockwerk der Gebäude. Zu beachten ist hierbei, dass diese Balkenlage sich in einem aus Lehmziegeln erbauten Hause vorfand, das seiner Bauart nach unzweifelhaft durabler war, als die mit dem erwähnten miserablen Steinmauerwerk ausgeführten Gebäude. Zum Ueberfluss zeigten sich zudem auch zahlreiche der gleich zu erwähnenden Topfscherben in dem Brandschutt oberhalb der Balkenlage bis fast hinauf zum Jviveau des Hügels. Dass ferner die Stadt nicht etwa durch eine zufällig ausgebrochene Feuers- brunst zerstört, sondern absichtlich niedergebrannt worden ist, wobei die Brand- stifter zudem mit grosser Sorgfalt und Gründlichkeit vorgegangen sein müssen, mit anderen Worten, dass die Stadt in Ivriegszeiten ihren Untergang gefunden hat, kann man aus drei Thatsacheu mit grösster Wahrscheinlichkeit, ja Gewissheit schliessen. Denn einerseits pflegt in solchen aus Erde und Steinen aufgebauten Ortschaften, deren Hausbedachungen aus einer dicken Lehmschicht bestehen, wie es in Kara Uyuk augenscheinlich der Fall war, ein ausgebrochenes Feuer sich von selbst kaum irgendwie weiter auszubreiten, ist vielmehr mit Leichtigkeit auf seinen Ursprung zu beschränken. Das beweisen z. B. zur Evidenz die von den Kurden 1896 in Van und an anderen Orten ausgeplünderten und dann verbrannten Häuser der Armenier, die, obgleich oft genug fast Mauer an Mauer stossend, das Feuer doch nicht auf die Nachbargebäude übertrugen, so dass jedes Haus einzeln in Brand gesteckt werden musste. Andererseits aber fanden wnr an mehreren Stellen und in verschiedener Höhe des Trümmerhaufens menschliche Knochen. Und drittens endlich würden die Bewohner dieser Stadt, wäre sie in Friedenszeiten heruntergebrannt, sie aller Wahrscheinlichkeit nach wieder auf- gebaut haben, was aber nicht geschehen ist. Letzterer Umstand deutet auch hier wieder darauf hin, dass die bisherige Bevölkerung von den Eroberern erschlagen, bezw. definitiv verdrängt und vertrieben worden ist. Dass die Stadt nicht wieder auf- gebaut worden ist, dass vielmehr der Ruinenhügel noch heute (abgesehen von den Grablöchern der Bauern) so daliegt, wie er vor Jahrtausenden entstanden ist, beweisen die antiken Fundobjecte, deren wir selbst einige in einer Tiefe von kaum 10 — 13 cm unterhalb des Hügel-Niveaus herauskratzten. Unter den hier gefundenen Gegenständen sind in erster Linie zu nennen Thon- Tafeln, die mit Keilschrift, und zwar in assyrisch-babylonischer Silbenschrift, bedeckt sind. Es sind thatsächlich die sogenannten „cappadocischen" Keil- inschrift-Täfclchen, die hier in verhältnissmässig grosser Anzahl gefunden worden sind und noch ständig gefunden werden. Freilich muss man hierbei nicht bloss die nur wenige Hundert zählenden, bisher publicirten Täfelchen im Auge haben, sondern berücksichtigen, dass eine grosse Anzahl derselben sich im Gewahrsam von Antiquitätenhändlern, sowohl in Cappadocien und Anatolien überhaupt, wie auch in Constantinopel und an anderen em-opäischen Orten befindet. So sah ich (491) bei drei Händlern in Constantinopel ca. 25—30 solcher Täfelchen, etwa 15 wurden mir in Kaisarieh gezeigt und zu unverschämtem Preise zum Kauf angeboten usw. Vieles noch unveröffentlichte Material befindet sich auch im Privatbesitz; ob Hr. Professor Hilprecht inzwischen seine reiche CoUection veröffentlicht hat, weiss ich nicht, wohl aber erinnere ich mich, einmal bei Hrn. Dr. C. F. Lehmann mehrere solcher, ihm leihweise überlassener, cappadocischer Täfelchen gesehen zu haben, die wahrscheinlich auch noch nicht publicirt worden sind. Zudem darf auch nicht vergessen werden, dass es sich hier um ganz gelegentliche Funde handelt, die von den ihrer Bequemlichkeit halber meist nur am Rande des Hügels grabenden Bauern gemacht werden, während irgendwie beträchtliche Funde mit einiger Wahrscheinlichkeit doch wohl erst mehr in der Mitte des Hügels und von systematisch unternommenen Ausgrabungen zu erwarten sind. Die Täfelchen sind meist von dunkler Farbe, die Keilschrift ist bei Weitem nicht so sauber und schön ausgeführt wie auf den Boghazkoier Täfelchen. Gefunden werden sie, nach Aussage der Kara Uyuker Bauern, in allen Tiefen des Hügels bis nahe der Oberfläche desselben; letzterer Umstand spricht abermals für mehr- stöckige Häuser. Diese bis zur Oberfläche des durchaus gleichartig geformten und zusammen- gesetzten Hügels hinauf sich vorfindenden Täfelchen ergeben nun einen Anhalt für die ungefähre Bestimmung des Zeitpunktes der Zerstörung Kara üyuk's. Es erscheint mir wenig wahrscheinlich, dass seit dem Bestehen der consolidirten persischen Herrschaft über Cappadocien, also unter Darius I. nach etwa 500 v. Chr. die umständliche assyrisch -babylonische Silben-Keilschrift noch länger angewandt worden sein sollte in einem Lande, das griechischem Einflüsse so leicht zugänglich war und zu jener Zeit auch schon thatsächlich unterworfen gewesen ist. Denn wenn schon Herodot, der sich hierbei wahrscheinlich auf Hecatäus stützt, uns so genau die Breite Anatoliens an seiner schmälsten Stelle in Stadien angeben kann, so müssen dieser Angabe thatsächliche Wegmessungen der Griechen, bezw. der griechischen Colonisten zu Grunde gelegen haben. Es müssen schon um 500 v. Chr. herum griechische Kaufleute Cappadocien vom Schwarzen Meer her nach Süden zu bis ans Mittelländische Meer und vice versa durchquert haben, deren Angaben über die Länge der zurückgelegten Wegstrecken uns dann schliesslich Herodot übermittelt hat. Wenn also um jene Zeit herum hier überhaupt ein Schriftsystem existirt hat. so müsste man mit einiger Wahrscheinlichkeit darin persische Buch- staben-Keilschrift oder griechisches, bezw. ein ihm ähnliches Schriftsystem erblicken, wobei man geneigt sein dürfte, letzterem den Vorzug zu geben mit Rücksicht darauf, dass auch das Cappadocien benachbarte Lycien schon in sehr alter Zeit ein dem griechischen verwandtes Schriftsystem adoptirt hatte. Im üebrigen aber kann ich hier nur wiederholen, was ich schon bei Besprechung der P^uinen von Boghazkoi ausgeführt habe. Es ist höchst unwahrscheinlich , dass seit der Etablirung der medisch-persischen Herrschaft in Cappadocien, also nach rund 600 V. Chr. eine derartige totale Verheerung des ganzen Landes vor sich gegangen sein sollte, von der uns weder die Griechen noch auch die persischen Keilinschriften etwas berichten, und es ist ebenso unwahrscheinlich anzunehmen, dass diese Ver- brennung ganzer Städte und die Ermordung resp. Verdrängung der alteingesessenen Bevölkerung etwa bei Gelegenheit der Eroberung des Landes durch die Med er erfolgt sei, deren eigenstes pecuniäres Interesse ihnen möglichste Schonung des Lebens der Eingeborenen und ihrer Städte anempfahl, wenngleich sie es an Plünderung natürlich nicht werden haben fehlen lassen. (492) Alles deutet also auch hier darauf hin, dass die Zerstörung der Stadt vor 600 vor Chr. erfolgt sein muss. Hier sei nun zunächst noch die Bemerkung eingeschaltet, dass unsere Keil- schrift-Täfelchen auch von einer gewissen Bedeutung und Wichtigkeit Kara üyuk's zeugen. In jenen entlegenen Zeitepochen waren Schriftgelehrte, zumal solche, die der schwierigen Silben-Keilschrift mächtig waren, gewiss recht spärlich gesäet. Es ist nicht gerade wahrscheinlich, dass man dieselben in einem Dorfe oder in einem beliebigen Krähwinkelstädtchen angetroffen haben sollte, zumal in einem Lande, in dem die Anwendung der Keilschrift augenscheinlich nicht zu den Alltäglich- keiten gehörte. Denn bislang sind noch an keinem anderen Orte Cappadociens diese charakteristischen Täfelchen nachgewiesen worden. Man wird also wohl schon für einen Ort, an dem solche Documente in einiger Anzahl gefunden werden, eine grössere politische oder mercantile Bedeutung anzunehmen haben, so dass wir also in Kara Uyuk einen politischen oder commerciellen (eventuell auch beides vereinigt) Centralpunkt des alten Cappadocien's vor uns haben. Die grosse Nähe Caesarea-Mazacas kann uns dabei nicht weiter berühren, zumal es noch sehr ungewiss ist, ob Mazaca zur Zeit der Zerstörung Kara üyuk's bereits existirte, bezw. irgend welche politische Bedeutung erlangt hatte. So weit ich mich nun hier, ohne die Fach-Literatur zur Hand zu haben, erinnere, handeln fast alle, bezw. die Mehrzahl der in Kara Uyuk gefundenen Täfelchen von Lieferungen oder dergleichen, die sich auf eine angegebene Zahl von Minen Gold oder Silber, auf Korn, Wein, Oel, auf Kleiderstoffe und der- gleichen mehr beziehen. Hierbei wären an und für sich zwei Möglichkeiten, den Sinn der Täfelchen zu erklären, gegeben: Entweder haben wir es hier mit den Aufzeichnungen der Priester eines in Kara Uyuk vorhanden gewesenen Tempels (der besonders hohe Theil an der NW.-Ecke des Ruinenhügels könnte eventuell dafür angesprochen werden) zu thun, die über Opfergaben berichten, welche die Landes-Bevölkerung dem Tempel geleistet, also mit Täfelchen, wie sie zu vielen Tausenden in Telloh gefunden worden sind. Dagegen aber spricht nicht nur der Umstand, dass man die Täfelchen nicht an einem Ort, dem Tempelarchiv, sondern allüberall im Hügel zerstreut vorfindet, sondern auch, wenn ich mith anders recht erinnere, dass in ihnen nirgends der Name des Gottes und des ihm geweihten Tempels genannt wird. Oder aber es handelt sich um mercantile Aufzeichnungen über Lieferungen, die entweder die KaraUyuker Kaufleute nach auswärts ge- macht haben, und deren Duplicat sie bei sich als Beleg aufbewahrten, während das Original dem Adressaten zuging, oder aber die die Kara Uyuker von aus- wärts empfingen. Im letzteren Falle würden wir Original-Berichte, bezw. -Rechnungen, im ersteren dagegen Copien vor uns haben; in beiden Fällen aber würde sich dann das zerstreute Vorkommen der Täfelchen vollkommen er- klären. Nach dem Text der Täfelchen zu schliessen, haben wir also in Kara Uyuk zum Mindesten einen commerciellen Centralpunkt des alten Cappadocien vor uns, ob auch einen politischen, muss vorerst unentschieden bleiben. Ich habe nun weiter oben gesagt, dass Kara Uyuk augenscheinlich tura- nischcn Ursprungs sei; ich will versuchen, Letzteres nachzuweisen. So lange es sich bei den hiesigen antiken Oertlichkeiten um Felsen-Bauten und -Arbeiten hohen Alters handelte, war die Entscheidung der Frage, ob wir es mit einer turanischen oder einer arisch-indogermanischen Anlage zu thun hätten, verhältnissmässig leicht. Hier in Kara Uyuk aber liegt die Sache anders, von Felsen-Bauten und -Anlagen ist keine Rede, vielmehr erhebt sich der Ruinenhügel (493) in der Ebene, direct auf dem Ackerboden derselben. Es galt also, für diese neue, mir hier zum ersten Mal begegnende Art antiker Anlagen neue Indicien für die Entscheidung der obigen Frage zu suchen, und ich glaube, dass mir das gelungen ist bis zu einem gewissen Grade. Unter den Fundobjecten von Kara üyuk sind besonders häufig Froducte der Töpferkunst. Neben Scherben gewöhnlicher Art von hellerem oder dunklerem Thon finden sich hellgelbe, die mit schwarzen Strich-Ornamenten mehr oder weniger einfach verziert (bemalt) sind. Recht häufig sind dunkelrothe, hochpolirte, glänzende Scherben, wie sie bei den Ausgrabungen in Toprakkaleh bei Van zu Tausenden von uns zu Tage gefördert worden sind. Nicht minder interessant sind aus Thon gebrannte Thierköpfe, die als Ausgüsse oder Ornamente an den Urnen angebracht waren und die lebhaft an die im Digalla Tepe bei Urmia gefundenen Formen erinnern. Alle diese, zum Theil recht gross dimensionirten Gefässe waren auf der Töpferscheibe gearbeitet und augenscheinlich von gefälliger Form, die neben der Mannigfaltigkeit der Arten und der exakten Ausführung schon auf eine recht hohe Entwickelung der Töpferei bei den alten Bewohnern von Kara Uyuk schüessen lässt. Ganz besonderes Interesse aber erregten mir sehr häufig auftretende Scherben von enormer Dicke und sehr geringer, auf einen stattlichen Umfang deutender Wölbung, die sehr grossen Töpfen angehört haben müssen, Pythos', wie wir sie in Toprakkaleh, im Weinkeller der Chalder-Rönige, in einer Anzahl von insgesammt mehr als 50 Stück gefunden haben, und an deren Form und Ausführung sie durchaus erinnerten. Auch diese Riesengefässe waren (ebenso wie die Vaner) auf der Töpferscheibe gearbeitet und durchaus gleich- massig gebrannt. Bisher nun ist die Existenz solcher Pythos nur bei turanisch en Völkern bekannt geworden: bei den turanischen Chaldern liaben wir sie 1898 nachgewiesen, die ihnen stamm- und sprachverwandten turanischen Georgier sind das einzige Volk, die es noch heute verstehen, sich solche Ungethüme — meist von ro. 600 Litern Inhalt, ich habe aber auch einige von 050 — 670 Litern gesehen — auf der Dreh- scheibe anzufertigen und kunstgerecht zubrennen, um sich .auf diese Weise, ganz nach dem Muster der Chalder-Könige, grosse und dauerhafte Weinbehälter her- zustellen, die, nebenbei bemerkt, genau die Form der chaldischeji haben. Hier nun stossen wir wieder auf diese Riesentöpfe, die wohl auch in Kara Uyuk zu nichts Anderem, denn zu Weinbehältern gedient haben dürften. Kann das nun arische, indogermanische Arbeit sein? Meines Erachtens: nein. Man bedenke, welche kräftige und dabei doch leicht zu handhabende Drehscheiben- Apparatur zur Anfertigung solcher Gefässe gehört, welche Kunstfertigkeit und durchaus übereinstimmende, geschickte Zusammenwirkung der verschiedenen dabei beschäftigten Töpfer (denn ein Mensch allein kann schwerlich ein solches, reichlich 300 — 500 kg wiegendes Ungethüm auf der Scheibe anfertigen) bei der Formung erforderlich ist. Man bedenke weiter, dass zum Brennen derselben sehr grosse, mit complicirten Heizanlagen versehene und deshalb auch sehr kostspielige Oefen erforderlich sind, die man deshalb auch nicht für einen einmaligen, sondern für dauernden Gebrauch anlegt. Und schliesslich beachte man, dass eine sehr grosse Erfahrung und Routine dazu gehört, solche Gefässe sachgemäss und gleichmässig zu brennen. Wer jemals in eine grosse Töpferei oder in eine Thonröhren-Fabrik hinein- geblickt hat, weiss, dass das Anwärmen und in Gluth Bringen solcher grossen Objecte nur sehr langsam und mit der grössten Vorsicht erfolgen darf; der geringste Fehler, das kleinste Versehen hat uugleichmässigen Brand, Risse und Sprünge im (494) Thon zur Folge, und das Object ist werthlos. Wie man sieht, gehört eine ausser- ordentlich hoch entwickelte Töpferei-Technik dazu, um solche Gefässe, zumal in so tadelloser Ausführung, formen und brennen zu können. Eine derartige Technik aber bei den, wenn nicht ganz, so doch wenigstens noch halbnomadischen Kimmeriern rorauszusetzen, erscheint mir ganz unraöghch. Wie sollten sie auf ihren ewigen Wanderzügen wohl zu einer solchen Vervoll- kommnung in der Töpferei gelangt sein? Und zu welchem Zwecke sollten ihnen wohl diese Riesentöpfe gedient haben? Wie hätten sie dieselben wohl jemals auf ihren Karren in diesen wegelosen Gebieten, zumal in den gebirgigen Theilen, transportiren, ja wie hätten sie die an 2 m hohen Ungethüme mit ihrem ganz spitz zulaufenden Boden nur überhaupt auf ihren Wagen aufstellen können? Wann und wo hätten sie sich überhaupt den W ein produciren sollen, zu dessen Aufnahme diese Gefässe bestimmt und ihrer ganzen Form nach auch vorzüglich geeignet waren? ^) Alle diese Erwägungen müssen meines Erachtens unbedingt dazu führen, die Frage, ob die Kimmerier und ihre Gefolgschaft etwa als die Verfertiger dieser Pythos angesehen werden könnten, unbedingt zu verneinen;^ nur eine seit Langem sesshaft gewordene Bevölkerung konnte es zu einer solchen Fertigkeit in der Töpferei bringen. Ich betrachte deshalb das Vorhandensein solcher Riesentöpfe geradezu als ein Indicium für eine turanische Bevölkerung solcher Orte und Fundstätten in Anatolien. Für Kara Uyuk ergiebt sich die Unmöglichkeit der Annahme einer indo- germanisch-kimmerischen Bevölkerung daneben auch noch aus einem anderen. Grunde, nehmlich aus dem Inhalt der Keilschrift-Täfelchen. Man kann sich die Kimmerier wohl als Nomaden, kriegerische Horden, Plünderer, Zerstörer, Er- oberer usw. vorstellen, aber ihnen daneben auch noch ausgebreitete kauf- männische Kenntnisse zuzutrauen, ihnen einen Export-, bezW. Import-Handel nach wer weiss welchen Ländern zu vindiciren, geht doch wohl kaum an, denn nichts würde weniger dem Charakter eines Nomadenvolkes entsprechen, als gerade das. Sonach kann an dem turani sehen Ursprung der Kara Uyuker Anlage meines Erachtens kaum noch ein Zweifel obwalten. Unter den dort gefundenen Objecten sind noch zu erwähnen Thonscherben, die mit den in Halbrelief sehr schön gearbeiteten Figuren von Rindern usw. verziert waren, sodann ein sehr schöner, hohlgearbeiteter hethitischer Schnabel- schuh aus gebranntem Thon. Dabei sei bemerkt, dass diese Schnabelform sich in Anatolien oder doch wenigstens im östlichen Theile desselben bis heute vielfach erhalten hat, namentlich bei den Hausschuhen und den niedrigeren Arten von Schuhen, wie sie zumeist dort im Gebrauch sind. Ich habe solche Schnabel- schuhe sowohl in Erzerum., Van und Bitlis, wie auch in Majafarkin, Mossul und Arbela gesehen und gekauft und dabei den Eindruck gewonnen, dass diese Form weniger als eine specifisch hethitische, als vielmehr als eine allgemein turanische anzusehen ist. Es dürfte damit wohl ungefähr dieselbe Bewandtniss haben, wie mit der so charakteristischen georgischen Wiege, die ich nicht nur im Kaukasus, sondern auch in ganz Armenien, auf dem Hochplateau von Diarbekr, in Mossul und jetzt auch hier in Cappadocien vielfach angetroffen 1) In Georgien füllt mau den jungen Wein in diese, in den Boden eingegrabeneu Töpfe, in denen er sich vorzüglich klärt; der Schlamm sammelt sich leicht und voll- ständig in dem spitz zulaufenden Bodentheil an, aus dem er bequem zu entfernen ist. (495) habe, deren Form sonach bei den Turaniern Vorder-Asiens wohl eine allgemein verbreitete gewesen sein dürfte. In sonstigen Sculptur-Arbeiten scheinen die Kara Uyuker keine besonderen Meister gewesen zu sein ; ich habe einige in Alabaster ziemlich roh nachgebildete, sonst aber schön verzierte Schildkröten erworben, die als einköpfige, zwei- und vierköpfige auftreten und wohl mit Frl. Majewsky als Attribute irgend einer Gottheit oder als Idole aufzufassen sein dürften. "Wie weiter oben gezeigt, dürfte als untere Zeit grenze der Zerstörung KaraUyuk's etwa 600 v.Chr. zu betrachten sein; es erübrigt noch der Versuch, diese Grenze auch nach oben hin festzustellen. Einige Assyriologen haben auf Grund des Schriftcharakters der cappadocischen Täfelchen den Letzteren ein ganz ausserordentlich hohes Alter zugeschrieben, ihre Entstehung zwischen 2000 und 1000 v. Chr., wenn ich nicht irre, angesetzt. lieber den Schriftcharakter selbst kann ich mir als Laie kein Urtheil an- massen, das muss ich den Fachgelehrten überlassen; ist aber die erwähnte Annahme richtig, dann gelangen wir für die Zeit der Anfertigung der Täfelchen ungefähr mitten in die Blüthezeit der hethitischen Macht hinein. Wir würden dann also weiter annehmen müssen, dass zu derselben Zeit, als der mächtige Hetasiras (= Hethiter-König) für seine Inschriften sich der schwierigen Hieroglyphen-Schrift bediente, bei seinen ünterthanen in Kara üyuk die weit leichter zu handhabende Silben-Keilschrift in ausgedehntem Maasse angewendet wurde. Wir würden damit also für das Hethiterland zweierlei Schriftsysteme für dieselbe Zeitepoche an- zunehmen haben. Wie aber soll man es dann erklären, dass die Keilschrift sich nur in Kara üyuk eingebürgert hat, dass nicht auch andere grosse Handelscentren. deren es im weiten Hethiterlande gewiss noch viele gegeben haben wird, dieselbe adoptirten? Nun ist aber Kara üyuk seiner Bauart nach schwerlich eine hethitische Stadt, verdankt vielmehr seinen Ursprung einem anderen turani- schen Volke. Welche andere Nation aber hätte es um jene Zeit wohl wagen können, sich hier so zu sagen im Herzen des Hethiterlandes anzusiedeln, mitten hinein zwischen die beiden grossen hethitischen Centren: Boghazkoi im Norden und Tyana im Süden? Wer aber trotz aller entgegenstehenden Gründe Kara üyuk doch als eine hethitische Stadt betrachten will, geräth in das andere Dilemma, die Zerstörung einer mitten im Hethiterlande gelegenen Stadt zur Zeit der grössten Blüthe des Hethiterreiches erklären zu müssen, und zwar eine Zerstörung, die mit der vollständigen Verdrängung der hethitischen Bevölkerung von Kara Uyuk ver- bunden war. Wie man sieht, stösst man hier überall auf Widersprüche und Schwierigkeiten, die meines Erachtens deutlich erkennen lassen, dass Kara Uyuk während der Dauer der hethitischen Herrschaft unmöglich zerstört worden sein kann. Folglich muss dieses Ereigniss entweder vor Beginn oder nach dem Fall der hethitischen Macht eingetreten sein, wobei wir im ersteren Falle die Kara Uyuker Bevölkerung als prähethitisch, als die bis jetzt erreich- bare älteste Urbevölkerung dieses Gebietes zu betrachten haben würden. In welche Epoche wir nun den Beginn, das Aufblühen der hethitischen Macht zu setzen haben, ist zur Zeit noch völlig unbekannt; sicherlich werden wir damit, wie der Tempel in Uyuk beweist, bis in's dritte Jahrtausend v. Chr. hinaufzugehen haben, also in Epochen hinauf, wo fester historischer Boden schon längst nicht mehr existirt. Für jene Zeiten aber einen Einfluss Babyloniens nach dem so fern entlegenen Cappadocien zu substituiren, einen Einfluss von solcher Lebhaftig- keit, dass er die Kara Uyuker zur Adoption der babylonischen Schriftart veranlasste. (496) erscheint mehr als gewagt. Zu dem erhebt sich dabei immer mid immer wieder die Frage, weshalb dann nicht auch das übrige Cappadocien die Keilschrift adoptirte, namentlich nicht der südliche Theil um Tyana herum, den doch die Träger und Importeure der babylonischen Cultur zuerst passiren mussten. Und warum adoptirte Cilicien nicht die babylonische Schrift, durch welches doch die uralte Heer- und Handelsstrasse von Babylon nach Anatolien führte? und wie soll man, wenn ein solch weitgehender Einfluss Babyloniens statthatte, es erklären, dass weder Cappadocien noch auch Cilicien jemals in den babyloni- schen älteren Inschriften erwähnt werden? Eine so vollständige Ignorirung von Ländern, mit denen lebhafte commercielle und politische Beziehungen unterhalten wurden, wäre geradezu beispiellos. Daneben wäre dann auch noch zu beachten, dass die Zerstörung Kara Uyuk's in diesem Falle durch die Hethiter erfolgt sein müsste. Es lässt sich aber bei ihnen, wie bei den Medern, absolut nicht absehen, aus welchem Grunde sie eine offene Stadt so von Grund aus zerstört und deren Bevölkerung gänzlich verdrängt haben sollten. Und schliesslich entspricht auch die ganze Bauart Kara Uyuk's nicht dem hier postulirten hohen Alter; in jenen Zeiten pflegten die sesshaften Völker sehr dauerhaft zu bauen und sich zumeist in wohl verwahrten Städten an- zusiedeln. Dazu kommt dann noch die, wie gezeigt, augenscheinlich nur kurze Existenzdauer des Städchens Kara Uyuk, die mit dem sich aus den Täfelchen ergebenden wohleingerichteten und -organisirten Handel für jene ferne Zeiten wohl kaum in Einklang zu bringen ist. Wie ersichtlich, stösst man bei der Annahme, dass Kara Uyuk zu Beginn der hethitischen Herrschaft zerstört worden sei, auf vielfache Widersprüche und Schwierigkeiten, deren sich noch leicht einige weitere aufzählen Hessen. Bei der anderen Alternative: Zerstörung nach dem Fall der hethitischen Herr- schaft, d. h. zwischen etwa 700 und etwa 600 v. Chr. fallen alle diese Schwierig- keiten fort, wie sich leicht zeigen lässt. Aber, so werden die Assyriologen sofort einwerfen, wo bleibt der archaistische Charakter des Schrifttypus unserer Täfelchen? Meines Erachtens beweist der archaistische Charakter gar nichts bezüglich der Zeit ihrer Abfassung. Will man etwa z. B. von der Inschrift Rusas' IL von Chaldia in Adeljewaz am Van -See behaupten, sie sei zu Beginn des neunten vor- christlichen Jahrhunderts entstanden, denn sie sei in dem zu jener Zeit gebräuchlich gewesenen assyrischen Schrifttypus abgefasst? Thatsächlich nehmlich ist sie gut 200 Jahre jünger; und wenn es uns eines Tages gelingen sollte, die Inschriften der um 580 v. Chr. regierenden Chaiderkönige aufzufinden, so werden sie sogar um 300 Jahre jünger sein, als nach dem Schrifttypus zu erwarten steht. Meines Erachtens ist dieses an und für sich gewiss sehr wichtige Argument, soweit nicht- mesopotamische Völkerschaften in Betracht kommen, dahin zu präcisiren, dass der Schrifttypus uns nur ungefähre Aufklärung giebt über den Zeitpunkt, an dem ein Volk denselben adoptirt hat. War dann das Fremdvolk in seiner Schriftart conservativ, wie es z. B. die C halder waren, so konnte dieser Schrifttypus viele Jahrhundorte, vielleicht ein Jahrtausend bei ihm in unverändertem Gebrauche bleiben. Wenn wir also annehmen, dass gegen Ende der hethitischen Herrschaft ein Volk erobernd in Cappadocien eindrang und sich hier niederliess, welches in der Zeit zwischen 2000 und 1000 v. Chr. jenen archaistischen Schrifttypus von den Assyrern-Babyloniern entlehnte und ihn seitdem miverändert beibehielt, so können (497) diese cappadocischen Täfelchen unbeschadet ihres archaistischen Schrifttypus doch der Zeit zwischen etwa 7U0 und etwa 600 v. Chr. angehören. Giebt es nun ein Volk, und zwar ein turanisches Volk, das diesen Be- dingungen entspricht, bezw. entsprechen könnte? Gewiss, es sind die Moscher- Georgier, von denen sich aus den assyrischen Inschriften selbst mit Leichtig- keit nachweisen lässt, dass sie gegen Ende des 8. und zu Beginn des 7. vorchristl. Jahrhunderts im südlichen Cappadocien ansässig gewesen sind. Lassen Sie mich hier kurz zusammenfassen, was ich bisher über die Ur- geschichte der Moscher-Georgier festzustellen und nachzuweisen in der Lage gewesen bin. Wie ich im IIL Heft meiner „Beiträge zur alten Geographie und Geschichte Vorder-Asiens'' bei Besprechung der Feldzüge Tiglatpileser's L von Assyrien eingehend darlege, sassen um 1170 vor Chr. nach der bisherigen Chronologie und um 1070 vor Chr. nach Dr. Lehmann's verbesserter Chronologie, die Moscher in Nordost-Mesopotamien in der Gegend von Gezireh. Obgleich Tiglat- pileser ruhmredig davon berichtet, sie vollständig vernichtet zu haben, finden wir sie ebendort noch 200 Jahre später sitzen, und Asurnasirapal von Assyrien rühmt sich dort ihren Tribut empfangen zn haben, der wohl nur in einem paar Stück Vieh als Höflichkeits-Geschenk bestanden haben wird. Bald darauf aber werden sie von den ständig mehr nach Westen vordringenden Kirlii bedrängt und veranlasst, ebenfalls nach Westen zu ziehen, und zwar durch Nord-Mesopotamien hindurch, wo ich ihre einstige Anwesenheit in Edessa-ürfa feststellen konnte. Zwischen Biredjik und Saraosata über den Euphrat gedrängt, ziehen sie schliesslich entweder durch Commagene und über Malatia oder aber durch Nord-Syrien und Cilicien nach Südost-Cappadocien, wo wir sie zur Zeit Sargon's von Assyrien, gegen Ausgang des 8. Jahrhunderts vor Chr. antreffen. Etwa 680 vor Chr. überschwemmen die Kimmerier-Horden ganz Cappadocien und drängen die Moscher nach Osten hin zum Euphrat-Karasu. Bei dem Ver- suche in Chaldia einzufallen werden sie von Rusas H. zurückgeschlagen; wahr- scheinlich ziehen sie nunmehr nordwärts nach Klein-Armenien, von wo sie indessen gegen 600 vor Chr. abermals durch die Kimmerier verdrängt und nach NO. hin in das Fluss-Gebiet des Tschoroch und der oberen Kura geschoben werden, wo wir sie zur Zeit des Darius antreffen. Die Rura abwärts ziehend, gelangten sie schliesslich in die grosse Kura-Ebene, nach Mzcheth und Tiflis. Dass die Moscher sich eines Schrift-Systems bedient haben, geht u. A. aus der Correspondenz ihrer Könige mit den Chalder-Königen hervor, über die uns die assyrischen Inschriften berichten. Als eine der südöstlichen Gruppen der vorderasiatischen Turanier werden sie höchst wahrscheinlich, ebenso wie ihre langjährigen Nachbarn, die Chalder, das assyrische Keilschrift - System adoptirt haben. Gelegenheit, sich dasselbe anzueignen, hatten sie während ihres Aufenthaltes in Nordost-Mesopotamien genügend und wohl auch schon vorher, als sie noch auf der Hochfläche von Diarbekr und im nördlichen Theile des Antitaurus (= Mons Masius) wohnten. Dass die Moscher als sesshaftes Volk auch Handel trieben, ist natürlich und selbstverständlich, ebenso dass sie bei dem allmählichen Verlegen ihrer Wohnsitze ihre commerciellen Beziehungen von dem neu eingenommenen Gebiete aus aufrecht zu erhalten und zu pflegen suchten. M. E. haben wir es also in Kara-Uyuk mit einer Anlage der turanischen Moscber-Georgier zu thun, welche diese Stadt etwa zwischen 750 und 730 vor Chr. gründeten. Zerstört wurde letztere dann etwa 680 vor Chr. durch die Kimmerier-Horden, die sich selbst zum Theil auf der fette Weide bietenden Verhandl. der Berl. Authropol. Gesellschaft 1901. 'o2 (498) Ebene von Caesarea festsetzten. Danach entstammen dann also die cappadoci- schen Täfelchen der Zeit etwa zwischen 750 und etwa 680 vor Chr. Ueber sie noch einige Bemerkungen. Wiederholt wollen die Assyriologen in den Texten derselben die Namen alter wohlbekannter babylonischer Städte gefunden haben, woraus auf eine Handels- Beziehung zwischen letzteren und Cappadocien geschlossen wurde. Die Annahme directer Handels-Verbindungeu zwischen so entfernten Gebieten, wie Babylonien und Cappadocien erscheint aber für das hohe Alterthum als eine bare Un- möglichkeit. Wer sollte z. B. hierbei das Risico des Transportes tragen, der Lieferant oder der Empfänger? Ja, wenn die beiden mit einander Handel treibenden Gebiete wenigstens noch Bestandtheile eines einheitlichen grossen Reiches gewesen wären; und selbst dann noch wäre im Alterthum der Transport von Waaren auf einer so langen Route mit Gefahren genug verknüpft gewesen, denn an räuberischen Horden hat es in Vorder-Asien auch im Alterthum nicht gemangelt, am allerwenigsten in Mesopotamien, wo die nomadisirenden Araber- Stämme von jeher der Schrecken der Karawanen gewesen sind. Noch schlimmer aber liegt die Sache, wenn die Waaren-Transporte eine ganze Reihe von un- abhängigen Staaten zu passiren haben, wie es für den vorliegenden Fall zutrifft. Da war erst Cappadocien selbst zu durchqueren, dann Cilicien, Nord-Syrien mit den verschiedenen kleineren oder grösseren hethitischen Staaten und Com- magene (= Rum muh) zu passiren, hierauf der Euphrat zu überschreiten und dann das assyrisch-babylonische Gebiet zu durchmessen, wo im Norden die Stämme der Rirhi, weiter südlich die nomadisirenden Araber, im Osten aber die räuberischen Kossäer die Karawanen ständig mit Plünderung be- drohten. Unter solchen unerfreulichen Verhältnissen wird sich jeder Kaufmann wohlweislich hüten, das Transport-Risico für eine solche Strecke von etwa 1500 km. Länge zu übernehmen, zumal er eine hinreichend starke, aus seinen eigenen Landsleuten gebildete Bedeckungs-Mannschaft den Karawanen nicht gut mitgeben kann, weil eben die fremden Staaten einer grösseren Truppe wohl- bewaffneter Leute den Durchzug durch ihre eigenen Gebiete nicht erlauben würden. Auch kann ja der in Cappadocien ansässige Kaufmann unmöglich die jeweilige Grösse der Gefahren des Weges in den fremden Ländern, zumal den ihm ent- fernter gelegenen, beurtheilen, denn diese wechselt oft und rasch; heute taucht in irgend einem Gebiete eine grosse Räuberbande auf, die vielleicht schon nach 8 Tagen von der einheimischen Regierung zersprengt, gefangen genommen oder vernichtet worden ist, vielleicht aber auch sich jahrelang dort zu behaupten versteht. Aller Wahrscheinlichkeit nach wurde deshalb damals der Export-Handel in der Weise betrieben, dass jeder Kaufmann nur bis zur Grenze seines Heimath- landes lieferte, wo er die Waaren dem Adressaten, einem Kaufmann des Nachbar- Staates, übergab und von ihm den Gegenwerth derselben in Gold und Silber oder in Tauschwaareu erhielt. Der neue Besitzer lieferte sodann bis zur Grenze des nächsten Staates usw. usw. Bei dieser Art von Zwischenhandel erledigt sich denn auch gleich die andere grosse Schwierigkeit des directen Handels von selbst, nehmlich die Frage: Wie konnte der cappadocische Lieferant in den Besitz des Gegenwerthes der gelieferten Waaren von seinem babylonischen Geschäftsfreund gelangen? Ich meine, schon allein diese Erwägungen genügen, um die Annahme eines directen Handels der Kara-Uyuker Kaufleute und ihrer babylonischen Collegen als unmöglich erscheinen zu lassen. (499) Daneben ist aber auch noch wohl zu beachten, dass es noch keineswegs feststeht, dass babylonische Städtenamen in den Täfelchen auftreten; man hat bisher nur einige in ihnen auftretende Wörter ihrer mehr oder minder frappanten Aehn- lichkeit mit babylonischen Städte-Namen wegen, als solche gedeutet. Da aber allen diesen Wörtern kein Stadt -Determinativ vorhergeht, so schweben diese Identificationen einstweilen noch in der Luft. Die Aehnlichkeit der Wörter kann und wird wohl auch in vielen, wenn nicht allen Fällen eine rein zufällige sein, so dass die angeblichen babylonischen Städte-Namen dann ganz gewöhnliche turanische Ausdrücke sein würden. Es bleibt noch festzustellen, von den Angehörigen welchen Volkes diese Täfelchen beschrieben worden sind. Hierbei sind zwei Möglickeiten ins Auge zu fassen: Entweder haben wir es mit Original-Berichten, bezw. -Rechnungen über von auswärts her nach Kara-Uyuk gelieferte Waaren zu thun, oder aber mit Copien der Berichte, bezw. Rechnungen, welche die Kara-Uyuker über ge- lieferte Waaren an ihre auswärtigen Abnehmer im Original abgeschickt hatten. Die auswärtigen Geschäftsfreunde der Kara-Uyuker Kaufleute, einerlei, ob sie Lieferanten oder Abnehmer gewesen seien, werden nun in nicht grösserer Ferne als höchstens nahe der moschischen Landesgrenze zu suchen sein, wie ich oben darzulegen bemüht war. Vielleicht, und gar nicht einmal unwahrscheinlicher Weise, waren es ebenfalls Moscher, die in grösserer Entfernung von Kara-Uyuk wohnten; in diesem Falle würden dann die Täfelchen moschischen Ursprungs sein. Handelt es sich nun um Original-Rechnungen, so lässt sich einstweilen die Volks -Angehörigkeit der Lieferanten nicht feststellen. Nur soviel lässt sich mit grosser Wahrscheinlichkeit folgern, dass es eine turanische gewesen sein -wird, denn ringsum fast waren die Kara-Uyuker, bezw. die Moscher, von tura- nischen Völkerschaften umgeben: Im Süden und Westen von Hethiter-Staaten, im Norden desgleichen (= Reich von Boghazkoi) und im Osten theils von den Chaldern, theils ebenfalls von Hethitern (Malatia). Nach meinem Gefühl und kaufmännischen Verständniss müssten dann aber doch in solchem Falle die Texte der Täfelchen etwas anders lauten; der Lieferant würde nicht nur die Art und das Maass der verschiedenen von ihm gelieferten Waaren, sondern bei jedem Artikel auch den Preis desselben angeben und am Schlüsse die Summe aller dieser einzelnen Werthe geben. Das geschieht aber nicht, und es hält deshalb schwer, in diesen Täfelchen effective „Rechnungen" zu erblicken. Sonach könnten es nur Berichte, bezw. Verzeichnisse der mit den einzelnen Transporteuren ge- schickten Waaren sein. Liegen uns aber in den Täfelchen Copien der Original-Berichte vor, so haben wir es wiederum mit moschischen Täfelchen zu thun. Hier wäre nun ein Punkt zu beachten: bei allen Völkern strebt die Schrift fortgesetzt nicht nur nach Ver- einfachung, sondern auch nach vermehrter Klarheit und Deutlichkeit, so dass das Lesen möglichst erleichtert und Zweifel und Unklarheiten vermieden werden. Aus diesem Grunde jedenfalls haben die alten Babylonier die Deter- minative eingeführt und im Laufe der Zeiten mehr und mehr ausgebildet und entwickelt, obgleich deren Anwendung keineswegs eine Verkürzung der Schrift bedeutete. Hier nun, bei den cappadocischen Täfelchen beobachten wir das Fehlen fast aller Determinative, was für eine verhältnissmässig so junge Zeit höchst auf- fällig ist, denn es bedeutet fraglos eine Erschwerung des Lesens und des Ver- ständnisses des Lesers. Nehmen wir indessen an, dass wir es hier mit Copien von Original-Berichten zu thun haben, so liesse sich allenfalls denken, dass der Kara-Uyuker Kaufmann, der ja die Namen seiner Kunden und ihrer Wohnorte 32* (500) genau kannte, der Bequemlichkeit und des schnelleren Schreibens halber diese und andere Determinative weggelassen hat. die ihm für die Lesung des Geschriebenen entbehrlich schienen. Ob also Original-Bericht oder Copie eines solchen, in jedem Falle haben wir es hier m. E. mit Schrifttafeln turanischen Urspmngs zu thun. Zu der Fabrication der Riesentöpfe, die Hr. Consul Majewsky in Georgien aus eigener Anschauung kennen gelernt hat, macht derselbe mir nachträglich noch folgende Mittheilungen: Die Töpfe, welche bis zu mehr als 2 m Höhe dort angefertigt werden, be- sitzen ein Mundloch von etwa 50 — 60 cm Durchmesser, so dass ein Mensch behufs Reinigung derselben von Schlamm, Weinstein usw. bequem in dieselben hinein- steigen kann. Sie werden, wie das bei derartig geformten und dabei Fig- 22. gQ riesig dimensionirten Gefässen selbstverständlich ist, in 2 Theilen j==== a und b (vgl. Fig. 22) geformt und dann zusammengesetzt. Wieviel /'^ \^ Mann bei der Formung eines jeden Theiles arbeitend thätig sind, / ^ \ wusste Hr. Majewsky nicht anzugeben. Die Formung der beiden V I Theile, z. B. der unteren Hälfte a, geschieht in folgender Weise: \ a / Man formt zunächst das ganz besonders dickwandige Bodenstück bis \ /zu einer Höhe von etwa 35 — 40 cm und stellt es dann an einen \ / schattigen, kühlen Ort, um es erhärten zu lassen, was, je nachdem ^-^ die Witterung trocken oder feucht ist, verschieden lange Zeit in Anspruch nimmt. Sobald das erfolgt ist, wird das Bodenstück wieder auf die Drehscheibe gesetzt, seitlich wohl unterstützt und dann an seinem oberen Rande wieder schwach befeuchtet, worauf man einen Ring von etwa 10 — 20 cm Höhe darüber weiter formt, also das Bodenstück um dasselbe Maass erhöht. Man lässt es nun wieder trocknen und erhärten, um es für die Aufnahme eines neuen Ringes tragfähig zu machen, den man dann darauf formt usw. usw.^ bis die untere Hälfte die gewünschte Höhe erreicht hat. In genau derselben Weise wird auch der Theil /> geformt. Sind beide Hälften genügend getrocknet und stabil geworden, so werden nochmals ihre Ränder befeuchtet, auf jeden Rand wird dann ein dünner Ring von etwa 1 — 2 cm Dicke geformt, und hierauf beide Theile zusammengefügt, d. h. A auf a gesetzt. Nach dem Egalisiren und Glätten der Fuge wird dann der ganze Topf zum definitiven Trocknen abermals hingestellt und ist dann zum Brennen fertig. Ueber letzteres konnte mir Hr. Majewsky leider keine näheren Mittheilungen machen. — Caesarea, den 10. November 19t)l. Ich resumire noch kurz die Resultate seit dem 25. October. Am 26. October schon machten wir uns auf den Weg nach Westen zur Durchforschung des so- genannten Troglodyten-Landes. Wir gingen über Ambar nach Indjassu und fanden am dritten Tage nahe beim Dorfe Bogtsc ha gänzlich unvermutheter Weise eine grosse, hethitische Stele in situ, auf allen 4 Seiten beschrieben, durchaus vollständig und wohl erhalten. Der Zahl der Zeichen nach dürfte es die grösste, bisher bekannt gewordene hethitische Inschrift sein. Die Stele wurde copirt, abgeklatscht und photographirt, was 2 Tage in Anspruch nahm. Dann ging's weiter nach üergüb, einer hochinteressanten Felsenstadt mit 10 000 bis 20 000 und noch mehr Felsenzimmern, deren Untersuchung ich 2 Tage widmete, um Momente für die Altersbestimmung der Felsenwohnungen ausfindig zu machen, was um so schwieriger ist, als der Stil derselben sich in all den Jahrtausenden kaum verändert (501) hat. Es gelang mir auch, hier schon einige diesbezügliche Anhaltspunkte zu ent- decken. Hier in Uergüb beginnt denn auch zugleich das Terrain der so eigen- thümlichen, durch Erosion des weichen Gesteins verursachten Zuckerhut-Pormation, deren Centrum wir in der Schlucht von Korämär und bei dem Dorfe Matschian passirten, wo sie zu vielen, vielen Hunderten nebeneinander stehen, fast jeder von ihnen mit Felsenwohnungen und Pelsenzimmern, oft in mehreren Etagen über- einander. Die Zahl der Zimmer hier entzieht sich jeder Schätzung und beläuft sich sicherlich auf Zehntausende; Hasankef am oberen Tigris mit seinen 5000 bis 6000 Pelsenzimmern, bis dahin das Grossartigste, was ich von einer Pelsenstadt gesehen hatte, verschwindet vollständig im Hintergrund. Ueber Uetsch Hissar ging es nach Newscheher, von wo wir uns nach Süden wandten, um in den Dörfern Ene-i und Melekob, die beide inmitten einer grossen Ebene liegen, eine ganze neue Art von Pelsenwohnungen kennen zu lernen, nämlich tief unter der Erdoberfläche angelegte, weitverzweigte, gänzlich licht- und luftlose Felsenwohnungen mit sehr interessanten Absperr- und Yertheidigungs- Vorrichtungen. Von Melekob dreht gewöhnlich die Route der Reisenden nach Osten, nach Deweli Karahissar und der Soghanli Deressi; da ich aber von dem Rai- raakam in Uergüb erfahren hatte, dass bei Bulgar Maden im Taurus noch zwei neue, bisher unbekannte hethltlsche Fels -Inschriften existirten. so beschlossen wir zunächst nach Süden weiter zu gehen, um Nigdeh, Bor, Tyana (= Kizli hissar), Bulgar Maden, Adana, Tarsus und Mersina zu besuchen und dann nach Caesarea zurückzukehren, dafür aber die geplante Reise nach Osten (Kaisarieh — Albistan — Malatia — Egil — Siwas) aufzugeben wegen des schnell herannahenden "Winters und die Entzifferung der zerstörten Keil -Inschrift bei Egil einer späteren eventuellen Reise zu überlassen. Auf dem Wege nach Nigdeh passirten wir Andaval, wo ich aber statt der beabsichtigten Collation der dort früher entdeckten hethitischen Inschrift nur constatiren konnte, dass dieselbe inzwischen verschwunden und nach Constantinopel verschleppt worden war. In Bor, zwei Stunden südwestlich von Nigdeh, gelang es mir, den unteren Theil einer hethitischen Königs-Stelc aufzufinden, deren beschriebenes Kopf- stück vor einigen Jahren durch Ramsay angekauft und an das Constantinopeler Museum geschickt worden war. Auch der untere Theil ist hethitisch beschrieben, aber der Besitzer, welcher einen, in seinem Garten befindlichen Brunnen als den geeignetsten Aufbewahrungsort für den wichtigen Stein ansieht, gestattete mir nicht, die Inschrift zu copiren. Ich habe Excellenz Hamdi Bey gebeten, das wichtige Document zu retten und nach Stambul in's Museum zu schaffen. Bei äusserst kaltem, heftigem Wind folgte ein Besuch Tyana's, der mir neben einer ganzen Reihe griechischer Inschriften einen tüchtigen Rachencatarrh, Schnupfen und starkes Fieber verschaffte. Da es ausserdem anhaltend zu regnen anfing, und die Hälfte unserer Diener krank darniederlag, so beschlossen wir die Weiterreise nach Süden aufzugeben und nach Caesarea zurückzukehren. Ueber Nigdeh- Simendere gelangten wir nach Deweli Karahissar, von wo aus die Soghanli Deressi besucht und dabei ausser einer alten Festung unter den zahllosen Felsen- Zimmern, -Kirchen, -Gräbern usw. auch ein heidnischer Tempel entdeckt wurde. Am West-Abhang des Argäus entlang gingen wir dann wieder nach Indjassu, " von wo wir gestern Nachmittag hier wieder eintrafen. Das Wetter hatte sich gleich hinter Bor wieder geändert, war schon und klar geworden, aber die Nächte sind bitterkalt (— 7° C.) und der Winter mit Schnee und Eis kann jeden Tag hereinbrechen. (502) Heute machten wir einen Ausflug nach dem in den Vorbei'gen des Argäu (Erdjiasch) gelegenen Dorfe Hissardjik, in dem man mir eine Inschrift signalisirt hatte. Wir fanden eine kleine, aber um so interessantere hethitische Felsen-Inschrift dort vor. Morgen beabsichtigen wir nach Osten aufzubrechen, um, wenn es die Witte- rung noch irgendwie erlaubt, folgende Orte zu besuchen: Ekrek (hethitische, noch nicht abgeklatschte und von keinem Reisenden copirte Inschrift), Schahr (= Comana Cappadociae), Albistan, Yapalak (zerstörte hethitische In- schrift), Arslan-Tepe (= hethitische Löwen), Gürün (zwei hethitische Felsen-Inschriften, arg zerstört und in der Nähe eine neue, mir signalisirte), — Siwas, wo wir in etwa 16 — 20 Tagen einzutreffen hoffen. Von Siwas geht es dann zu einem Hafen des Schwarzen Meeres, wahrscheinlich über Ani- Kemach, Erzingian, Gemüschchana nach Trapezunt. Gegen Mitte December hoffe ich in Constantinopel und kurz vor Weihnachten wieder in Frankfurt a. M. bei den Meinen zu sein. — Im „goldenen" Comana (= Schahr heute genannt), den 15. November 1901.. «. Anliegend gestatte ich mir, Ihnen einen Bericht über die sogenannte Troglo- dyten-Landschaft, westlich von Caesarea zu überreichen, der wegen der hier obwaltenden, ganz besonders eigenartigen Verhältnisse Ihr Interesse erregen dürfte. Wir haben die wichtigsten Ortschaften dieses interessanten Gebietes besucht und, wie Sie aus dem Bericht ersehen werden, dabei einige nicht unwichtige, neue Beobachtungen und Entdeckungen gemacht, die geeignet erscheinen, die Entstehung dieser wohl mehr als Hunderttausend zählenden Felsenzimmer im Alterthura und in der Jetztzeit zu erläutern und durch die Landesbeschaffenheit erklärlich zu machen. In Uergüb erfuhren wir von dem dortigen Kaimakam, der früher in Eregli amtirte, dass in der Umgegend von Bulgar Maden ausser der einen, uns schon bekannten noch 2 weitere grosse Felsen-Inschriften existirten. Wir beschlossen deshalb, unsere Reise nach Süden hin bis zum Taurus auszudehnen, um diese beiden Inschriften zu erlangen und dabei gleichzeitig die auf der Route ge- legenen Ruinen von Tyana zu besuchen. Demgemäss unterbrachen wir inMelekob die Untersuchung der Troglodyten-Dörfer, bogen nach Süden ab und besuchten zunächst das Dorf Andaval (= altem Andabalis), um die in der dortigen griechischen Kirche 1890 von Ramsay entdeckte hethitische Inschrift zu colla- tionniren. Indessen die Inschrift war seit H Jahren spurlos verschwunden: angeblich soll sie der griechische Patriarch nach Constantinopel haben kommen lassen. Von dort marschirten wir über Nigdeh nach Bor, wo es mir nach vielem Bemühen gelang, den unteren Theil der mir Inschrift bedeckten hethitischen Rönigs-Stele aufzufinden, deren Kopf sich im Museum zu Constantinopel befindet. Die Statue ist vor etwa ■'>0 Jahren im benachbarten Tyana ausgegraben worden und von einem gewissen HadjiAliAgha nach Bor transportirt worden. Dort sah Ramsay 1882 das Kopfstück der Stele, dessen Inschrift er copirte: späterhin kaufte er 1890 diesem Stück, das dann nach Constantinopel geschickt wurde. Damals wurde seinem Begleiter Hogarth das untere Stück der Stele zur Nachtzeit gezeigt, man erlaubte ihm aber nicht die darauf eingegrabene Inschrift zu copiren. Jetzt leugnete man mir gegenüber zuerst hartnäckig die Existenz dieses Stückes und erst nach stunden- langem Inquiriren des halben Dorfes, wobei mir der Kaimakam sehr wirksam half, gelang es mir, den Aufbewahrungsort der Stele ausfindig zu machen. Da der 1 (503) Besitzer auch jetzt noch die Erlaubniss zur Anfertigung einer Copie hartnäckig ver- weigerte, bezw. durchblicken Hess, dass er dieselbe nur gegen Bezahlung von 2.') türkischen Pfund (= etwa 45(t Mark) ertheilen würde, und da er ferner den wichtigen Stein unter Verhältnissen aufbewahrt, die eine sehr schnelle Zerstörung des- selben herbeiführen müssen (in einem Brunnen nehmlich), so habe ich Excellenz Hamdi Bey brieflich gebeten, dafür Sorge zu tragen, dass das Document nach Constantinopel gebracht und in dem dortigen Museum geborgen werde ^). Von Bor aus besuchte ich die Ruinen des etwa l^j^ km südlicher gelegenen Tyana, der ehemaligen Hauptstadt des südlichen Cappadociens; über den dortigen Befund werde ich voraussichtlich noch einen Separat-Bericht erstatten können. Am 4. November begann sich dann leider das bis dahin vorzügliche Reise- wetter zu ändern, ein heftiger eiskalter Wind erhob sich, zudem begann es noch während meines Ausfluges nach Tyana ununterbrochen zu regnen, so dass in kurzer Zeit die dort lehmigen Strassen in Moräste verwandelt waren. Ich brachte von Tyana eine heftige Erkältung mit noch jetzt andauerndem Rachenkatarrh und ein starkes Fieber nach Hause, zudem war auch die Hälfte unserer Diener aus denselben Ursachen erkrankt, so dass eine Reise in das Taurus-Gebirge nach Bulgar Maden unter diesen Umständen höchst bedenklich erschien. So gab ich denn blutenden Herzens diesen Theil der Marschroute und die beiden neuen hethitischen Fels-Inschriften auf und beschloss, durch den noch unerledigten süd- westlichen Theil der Troglodyten-Landschaft nach Caesarea zurückzukehren. Ueber Nigdeh ging es nach Deweli Karahissar am Südwestüusse des Argäus, von wo aus wir die Soghanli-Schlucht mit ihren ungezählten Tausenden von interessanten Felsenzimmern besuchten, an deren Eingange wir die cyclopischen Mauerreste einer ehemaligen grossen Festung entdeckten. Ausserdem besuchten wir noch die Zengibar Kalessi, welche einige Forscher mit der Festung Nora identificirt haben, in der Eumenes mit wenigen Soldaten dem ganzen Heere des Antigonus so viele Monate getrotzt hat. Die Besichtigung ergab die völlige Unmöglichkeit dieser Identification, denn ein Mal ist die Feste keineswegs besonders stark, andererseits entspricht auch die ganze Localität nicht der uns überkommenen Beschreibung. Von Deweli Karahissar kehrten wir dann über Jndjassu nach Caesarea zurück, wo wir am 9. November wieder eintrafen. Ich hatte inzwischen von den Jesuitenpaters in Erfahrung gebracht, dass der Mutessarif ein Stück einer hethiti- schen Inschrift, welches man vor Kurzem in Hissardjik, etwa eine halbe Stunde südlich von Caesarea, am Nordabhange des Argäus gelegen, gefunden, nach Constantinopel geschickt habe, was der Mutessarif bestätigte. Bei dieser Gelegenheit erfuhr ich durch die liebenswürdige Vermittelung und Unterstützung der Väter von einem Türken, dass der andere Theil der nach Constantinopel geschickten Inschrift noch in Hissardjik vorhanden sei, und dass sich dort auch eine Felsen-Inschrift befinde, die vielleicht hethitisch sei. Demgemäss ritten wir am 10. November nach Hissardjik hinauf, erfuhren dort, dass das fragliche Stück in das Fundament eines dortigen Gartenhauses eingebaut, also ohne Zerstörung eines Theiles des Mauerwerks nicht zu erlangen sei, und fanden dann auch an dem sehr interessanten Orte die kleine, aber wichtige Inschrift auf einem Felsblock vor, die sich in der der That als eine der späteren hethitischen erwies. Ueber sie werde ich im Zusammenhange mit den Antiquitäten 1) Wie ich höre, hat die türkische Regierung diese Statue bereits mit Beschlag belegt. (Correctm--Zusatz.) (504) Caesarea's späterhin Näheres berichten. Das erwähnte Fragment versprach der Mutessarif herausbrechen zu lassen und dem Museum in Constantinopel zuzu- schicken. Bei dieser Gelegenheit erfuhr ich noch von den Vätern, dass der französische Coiisul in Siwas vor Jahresfrist eine grosse hethitische Stele im Bezirk von Gürün aufgefunden, aber nicht copirt habe; der Versuch, sie nach Constantinopel zu schaffen, sei wegen der Schwere des Steins misslungen. Da mein Rückweg zur Küste des Schwarzen Meeres mich in die Nähe von Gürün bringen wird, so werde ich natürlich nach diesem Stein recherchiren. Am 11. November fuhren wir nach Talas zu den Herren von der amerikanischen Mission, von wo wür am folgenden Tage zum Besuche der Ruinen von Comana Cappadociae, dem heutigen Schahr, aufbrachen. Am 13. November passirten wir das grosse armenische Dorf Ekrek (etwa -35 km östlich von Caesarea gelegen), auf dessen Kirchhof ein hethitischer Inschrift-Stein existirt, der bislang nur in sehr mangelhaften Copien einiger armenischer Lehrer bekannt geworden war. Die nur aus einer Zeile bestehende Inschrift ist bis auf einige wenige Zeichen voll- ständig erhalten. Sie ist eingegraben auf einer grossen Stele aus hartem Kalk- stein und über ihr ist eingehauen ein grosses Kreuz, reich ornamentirt, das den grössten Theil der unten abgebrochenen Stele einnimmt und durchaus den Eindruck macht, als ob es gleichzeitig mit der Inschrift eingehauen sei. Jedenfalls sind auf dem oberen Theil der Stele von 1,01 m Länge grosse Partien der ursprünglichen polirten Oberfläche der Steines erhalten, welche deutlich erkennen lassen, dass ausser dem Kreuz hier nie eine andere Sculptur, bezw. eine Inschrift existirt hat. Es ist dem Steinmetz übrigens nicht gelungen, die ganze Inschrift auf einer Zeile einzugraben, er hat deshalb die letzten paar Zeichen darunter, auf dem mit « bezeichneten Platze (vergl. Fig. 23) eingehauen, dessen Länge heute noch 5V2 f""* beträgt, ehemals aber IP/., rm war. Ein einfacher senkrechter Strich bezeichnet hier das Ende der Inschrift, die übrigens vorzüglich erhalten ist und so frisch aussieht, als wäre sie soeben erst angebracht worden. Sicherlich ist es keine Königs-Inschrift; sie beginnt vielmehr sehr auffälligerweise mit der Hieroglyphe, die Hr. Professor Jensen als „Cilicien" deutet, was schwerlich richtig sein kann. Der Stein ist auf der Rückseite un- beschrieben; die Inschrift, welche ihrem Duktus nach ebenfalls zu den jüngsten hethitischen Inschriften gehören dürfte, wird wohl noch lange ein Räthsel bleiben. Die Stele soll angeblich vor etwa 300 Jahren auf dem Kirch- hofe selbst ausgegraben worden sein. Natürlich wurde die Inschrift copirt und abgeklatscht, der Stein selbst photographirt. Etwa 1 /./H von Ekrek entdeckten wir an der inneren Wand eines Felsen- zimmers eine sehr lange Zeile schöner griechischer Schrift. — Am 14. November Vormittags erreichten wir Azizieh am Zamanti tschai, von wo Hr. Consul Majew^sky und ich schon am Nachmittage mit nur ganz leichtem Gepäck aufbrachen, um die schon schneebedeckte Rette des Antitaurus zu über- schreiten und nach dem bereits im Vilajet Adana gelegenen Schahr zu eilen. Hier kamen wir nach einem sehr anstrengenden Gebirgsmarsche heute Nach- mittag an und begannen unverzüglich mit der Untersuchung der Ruinen des „goldenen" Comana. Fisr. 23. f2 '■ cm (505) Schah r, 16. November Mittags. Im Begriffe, dieses interessante Ruinenfeld zu verlassen, will ich für heute nur ganz kurz bemerken, dass die Untersuchung' desselben meine schon in Gümenek (= Comana Pontica) gewonnene Ueberzeugung, die Erbauung dieser Tempel der Ma sei bisher irrtümlich den Hethitern zugeschrieben worden, durchaus bestätigt hat. Ausführlicher Bericht soll demnächst folgen. Wir eilen in Gewalt- märschen nach Azizieh zurück, um so schnell als möglich Gürün und Siwas zu erreichen, denn der Winter naht jetzt mit Riesenschritten und mit dem ersten fallenden Schnee hört die Möglichkeit fruchtbringender Untersuchungen auf. — Die sogenannte ^Troglodyten- Landschaft", westlich von Caesarea — Kaisarieh. Westlich von Caesarea und dem Argäus dehnt sich ein wohl 70—80 /m langes und etwa 40 — 50 km breites Gebiet aus, das zum grösseren Theil eine schwach gewellte Ebene, zum kleineren Theil ein hügeliges, von tiefen Schluchten zerrissenes Bergland repräsentirt. Der geologische Charakter desselben ist fast durchweg vulkanisch; vorwiegend trifft man hellgrauen, fast weissen Tuff an, der sehr weich und daher leicht zu bearbeiten ist. Dieser Thatsache einerseits und dem weiteren Umstände, dass Mangels perennirender Flüsse Lehmablagerungen nur sehr selten anzutreffen sind, ist es zuzuschreiben, dass in dieser Landschaft die Häuser fast ausnahmslos nicht aus Lehmziegeln, sondern aus schön zugerichteten Tuff-Hausteinen erbaut sind, und zwar nicht nur in den grösseren Ortschaften und Städten, wie Indjassu, Uergüb, Newscheher usw., sondern selbst in den kleineren und kleinsten Dörfern. Auch der sich sehr stark und unangenehm bemerkbar machende Mangel an fliessendem Wasser hängt auf's Innigste mit dieser geologischen Formation zu- sammen. Denn der vulkanische Tuff ist so ausserordentlich porös, dass er die bei einem gewöhnlichen Regenguss fallende Wassermenge ohne Weiteres wie ein Schwamm aufsaugt, bezw. sie wie ein Sandfilter nach den tiefer gelegenen, wasser- undurchlässigen geologischen Schichten durchsickern lässt. Es müssen schon sehr bedeutende Wassermassen herunterstürzen, wüe es etwa bei einem kleinen Wolken- bruche zu geschehen pflegt, um trotz der enormen Porosität des Bodens die Bildung periodischer Bäche zu ermöglichen. So kommt es, dass man wohl häufig die kiesigen nnd sandigen Betten augenscheinlicher Wasserläufe antrifft, aber keine Spur von Wasser in ihnen; sie liegen vollständig trocken, auch auf ganz ebenem Gebiet, so dass man zunächst geneigt ist, sie für gewöhnliche Regenwasserläufe zu halten, bis eine eingehende Untersuchung den wahren Sachverhalt aufdeckt. Ueber diesem Tuff befindet sich häufig, wenngleich nicht immer, festeres, weniger poröses Gestein aufgelagert. Gewöhnlich beobachtet man dasselbe in mehr oder minder dicker Schicht nur auf den Höhen der Bergrücken, mitunter aber reicht diese Schicht auch bis auf den Boden der Thäler und Schluchten herab. In letzterem Falle ist dann die Gelegenheit für die Existenz perennirender Bäche gegeben, und solche Bach- und Flussthäler, wie z. B. da« von Uergüb und von Newsheher, pflegen dann von ganz ausserordentlicher Fruchtbarkeit zu sein. Wo aber solche perennirenden Bäche und Flüsse fehlen, wo mithin eine künstliche Bewässerung der Gärten und Felder ausgeschlossen ist, da mangelt es natürlich dann auch an den Existenzbedingungen für grössere Städte, man findet nur Dörfer und auf grosse Strecken hin auch diese nur spärlich vertreten. Denn die Anlage der Letzteren hängt in erster Linie mit ab von der Beschaffung des für die Bevölkerung nothwendigen Trinkwassers, das man in Brunnen gewinnt, welche (506) durch den Tuff bis auf die darunter liegende wasserundurchlässige, geologische Schicht herabgeteuft werden. Solch einen Brunnen von angeblich 60 m Tiefe sah ich z. B. in dem völlig in der Ebene gelegenen grossen Dorfe Melekob. wo demnach der Tuff eine annähernd ebenso grosse Mächtigkeit haben muss. In Gegenden aber, in denen die Tuffschicht noch dicker und so mächtig ist, dass die Bauern mit ihren primitiven Yorrichtungen sie nicht zu durchbohren vermögen, oder aber das Heraufziehen der Wassereimer aus so grosser Tiefe als zu mühsam betrachten, unterbleibt dann natürlich auch die Anlage von Dörfern, und ein erheblicher Theil des Landes bleibt brach liegen. Dieser vulkanische Tuff verwittert unter dem Einflüsse von Luft und Feuchtig- keit sehr leicht, er zerfällt zu einem grobkörnigen Sande resp. feinen Kies, der bei weiterem Zerfall eine feine, thonhaltige graue Erde von ganz hervorragender Fruchtbarkeit liefert. Fiff. -24. „Zuckerhüte" in der Schlucht von Korämär. Mit Vorliebe beschäftigt sich die Bevölkerung deshalb auch mit Garten- wirthschaft; besonders umfangreich wird Weinbau betrieben, und der nach primi- tiven Methoden hier gekelterte Wein ist meist wohlschmeckend und schwer, ohne süss zu sein. Daneben wird in grossem Maassstabe Obst- und Gemüsebau betrieben, während nennenswerther Getreidebau nur in den Ebenen und selbst dort nicht überall angetroffen werden kann. Denn ein grosser Theil dieses Gebietes, und zwar die grossen Ebenen am West- und am Süd-Abhang, sowie ein schmaler Strich im westlichen Theile des Nord-Abhanges des Argäus sind marschig und bringen gar nichts hervor, nicht einmal ordentliche Viehweide. An letzterer herrscht in dieser Landschaft überhaupt ein ganz hervorragender Mangel, so dass in vielen Dörfern nur ein Minimum von Vieh gehalten werden kann. In den meisten Dörfern war es deshalb auch für uns mit grossen Schwierigkeiten ver- (507) Fig. knüpft, die von uns gewünschten 2—3 Liter Milch zu erlangen ; oft war gar keine aufzutreiben, und ein Preis von 50—60, ja selbst 75 Pfennige per Liter Milch war durchaus nichts Unerhörtes und bei der geschilderten Sachlage auch leicht ver- ständlich. Fügen wir noch hinzu, dass das Land auch heute noch gerade so wald- und baumlos ist, wie schon zu Strabo's Zeiten, und zwar nicht nur die hier speciell zu behandelnde Landschaft, sondern überhaupt das südliche Cappadocien, ins- besondere auch die an sich sehr fruchtbare Ebene von Caesarea. Ueber die durch Erosion des Tuffs entstehenden, hier so äusserst zahlreich auftretenden zuckerhutähnlichen Kegel wäre noch einiges zu sagen. Man hat diesen Erosions- Process bisher gewöhnlich in folgender Weise erklärt: Die ge- sammten vulcanischen Gesteins-Schichten hier sind, zumal an der Oberfläche, sehr stark zerklüftet, enthalten zahllose Risse und Spalten, so auch insbesondere das dem Tuff aufgelagerte härtere Gestein. Man nimmt nun an, dass das durch die Spalten des Letzteren eindringende Regenwasser allmählich das darunterliegende Tuffgestein aus- und weggewaschen hat, und dass der darüber gelagerte härtere Felsblock von meist eckiger Gestalt den oberen Theil der Tufifschicht beschützt und die Bildung dieser eigenthümlichen konischen Erosions -Formen veranlasst habe. Gestützt wurde diese Ansicht durch die Thatsache, dass man auf der Spitze vereinzelter solcher Zuckerhüte Blöcke des aufgelagerten härteren Gesteins liegen sieht, oft in so bedrohlicher Stellung, dass man erwartet, sie jeden Augenblick herunterstürzen zu sehen. Nun stehen aber dieser Ansicht einige tech- nische Bedenken entgegen. Betrachten wir zu diesem Zwecke einmal ein Stück derartiger Formation: Es bezeichne: .1 die Schicht des härteren Gesteins; a, o, f/, a die darin enthaltenen Risse, Spalten und Sprünge; B den vulkanischen Tuff, Vermuthlich werden sich die Risse o nach unten zu durch den Tuff fortsetzen, denn die- selbe Kraft, welche das härtere Gestein .1 zu zerreissen im Stande war, dürfte wohl auch, in derselben Richtung fortwirkend, den so viel weicheren Tuff gesprengt haben. Selbst wenn aber diese Risse sich ursprünglich im Tuff nicht fortgesetzt haben sollten, so würden sie durch die Wirkung des herabströmenden Regenwassers sich von selbst bilden müssen. Durch die Spalten a strömt nun das Regen- wasser herein und wäscht naturgemäss das weiche Tiiffgestein allmählich aus und weg. Das müsste aber meines Erachtens in der in Fig. 25 durch die punktirten Linien angedeuteten Weise er- folgen, so dass die in Fig. 26 skizzirten Formen entstehen müssten, also eine Art Doppelkegel. Ja, es steht zu erwarten, dass, sobald die seit- liche Auswaschung des untergelagerten Tuffs einigermassen vorgeschritten ist, das Wasser, zumal bei heftigeren Regengüssen, nicht mehr Fiff. 2G. (508) am Tuff entlang herabrieseln, sondern von dem härteren Gestein A direct herab- stürzen und theilweise die Basis des Conus wegwaschen wird. Keinenfalls dürfte in diesem Falle die Basis des Conus grösser sein als der deckende Felsblock A. Das ist aber regelmässig der Fall; man findet, wenn wir schon bei der ge- zeichneten eckigen Form des Decksteines stehen bleiben wollen, ausnahmslos nur die in Fig. 27 charakterisirte Conusform, bei der der Basis-Durchmesser wohl ]0_15 Mal so gross ist als derjenige des Decksteines. Fig. 27. A i g \ -^X / ^ _ — \ Fig. 28 W/m 'I A I' Fi<.-. 29. Wollte man aber demgemäss annehmen, dass die Erosion statt in der in Fig. -25 skizzirten vielmehr in der in Fig. 28 angedeuteten Form vor sich gegangen sei (Fig. 28), also einen Doppelconus von der in Fig. 29 skizzirten Gestalt er- zeugt habe, so muss bei vorgeschrittener seitlicher Auswaschung des Tuffs auch hier bei heftigeren Regengüssen das "Wasser senkrecht herunterfällen, die Basis des Conus also bei x x treffen und den schraffirten Theil derselben wegwaschen. Auch in diesem Falle dürfte also die Basis des Conus nicht grösser sein als der Deckstein. Dass die Sache sich so nicht verhalten kann, dass vielmehr das härtere Gestein auch hier gar nichts mit der Bildung der Zuckerhutforra zu thun hat, beweist zur Evidenz die Thatsache, dass diese Erosionsform sich vornehmlich dort vorfindet, wo das härtere Deckgestein vollständig fehlt, der Tuff also bis zur Oberfläche der Bergrücken aufsteigt. Es ist ganz klar, dass die unter dem Einfluss der Luft und der Feuchtigkeit verwitternde Oberfläche des Tuffrückens am meisten von der Gewalt der darauf herniederfallenden Wassermassen zu leiden hat. Es bilden sich nach allen Richtungen hin Rinnen, durch die das Wasser sich einen Abfluss sucht, und die sich im Laufe der Jahrhunderte und Jahrtausende immer mehr und mehr vertiefen. So wird zunächst die ganze Oberfläche de.s Rückens in so zu sagen viele kleine Parzellen getheilt, die bei jedem neuen Regenguss die Wucht und den ersten Anprall der herniederstürzenden Wassermassen aufzunehmen haben und dadurch rein mechanisch schon an ihrer Oberfläche stärker weggewaschen werden müssen, als die tiefer gelegenen Tuffpartieen. So vermindert sich ganz allmählich die Fläche der einzelnen Parzellen, und schliesslich resultirt dann nach rein mathe- matischen Gesetzen der Conus, dessen Höhe bei weitergehender Erosion sich naturgemäss allmählich auch vermindert. Nur in einem Falle behält der Conus seine ursprüngliche Höhe, und zwar dann, wenn sich auf der Parzelle, aus ( er er entstanden ist, ein erratischer Block aus irgend einem härteren Gestein befand, was in diesem vulkanischen Gebiet gewiss kein seltenes Vorkommniss sein wird. Solch ein Block schützte dann die von ihm bedeckte Fläche vor der Erosion. (509) In Fig. 30 sei eine derartige Parzelle des Tuffrückens ^ig. 30. skizzirt. c ist der erratische Block, welcher die Fläche h, (■ vor der Erosion schützt. Der schraffirte Theil geht durch Erosion allmählich verloren, so dass nur der Conus a, b. r, d mit dem Felsblock e auf seiner Spitze übrig bleibt. Derartige, in voller Höhe des ehemaligen Bergrückens noch vorhandene Conus habe ich mehrere angetroffen und die zwei Auffallendsten, die sich nahe bei üergüb, dicht am Wege nach Matschian und Uetschhissar, befinden, photographirt. Es erscheint nicht überflüssig, zu bemerken, dass die auf der Spitze der Conus thronenden Blöcke ausnahmslos eine ganz unregelmässige Gestalt haben, namentlich auch auf der unteren Fläche, wie sie ganz unerklärlich sein würde, handelte es sich hier um eine ursprünglich vorhanden gewesene obere Gesteinsdecke. Fi?, ai. Zuckerhutähnliche Erosionsformen in ursprünglicher Höhe mit erratischem Block auf der Spitze) in der Nähe von üergüb. Man vermisst auch, venn man in dem Hauptrevier der Conus, den Thal- schluchten von Korämär und von Matschian umhergeht, vollständig die anderen Theile der angeblichen ehemaligen oberen Gesteinsdecke, welche sich zwischen den einzelnen Conus hätten befunden haben und jetzt unten liegen müssten. Schliesslich sei noch erwähnt, dass sich z. B. in der grossen Thalschlucht von Newscheher, durch die der Weg nach Süden, zum Dorfe Meleköb, führt, und in der durchweg über dem Tuff das härtere Deckgestein lagert, auch nicht ein einziger Conus vorfindet, wie denn überhaupt unter solchen Verhält- (510) nissen diese Erosionsform nur selten und unter besonders günstigen Bedingungen auftritt. Dies mag für die geographische und geologische Charakteristik jenes Gebietes »■enügen. Resümiren wir noch einmal kurz, so ist es ein holz- und baumloses Land, mit nur wenigen perennirenden Flüssen, das deshalb in grossen Theilen an Wassermangel leidet und nur minimale Weideflächen besitzt, mithin für Viehzucht in''grösserem Maassstabe gänzlich ungeeignet ist, im Uebrigen aber sich durch seine auffällige geologische Formation auszeichnet. Fiff. 32. ,Zuckf'rhüte" in der Korämär-Schlucht, nahe bei Matschian. )M[an hat dieses Gebiet bisher gewöhnlich als „Troglodyten-Land schaff be- zeichnet, eine Benennung, die gar leicht zu falschen Vorstellungen Veranlassung giebt. Denn unter einer Troglodyten-Wohnung stellt man sich wohl allgemein mehr oder minder geräumige und tiefe Höhlen vor, denen es an Luft und Licht mangelt; solchen A^'erhältnissen aber begegnet man bei den Felsen-Wohnungen und -Zimmern hier nur selten. Der Reisende, welcher sich z. B. dem pittoresk gelegenen Städtchen Uergüb nähert, ist angenehm überrascht von den schmucken, sauberen Häusern, die aus- nahmslos aus schön behauenen, häufig auch hübsch ornamentirten Tuff-Hausteinen erbaut sind. Er ahnt es nicht, dass er sich einer Stadt nähert, deren Wohngelasse stark zur Hälfte in den Fels selbst hineingehauen sind; und wenn er dann bei näherer Besichtigung hinter den Thatbestand kommt und die Felsenzimmer selbst besucht und genau kennen lernt, so wird er mit wachsendem Interesse und Erstaunen constatiren müssen, dass dieselben in der Regel den saubersten und gesündesten Theil der Wohnungen repräsentiren. Sie sind hell und luftig angelegt. Wände und Decke findet man häufig in einfacher, aber geschmackvoller Weise (z. B. durch Rosetten) mit Fels-Ornamenten verziert, und an Nischen und Wandschränken, die (511) man direct in die Felswände der Zimmer eingehauen hat, herrscht Ueberfluss vor. Gewöhnlich läuft an den Wänden eine breite, erhöhte Estrade (etwa -25—35 cm hoch) herum, die in vielen Zimmern die Höhe einer Sitzbank (70—80 cm hoch) erreicht und nicht nur zum bequemen Sitzen tagsüber, sondern namentlich auch Nachts als Schlafstätte dient, üeberraschend wirkt die peinliche Sauberkeit, die in den meisten dieser Zimmer herrscht und, bei der nur sehr geringen Abnutzung der felsigen Wände, Böden und Decken derselben, auch mit leichter Mühe aufrecht zu erhalten ist. Ungeziefer, wie Wanzen, Flöhe, Läuse u. dergl. trifft man fast nie in ihnen an, und wir haben deshalb stets mit dem grössten Vergnügen in solchen Felsenzimmern übernachtet, in denen wir einer ungestörten Nachtruhe gewiss sein konnten. Oefen oder Feuerstellen-Anlagen findet man in ihnen nur sehr selten, denn ebenso kühl wie diese Felsenzimmer im Sommer sind, ebenso warm sind sie im Winter, so dass es einer Heizung derselben nicht bedarf. Die Bedeutung und Wichtigkeit dieser letzteren Thatsache aber in einem an Feuerungsmaterial so überaus armen Lande, wie dieses Gebiet es ist, lässt sich leicht ermessen. Die Bauart der Häuser in Uergüb ist nun zumeist folgende: Die Front des Gebäudes ist gewöhnlich aus Hausteinen aufgeführt; hinter ihr befinden sich im Erdgeschoss in die Felsen gehauene Zimmer, während die obere Etage auf den Felsen aufgesetzt und ganz oder doch grösstentheils aus Hausteinen besteht, also ein gewöhnliches Haus vorstellt, wobei man freilich immer, so weit es die Situation erlaubte, den natürlichen Fels bei der Herstellung der Wände benutzte. Zur Er- läuterung sei hier eingefügt, dass Uergüb 3 grosse mit einander in Verbindung stehende Schluchten einnimmt, in denen die Häuser sich an den sanften, felsigen Abhängen hinaufziehen. Oft sind die Wohnungen auch so arrangii't, dass vor dem Felshang ein Terrain durch Mauerwerk (aus Hausteinen natürlich bestehend) ein- gezäunt ist, innerhalb dessen sich mehrere schmucke Häuschen aus Hausteinen erheben, während in die Felswand eine ganze Reihe von schönen, hellen Zimmern eingehauen sind, die meist als Staats-, Empfangs- und Gäste -Zimmer dienen. Daneben hat man dann in der Regel auch die Stallungen für das Vieh eingehauen, in denen die Futterkrippen ebenfalls in den Fels gehauen sind. Nach der ersteren Methode war z.B. das Haus des Stadtarztes von Uergüb, Hrn. Dr. Emanuelidis, erbaut, das ich mir eingehender besehen habe. Es bestand aus VI Räumen, von denen 7 Felsenzimmer, die anderen 5 gewöhnliche Zimmer waren; das schönste Zimmer war ein saalartiger, luftiger und schön heller Raum im Erdgeschoss, der in den Fels hineingehauen war und mit seiner hervor- ragenden Sauberkeit und wohlthuenden Mitteltemperatur einen sehr angenehmen Aufenthalt bot. Fast jedes Haus in Uergüb besitzt eine Reihe solcher Felsenzimmer, und ich muss gestehen, dass ich mir, wäre ich gezwungen dort zu leben, unzweifel- haft auch ein solches Haus, wie es Hr. Dr. Emanuelidis besitzt, erbauen lassen würde. Allerdings stellt sich die Anlage solcher Felsenräume, zumal wenn geschmack- voll und mit Fries und mit Decken- Ornamentik verziert, erheblich theurer als ein nur aus Haustein aufgeführtes Gebäude, aber es ist doch eine sich sehr gut ver- zinsende Capitalsanlage. Denn einerseits hat man auf viele, viele Jahrzehnte, ja man kann wohl sagen auf ein Jahrhundert hinaus nichts mit Reparaturen irgend welcher Art zu thun, — unter den von mir besichtigten Felsenw^ohnungen befanden sich mehrere, die so neu und frisch aussahen, als ob sie soeben erst fertig gestellt wären; auf meine Anfrage aber hörte ich, dass sie vor etwa 30 Jahren angelegt worden seien, — andererseits aber fällt pecuniär die Ersparniss an Heizkosten sehr stark ins Gewicht. (512) Das Aushauen der Zimmer geschieht der Hauptsache nach mittelst einer so- genannten Spitzhaue. Räume gewöhnlicher Art, also z. B. Gelasse für Futter und Vorräthe aller Art, macht sich das gewöhnliche Volk meist selber, die besseren Wohnzimmer aber lässt man durch Steinhauer-Meister herstellen, deren man die besten und zahlreichsten in üergüb antrifft. Die Häuser der Bauern in den Dörfern sind in ganz ähnlicher Art. nur etwas einfacher vielleicht, ausgeführt. Derart beschaffen sind also die modernen Wohngebäude in jenem Gebiete, und man wird zugestehen müssen, dass dieselben absolut nichts Troglodytenhaftes an sich haben. Bei den älteren Felsenwohnungen, die heute zum weitaus grössten Theile ver- lassen und unbewohnt sind, fehlt nun freilich der nach europäischer Art aus Hau- steinen errichtete Vor- resp. Aufbau, aber die Felsenzimmer selbst, zumal die für den ständigen Aufenthalt der Bewohner bestimmten, ermangelten keineswegs des Lichtes und der Luft. Auch hier fehlt durchaus das Höhlenhafte. Am Besten kann man das beobachten an den zahllosen , in den Zuckerhut-Felsen angelegten Woh- nungen: Fast ausnahmslos helle, freundliche Zimmer, selbst wenn sie nicht für Wohnzwecke, sondern für irgend einen Gewerbebetrieb, z. B._^zum Weinkeltern, bestimmt waren (s. Fig. o2, S. 510). Irgend einen Unterschied in der Anlage, Construction, Bau -Ausführung, ja selbst auch in der Ornamentik zwischen den modernen und den älteren Felsenzimmern habe ich trotz emsigen Bemühens nicht entdecken können, abgesehen von etwas grösserer Einfachheit natürlich. Um Felsen-Wohnungen von mehr höhlenhaftem Charakter anzutreffen, muss man zeitlich schon sehr weit zurückgehen, etwa in die Zeit um Christi Geburt herum, denn was ich von alten und ältesten Felsenkirchen in Uergüb z. B. gesehen habe, hatte durchaus nichts Höhlenhaftes an sich. Wie mir Hr. Dr. Dodd, der Arzt der amerikanischen Mission in Talas bei Caesarea (eine Stunde östlich davon gelegen) allerdings mittheilte, hat er vor Jahren eine richtige höhlenartige, tief im Innern der Bergwand in der Soghanli-Schlucht angelegte Kirche resp. Kloster aufgefunden, die mitsammt dem Refectorium, der Küche, den Zellen für die Priester oder Mönche usw. gänzlich dunkel war und jeder Ventilation entbehrte. Ich habe trotz allen Suchens diese interessante Anlage nicht finden können, muss daher Mangels eigener Untersuchung und Feststellung einstweilen die Frage noch offen lassen, ob dieselbe nicht etwa einer viel früheren Zeit entstammt und erst später, zur Zeit der Einführung des Christenthums in Cappadocien, für kirchliche Zwecke umgebaut worden ist. Aufschluss darüber würde wahrscheinlich die Situation des Kirchenraumes geben, deren Schiff in Ost-Westrichtung orientirt sein muss. Bei dem Fehlen von Inschriften irgend welcher Art in diesen Felsenwohnungen höheren Alters und der auch hier im Principe kaum veränderten Bauart derselben hält es natürlich ausserordentlich schwer, Anhaltspunkte für die Bestimmung der Zeit- epoche ihrer Errichtung zu gewinnen. Die Kirchen selbst, soweit man sie zum Vergleiche heranzuziehen berechtigt ist, beweisen nur, dass sie nach Einführung des Christenthums errichtet worden sind; wie lange danach aber, lässt sich zu- verlässig kaum annähernd bestimmen, denn was sich an Malereien (meist sehr, sehr roher Art) in ihnen vorfindet, entstammt wohl in den meisten Fällen einer weit späteren Zeit. Sind diese Felsenkirchen aber gar etwa durch Umwandlung älterer Anlagen entstanden, so lässt sich natürlich über die Zeit der Entstehung der Letzteren garnichts sagen. Einen kleinen vergleichenden Anhaltspunkt gab mir die Auffindung zweier heidnischer Tempel, von denen ich den einen in Uergüb entdeckte, wo er mir von den Bewohnern, die sonst über die kleinsten Details ihrer Felscnkirchen und (513) deren Geschichte wohl orientirt sind, als , namenlose" Kirche bezeichnet wurde, was sofort meine Aufmerksamkeit erregte und mich zu eingehender Untersuchung ver- anlasste. Den anderen entdeckte ich in der Soghanli-Schlucht. Beide waren sie nach Süd-Nord orientirt, die Eingangsthür im Süden, von Altar oder einer dafür bestimmten Nische keine Spur; beide Tempel waren im Innern sehr dunkel, nur durch ein kleines Lichtloch erhellt, dafür wies der Soghanlier 16 kleine Nischen zum Anbringen von Lampen oder Kerzen auf. Der Letztere bestand nur aus einem Schiff, dessen Decke schön gewölbt war, der Uergüber Tempel dagegen enthielt ein Mittel- und zwei Seiten-Schift'e, und seine flache Decke ruhte auf zehn viereckigen Säulen. Die Höhe beider Tempelräume betrug zwischen 5 und 6 m. Wenn man nun bedenkt, dass solche Cultstätten ganz besonders schön und dem Geschmack des Volkes entsprechend ausgeführt wurden, so lässt die in diesen Tempeln herrschende Dunkelheit darauf schliessen, dass zur Zeit ihrer Erbauung die Bevölkerung an schwach oder gar nicht erhellte Wohnungen gewöhnt war, also in mehr höhlenhaft angelegten Felsenzimmern hauste. Das bestätigt sich einigermaassen für den Uergüber Tempel durch eine dicht neben ihm belindliche Pelsenwohnung, augenscheinlich sehr hohen Alters, deren sehr einfach und schmuck- los, fast roh angelegte und ziemlich dunkle Zimmer ganz schwarze, wie verräucherte Wände besassen, und aus denen stockfinstere, jetzt durch Erde halb zugeschüttete, sehr niedrige Gänge zu weiteren, höher gelegenen Räumen führten. Will man noch weiter vergleichende Schlüsse ziehen, so könnte man aus der Thatsache, dass der Soghanlier Tempel im Innern erheblich dunkler als der Uergüber war, auf ein höheres Alter des Ersteren schliessen, womit die weit einfachere Construction desselben übereinstimmen würde. Nicht unerwähnt will ich dabei lassen, dass der Uergüber Tempel eine hohe, bequeme Eingangsthür, der Soghanlier dagegen eine kaum 1,40 w hohe, enge Oeffnung besass, durch die man nur gebückt das Innere betreten konnte. Dabei weist aber zugleich die gewölbte Decke des Letzteren, ferner ein an den Wänden herumlaufender Fries, sowie eine grosse Zahl von Säulen, die auf den Wänden in Halbrelief aus dem Fels heraus- gemeisselt waren, auf einen, wenn auch einfachen künstlerischen Geschmack der Bevölkerung hin. Für eine absolute Zeitbestimmung gewähren freilich auch diese heidnischen Felsentempel keinerlei Anhalt. Man kann eben nur sagen, dass sie und die ihnen entsprechenden Felsenwohnungen vor Einführung des Christenthums in Cappa- docien entstanden sind; wie viele Jahrhunderte vorher das gewesen sein mag, wird wohl noch lange, wenn nicht für immer dunkel bleiben. Ein wichtiger Unterschied aber macht sich zwischen den nachchristlichen, so zu sagen mittelalterlichen und diesen älteren Felsenwohnungen bemerklich. Während die Ersteren frei und offen daliegen mit einem für Jedermann leicht bemerklichen und zugänglichen Eingange, nach dessen Forcirung nichts mehr den Zutritt zu den einzelnen Räumlichkeiten hemmte, macht sich bei den Letzteren schon das Bestreben geltend, die Eingänge versteckt und oft so anzubringen (z. B. als schmalen, niedrigen, zunächst etwas in die Tiefe führenden Gang), dass sie durch vor- oder darauf gewälzte Steine den Augen Fremder leicht ganz entzogen werden konnten. Im Innern der höhlenähnlichen Felsenwohnungen waren die einzelnen Zimmer- gruppen durch niedrige, in den Zimmerecken möglichst versteckt angebrachte, lange und stockfinstere Corridore oder Gänge miteinander verbunden, in die sich ein Eindringling nicht so leicht hineintraute. Andere wieder legten ihre Wohnungen in mehreren Etagen übereinander an, zu denen man auf recht unbequemen, von oben herab leicht zu vertheidigenden Verbindungsgängen emporsteigen musste. Kurzum, Verhandl. der Berl. Anthropol. Gesellschaft 1901. •>•"• (514) man merkt überall das Bestreben, sich zu verstecken und gegen plötzliche unlieb- same Ueberraschungen zu schützen. Das trifft in keiner Weise für die nach- christlichen Felsenwohnungen und namentlich auch nicht für die Kirchen zu, und ich kann mich deshalb auch durchaus nicht der gang und gäben Meinung an- schliessen, dass ein grosser Theil dieser Felsen-Zimmer und -Kirchen von den hiesigen Christen in den ersten Jahrhunderten unserer Zeitrechnung angelegt worden sei, um sich in ihnen zu verstecken und vor Verfolgung zu schützen. Dazu waren diese späteren Anlagen herzlich wenig geeignet; zudem ist mir auch von solch umfassenderen Christenverfolgungen in Cappadocien, die die Bevölkerung zur Anlage von vielen, vielen Tausenden mühsam auszuhauender Felsenzimmer veranlasst hätten, nichts bekannt. Und schliesslich übersieht man dabei vollständig, dass wie heute, so sicherlich auch schon vor 2 — 3000 und mehr Jahren die Bevölkerung dieses Gebietes in Tuffsteinwohnungen gehaust haben wird, ja aus Mangel an Bauholz zu einem grossen Theile gehaust haben muss. Gehen wir nun noch weiter in der Zeit zurück, so nimmt das Festuugsartige, das Vertheidigungsprincip in der Anlage der Felsenwohnungen einen immer wichtigeren Platz ein, und zugleich tritt das Höhlenhafte derselben mehr und mehr hervor. Vor allen Dingen suchte man den Zugang zu der eige'ntlichen Wohnung so viel wie möglich zu erschweren, zu welchem Zwecke man sich zweier, ganz verschiedener Einrichtungen bediente. Die eine bestand darin, dass man einen langen Gang anlegte, durch den allein man von aussen her zu den eigentlichen Zimmern gelangen konnte. Um Fremden die Orientirung zu erschweren und zu verhindern, dass man vielleicht von benachbarten Felsenzimmern aus einen Zugang zu der eigenen Wohnung schuf, wurde dieser Gang zumeist in vielfachen Windungen und Krümmungen angelegt. Am Ende des Ganges, dicht vor dem Eingange zu dem ersten Zimmer, wurde dann die in Figur 33 skizzirte Einrichtung gemacht. Es bedeutet hier: » Fig- 33. ji — den langen Zugang; - B = das Felsenzimmer; C = einen bis an die Decke des Zimmers reichenden, stehen gebliebenen Felsen- pfeiler (viereckig); I) = einen kreisrunden, dicken, in der Mitte mit einem Loch versehenen, sehr schweren Stein, der wie ein grosser Mühlstein aussieht und in der Regel an der Stelle a — b, also zwischen dem Pfeiler C und der Seitenwand des Zimmers, her- ausgehauen worden ist. Der Durchmesser dieses Steins ist erheblich grösser als die Höhe und Breite des Ganges A; E= eine kleine Nische in der gegenüberliegenden Wand, gross genug, um den Stein D zu einem kleinen Theil (= etwa ein Fünftel bis ein Achtel) hineinrollen zu können. Im Allgemeinen und in ruhigen Zeiten befindet sich der Stein D in der oben gezeichneten Lage; herrschen aber Kriegswirren, oder wünscht der Besitzer sein Felsenhaus aus irgend einem anderen Grunde zu versperren und unzugänglich zu machen, so rollt er, mit seinen Leuten im Zimmer B stehend, den Verschlussstein vor die Oeffnung des Ganges A und bis in die Nische E hinein, in welcher Lage er ihn festklemmt (z. B. durch untergeschobene Balken oder grosse Steine, so dass er von aussen her nicht zurückgerollt werden kann. Mitunter ist für diesen Zweck (515) Fig- 34. derjenige Theil des Steines, welcher sich bei dieser Lage oben befindet, dort etwas abgeplattet, sodass durch einen zwischen diese Abplattung und die Zimmer- decke geschobenen Stein oder Balken das Zurückrollen des Verschluss-Steines von aussen her zur effectiven Unmöglichkeit gemacht werden konnte. Die Dimensionen dieses runden A^erschlusssteines hängen von der Breite und Höhe des Ganges ab, die er unter allen Umständen nicht unerheblich im Durch- messer überschreiten muss. Der gewaltigste derartige Stein, den ich Gelegenheit hatte zu sehen, hatte mehr als 2 m Durchmesser bei einer Dicke von 0,62 w, besass also mehr als 2 cbm Inhalt und dürfte zwischen 3500 und 4000 kg gewogen haben. Der lange Gang A hatte hier etwa 1,8 m Höhe an seinem Ende. Natürlich bildete ein solcher Verschluss noch lange keinen absoluten Schutz gegen Feinde usw., die, wenn sie die nöthige Geduld und Ausdauer besassen, ja den aus Tuff bestehenden Abschlussstein mit Spitzhauen oder dergleichen zer- trümmern konnten. Man suchte deshalb diese Art von Schutzmittel dadurch zu verstärken, dass man weitverzweigte Wohnungen anlegte, deren einzelne Zimmer- gruppen durch lange Gänge miteinander verbunden waren, in denen man dann mehrere derartige Verschlussteine angebracht hatte. In einer solchen Anlage zählte ich sechs solcher Verschlusssteine. War nun schon das Eindringen in eine derart versperrte Felsenwohnung eine sehr schwierige Sache, so gewährte die folgende Einrichtung noch einen viel grösseren, ja für das hohe Alterthum fast absoluten Abschluss. Ein längerer oder kürzerer Gang führt zunächst in eine Ai-t Vorzimmer, das haupt- sächlich der Verschluss -Einrichtung wegen angelegt worden ist, in friedlichen Zeiten aber auch Wohnungszwecken usw. dienen kann. Die Höhe dieses Raumes beträgt 2 — 2V2 "'• In der Decke desselben ist ein Schlot oder Kamin senkrecht in die Höhe gearbeitet, der 10 — 15, mitunter auch 20 w Höhe erreicht und an seinem oberen Ende in die eigentlichen Wohnräume mündet. Die Dimensionen eines solchen Schlotes ergaben sich zu 68 X 62 cm. In zwei gegenüber- liegende Wände desselben waren in einem Höhen-Abstande von 23 cm kleine, nischen- artige Vertiefungen eingehauen, die einem Menschen ein ziemlich bequemes Auf- nnd Absteigen ermöglichten. Wollte ein Un- berufener oder ein Feind gegen den Willen der Bewohner hinaufsteigen und in die Wohnung eindringen, so konnte man ihn durch von oben herabgeworfene Steine leicht daran hindern, bezw. tödten. Um aber nicht ständig oben an der Oeffnung des Schlotes Wache stehen zu müssen, hatte man un- mittelbar neben ihr einen schweren Haustein aufgestellt, den man nur umzulegen brauchte. um den Schlot zu verschliessen und die Wohnung in wirksamster Weise abzu- sperren. Eine derartige Einrichtung befindet sich z. B. in dem Uergüber Pestungs- (516) Felsen an einer heute gänzlich unerreichbaren Stelle; dort ist ein mächtiges Stück des Tuff-Felsens heruntergestürzt und mit ihm die Hälfte des unteren Zimmers, des Schlotes und des oberen Zimmers, so dass die ganze Eigenart der Anlage mitsammt dem oben bereit stehenden Deckelstein wie in einem wohlgelungenen Verticalschnitt sich dem Auge des Beschauers darbietet. In Fig. 33 bezeichnet: a = die Mündung des Ganges; .4, B, C, D — E, F, Cr, H = das untei-e Zimmer; i, K, L, M — N, 0,P,Q = den Schlot; B,S,T,r— F, W,X, Y = das obere Zimmer; h, f, rl, e. — /', //, //, ' = den als Verschluss dienenden schweren Deckel- stein. Die Trittstuten in den Seiten /, A' und L, M sind nicht eingezeichnet. Aus dem oberen Zimmer gelangt man durch hier nicht weiter eingezeichnete Thüren zu den anderen Wohnräumen. Wer bei Anlage seiner Felsenwohnung noch sicherer gehen wollte, combinirte diese beiden Absperrungsarten und Vertheidigungsmittel; eine derartige Anlage be- sichtigte ich z. B. in üergüb dicht neben dem Garten des griechi'schen Kaufmanns und Teppich-Fabrikanten Papadopulos. Hier führte ein Gang zunächst in den Felsen hinein und dann auf Felsentreppen etwa 10—15 m langsam hinauf in ein Zimmer, das nach den dort in die Wände eingehauenen neun kleinen Krippen zu urtheilen in Friedenszeiten augenscheinlich als Pferde- oder Rinderstall benutzt worden ist. In einer Ecke des Raumes befand sich eine kleine Cisterne. Ver- schlossen konnte hier der Zugang werden durch einen mächtigen runden Stein von über 2 m Durchmesser. Von der Decke dieses Zimmers aus führte dann ein tadellos senkrecht ausgehauener Schlot von etwa lö m Höhe hinauf in die eigent- lichen Wohnräume, die aus einem sehr grossen und G kleinen Zimmern bestanden. Es ist überflüssig zu erwähnen, dass diese so schön eingerichtete und tadellos er- haltene Anlage heute nicht mehr benutzt wird. Dass derart complicirte, viel Zeit und Arbeit erfordernde Wohnungen nur in Zeiten constanter Beunruhigung und Bedrohung von Leib und Leben der Bevölkerung entstehen konnten, ist wohl selbstverständlich. Dabei wird man aber nicht an eine feindliche Eroberung und Jahre lange Okkupation des Landes durch ein fremdes Volk zu denken haben, sondern mehr an vorübergehende Ereignisse von verhältnissmässig kurzer Dauer, also z. B. an räuberische Einfälle benachbarter Völker. Denn sobald die Lebens- mittel und namentlich die aufgespeicherten Wasservorräthe verzehrt waren, was im besten Falle doch nur einige Monate dauern konnte, mussten die Bewohner dieser so wohl verwahrten Anlagen doch unbedingt aus ihren Schlupfwinkeln heraus- kommen. Solche kriegerische oder räuberische Beunruhigung ist abei' zur Blüthe- zeit der hethitischen Macht kaum denkbar, und da, wie sich noch zeigen wird, auch dieses Gebiet hier seiner Zeit der hethitischen Herrschaft unterstellt gewesen ist, so dürften diese eigenthümlichen Einrichtungen und Anlagen wohl erst gegen das Ende der hethitischen Reiche entstanden sein, also zur Zeit, als die Hethiter- Fürsten nicht mehr im Stande waren, ihre Unterthanen ausgiebig zu beschützen. Muss man nun schon diesen Anlagen, obgleich sie in verhältnissmässig leicht zu bearbeitendem Tuffgestein gemacht sind und im Grossen und Ganzen wenig Höhlenhaftes aufweisen, wegen ihrer eigenartigen Einrichtungen ein ziemlich hohes Alter beimessen, so gelangen wir für eine andere Kategorie von Felsenwohnungen in noch viel ältere Zeitepochen. Es finden sich nehmlich mitten in den grossen Ebenen ausgedehnte und viel verzweigte unterirdische Anlagen vor, die mit ihren (:.17) engen, sehr niedrigen und langen Zugängen, den vielen kleinen, ganz roh und schmucklos hergestellten Räumen, die eher an Ställe für Kleinvieh, denn an für den Aufenthalt von Menschen bestimmte Zimmer erinnern und mit ihrer raben- schwarzen Finsterniss und der Mangels jeglicher Ventilation erstickend dumpfen und ungesunden Atmosphäre den Typus des echten, unverfälschten prähistorischen Höhlenbaues repräsentiren, wie er wohl nur in den ältesten Zeiten der mensch- lichen Geschichte zur Anwendung gelangen konnte. In besonders grosser Zahl finden sich diese Wohnungsanlagen echt höhlenhaften Charakters in den Dörfern Ine-i und Meleköb, und es lohnt wohl, einige derselben zu beschreiben. In Ine-i wie in Meleköb tritt nicht der hellgraue, weiche Tuff, sondern ein schwarzes, meist sehr poröses, dabei aber sehr hartes vulkanisches Gestein auf, dessen Bearbeitung und Aushöhlung ziemlich grosse Schwierigkeiten bot. Augen- scheinlich sind die Höhlen wohnungen von Ine-i jüngeren Datums als die von Meleköb, sie seien deshalb auch zuerst beschrieben. Ein Pelsengang von etwa 1,60 m Höhe, der sich an einigen Stellen bis auf etwa 1,40 m reducirt. so dass man stark gebückt schreiten muss. und nur 40 bis 50 cm Breite, fast durchweg mit Felsenstufen versehen, führt schräge in die finstere Tiefe hinab. Plötzlich erweitert sich derselbe zu einem grösseren Räume, in dem zahlreiche, kleine, lochähnliche Oeffnüngen in den Wänden zu sehr niedrigen und kleinen Seitenzimmern führen. Man durchschreitet den Hauptraum und folgt dem Treppengange weiter hinab in die Tiefe. Rechts und links sieht man in seiner Wandung zahlreiche kaum 1 m hohe und 0,6 m breite Oeffnüngen, die wieder zu kleinen Seitenräumen, meist kaum mehr als 2 X 2 m messend, führen, dann tritt man abermals in einen grösseren Rai;m ein, dessen Eingang aber in der oben beschriebenen Weise durch einen kreisrunden Stein von etwa 1,10 m Durchmesser und etwa 35 cm Dicke verschlossen werden kann. Auch hier wieder dieselben Seitenräume; dann aber- mals Fortsetzung des mit Seitenkammern ausgestatteten Ganges, dessen Gesammtlänge etwa 60 — sO m beträgt. Insgesammt zähle ich in dieser Wohnungsanlage 37 Zimmer oder richtiger gesagt Löcher, durchweg roh und ganz schmucklos gearbeitet und oft so niedrig, dass man kaum aufrecht in ihnen stehen kann. Die Luft ist schwül und erstickend dumpf, so dass ein Theil meiner Begleiter auf halbem Wege umkehrt und wieder der frischen Luft zueilt. Alles schwarz und verräuchert; welch ein Qualm, was für eine Athmosphäre muss hier erst herrschen, wenn man in diesen, aller Ventilation baren Räumen auch noch gar Feuer anzündet! Wir kehren zurück, und ich bemerke mir dabei noch ganz besonders, dass man weder Pferd, noch Rind oder irgend ein anderes Stück Grossvieh durch den engen und niedrigen Gang in das Innere der Höhlenwohnung hineinbringen kann, sowie dass keiner der Haupträume als Stall eingerichtet, also mit eingehauenen Futternischen ver- sehen ist. Man erzählt mir noch, dass dort Anlagen von der doppelten und drei- fachen Grösse vorhanden sind. Wie tief die letzten Räume unter der Erd-Ober- fläche liegen, Hesse sich nur schwer sagen, doch schätze ich es auf gut 15 — 20 m. In Meleköb liegt die Sache etwas anders. Während in Ine-i der Gang in der Hauptsache geradeaus verläuft, tAg..o. windet er sich hier hin und her, so dass man alle Orientirung ^ "^^^ * verliert. Zudem gehen mehrfach rechts und links Seiten- / \ s gänge ab, die zu Zimmergruppen führen. Der insgesammt t — jo^öo j 1 etwa 100 m lange Hauptgang führt zunächst langsam in \ '^'" / ? die Tiefe, dann ziemlich horizontal weiter, und die ge- \ / ^ sammten Zimmer liegen im Allgemeinen nicht mehr als \AMs_y i etwa 4 m unter der Erd-Oberfläche. Die Gänge sind sehr (518) Fiff. 37. eng und niedrig, nur 1— 1,'20 m hoch, mitunter nur 0,8 m und selten 1,40 m hoch; zudem sind sie an der Sohle nur 20—25 cm und an der breitesten Stelle nur 50—60 cm breit und oval geformt (Fig. 35), so dass das Vorwärtsbewegen in ihnen mit ziemlicher Schwierigkeit rerknüpft ist (oft muss man sich geradezu durchzwängen). Die Möglichkeit, durch diese Gänge Grossvieh, ja auch selbst nur grosshörnige Ziegen oder Schafe, herein zu bringen, ist mit aller Entschiedenheit zu verneinen; keine der Räumlichkeiten im Innern ist für Stallzwecke eingerichtet. Im Gegensatze zu Ine-i liegen in dem Gange selbst keine Seitenkammern, viel- mehr führt derselbe aus einem grossen Räume in den Anderen. Jeder der Letzteren weist eine grosse Zahl von Seitenräumen auf, deren Eingänge ausnahmslos eng und niedrig sind. Fast an jedem Hauptraum befindet sich die Nische mit dem hier nur annähernd runden Verschlussstein, deren ich im Ganzen 6 oder 7 zähle, von 1 — 1,20 ni Durchmesser und 30 — 40 C7n Dicke, entsprechend ro. 0,3 — 0,4 ch7)i Inhalt und etwa 500 bis 100kg Gewicht. Am Ende des Haupt- ganges befindet sich ein durch Ver- schluss-Steia absperrbares Zimmer, in dem ein kleiner, etwa 0,6 — 0,7 m Durchmesser habender Brannen ab- geteuft ist, der aber gegenwärtig fast ganz verschüttet ist. Man war also in diesen finsteren und öden Felsgrotten der Gefahr des Ver- durstens nicht ausgesetzt. Die An- lage enthielt insgesammt, abgesehen von einer grossen Zahl kleinerer und grösserer nischenartiger Einhaue. 21 Räume, von denen einige noch heute benutzt werden, und zwar zu- meist zum Aufbewahren von Lebens- mitteln. Die Bauern behaupten nehm- lich, dass man in diesen Felsen - zimmern Getreide ungezählte Jahre aufbewahren könne, ohne dass es schlecht würde oder seine Keim- kraft verlöre, und sie stellen mit Vorliebe ihren topfförraigen neuen Käse hinein, der nach Jahresfrist dann ganz ausgezeichnet schmecken soll. Die dort wohnenden praktischen Griechen haben aber auch herausgefunden, dass sich diese Räume wegen der in ihnen das ganze Jahr hindurch herrschenden gleich- massig kühlen Temperatur ganz besonders zur Weinbereitung eignen. Sie haben deshalb in dieser Wohnungs-Anlage nicht nur, sondern auch in anderen und auch an anderen Orten, wie z. B. Ine-i, Korämärusw. in einem der Zimmer grosse kastenartige Vertiefungen in den Boden eingehauen, in denen sie ihre Trauben keltern und den Most vergähren lassen. In der Melekober Anlage hatte man behufs bequemeren Transports der Trauben zur Kelter, in die Decke dieses Raumes ein Loch bis zur Erd-Oberfläche durchgebrochen, welchem umstände ich es ver- danke, zu wissen, wie tief unter der Erd-Oberfläche sich die ganze Anlage befindet. Höhlenzimmer- Anlage im Dorfe Melekob. Höhlenzimnter- Anlage im Dorfe Ine-i. (519) Melekob zählt etwa 500 Häuser (davon 150 Häuser Islam und .')50 Häuser Griechen); unter jedem derselben soll sich nach Aussage der Bauern eine solche Höhlen- Anlage befinden, von denen viele noch erheblich grösser seien als die soeben beschriebene. Die Skizzen in Fig. 36 und 37 mögen den Unterschied in der Anlage der Höhlen-Zimmer von Ine-i und Melekob etwas veranschaulichen. Anlagen noch älteren Charakters als die Melekober, habe ich nicht beob- achtet. Zunächst drängt sich wohl die Frage auf: Was trieben die Bewohner dieser Felsen-Zimmer und -Höhlen, womit beschäftigten sie sich? Wie schon erwähnt, ist es nahezu eine Unmöglichkeit, in eine der Melekober Anlagen irgend ein grösseres Sttick Vieh hineinzubringen, auch zeigt keiner der Räume die sonst in diesen Zimmern dafür vorhandenen Stall-Einrichtungen. Letzteres ist auch der Fall bei den Anlagen von Ine-i, deren Gänge wenigstens doch dem Kleinvieh den Zutritt gestatten würden. Aus diesen Thatsachen darf für Melekob mit Sicherheit und für Ine-i mit grosser Wahrscheinlichkeit geschlossen werden, dass deren Bewohner sich nicht mit Viehzucht beschäftigten, obgleich die dortige Ebene, welche durchweg aus sehr fruchtbarem Getreideboden besteht, sicherlich auch gute Viehweide abgeben würde. Ohne die Mithilfe des Viehes, sei es Rind, Büffel, Pferd oder Esel, scheint aber auch der Betrieb von Ackerbau in irgend wie grösserem Maassstabe nicht denkbar, und ich bin deshalb der Ansicht, dass die Urheber jener Höhlen-Anlagen sich mit Viehzucht gar nicht, mit Ackerbau, wenn überhaupt, so nur in geringem Maasse, im Wesentlichen aber mit der Jagd beschäftigt haben müssen. Man könnte fragen, weshalb dann diese noch in primitivem Zustande lebenden Leute sich nicht oberirdische Häuser aus Hausteinen erbauten, was sicherlich nicht mehr Zeit und Mühe gekostet haben würde als die Herstellung der Felsen-Höhlen. Letztere bieten aber zwei wichtige Vortheile gegenüber ersteren: einmal die leichtere Vertheidigung, zumal diese Wohnungen so versteckte Eingänge besitzen, dass man sie, auch wenn ganz freiliegend, nicht (wie jetzt) überbaut, sicherlich erst bemerken kann, wenn man unmittelbar davor steht. Anderseits fällt bei dem fast absoluten Mangel an natürlichem Brennmaterial, die in den Höhlen im Winter herrschende angenehm warme Luft- Temperatur schwer ins Gewicht. Dieser Mangel an Brennmaterial muss bei dem Fehlen von Viehzucht noch empfind- licher gewesen sein, als jetzt, wo die Leute doch wenigstens das aus Kuhmist und Häcksel hergestellte Tisseck zur Verfügung haben. Es sei hier noch darauf hingewiesen, dass die geringe Grösse und das kleine Gewicht der Verschluss-Steine es wahrscheinlich machen, dass dieselben den Leuten an Stelle von Holzthüren gedient haben. Sie sind verhältnissmässig sehr leicht, so dass es für 2 Menschen keine Schwierigkeit bieten konnte, sie vorwärts oder rück- wärts zu bewegen, also Nachts ihr Haus gegen unliebsamen Besuch zu schützen. Als die in Bezug auf das Alter nächst jüngere Gruppe von Felsen-Wohnungen möchte ich die in der Schlucht von Korämär und von Soghanli befindlichen bezeichnen, wo die Anlagen in vielfachen Stockwerken übereinander aufsteigen, dabei meist hell und luftig sind und nur noch wenig oder gar nichts Höhlenhaftes mehr an sich haben. Dabei ist aber zu bemerken, dass sich in diesen Schluchten in den untersten Theilen der Felswände auch Anlagen mehr höhlenhaften Charakters vorfinden, bei denen die Räume nicht vertical übereinander, sondern horizontal hinter- und nebeneinander angelegt sind, sich also mehr oder weniger tief in das Innere des Pelsenberges hinein erstrecken und dementsprechenden Mangel an Luft und Licht aufweisen. Diese Anlagen halte ich für entschieden älter als die Etagen- Wohnungen, zwischen welchen und denjenigen von Ine-i sie zeitlich etwa in der (520) Mitte stehen dürften; sie besitzen genügend gross dimensionirte Haupt-Zugänge, so dass die Passage in denselben keinerlei Schwierigkeiten macht. In manchen dieser Wohnungs-Anlagen finden sich 1— 2 Räume vor, die mit ihren in den Fels gehauenen Putter-Krippen usw. augenscheinlich als Stallungen gedient haben. Auch in den vertical angelegten Wohnungen finden sich im untersten Stock- werk mitunter Räume, die als Stallungen benutzt worden sind. Freilich sind es im Verhältuiss zu den vielen Tausenden von Zimmern, die für die Menschen als Aufenthaltsort bestimmt waren, so wenige, dass von einer Viehzucht in grösserem Maassstabe auch hier nicht die Rede sein kann. Dagegen bieten die genannten Thalschluchten mit ihrem fliessenden Wasser die Möglichkeit ausgedehnter Garten-Wirthschaft, deren sich die alten Bewohner wohl sicherlich zur Beschaffung eines Theiles ihrer Lebensmittel bedient haben dürften. In einer Anlage in der Korämär-Schlucht fand ich in einem Zimmer eine sehr schöne, in den Boden gehauene Einrichtung zum Keltern und Klären des Weines vor, was darauf schliessen lässt, dass man sich zu jener Zeit in diesen Thalschluchten auch schon mit dem Anbau des Weines beschäftigt hat. Freilich ist es hierbei, wie auch bei den vorhin erwähnten Stall-Einrichtungen, nicht ganz ausgeschlossen, dass es sich um zeitlich später, also nachträglich geschaffene An- lagen handelt. Wie dem auch sei, keinenfalls haben selbst die in den Etagen- Wohnungen lebenden Leute Viehzucht in irgend wie grösserem Maassstabe be- trieben. Danach scheinen wir es hier mit dem eigenthümlichen und gewiss sehr seltenen Fall zu thun zu haben, dass eine Bevölkerung von der Ja^d unter fast vollständiger Uebergehung der Viehzucht direct zum Ackerbau und Gartenbau über- gegangen ist. Zur zeitlich nächsten Gruppe gehören u. A. die Wohnungs-Anlagen in den Zuckerhüten, die nichts Höhlenhaftes mehr an sich haben und uns bereits in die christliche Zeit bringen. Auch für diese Felsen -Wohnungen ist der Mangel an Stalh-äumen charakteristisch, der sich im üebrigen aus der schon früher aus- führlich dargelegten Unmöglichkeit, Viehzucht m grösserem Maasse zu betreiben, zur Genüge erklärt. Wir haben also durchweg das eine Charakteristicum festzuhalten, dass die Bewohner dieser Felsen-Zimmer Viehzucht gar nicht oder nur in sehr geringem Maasse betrieben haben. Auf Grund dieser Thatsache lässt sich die Frage: Welches Volk erbaute diese Anlagen? Welcher Völkergruppe gehörte dasselbe an?, sehr leicht beantworten. Denn wenn die arischen Nomaden-Horden hierbei, wie es nach dem Gesagten selbstverständlich ist, nicht zu berücksichtigen sind, so können nur Turanier die Erbauer der erwähnten ältesten o Gruppen von Felsen- Wohnungen sein. Es ist dieses wohl als gesichert zu betrachtende Resultat um so freudiger zu begrüssen, als die Felsen- Wohnungen an sich weder in Anlage noch Ausführung technische Indicien für die Entscheidmig obiger Frage liefern. Wir haben also in unserem Gebiet eine, wie zu erwarten stand, turanische Urbevölkerung zu constatiren, die seit undenklichen Zeiten sich mit der Anlage von Felsen- Wohnungen beschäftigte. Auch die Frage: welcher Unter-Abtheilung der Turanier gehörte diese Urbevölkerung an?, lässt sich heute schon mit Be- stimmtheit entscheiden. Auf Grund der Thalsache, dass nördlich von unserem Gebiet ein hethitisches Reich, das von Boghazkoi, existirte, während südlich von ihm das hethitische Reich von Tyana blühte, Hess sich wohl schon früher vermuthen, dass auch das mitten zwischen diesen beiden Reichen gelegene Gebiet ehemals hethitische Domäne (521) gewesen sei. Gewissheit konnte man hierüber aber nicht erlangen, weil in un- serem Gebiet keinerlei hothitische Inschriften bekannt geworden waren. Ich bin nun so glücklich gewesen, hier 2 hethitische Inschriften aufzufinden, eine kleinere auf dem Nordabhange des Argäus, etwa 8 km südlich pon Caesarea (eine Fels- Inschrift), und eine sehr grosse Inschrift in der Budak Owa selbst, nahe bei dem grossen, unzählige Felsen-Zimmer enthaltenden Dorfe Bogtscha, das selbst etwa 22 km NO. von üergüb liegt. Diese In.schrift, welche mit der charakteristischen Hiero- glyphe „Ich" beginnt, ist wohl zweifelsohne eine Königs-Inschrift, die sich noch heute in situ befindet. Sie ist eingegraben auf einer eigenthümlich geformten Stele, deren 4 Seiten sie vollständig bedeckt, und besteht aus 4 Zeilen, die rund um die Stele herum zu lesen sind, und zwar die L und o. Zeile von rechts nach links, die 2. und 4. Zeile dagegen von links nach rechts. Da die Stele aus sehr hartem Gestein besteht, so ist die Inschrift im Allgemeinen sehr gut erhalten, und da sie zudem ganz vollständig ist, so repräsentirt sie mit ihren etwa 450 Zeichen wohl die längste bisher bekannt gewordene hethitische Inschrift. Am Pusse des felsigen Bergrückens, auf dem die Stele seiner Zeit errichtet worden ist, dehnen sich die Ruinen einer nicht ganz unbedeutenden Ortschaft aus; die Bauern behaupten, dass nach ihrer Tradition hier ehemals eine grosse Stadt bestanden habe. Das erscheint nicht unmöglich, und in diesem Falle dürfte sich der Inhalt der Stelen-Inschrift wohl auf die Anlage, bezw. Wiedererbauung, Erweiterung usw. dieser Stadt beziehen. Wo der hethitische König, der diese Stele aufstellen Hess, residirt hat, lässt sich vor der Hand nicht sagen; vielleicht irgendwo auf dem Nord-Abhang des Argäus — wobei aber nicht an Caesarea selbst zu denken ist — , vielleicht aber auch in der Budak Owa selbst, z. B. in üergüb oder gar in oder nahe bei Bogtscha. Jeden- falls weist die Art der Inschrift: eingegraben, nicht Relief, mit Worttrenner usw., auf eine verhältnissmässig späte Abfassungszeit hin. Wir haben also auch für die Budak Owa und die angrenzenden Gebiete die Existenz eines hethitischen Reiches zu constatiren, das ebenso wie die benach- barten Reiche von Boghazkoi und Tyana seinen Untergang fand durch die In- vasion der Kimmerier. Letztere verdrängten die alte Bevölkerung zum grossen Theil, zumal aus den weidereichen Gebieten, also namentlich auch aus der Ebene von Caesarea und von den grasreichen Abhängen des Argäus; wohin zogen sich nun die Turanier zurück? Für die Beurtheilung dieser Frage dürfte folgender Um- stand von Wichtigkeit sein: Sowohl die Schlucht von Soghanli, wie auch diejenige von Korämär sind heute gänzlich unbewohnt; die in ihnen vorhandenen geringen Acker- und Gartenflächen werden von den Bauern benachbarter Dörfer bearbeitet. Demgegenüber haben wir aber in beiden Schluchten viele tausende, ja wohl zehn- tausende von Felsenzimmern zu constatiren, die Zeugniss ablegen von der einstmals sehr dichten Bevölkerung dieser Thäler. Da die Bodenfläche der letzteren aber unmöglich eine nach vielen Tausenden zählende Bevölkerung zu ernähren vermag, so drängt sich die Vermuthung auf, dass die meisten dieser Felsenwohnungen nicht zu ständigem Aufenthalte der Menschen bestimmt, sondern eher als zeitweilige Zufluchtsstätten angelegt waren, deren Bewohner sich ihre Lebensmittel wohl zum grössten Theil aus den benachbarten Districten beschafften. Sollte nun dieses Miss- verhältniss zwischen der Ergiebigkeit des Bodens und der Dichte der Bevölkerung nicht vielleicht dadurch entstanden sein, dass die von den Rimmeriern aus der Ebene von Caesarea und von den Nordabhängen des Argäus vertriebene turanische Bevölkerung sich in die weidearmen und deshalb für die Nomadenhorden werth- losen Schluchten und Thäler der Budak Owa zurückzog? Freilich fanden sie dort alle bequemer zugänglichen Partien des Felsbodens und der Felsenwände schon (522) von Höhlenbewohnern besetzt vor, waren also gezwungen, sich ihre Wohnungen in den oberen, schwerer zugänglichen Partien der Felswände einzuhauen; und in dem Bestreben, den vorhandenen Platz möglichst auszunutzen, entstanden dann die oft bis zur Höhe der Felswand hinaufreichenden, vieletagigen Wohnungsanlagen. Wenn das Hinaufklettern zu denselben und der Verkehr zwischen den einzelnen Räumen auch recht unbequem war, so boten dieselben andererseits doch auch mehr Sicherheit gegen räuberische Ueberfälle der eingedrungenen Fremdlinge, als die am Fusse der Felswände befindlichen älteren Felsenwohnungen. Von diesen verhältniss- mässig sicheren Schlupfwinkeln aus konnten sie dann das Land auf den benach- barten Hochplateaus und auf den sanften Berghängen bearbeiten und unter Cultur bringen. Sind diese Reflexionen zutreffend, so würden dementsprechend die meisten Felsenwohnungen, zumal die in Etagen aufsteigenden, in den genannten beiden Thal Schluchten zur Zeit der Zertrümmerung der hiesigen hethitischen Reiche durch die Kimmerier, also zu Anfang des 7. Jahrhunderts v. Chr., entstanden sein. Es ist auch als wahrscheinlich anzunehmen, dass mit dem Aufhören der bestäudigen Unsicherheit für Leben und Eigenthum, mit der Wiederkehr geordneter Zustände durch die Etablirung einer starken Herrschaft, die unbequemsten, am schwierigsten zu erreichenden dieser Felsenwohnungen von ihren Bewohnern wieder aufgegeben und verlassen worden sind Obgleich die Bevölkerung dort noch heute dieselbe Vorliebe für Felsenzimmer hat, wie die turanischen Urbewohner vor Jahrtausenden, so fällt es doch Niemanden ein, eine der zahlreichen Etagenwohnungen zu beziehen oder zu benutzen, vielmehr ziehen alle es vor, sich neue und bequeme Felsen- zimmer anzulegen. Es müssen also, wie das ja auch zu erwarten steht, zwingende äussere Gründe und Nothwendigkeiten vorgelegen haben, die seiner Zeit die Be- völkerung zur Erbauung solch unbequem zu erreichender Wohnungen veranlasst haben. Vielleicht dass die Entzifferung der hethitischen Inschriften uns dereinst auch über die Bewohner dieser Felsenzimmer näheren Aufschluss' giebt. — (lo) Hr. Otto Schoetensack in Heidelberg übersendet eine Mittheilung: lieber die Bedeutung der „Hocker "-Bestattung. Nachdem R. Forrer in seiner .Abhandlung „Ueber Steinzeit-Hockergräber zu Achraim, Naquada usw. in Ober-Aegypten und über europäische Parallelfunde" (Strassburg 1901), die von namhaften Forschern für diese eigenartige Bestattungs- weise geltend gemachten Gründe besprochen und darauf hingewiesen hat, dass auch der noch am meisten einleuchtende Grund, wonach nehralich das Bedürfniss der Raum-Ersparniss dafür maassgebend gewesen sein soll, nicht haltbar ist. weil ja die Neolithiker sehr gut mit Steinhacken ausgerüstet waren, vermittelst welcher sie die Gräber leicht etwas grösser hätten anlegen können^), und man auch zahl- reiche Gräber, in Aegypten sowohl wie in Europa, beobachtet hat, die völlig für die ausgestreckte Lage des Leichnams hingereicht hätten und dennoch das Skelet in hockender Stellung bargen, gelangt er zu dem Ergebniss, dass nur noch die Er- klärung der Hocker „als Schläfer, als schlafende, der Auferstehung harrende Todte" möglich sei. Forrer fährt dann fort: „Ich möchte daran erinnern, dass die Hocker- 1) Selbst die nur mit Grabstöcken, anstatt mit Steinhacken ausgerüsteten unsteten Völker, wie die Australier, vermögen in ganz kurzer Zeit ein 4 oder 5 Puss tiefes Grab auszuheben, wie sie denn auf gleiche Weise mit grosser Gewandtheit Thiere aus Erdhöhlen ausgraben (R. Brough Smyth, The .\borigines of Victoria, London 1878, I, 115). (523) Stellung ein charakteristisches Zeichen der von ihrer Arbeit ausruhenden wie der schlafenden Südländer niederer Stufe ist." Wenn nun auch ein Theil der in Aegypten und in Europa aufgefundenen neolithischen Skelette die Auffassung zulassen würde, dass man dem Leichnam eine behagliche Hockerstellung für den Todesschlaf geben wollte, obgleich es ja doch das einfachste und natürlichste gewesen wäre, den Sterbenden in derselben mehr oder weniger ausgestreckten Lage zu belassen, in welcher er den letzten Atherazug aushauchte, so zeigt hingegen ein anderer Theil der Skelette eine der- artige Zwangslage des wie ein Knäuel zusammengepressten Körpers, dass hierfür offenbar noch andere Gründe mitgesprochen haben müssen, die in der ganzen An- schauung jener Zeit begründet waren. Man betrachte nur das hier abgebildete Hocker-Skelet von Remedello (G. A. Colini, II sepolcreto di Remedello-Sotto nel Bresciano e il periodo eneolitico in Italia. Bull. d. Pal. Ital. A. XXIV. Taf. IV, Fig. -2): Die Arme sind nach oben eng an die Brust gedrückt und die Beine stark an den Leib gezogen, so dass die Knochen des Ober- und Unter-Armes, sowie diejenigen des Ober- und Unter-Schenkels parallel zu einander liegen. Diese Haltung konnte nur erreicht werden durch rücksichts- lose Verschnürung des zusammengezwängten Körpers. Ein lebender, derartig ge- fesselter Mensch wäre wohl schwerlich im Stande gewesen, sich aus dieser qual- vollen Lage selbst zu befreien. Hocker-Skelet von Remedello-Sotto. Wollen wir über die Beweggründe zu einer derartigen Behandlung des Leich- names Aufklärung erhalten, so scheint es mir rathsam, da uns schriftliche Auf- zeichnungen aus einer so weit zurückliegenden Zeit nicht zu Gebote stehen und solche aus historischer Zeit, wie aus Jacob Grimm 's classischer Abhandlung „Ueber das Verbrennen der Leichen" hervorgeht, uns hier ebenfalls keine Auf- klärung zu geben vermögen, bei den noch jetzt auf der Culturstufe der (024) Steinzeit stehenden Naturvölkern nachzuforschen, die uns ja auch die Herstellung und den Gebrauch der steinzeitlichen Waffen, M'^erkzeuge und Geräthe erläutern. Da sind es nun vor allem die Australier, die, als sie die für sie so verhängniss- volle Bekanntschaft mit dem weissen Manne machten, noch durchaus auf der Stufe der Steinzeit lebten, und von denen daher anzunehmen ist, dass sie noch einzelne ihrer Bräuche in ziemlicher Ursprünglichkeit bewahrt haben werden^), die uns ein völliges Analogen zu der Hocker - Bestattung der ägyptischen und europäischen Neolithiker darbieten. Eigenthümlich muthet es uns schon an, wenn wir auf diesem abgelegensten insularen Erdtheile, mit dem die Europäer erst im verflossenen Jahrhundert engere Fühlung erhielten, bei dem Eintreffen derselben einen grossen Theil der Sepulcral- Gebräuche antreffen, die überhaupt von den Menschen ersonnen sind, und es bieten sich bei ihnen so ausserordentlich viele Parallelen mit den uns durch die Aus- grabungen bekannt gewordenen prähistorischen Bestattungsarten dar, dass sie un- willkürlich zu Vergleichen herausfordern. Dem bereits erwähnten vortrefflichen Werke von R. Brough Smyth ent- nehmen wir Folgendes: „Die Art und Weise, wie die Eingeborenen mit den Leich- namen verfahren, und welche Bräuche sie bei dem Herannahen des Todes eines geachteten oder gefürchteten Stammes-Genossen beobachten, ist mannigfaltig: Nicht ein Stamm gleicht hierin dem andern." Von den von Smyth eingehend be- schriebenen Sepulcral- Gebräuchen wollen war die hauptsächlichsten kurz anführen, indem wir wegen aller Einzelheiten auf das Originalwerk verweisen. Danach wird der Todte meist der Erde anvertraut. Sofort nach dem Tode wirft man ihm eine Decke über (auch bei den Germanen bestand nach K. Weinhold die alte Forderung, keine Leiche unverhüllt zu lassen). Bei einigen Stämmen der Colonie Victoria, sowie bei den Eingeborenen am Bogän-Plusse (Neu-Südwales), wird der Leichnam in hockende Stellung gebracht: ,The knees of the body are brought quite up to the breast, the elbows over the trunk and near the hips, and the hands raised and pressed against the ehest, and in this position the corpse is raade fast with the cords.' Man scheut sich, den Todten zu berühren, auch mit der Erde soll er nicht in Contact kommen, wickelt ihn in zahl- reiche (Phalangisten) Felle und schlingt ein Netz um das Ganze. — Dem Krieger werden seine Waffen und persönliche Habe mit ins Grab gegeben. Dieses ist 4 — 5 Fuss lang; die Orientirung des Todten findet meist mit dem Kopfe nach Ost oder West statt. War derselbe eine angesehene Persönlichkeit, so wird eine Leichenrede gehalten, die oft über eine Stunde dauert. Hierbei spricht der Redner mit dem Todten, als ob dieser noch am Leben wäre und jedes Wort höre; er legt sich deshalb auch wohl mit dem Bauch auf die Erde und spricht in das mit Erde gedeckte Grab hinein oder er legt sich aufs Ohr, um die Antwort des Todten zu vernehmen. Das Grab wird mit einem Erdhügel bedeckt und ringsherum ein Graben gezogen. Auf dem Hügel werden Baumzweige aufgepflanzt oder auch der Speer des Verstorbenen. Ein Europäer (Buckley), der einen solchen Speer her- ausgenommen hatte und mit demselben zu Stammes-Angehörigen des Todten ge- langte, wurde für den zurückgekehrten Verstorbenen gehalten. — Das Grab wird 1) Dass auch hier eine grosse Anzahl von Bräuchen sich ausserordentlich umgebildet und extrem entwickelt hat (es sei nur an die höchst verwickelte Verwaudtschafts-Organisation der Australier erinnert), ist eine bekannte Thatsache. worauf ich bereits in dieser Zeit- schrift 1901, S. Ili3, hingewiesen habe. (525) zuweilen mit flachen Steinen ausgelegt und damit bedeckt. In der Nähe desselben wird ein Feuer 10 Tage lang unterhalten. Auch werden Processionen nach einem entfernt gelegenen Grabe ausgeführt, wobei Feuer auf einem tellerartigen Brette mitgeführt wird. — Jn einigen von den Europäern vorher noch nicht berührten Gegenden waren richtige Begräbniss-Plätze vorhanden mit sauberen Wegen zwischen den Gräbern. Der Rasen des Platzes war abgenommen in Form eines Schildes. Die Bäume ringsherum waren mit Ritz-Zeichnungen versehen, eine Schlange, das Schildzeichen des Verstorbenen und dergl. darstellend. — Auch in einem Fluss- bette, nach Art des Alarich-Grabes, werden Leichname bestattet, andere in Höhlen oder auf künstlichen aus Zweigen hergestellten Gerüsten. Hier werden dann die Hände des Todten zur Faust geballt mit Stricken fest zusammen- gebunden. — Auch lässt man die Leichen liegen, bis sie verwest sind; dann bemalt man die Gebeine roth und schleppt sie lange mit sich herum, bis man sie endlich in einem hohlen Baum unterbringt. Namentlich Kinder-Leichen werden gern in einen hohlen Baum gesteckt, der vorher gesäubert wird von verwestem Holz. Das Loch wird durch ein Rindenstück regendicht verschlossen. Zuweilen wird die Leiche zuvor mit Rindenstücken nach Art eines Sarges umgeben. Die in einen hohlen Baum gesteckte Leiche wird auch durch Anzünden des Stammes ver- brannt, oder es wird zu diesem Zwecke besonders ein Feuer mit Zweigen und dürrem Laub angelegt. Die Asche wird gesammelt und lange Zeit mit herum- geschleppt. Eine Beisetzung derselben in Thon-Gefässen ist hier ausgeschlossen. weil den Australiern die Kunst der Töpferei unbekannt ist. — Bei einigen Stämmen wird auch eine Mumificirung der Leiche dadurch bewirkt, dass man diese in einen Baum hängt und ein langsames Feuer darunter unterhält. Derartig ge- trocknete Kinder-Leichen werden von den Müttern lange Zeit mit herumgetragen. Diese Beispiele mögen genügen, um eine Vorstellung von der Mannigfaltigkeit der Sepulcral-Gebräuche bei den Australiern zu geben. Uns interessirt hier be- sonders die Parallele mit den neolithischen Hocker- Gräbern. Wenn wir diesen australischen Brauch recht verstehen, so ist er begründet in der Furcht vor dem Wiedererscheinen des Todten, wie denn die Eingeborenen Neu- Hollands aus dem gleichen Grunde es vermeiden, den Namen desselben auszusprechen (M. Hueber, Bull, de la Soc. de Geogr. 1865, p. 429). Auch spricht hierfür die Erklärung eines verwandten Brauches, den uns A. W. Howitt überliefert hat (Brough Smyth, I, p. 119): Bei einem Todesfalle im Dieyerie- Stamme (Coopers Creek) wurden die jüngeren Leute beauftragt, ein Grab zu .graben, und die älteren gingen daran, die grossen Zehen des Todten sehr fest zusammen zu binden mit einer starken, haltbaren Schnur (das Gleiche geschieht in Dahome, vergl. die Fussnote); ebenso banden sie die beiden Daumen desselben hinten auf dem Rücken zusammen. Sie besorgten dies so gewissenhaft, dass, wenn dies bei einem lebenden kräftigen Manne geschehen wäre, dieser unmöglich die Bande hätte lösen können. Auf die Frage, weshalb dies geschehe, antworteten sie allen Ernstes: ,To prevent him from Walking." Das gleiche Motiv möchte ich auch bei den Neolithikern -einnehmen, die ihre Todten in hockender Stellung beerdigten. Klingt doch noch durch das ganze germanische Alterthum die Anschauung hindurch, dass der Todte ein unheimliches, verderbliches Wesen ist (K. Weinhold, Altnordisches Leben, Berlin 1856, S. 476). Dass der Brauch des Bestattens nicht in allen Fällen so streng durchgeführt wurde, wie bei dem Hocker-Skelet von Remedello, sondern oft nur gleichsam angedeutet ist, indem die Kniee des Todten nur gebeugt und dieser hockend zu sitzen scheint (vergl. z. B. Fig. 4 der im Corr.-Blatt für Anthropol. 1901, S. 140 abgebildeten, von (526) C. Kohl erforschten neolithischen Hocker aus der Umgegend von Worms), ist be- greiflich, da diese Sitte wohl je nach den Umständen, z. B. ob der Verstorbene ein mehr oder weniger gefürchteter Mann war, strenger oder milder durchgeführt wurde. Auch werden die nächsten Angehörigen des Todten, die ihm ja auch Spenden mit ins Grab gaben (freilich bleibt es oft unentschieden, ob dies aus Pietät oder aus anderen Motiven, z. B. aus Scheu vor dem Weitergebrauch der Waa'en und Geräthe oder zur Beschwichtigung der Seele des Verstorbenen ge- schah), weniger auf eine rigorose Handhabung der Sitte gedrungen haben, als viel- mehr fernerstehende Stammes-Genossen, die guten Grund zu haben glaubten, einem Widersacher auch über das Grab hinaus nicht allzu sehr zu trauen. Die Ausfühning der sepulcralen Vorschriften ist ja überall nicht in das Belieben des Einzelnen gestellt, sondern ist Angelegenheit der grösseren Gemeinschaft, des Stammes und des Volkes. In diesem Lichte gesehen, erscheinen einige Bestattungsweisen, die sonst hauptsächlich als Ehrungen für die Todten gelten könnten, gleichzeitig auch als Sicherung der Lebenden vor denselben^). So die mit Decksteinen von beträchtlichem Gewichte beschwerten Megalith- Gräber, die in manchen Gegenden, z.B. im District Bellary (Vorder-lndien), an der Seite eine kreisrunde Oeffnung aufweisen, welche wohl genügt, um von aussen etwaige Spenden hineinzugeben, aber nicht gross genug ist, um dem Todten den Ausgang zu gestatten. Es sei hier auch an die sikelischen Felsen-Gräber erinnert (vergl. diese Zeitschr. 1897, S. 15ff.), die, ebenso wie die Gräber von Remedello in der ersten (aeneolithischen) Periode die Skelette in hockender Stellung aufweisen, während am Schlüsse der zweiten, mit der mykenischen Epoche correspondirenden, Periode bereits die Bestattung in ausgestreckter Lage beginnt, die dann in der dritten, mit der erneuten Herrschaft des geometrischen Stils in Griechenland zu- sammenfallenden Periode ausschliesslich Sitte wird. Bemerkenswerth ist es, dass man es mit dem Verschluss dieser meist in die abfallenden Felswände unterhalb der hochgelegenen Ansiedelungen eingehauenen Grabkammern nun ernster nahm, als zur Zeit der „Hocker". Man versicherte nehralich jetzt die Verschluss-Platte durch einen Querbalken, dessen Einlasslöcher noch an den Seiten des Einganges zu sehen sind, und dergl. mehr. — Es scheint also, dass, als man die Sitte des Zu- sammenschnürens des Leichnames verliess, man andere Maassnahmen ergriff, um sich vor dem Wiedererscheinen des Todten zu schützen. Dass die Neolithiker in anderen Gegenden von der Erd-Bestattung in hockender Stellung zu derjenigen in ausgestreckter Lage übergingen, könnte für eine Aenderung ihrer Anschauung über das Wiedererscheinen der Verstorbenen sprechen. Es ist 1) Zu einem ganz ähnlichen Schlüsse gelangi auch Hr. Dr. med. Hopf in einem Vor- trage „Völker-Gedanken über die Seele und ihre Schicksale", wie ich aus dem mir soeben zugehenden Corresp.-Blatt der Deutschen Gesellschaft für Anthropologie 1901 , S. 56 er- sehe. Es heisst dort: »Kommt es endlich zur Bestattung, so bedarf es zur Verhinderung der Kückkehr flcr Seelen noch ganz besonderer Vorsichts-Maassregeln an der Leiche selber und an dem Orte der Bestattung. In Dahome bindet man die grossen Zehen der Todten zusammen: an anderen Orten werden die Körper selbst festgebunden. Ist das Grab nicht tief genug, so gehen die Seelen um. Deshalb begnügte man sich von den frühesten Zeiten an nicht damit, eine tiefe Gruft zu graben, sondern thürrate hohe Grabhügel oder Fels- blöcke über ihnen auf, wenn man es nicht vorzog, die Abgeschiedenen in Höhlen oder Stein-Särgen unterzubringen." (527) aber nicht ausgeschlossen, dass selbst in dieser Lag'e noch eine Fesselung des Todten durch ein Zusammenbinden beider Beine und dergl. üblich war. Am vollkommensten wurde jedenfalls der Todtc durch eine Verbrennung unschädlich gemacht, welcher Brauch deshalb auch, abgesehen von noch anderen Zweckmässigkeits-Gründen, eine so ausserordentlich weite Verbreitung fand. Erst allmählich knüpfte sich die edle und schöne Auffassung daran, dass durch das Feuer eine reinigende Macht ausgeübt und die Seele aus den Banden des Leibes befreit werde. — (14) Hr. M. G. Miller in Philadelphia, dem das U. S. Army Medical Museum in Washington ein Mound-Gehirn verdankt, übersendet folgenden Bericht^): Eine Untersuchimg über den Inhalt eines Mound- Schädels. Von Alfred A, WoodhuU in Washington. Im Anschluss an eine Correspondenz mit Dr. M. G. Miller von der Academy of Natural Sciences of Philadelphia (in Vertretung des Hrn. Clarence B. Moore von der Ac. of N. Sc. of Phil.) wurde dem Army Medical-Museum ein Object ge- schenkt, dessen Aeusseres einzig in seiner Art erschien, und dessen eigentliche Natur unklar war. Aus dem Studium des Fundberichts und der erreichbaren Literatur sowie der näheren Untersuchung ergiebt sich die folgende Geschichte und Beschreibung des Gegenstandes. Das Object bestand aus zwei Hauptstücken, die, aneinander gelegt, die folgenden grössten Dimensionen nach drei Richtungen ergaben: Länge 4,3 cm, Breite 4,5 cm, Dicke 2 cm. Es wog 1'2,54 g. Wegen Substanz- Verlustes ist die Länge etwas geringer als zur Zeit, da es noch ganz war. Es ist an dem äussersten Ende, wo man die Vorderseite vermuthet, und an den oberen Rändern abgerundet; ein ent- sprechendes hinteres Stück fehlt. Die Oberfläche oben stellt sich als eine stark abgeplattete Wölbung dar; die Oberfläche unten ist noch flacher, jedoch etwas un- regelmässig. Im Ganzen hat man eine eiförmige Scheibe vor sich, deren Ränder abgerundet sind, und deren unterer Theil sich in seinen Umrissen zu denen der oberen Oberfläche nicht symmetrisch verhält. Seine Farbe ist aussen dunkelbraun, fast schwarz; an Stellen, wo die äussere Bedeckung abgeschabt wurde, erscheint es heller braun oder lohfarben. An solchen Stellen lassen sich mit der Lupe keine besonderen Verschiedenheiten des Zellgewebes erkennen, beide Oberflächen er- scheinen körnig. An einer oder zwei Stellen, wo die dunkelbraune Aussendecke zerbrochen, aber nicht vollständig verloren gegangen ist, zeigt sich die Oberfläche schwarz glänzend. In Rissen über die ganze Oberfläche verstreut ist eine geringe Menge weisslichen Pulvers, das weiter unten beschrieben wird. Das Object scheint vollständig eingetrocknet zu sein. Es fällt auf durch den eigenthümlichen Umstand, dass es aus zwei sym- metrischen, jetzt getrennten Hälften besteht, dass die gesammten Oberflächen mit wirr verschlungenen Windungen bedeckt sind, und dass es im allgemeinen Aus- sehen einem Miniatur-Gehirn ohne Cerebellum, Pons Varolii und MeduUa oblongata genau gleicht. Die nachstehenden Abbildungen (Fig. 2, a, b, c) geben drei x\nsichten mit Vergrösserung in zwei Durchmessern und bieten eine allgemeine Vorstellung von der Richtung und Zahl der Windungen. Fig. la \x. h zeigen eine unbedeutend vergrösserte Ansicht von oben und auch eine von der Innenseite jeder Hälfte. 1) Vgl. auch American Anthropologist 1901, III, 2, p. 294: Lamb: 'Mummification, especially of the brain." (528) Wie in den Proceedings of the Academy of Natural Sciences of Philadelphia, 18M4, Theillll, p. 314 — o21 rnitgetheilt und durch einen Brief von Hrn. Waaren R. Moorehead aus Saranac Lake, N. Y., vom 24. November 1900, ergänzt wurde, ist dies Object aus dem Metzger-Mound bei Yellow Bud, Koss County, Ohio, am Deer Creek im Scioto-Thal im September 1894 von Hrn. Moorehead als Ver- treter des Hrn. Olarence B. Moore ausgegraben worden. Es wurde in den Bruch- stücken des Schädels eines erwachsenen Mannes gefunden, der in der Tiefe eines künstlichen Mound lag, o6 Fuss von seiner Spitze und 20 Puss von der unmittelbar darüber befindlichen Böschung entfernt. Dieser Mound krönte einen natürlichen, 150 Fuss hohen Hügel. Die Oberfläche, auf welcher der Mound aufgebaut war, war flach abgetragen und die Erde zu einem hellen Ziegelroth gebrannt worden. In einem Umkreis von 10 zu (i Fuss war der Boden mit ganz weisser Asche be- deckt, deren Dicke von 3 Zoll bis zu einem zugeschärften Rand von 1 Zoll Höhe wechselte. In diesem Raum ruhte das Skelet auf dem ursprünglichen Boden in einer 2 Fuss tiefen Aushöhlung und ungefähr 1 Fuss unter einem Cederstaram, der LS.ö Fuss in der Länge und 5,4 Puss im Umfang maass. Es waren Anzeichen Fig. 1«. Stiriitheil. Fig. Ib. Stimtheil. Oberseite (etwas vergrössert). Unterseite (etwas vergrössert). einer Hütte aus kleinen Stämmchen oder Schösslingen vorhanden, die etwa in der Form eines Indianerzelts ringsherum aufgebaut Avar. Der Stamm ruhte nicht un- mittelbar auf dem Skelet, dessen Knochen hellgelb, sehr leicht und porös und sehr trocken waren. Die Ueberreste sind mit dem Pell irgend eines Thieres und mit irgend einer groben Decke oder Matte bedeckt gewesen, aber von den Hüllen waren nur noch Fetzen vorhanden, soweit sie nicht zu Staub zerfallen waren. Die schon erwähnte Asche bedeckte die Ueberreste und anscheinend ebenfalls das Fell, das darauf lag. Auch unter dem Körper wurde Asche gefunden. Es scheint eine Sitte jener Eingeborenen gewesen zu sein, Scheiterhaufen zu errichten und die Leichen in oder nahe der Asche zu begraben. Es ergiebt sich aus der guten natürlichen äusseren Entwässerung, aus dem grossen Abstand des begrabenen Leichnams von der Oberfläche und aus der Einlegung in Asche, dass die Ueber- reste vor den gewöhnlichen Bedingungen, die zu fauliger Verwesung führen, gut geschützt waren. Der Zustand, in dem der Cederstamm und der Leichnam gefunden wurden, war folgender: Der Stamm war unversehrt, und nachdem das Skelet entfernt war, (529) wurde er in zwei Theile zersägt und transportirt. Wie schon oben bemerkt, waren die Knochen in situ. Zwei Kupfer -Armbänder umgaben beide Handgelenke; mehrere hundert Muschel -Perlen lagen auf der Brust und an dem Hals. Es fanden sich ferner die Hauer irgend eines grossen Thieros. Erkennbare Reste von Fellen waren vorhanden. Nach dem gedruckten Bericht (op. cit. p. 32i») scheint , es, dass „Spuren von Haaren am Schädel waren , und Tuch, Hirschleder, grobes Mattengeflecht und Rinde die Ueberreste bedeckten". Die verschiedenen Gegenstände, die bei dem Skelet gefunden wurden, ausgenommen die in diesem Bericht besonders bezeichneten, sind in der Academy of Natural Sciences of Philadelphia zu sehen. Aus Hrn. Moorehead's Brief erfahren wir, dass der Schädel zerbrochen war und im Umkreis der Stücke sich ungefähr 1 Zoll weicher, feiner, sandartiger Erde fand, „wie es bei trockenen Mounds gewöhnlich der Fall isf-. Mehrere dieser Reste und Stücke von der Rinde wurden mit dem Hauptobject nach dem Museum geschickt. Die Knochen sind Stücke vom Schläfenbein und sind ausser- ordentlich trocken, die Rinde erscheint frei von aller Feuchtigkeit. Die Proceedings (loc. cit.) berichten „ .... das vertrocknete und eingeschrumpfte Gehirn wurde darin gefunden" (in dem Schädel), und Hr. Moorehead sagt in seinem Brief, nachdem er beschrieben hat, wie er das Skelet in seiner Lage er- blickte und knieend den Schädel mit dem Spatel aufdeckte, „ich sah das Gehirn in situ, Hess es mir aber nicht einfallen, dass es das Gehirn wäre," und weiter „dass die kleine, vertrocknete, runde Kugel (Gehirn) innerhalb der Schädelstücke war, kann ich beschwören." Die Geschichte dieses Objects scheint klar erwiesen. Sein Aeusseres ist im Grossen schon beschrieben worden. Es entsteht nun die Frage: was ist seine wirkliche Natur? Mikroskopische und chemische Untersuchungen, die hier unab- hängig von einander angestellt wurden, kommen darin überein, dass es sich um animalischen Stoff handelt. Der Mikroskopiker fand, dass Bruchstücke sich in Natronlauge fast gänzlich auflösten, wobei der weiche Rückstand kein faseriges Merkmal lieferte, wie es Pflanzenstoffe gethan hätten. Unter dem Mikroskop zeigen macerirte Theile Zellen verschiedener, mit Gewebe-Zellen vereinbarer Gestalt und Grösse. Sie absorbiren Anilin-Farben, ergeben aber keinen Nachweis für Kerne. Einige enthalten ein schwarzes oder dunkelbraunes Pigment, das von Blut-Pigment nicht zu unterscheiden ist, und zusammen mit ihnen finden sich eine beträchtliche Anzahl kleiner, runder Zellen, die wie rothe Blut-Körperchen aussehen und dies auch sein mögen. Kein faseriges Element ist erweislich. Der Mikroskopiker be- trachtet das Object als unzweifelhaft animalischer Herkunft, und sprach die Ansicht aus, dass es das Gehirn irgend eines kleinen Geschöpfes sei. Der Chemiker hat die weissliche Substanz, die sich mit dem Object vereinigt findet, sorgfältig untersucht und festgestellt, dass sie phosphorsaure Salze enthält, die auf Knochen- oder Nerven-Gewebe hinweisen und Pflanzenstoffe ebenso wie die etwaige Möglichkeit ihres pilzartigen Charakters ausschliessen. Er betrachtet die gewundene Masse als das wahrscheinliche Gehirn eines Kindes oder eines Zwerges. Die Menge Wassers im kindlichen Hirngewebe macht es aber unwahr- scheinlich, dass selbst unter jenen günstigen Umständen eine solche Verhärtung hätte eintreten können, und die Berichte über die Entdeckung legen durchweg, auch ohne es besonders in Worten auszudrücken, nahe, dass das Skelet dasjenige eines Erwachsenen war. Es wurde jedoch noch weitere sachverständige Unter- suchung gewünscht, in der Absicht, bestimmt zu entscheiden, ob es nicht schliesslich doch ein Pilz sein könne; denn das weisse Pulver stellte wahrscheinlich nur ver- Verhandl. der Berl. Anthropol. Gesellschaft 1901. oi (530) witterte Theile der Schädel -Knochen dar und war kein Bestandtheil des um- strittenen Gegenstandes. Diese Untersuchung wurde in liebenswürdiger Weise von Hrn. Albert P. Woods, Vorstand der Abtheilung für Pflanzen -Physiologie und Pathologie im landwirthschaftlichen Ministerium, vorgenommen. Fig. 2a. Stirnlappen, ^i Fig. 20. Stirulappen. ^/j Oberansi cht, linke Hälfte. Unteransicht, linke Hälfte. Fig. 3. Stirnlappen. -/^ Er berichtet: „Wir haben sowohl sorgfältige mikrochemische Proben als auch mikroskopische Untersuchungen des Objects gemacht und können keinen Beweis für die Anwesenheit von Pflanzen- Gewebe finden; in der That scheint es höchst wahrscheinlich, dass es nur thierisches Gewebe ist." Damit ist die Vermuthung, dass etwas Pflanzliches vorliegt, vollständig beseitigt, und bleibt nur noch zu entscheiden, was für eine Thier-Substanz es ist. Auf den Einwand, dass dies, falls überhaupt ein Gehirn, wahrschein- lich das Gehirn eines Hundes oder sonst eines niederen und kleinen Thieres sei, lautet die Antwort: Abgesehen von der ausserordentlichen ünwahrscheinlichkeit und offenbaren Unmög- lichkeit, ein solches Gehirn in den Schädel eines Skelets einzuführen, wo es ohne jeden Zweifel gefunden worden ist, sind auch die Windungen zu verwickelt und die Stirnlappen zu breit und abgerundet, um ein Hunde-Gehirn darzustellen. Das heisst, seine äussere Morphologie entspricht keiner der bekannten niedrigeren Formen der Gehirn-Entwickelung. Wäre dies Object von einer Stelle gekommen, wo möglicherweise ein Affen- Hirn zu finden gewesen wäre, könnte eine solche Hypothese untersucht werden. Aber, dass ein Affe mit dem Mann begraben sein könnte, oder dass, wenn man ihn begraben hätte, nur sein Gehirn und nicht seine Median-Ansicht. (ÖJU) Knochen der Zerstörung entgangen wären, dieser Gedanke ist zu unglaublich, als dass man ihn nicht sofort aufgeben müsste. Abgesehen von der äusserst geringen Grösse widerspricht der Ansicht, dass es sich um ein menschliches Gehirn handle, am meisten der Umstand, dass der vordere Theil der unteren Oberfläche Windungen von grosser Aehnlichkeit mit denen der oberen und seitlichen Oberflächen darbietet. Im Gehirn ist die Oberfläche ver- hältnissmässig glatt und gewisse Nervenstämme ziehen darüber hinweg. Die letzteren würden nicht erhalten bleiben, aber die einzige Erklärung für die unregelmässige, statt einer verhältnissmässig ebenen Oberfläche, die dem Schreiber dieser Zeilen beifällt, muss in der ungleichmässigen Zusammenziehung des Gewebes bei dem Vorgang der Eintrocknung gesucht werden. Auf der anderen Seite ist das Corpus callosum zu deutlich gekennzeichnet, als dass — zugegeben, thierisches Gewebe liege vor, — es nicht ganz undenkbar wäre, dass irgend sonst ein Organ jenes derart vorspiegeln könne. Als weiterer Schutz gegen mögliche Irrthümer wurden die Schädel zweier peruanischer Mumien, die seit 14 Jahren im Museum waren, geöffnet, um den Zustand ihres Innern des Vergleichs halber zu bestimmen. Es ergab sich das Folgende: In dem einen war viel von der Dura mater, die Palces eingeschlossen, unversehrt und hatte die ursprüngliche zähe, straffe Beschaffenheit trotz aller Ver- trocknung beibehalten. Die Gehirn-Oberfläche der Dura zeigte, wo sie die Schädel- Gruben auskleidete, eine beinahe gleichfö'rmige, anhaftende Masse von 1 — 3 miu Dicke, welche trocken, körnig, bräunlich und krümelig war und als die vertrockneten üeberreste eines Gehirns erschienen. Das zweite Object war von einer Mumie, die seit langem ausgepackt und ziemlich feuchter Luft ausgesetzt gewesen war. Beim Abnehmen der Schädelkappe wurden Dura und Falces unversehrt, fest und anhaftend gefunden. Das Gehirn verblieb als eine lose, etwas abgeplattete Masse, die 50,7 g wog; ausserdem klebten noch einige kleine, ähnliche Stücke den Schädel- Gruben an. (Dies ist viermal das Gewicht unseres unvollständigen Untersuchungs- Objects.) Die Masse war an der Oberfläche grau, von einem pulverigen Stoff, der verrauthlich von den Excreten der Insekten-Larven herrührt, von denen viele noch lebendig und geschäftig in der Schädelhöhle gefunden wurden. Sie müssen eine neue Zugabe sein. Der grösste Theil der Masse war dunkelbraun, fast schwarz in der Farbe und hatte die Zähigkeit und Klebrigkeit von Harz; Durchschnitte zeigten eine glänzende Oberfläche und in der Mitte war die Beschaffenheit weisslich und wachsartig. Um sozusagen ein Control-Experiment auszuführen, wurde ein Theil dieser nicht anzuzweifelnden Gehirnmasse dem Mikroskopiker des Museums gegeben, der das Original-Object zwecks ähnlicher Prüfung untersucht hatte. Er berichtet: „Das Mumien-Gehirn ist thatsächlich dasselbe wie das vorige Object (ver- muthlicher Hund). In Natron-Lauge löst es sich leicht auf. Unter dem Mikroskop sieht man, dass es aus zahlreichen Zellen verschiedener Grösse und Form zu- sammengesetzt ist, vermischt mit einem unbekannten körnigen Material, mit ge- legentlichen kleinen Mengen schwärzlichen Pigments, das dem Blut-Pigment ähnlich ist. Physisch unterscheidet es sich von dem vermuthlichen Hunde-Gehirn dadurch, dass es nicht so spröde ist. Es zerbricht mehr wie Wachs und fühlt sich etwas fettig an." Dieser Bericht über ein zweifelloses getrocknetes Gehirn zeigt also identische Beschaffenheit. Nun bleibt noch zu bestimmen, was die Literatur über den Gegenstand aus- sagt, und soweit bekannt, ist dies nur sehr dürftig. Auskunft über die folgenden englischen Autoritäten verdanke ich Hrn. Moore aus Philadelphia, über die deutschen Dr. Lamb aus Washington. Soweit ich unterrichtet bin, wurde noch niemals ein 34* (53-2) Gehirn in ausgegrabenen Resten amerikaniseher Mounds erkannt. In „Naqoada und Sallas, 1895" einem Werk über Forschungen im alten Aegypten von W. Matthew Flinders Petrie und James E. Quibell (London, L. B. Quaritch, 1896), be- findet sich p. 15 der Bericht: „Der Körper war stark gekrümmt, besonders war der linke Arm ganz zusammengebogen. Das im Schädel verbleibende Gehirn war zu einer dunkelbraunen Masse vertrocknet, eher kleiner als ein Cricketball, und die Windungen waren noch deutlich ausgesprochen. Einige Stücke Holz lagen unter dem Körper." Diese Reste gehören der sogen. Neuen Rasse der Archäologen an, die zwischen dem Alten und dem Mittleren Reich nach Aegypten kam, nach der VI. und vor der XI. Dynastie, und rühren ungefähr aus der Zeit zwischen 3300 und 3000 v. Chr. her (op. cit. p. (il). Mir ist keine andere Nach- richt bekannt über Schädel-Inhalt, der in annähernd natürlicher Form erhalten geblieben wäre. Salkowski berichtet in den Verhandlungen der Berliner Gesellschaft für Anthropologie, Ethnologie und Urgeschichte, Berlin 1897, S. 32 — 34 über die Unter- suchung des Inhalts von Schädeln einer ägytischen und einer peruanischen Mumie. In dem ägyptischen Schädel war die Masse ziemlich spröde, auf dem Bruch glänzend und Terbrannte mit leuchtender Flamme unter Hinterlassung von etwas alkalisch reagierender Asche. Nachdem diese Masse mit Alkohol behandelt und filtrirt war,^ liess sie nach der Verdunstung eine harte, glänzende und spröde, duschsichtige Masse zurück, die aus 53 pCt. in Aether unlöslichen Harz bestand. Das Filtrat war eine leicht bräunliche, zerreibliche Masse, die bei der Verbrennung 1,27 pCt. Asche hinterliess. Nachdem diese Asche mit Wasser übergössen war, blieb ein Filtrat, das sich grösstentheils in Salzsäure löste, und die wässerige Lösung hatte eine schwache Reaction von Fhosphorsäure. Der peruanische Schädel enthielt eine weiche, bräunliche, zerreibliche Substanz mit etwas Sand. Erhitzt roch sie nach Fett und verbrennendem Hörn und verbrannte mit leuchtender^ Flamme. Nach Behandlung, wie im vorigen Falle, ergab der Alkohol-Auszug eine fettige Masse, wovon fi6 pCt. in Aether löslich waren. Das Filtrat ergab 18,5 pCt. Asche, wovon der wässerige Auszug sehr stark phosphorsauer rengirte. Hieraus schliesst Sal- kowski, dass die peruanische Masse unzweifelhaft Gehirn-Substanz war, dass aber die ägyptische in dieser Hinsicht zweifelhaft war. Dr. Fouquot und Prof. Virchow,^ jener in einem Schreiben und dieser in einer anschliessenden Besprechung (op. cit. p. 134 u. 135), erörtern die ägyptische Methode, den Kopf einzubalsamiren; sie weisen darauf hin, dass die Gehirn-Substanz wahrscheinlich zum grössten Theil nach Perforation des Siebbeins durch einen Wasserstrom ausgespült wurde. Die Frage, ob die im Innern des Schädels befindliche Masse eingetrocknetes Gehirn sei, das sich im Laufe von Tausenden von Jahren verändert hätte, hielt Virchow für offen und die Salkowski' sehen Ergebnisse für nicht entscheidend. Später be- richtete Salkowski (S. 138fr.) über weitere Nachforschungen in Gemeinschaft mit Dr. Georg Schrader an Material von ägyptischen und peruanischen Schädeln. Der allgemeine Schluss, zu dem man kam, war der, dass eine in jedem Fall ent- haltene harzige Substanz (zerreiblich, bräunlich -durchsichtig) wahrscheinlich auf Veränderungen im Gehirn selbst im Laufe der Zeiten zurückzuführen sei. Noch später (S. 389) beschreibt er eine harzige Substanz aus einem anderen Schädel, die in ihrer Beschaffenheit von den früher untersuchten sehr verschieden war, so dass es zweifelhaft blieb, ob dieser Schädel Gehirn-Substanz enthielt. Zweifellos giebt es noch andere Literatur, die uns entgangen ist. Diese Aus- züge sollen zeigen: (533) 1. dass, ausgenommen bei dem Naquada-Beispiel, kein Bericht über ein voll- ständig oder fast vollständig erhaltenes Gehirn vorhanden ist, dass aber das alte Gehirn eine harzartige Beschaffenheit annehmen kann, wie sie die „schwarzen, glänzenden Oberflächen", vergi. oben, an den Bruchstellen der Decke unseres fraglichen Objects vortäuschen. Für die Analyse durch Verbrennung ist dieses besondere Stück zu kostbar, allein das hier und dort gemeinsame Aussehen vermittelt die gleiche Schluss-Folgerung; '2. die Anerkennung der peruanischen intracranialen Substanz als Gehirn be- stätigt die in diesem Museum an dem Inhalt eines peruanischen Schädels vorgenommene Untersuchung, die wiederum mit dem Object aus dem Mound mikroskopisch übereinstimmte; o. das Naquada- Object stellt vermuthlich ein altes Gehirn dar, das nicht durch künstliche Behandlung verändert ist, so dass es — wenn es ein Gehirn ist, wie Plinders Petrie glaubte, — wahrscheinlich macht, dass das Ohio-Object ebenfalls ein Gehirn ist. Es wird zugegeben, dass der Nachweis nicht vollständig ist dadurch, dass ein gewisser Mangel morphologischer Uebereinstimmung für unwichtigere Einzelheiten vorhanden ist. Aber wenn wir nach bestem Wissen die oben dargelegten Um- stände abwägen, kommen wir zu dem Schluss, dass wir in diesem Object ein ausser- ordentlich zusammengeschrumpftes menschliches Gehirn besitzen, welches sich er- halten konnte durch äusserste Eintrocknung, die in Folge natürlicher Ursachen unter sehr günstigen Bedingungen während eines unbekannten, aber ausgedehnten Zeit- abschnitts gewirkt hat. — (15) Hr. P. Staudinger legt einen künstlichen Kopf von den Ekhois (auch Khois) im nordwestlichen Hinterlande von Kamerun vor. Der Kopf stammt aus einer Gegend, die immerhin noch zu dem Niger- Aestuargebiet zu rechnen ist. Das interessante Stück rührt von der Expedition V. Besser her, und ich erhielt es durch die Verraitteluug des Hrn. L. Frobenius. Es handelt sich hier aber nicht um einen wirklichen Menschenkopf, sondern um eine Nachbildung desselben in Holz. Zwar wurde mir auch von wirklichen mit Haut überspannten Schädeln, bei denen sogar noch die Sehnen zu bemerken wären, erzählt, aber die genauere Nachforschung bei Hrn. Leutnant Merensky ergab, dass es sich hierbei nur um gewöhnliche Schädel erschlagener und auf- gefressener Feinde handelte, die sich zufälligerweise mit in dem B^etisch-Haus zusammen befanden. Anthropophagie tritt bei sehr vielen Stämmen in diesen und benachbarten Gegenden auf. Betrachten wir nun den Kopf näher, so finden wir, dass er ein ganz vorzüg- liches Stück der immerhin ja rohen Neger-Sculptur darbietet. Er ist aus einem weichen Holz geschnitzt und mit einer sehr dünnen Haut überzogen. Ich sandte einige kleine Ausschnitte der letzteren an unser verehrtes Mitglied Hrn. Geh. Rath Fritsch zur Untersuchung, namentlich, da vermuthet wurde, dass es sich event. um Menschenhaut handelte. Nach Aussage des Hrn. P'ritsch ist dies aber nach der vorläufigen mikroskopischen Untersuchung, die allerdings hierbei nichts Be- stimmtes orgiebt, nicht anzunehmen, ebenso wenig spricht aber beim Fehlen ge- wisser Merkmale etwas für Thier-, bezw. Antilopen-Haut. Nach neuerer Prüfung neigt Hr. Fritsch zur Ansicht, dass es sich vielleicht oder vielmehr sehr wahr- (534) scheinlich um die Blase eines Ochsen handeln kann. Es ist mir nun zur Zeit nicht genau erinnerlich, ob dort in der Gegend noch Rindvieh gehalten wird, immerhin handelt es sich wohl um eine ähnliche Innenhaut, vielleicht gar vom Menschen. Um nun weiter in der Beschreibung des Kopfes fortzufahren, fällt uns die sehr sorgsame Behandlung der Details, Nase, Ohren, Mund (mit spitzen Holz- zähnen versehen), Augen und namentlich auch der Narben-Tättowirung auf. Die Gesichtshaut ist roth gefärbt, die Narben-Tättowirungen sind schwarz gehalten. Schwarz wurde auch die eigenthümliche Haar-Frisur angedeutet. Die Augen sind silbergrau gefärbt (durch eine Art Zinn oder Stanniol-Auflage), während die Pupille ein schwarzes Stück Holz andeutet. An der einen Seite des Schädels hängt als besondere Haartracht noch ein etwa 3 dem langer Zopf aus geflochtenen Haarsträhnen hinter dem Ohr herunter. Das Material dazu ist Menschenhaar. Es soll nun auch ähnliche Köpfe geben, in denen das Haar direct einzeln eingesetzt ist. Als Maske hat nun das vorliegende Stück nicht gedient. Wir kennen ähnliche Holz-Masken aus diesen Gegenden in Kamerun, die im Fetisch-Dienst gebraucht werden. Sie sind aber natürlich weit grösser, so dass sie sich über den Kopf stülpen lassen. Sie haben Mund- und Augen-Oeffnungen, und giebt es solche mit einem, zwei, ja sogar vier Gesichtern. Unser hiesiges Museurö befindet sich im Besitze solcher Holz-Masken, wie auch dem hier Gezeigten ähnlicher Köpfe aus be- nachbarten Gegenden. Der vorgelegte Kopf zeigt aber noch etwas Bemerkenswerthes. Es befindet sich ein geflochtener Rand am Halsende befestigt, der jedenfalls wohl dazu an- gebracht ist. dass das Stück auf einer Fläche fester stehen kann und nicht erst auf einen Pfahl oder spitzen Gegenstand aufgesetzt zu werden braucht. Diese Köpfe werden nehmlich im Fetisch-Haus aufbewahrt. Welcher Cultus dort mit ihnen ge- trieben wird, was sie im Besonderen zu bedeuten haben, darüber wissen wir leider noch nichts. Aber dieser geflochtene Rand am Ende ist sogar nachgebildet bei den älteren bronzenen Benin-Köpfen. Es zeigt dies, wie auch so -manches Andere, die Verwandtschaft oder den Zusammenhang mit Benin, vielleicht auch, dass die Herstellung von Holz-Köpfen älter, als die Anfertigung in Bronze gewesen ist. Auch in Benin sollen alte Holz-Köpfe gewesen sein und auch dort wurden die Köpfe im Fetisch-Dienst oder an Fetisch-Plätzen zu Cultus-Zwecken aufgestellt. Die Haltbarkeit eines solchen Holz-Kopfes ist natürlich sehr beschränkt gegenüber denen aus Bronze. Noch eines möchte ich wegen der Tättowirung erwähnen. Einer meiner Be- kannten, der sehr lange am oberen Congo gelebt hatte, sah zufälliger Weise das Stück bei mir und sprach es gleich darauf als Repräsentant eines Congo-Stammes an. Es ist dies ein neuer Beweis, wie gleichartig die Tättowirung bei weit aus- einander wohnenden Völkerschaften in Africa ist. Da das Stück in der Technik und Ausführung, sowie in anderer Hinsicht sehr interessant ist, glaubte ich. es Ihnen doch vorlegen zu sollen. — Hr. G. Fritsch bemerkt, dass es sich nicht feststellen lässt, mit welcher Haut diese Maske überzogen ist. Es lassen sich keine Spuren von Haaren auf der Haut nachweisen. Er will die Nachforschungen über die Herkunft dieser Haut fortsetzen. — (16) Hr. C. Strauch bespricht abnorme Behaarung beim Weibe und legt dabei von einer im forensischen Institut ausgeführten Section die beiden Milchdrüsen eines Weibes mit den dazu gehörenden Brust-Hauttheilen vor. (535) Auffallend sind ziemlich reichliche, lange Haare, die in einem Kreise die Warzenhöfe concentrisch umgeben. Diese Haarkreise sind etwa 2 cm breit und haben links einen Durchmesser von 7, rechts einen solchen von 6 cm. Die Warzenhöfe sind kaum pigmentirt zu nennen, die Brustwarzen selbst nur sehr wenig prominent. Besonders beachtenswerth ist, dass die Warzenhöfe, wie die Brustwarzen selbst, keinerlei Behaarung zeigen, dass die Haare vielmehr erst ausserhalb an den peripherischen Theilen der Warzenhöfe beginnen. Das Präparat stammt von einem 06jährigen Weibe, das durch Selbstmord o-eendet hat, und dessen Leiche deshalb zur Sectiou kam. Interessant war die äussere Be- sichtiguns:. Dieselbe ergab einen durchaus männlichen Habitus. Die Musculatur war kräftig entwickelt, das Fettpolster massig reichlich, da- gegen der Knochenbau sehr massig und stark, sowohl an den Glied- maassen als am Rumpf und Kopf. Die Gliedmaassen waren im Yer- hältniss zur ganzen Körperlänge auf- fallend lang, die Gelenke stark, die Hände und Püsse gross. Der Brust- korb war gut, etwas fassförmig, gewölbt. Am Gesicht waren Jochbein und Unterkieferbein kräftig ausgebildet. Die Jochbögen, sowie das Kinn und die Unterkiefer -Winkel sprangen deutlich hervor. — Die Ohren waren auffallend gross, die Nase breit. Die Milchdrüsen waren bei In- spection und Palpation fast gar nicht wahrzunehmen. Die Conturen der Weichtheile an Rumpf und Gliedmaassen zeigten weiblichen Körpers. Erhöht wurde dieser Eindruck des durchaus Männlichen durch die Behaarung der Leiche. Das Kopfhaar von röthlich-blonder Farbe war schlicht, massig lang und massig reichlich vorhanden. Die Achselhaare blond-röthlich, dicht, lang. Die Brust zeigte die geschilderte abnorme Behaarung der Brustwarzen. Die Schamhaare waren sehr stark entwickelt, buschig dicht, massig kraus, röthlich-blond in der Farbe, lang. Sie bedeckten die Mons veneris in weitester Aus- dehnung und reichten seitlich bis an die Inguinalfalten hinan und umgaben die äussere Scham nach hinten unten ebenfalls sehr ausgiebig. Am bemerkenswerthesten aber war, dass die Schamhaare die obere Begrenzungs-Linie des Mons veneris über- schritten derart, dass sie sich in einem Anfangs 2 cm breiten, später sich ver- schmälernden Streifen bis zum Nabel deutlich verfolgen Hessen (in der Linea alba). nirgends etwas von den Wellenlinien des (536) Die einzelnen Haare in diesem Strich durchkreuzton sich in den verschiedensten Richtungen. Sonstige abnorme Behaarung war nicht vorhanden, insonderheit war die Rücken- fläche, das Kreuzbein und die Hinterbacken frei. Ueberall aber, besonders an den Gliedmaassen, war das Lanugohaar deutlich — lang ausgebildet. Die Zahnbildung war normal in Stellung und Configuration des Zahn- Fortsatzes der Kiefer, einige Zähne defect. Die Farbe der Augen war trotz der bereits eingetretenen deutlichen Trübung der Hornhaut (Leichen-Erscheinung) als grau-blau — helläugig — zu bezeichnen. Es handelte sich demnach in durchaus bemerkenswerther Weise an dieser weiblichen Leiche um überreichliche Behaarung, sog. Hypertrichosis, und zwar sind zwei Befunde von den geschilderten besonders wesentlich: 1. die Behaarung der Brustwarzen, 2. die Ausdehnung der Scham-Behaarung bis zum Nabel hinauf. Beide Befunde sind an einem männlichen Körper wohl bemerkenswerth, doch nicht selten M: wie hier aber, an einem weiblichen Körper, sehr selten und merkwürdig. Nach der Eintheilung von Bartels^), dem Sibold und andere Forscher später gefolgt sind, fallen beide Befunde unter die Gruppe einmal der Hyper- trichosis auf unveränderter Haut (im Gegensatz zu den behaarten Naevi, AVarzen und der Hypertrichosis irritativa Virchow) und ferner unter die so- genannte Heterogenie der Behaarung, d. h. Auftreten abnormer Behaarung bei\Veibern an den für Männer typischen Stellen-^). Diese für die Männer typischen Stellen sind: a) Bartwuchs im Gesicht, b) Behaarung der Brust, c) „ des Bauches. Während bärtige Weiber oft und schon lange beschrieben wurden*), finden sich Berichte über Behaarung der weiblichen Brust oder des Bauches seltener. Bartels giebt in seiner Abhandlung „Ueber abnorme Behaarung beim Menschen" für beiderlei Vorkommnisse je 2 Beispiele. 1. 40jährige Frau: Gesicht glatt, Behaarung auf der Mittellinie des Thorax zwischen den ziemlich stark ausgebildeten Brüsten, entsprechend dem Corpus Storni und Proc. xiphodeus; ausserdem vereinzelte lange Haare kreisförmig rings um die Warzenhöfe. Linea alba ist mit Unterbrechungen bis zum Nabel mit spärlichen kurzen Haaren besetzt. 2. ;3()jähriges Mädchen: Gesicht glatt, abnorme Behaarung der Brust, dem Corpus sterni entsprechend, sonst Vorderfläche von Brust und Bauch ohne auffallende Behaarung. ■;. ISjähriges Mädchen: Gesicht und Brust glatt, Schamhaare sehr ausgebildet, reichen seitlich bis in die Inguinalfalten und als 2,5 cm breiter Streifen in der Linea alba bis 5 cm oberhalb des Nabels. 1) Michelson, Virehow's Archiv, Bd. 100, S. 72. 2) M. Bartels, lieber abnorme Behaarung beim Menschen. Zeitschr. f. Etlinologie 1876, Bd. VIII, S. 127. 3) Vergl. hierzu auch Virchow, Berl. klin. Wochenschrift 1873, Nr. 29. 4) Bartels a. a. 0. und Zeitschi-ilt f. Ethnologie 1879 u. 1881. (587) 4. äSjtlhriges Mädchen: Gesicht und Brust glatt, Schaiiihaare stark ent- wickelt, überschreiten die obere Begrenzung vom Mons Veneris um .') vm und verlaufen in der [jinea alba immer dünner werdend bis zum Nabel. Bartels weist darauf hin, dass ausser dem ersten Fall, wo neben abnormer Brust-Behaarung ein angedeuteter, unterbrochener Schamhaar-Streifen bis zum Nabel zog, niemals eine Combination der 3 Arten heterogener Hypertrichosis beobachtet wird. Keine der vier angeführten Weiber hatte Bartwuchs, welche eine behaarte Brust hatte, hatte einen glatten Bauch, welche einen behaarten Bauch halte, hatte eine glatte Brust. Die in Besprechung stehende Leiche zeigte beiderlei abnorme Behaarung, so- wohl excessive Brust- als Bauch -Behaarung. Auf vorstehender Abbildung habe ich diese Befunde festgehalten und zwar ist das Bild combinirt aus einer Zeichnung der Präparate und einer Photographie der ganzen Leiche. Des Weiteren unterstützt meine Beobachtung noch den Einwand Bartels'^) gegen H. Hildebrandt, der seiner Zeit behauptete'^), dass ein Ueberschreiten der oberen Begrenzungslinie des Mons Veneris durch die Schamhaare bei Weibern selbst bei starker Behaarung nie vorkäme und, wenn die Wucherung der Scham- haare sich über die normalen Grenzen hinaus erstrecke, es stets nur seitwärts und nach hinten zu geschähe. Auch nach den Tabellen des Dr. Eggel, die Bartels in seinem dritten Aufsatz (1881) veröffentlicht, finden sich bei genauer Untersuchung gerade dieser Heterogenie der Behaarung dieselbe unter 1000 Weibern 17mal und zwar in sechs Fällen analog bis hinauf zum Nabel. Ferner ist meine Beobachtung als ein Beweis dafür zu verwerthen, dass durch das Bestehen eines männlichen Habitus bei Weibern die Fähigkeit der Fortpflanzung durchaus nicht beeinträchtigt oder aufgehoben wird. Denn wie die berühmten Fälle abnormer Behaarung (Julia Pastrana, Rosina Margaretha Müllner, u. A.) Nachkommen hatten, so ergab die weitere innere Be- sichtigung auch an meiner Leiche normal entwickelte innere Geschlechts-Organe und stattgehabte Geburt. Zum Schluss endlich sei noch auf einen Umstand hingewiesen, der so recht zum geschilderten männlichen Körper- Habitus passt, nehmlich auf die Art des Selbstmordes, die diese Frau gewählt hatte. Sie hatte sich selbst erdrosselt. Seit 17 Jahren ist in Berlin kein sicherer Fall von Selbst-Erdrosselung bekannt ge- worden und erhellt daraus schon die Seltenheit, und Eigenartigkeit dieser Todesart. Es erfordert nehmlich die Ausführung dieser Art von Selbstmordes eine ganz un- gewöhnliche Willenskraft und Stärke-^). Während beim Erhängen der Mensch nach Zuschnürung des Strang-Werkzeuges augenblicklich bewusstlos wird und schnell erstickt, tritt hier bei der Selbst-Erdrosselung allmähliche ßewusstlosigkeit und der Tod in Gestalt einer langsamen Erstickung ein. Der Selbstmörder hat es gleichsam in seiner Hand, im letzten Augenblick noch wieder sich zu befreien und muss eine fast übermenschliche Energie besitzen, wenn er dennoch trotz höchster Athem- noth und Blutstauung im Kopf seinen Vorsatz bis zum Ziele durchführt. — 1) a. a. 0. S. 190—192. 2) Schriften der pliysikalisch- ökonomischen Gesellschaft zu Königsberg i. Pr. 1878, Jahrg. 19. 3) E. Hof mann, Wiener med. Prosse 1879, Nr. 1—6. (538) (17) Hr. Rud. Virchovv legt einen Schädel aus Ponape (Karolinen) vor, an dem sich eine Trepanations-Oeffnung findet, welche beweist, dass die Operation überlebt worden ist. — (LS) Hf. Hubert Schmidt hält den Schluss seines Vortrages über alt- europäische Gefäss- Ornamentik, über W' eichen schon berichtet wurde (November-Sitzung, Verhandl. S. 441). — Hr. Rud. Virchovv weist auf die Ornamentik hin, welche sich auf den Bambu- Gefässen der Eingeborenen von Malacca findet und über welche, nach Vaughan Stevens, Hr. Preuss in der Zeitschr. f. Ethnologie, Jahrg. 1899, S. 137 ff. be- richtet hat. Es handelt sich hier um eine völlig primitive Kunst, ohne Beein- flussung von anderer Seite. Nach Vaughan Stevens sind in diesen, rein geo- metrisch erscheinenden Ornamenten, vielfach Beziehungen zu menschlichen Dar- stellungen vorhanden. Es empfiehlt sich, bei Forschungen über Ornamentik auch diese primitive Ornamentik zu berücksichtigen. — (19) Hr. A. Voss berichtet über Die ßriquetage- Funde im Seillethal in Lothringen und ähnliche Funde in der Umgegend von Halle a. S. und im Saalethal. Zu den interessantesten und lehrreichsten Veranstaltungen, welche bei Gelegen- heit der Allgemeinen Versammlung der Deutschen Anthropologischen Gesellschaft im August d. J. zu Metz geboten wurden, gehörte unstreitig die Excursion in das Seillethal, welche unser Herr Vorsitzender in seinem in der November-Sitzung er- statteten Bericht auch bereits besprochen hat. Das Seillethal ist von Alters her bekannt durch seinen Reichthum an Salz-Quellen, und viele voai diesen Quellen, welche früher vielleicht salzhaltige Teiche bildeten, sind noch jetzt kenntlich als feuchte, zum Theil sumpfige Wiesen, die sich im Laufe der Zeit aus jenen Teichen durch Hereinschwemmen des Bodens von den benachbarten Höhen herab gebildet haben und sich durch eine üppige Vegetation auszeichnen. Hr. Camille Brunotte, Professeur agrege d'histoire naturelle ä l'Ecole superieure de Pharmacie de Nancy, hat diese Vegetation näher untersucht und beschrieben in einer kleinen Broschüre, betitelt: „Les marais sales de la Vallee de la Seille au point de vue botanique" (Nancy, Imprimerie Berger- Levrault et C'"' 1896) und ihr eine kleine Karte bei- gegeben, welche eine sehr instructive Uebersicht über die bei Vic-sur-Seille und in dessen Umgegend vorhandenen salzigen Quell -Sümpfe gewährt, und die ich Ihnen hiermit zur Ansicht vorlege. Schon im Jahre 1889 hatte mit dem Gesammtverein der Deutschen historischen Vereine, welcher in jenem Jahre in Metz tagte, ebenfalls eine Excursion zu diesen Sümpfen stattgefunden, und in den Verhandlungen der Versammlung hatten die eigenthümlichen Funde, welche aus diesen Sümpfen zu Tage gefördert waren, eine ausführliche Schilderung ihrer Entdeckung, ihrer Verbreitung und der verschiedenen Ansichten über den Zweck der in den Sümpfen abgelagerten Massenfunde durch Hrn. Abbe Paulus in Moulins erfahren, abgedruckt in: „Protocolle der General- Versammlung des Gesammtvereins der Deutschen Geschichts- und Alterthums- Vereine zu Metz,'' Berlin 1890, S. 151 — 169, unter dem Titel: „Die Ziegel-Tief- bauten (Briquetages) des Seillethales. " Ich darf mich wohl darauf beschränken, das Wesentlichste aus dem sehr eingehenden Vortrage des Hrn. Paulus hier mit- (539) zutheilen. Die in jenen Sümpfen vorkommenden Funde bestehen aus grossen Massen verschieden geformter Gebilde aus gebranntem Thon. Es sind theils läng- liche, vierkantige Prismen von fast quadratischem Querschnitt, thoils cylindrische Körper von verschiedener Länge. Daneben kommen auch schuhsohlenartige Platten und kleine mit den Fingern geknetete Stücke, sowie hohle, röhrenförmige Ge- bilde vor. Sie stellen sich jetzt dar als Ablagerungen in Schichten von ver- schiedener Ausdehnung und Mächtigkeit, zum Theil sogar von vielen Metern in der Flächen-Ausdehnung und mehr als meterhoher Mächtigkeit in ein bis mehreren Metern Tiefe unter der jetzigen Oberfläche. Hr. Paulus hat berechnet, dass die Gesammtfläche dieser durch derartige Funde ausgezeichneten Sümpfe etwa 122 ha umfasst, und dass die in ihnen enthaltene Masse etwa 2870000 chm beträgt. Natürlich ist dies nur eine ungefähre Schätzung, deren Richtigkeit erst noch durch eingehendere Untersuchung mit Hülfe ausgedehnter Ausgrabungen näher festzustellen ist. Immerhin aber giebt sie vorerst einen Begriff von der Gross- artigkeit dieser Funde. Man wurde auf die grosse Ausdehnung dieser Funde zuerst aufmerksam bei Anlage der Festung Marsal unter Ludwig XIV. und seit jener Zeit hat man über den etwaigen Zweck dieser Massen und ihre Herkunft die verschiedensten Ver- muthungen aufgestellt. Das fand man als sicher heraus, dass sie ein sehr hohes Alter haben müssten und bereits in vorrömischer Zeit vorhanden waren, und bei dem massenhaften Vorkommen war man im Allgemeinen geneigt, in ihnen Anlagen zu sehen, welche zur Befestigung des Untergrundes, zu Fundamentirungs-Zwecken gedient hätten. Namentlich hatte die Entdeckung der Pfahlbauten der Annahme Vorschub geleistet, dass man es hier auch vielleicht mit Resten von unterbauten für Ansiedelungen oder Wege zu thun hätte und besonders auf Grund jener pris- matischen, mehr ziegeiförmigen Thon-Gebilde glaubte man dies mit einiger Sicher- heit behaupten zu dürfen. Daher stammt auch die schwer zu verdeutschende Bezeichnung „Briqüetuge". Eine ganz abweichende Meinung hatte jedoch ein Hr. Morey (Memoires de l'Academie de Stanislas, 1867, p. 140—142) zuerst geäussert. Er sah nehmlich in diesen Funden, von welchen zuvor schon der Salinen-Director zu Moyenvic, Dupre, angenommen hatte, dass sie zum Schutze der Salz-Quellen im oberen Seillethal gedient hätten (Memoire sui- les antiquites de Marsal et de Moyenvic 1829), die Reste einer Industrie zur Salz-Bereitung, indem er sich auf eine Stelle bei Plinius Secundus berief, in welcher es heisst (nat. histor. XXXI), dass man in Gallien und Germanien Salz gewinne, indem man Soole (aquam salsam) auf Kohlen giesse. Er meinte, man habe diese Thon-Gebilde nur hergestellt, um sie so erhitzen und dm-ch Uebergiessen mit Soole das in ihr enthaltene Wasser schneller zur Ver- dampfung zu bringen und das Salz herauskrystallisiren zu lassen. Hr. Paulus behandelte in seinem Berichte diese Ansicht ablehnend, offenbar beeinflusst durch die damals herrschenden Ansichten. Indess hat Hr. Morey für seine Meinung Genossen gefanden. Hr. Baurath Doell veröffentlichte nehmlich zur Zeit des Anthropologen-Congresses in der .,Strassburger Post^ vom o. und 4. August UtOl, Nr. 692 und 695, einen kurz zusammenfassenden Bericht in einem Artikel, betitelt: „Die Lothringischen Weiher. Die älteste Art der Salz-Gewinnung, die Flösserei und die Backstein-Reste (Briquetage) im Seillethal," in welchem er die Literatur-Angaben von Paulus noch vervollständigte und auch die Ansicht Morey's erwähnt, mit dem Hinzufügen, dass er selbständig auf denselben Ge- danken gekommen sei, wie Hr. Morey, und dass nach seiner Meinung die er- wähnten Weiher Stau -Anlagen zum Zwecke der Holz-Flösserei und die sogen. (540) Briquetagen Reste der Abfallmassen der Salz-Gewinnung seien. Den Eindruck, dass diese Massen Reste einer bedeutenden und lange dauernden Industrie seien, hatten auch wohl alle Anthropologen nach Besichtigung der programmgemäss ge- zeigten Fundstellen, wie dies insbesondere durch die in der Sitzung zu Vic-sur- Seille geäusserten Ansichten, namentlich von den Hrn. Regierungsrath Dr. Much und Gustos Szombathy aus Wien ausgesprochen wurde. Die Gesellschaft für Lothringische Geschichte und Alterthumskunde hatte gegenüber all den früher geäusserten Meinungen und Muthmaassungen über den Zweck der Briquetage-Anlagen den einzig richtigen Weg eingeschlagen, nehmlich den des Experiments, des praktischen Versuches, und wir sind ihr dafür den wärmsten Dank schuldig. In ihrem Auftrage hatte Hr. Museums-Director Keune trotz aller Beschwerlichkeiten in dem sumpfigen Terrain mit rühmlichstem Eifer und anerkennenswerthester Ausdauer zuerst in Salonnes einige Versuchsgrabungen angestellt und dann in Burthecourt bei Vic-sur-Seille eine Ausgrabung grösseren Stiles auf einem dem Hrn. Grafen Molitor gehörigen Grundstücke ausgeführt, indem er einen etwa 2 m breiten, vielleicht 50 m langen und etwa 2 m tiefen Ein- schnitt in den salzhaltigen Wiesenboden hatte machen lassen. Dort konnte man die stellenweise recht beträchtlichen, zusammenhängenden Schichteil der abgelagerten Thon-Fragmente vor sich sehen, welche noch unter das damals gewonnene Niveau herabreichten und nach dem von Hrn. Director Keune im Corresp.-Blatt der Deutschen Anthropologischen Gesellschaft erstatteten Bericht, auf den ich hiermit noch besonders aufmerksam mache, erst in einer Tiefe von 7,5 m auf dem festen Untergrunde ihren Abschluss fanden (s. Corresp.-Blatt 1901, Nr. 11 u. 12, S. 121, Anmerk.). Zur Demonstration des Verfahrens der Salz-Gewinnung in altersgrauer Zeit mit Hülfe von Ziegel-Apparaten, hatte Hr. Kreis-Director Menny in Chateau Salins aus nachgeahmten Briquetage-E'undstücken, welche bis zu ihrer rauthmaasslichen, ur- sprünglichen Grösse ergänzt und in frischem Thon gebrannt waren, in sehr sinn- reicher Weise einen Verdarapfungs-Apparat construirt, welcher in der Nähe der Fundstelle errichtet war und an welchem er durch Aufgiessen von Soole die Ver- dampfung des Wassers und den Niederschlag des Salzes zeigte. Der Apparat be- stand zunächst aus 4 an den Ecken eines Quadrats von ungefähr 50 cm Seitenlänge aufgestellten Stützen, als welche man 4 Nachbildungen der vierkantigen pris- matischen Stücke von etwa 10—12 Zoll Länge benutzt hatte. Ich bemerke hierbei ausdrücklich, dass ich die Maasse nur aus der Erinnerung nach meiner Schätzung nach Augenmaass angebe. Auf diesen 4 Stützen war eine oben offene, vierseitige Pyramide construirt, aus den horizontal aufeinander gelegten Thon-Cylindern, welche an den vier Ecken durch Dazwischenkneten von frischem Lehm mit einander verbunden waren. Dadurch, dass sie abwechselnd nur immer auf je zwei gegen- über liegenden Seiten aufgelegt waren, bildeten die Seitenflächen gewissermaassen durchbrochene Gitter, welche dem Luftzuge leichten Durchgang gestatteten. Unter diesem pyramidenförmigen Gitter-Gerüst hatte man auf dem Erdboden, der viel- leicht ursprünglich mit flachen Thonplatten oder Lehmschlag gepflastert war, zur Erwärmung des gesummten Apparates Feuer angezündet und man sprengte nun, bei unserer Anwesenheit allerdings mit Hülfe der Brause einer Giesskanne, das Salzwasser auf die erwärmten Thon-Gebilde. Wir konnten uns davon überzeugen, dass sich bei diesem Process wirklich Salz ausschied und auf den Thon-Gebilden niederschlug in B'orm feiner, sehr sauberer, weisser Krystalle. Somit hatte also die Meinung, dass die Briquetagen ursprünglich zur Salz-Gewinnung gedient hätten. (•>41) durch einen praktischen Versuch eine Bestätigung erfahren, deren Möglichkeit wohl von allen dort Anwesenden zugegeben worden ist. Hr. Doell meint, dass der Holzverbrauch bei dem von Plinius geschilderten Verfahren, bei welchem die Soole auf die glühenden Kohlen gegossen wurde, zu stark gewesen sei und die Trennung des Salzes von den Kohlen zu schwierig. Es hätte deshalb nahe gelegen, statt der glühenden Kohlen heiss gemachte Steine zu verwenden, aber die Gegend des Seillethals bestehe nur aus Kalk, der im Feuer vergehe und deshalb unverwendbar gewesen sei. In Folge dessen habe man sich ein feuerbeständigeres Material künstlich hergestellt, dessen Reste wir nun in den Abfall-Schichten der Briquetage vor uns sähen. Man Avird nach meiner Meinung diesem Gedankengange nur zustimmen können. Ich bin nun in der Lage, Ihnen vorläuBg einige wenige Proben der dort ge- fundenen Gegenstände zeigen zu können. Eine grössere Anzahl von prismatischen Stücken verdankt das Kgl. Museum der Güte des verstorbenen Hrn. v. Cohausen, welcher als Vorstands-Mitglied des Gesammtvereins der historischen Vereine im Jahre ISSD an der Versammlung in Metz theilgenommen hat und Pundstücke aus den Briquetagen erhalten hatte. Einen Theil derselben hat er dem Kgl. Museum überwiesen. Wie Sie sehen, sind es grösstentheils vierkantige Prismen, welche offenbar von jemand gesammelt sind, welcher annahm, dass diese Funde Reste von Grundbauten seien ^). Diesen anderen Theil habe ich selbst an Ort und Stelle gesammelt, und haben unser Herr Vorsitzender und andere Mitglieder unserer Berliner Gesellschaft dort gesammelt und unserem Museum überwiesen. Sehr be- merkenswerth ist darunter ein Stück, welches ich der Güte unseres Herrn Vor- sitzenden verdanke, welches ein Eckverbindungs-Stück darstellt, an welchem man deutlich sieht, wie die Cylinder an den Ecken aufeinander gelegt und durch da- zwischen gekneteten Thon mit einander verbunden waren. Bis jetzt sind derartige Funde nur aus dem Seillethale bekannt und be- schrieben. Indess möchte ich mir erlauben, wie ich das auch schon bei der Ver- sammlung in Metz gethan habe, auf eine Reihe von Funden aufmerksam zu machen, welche in der Provinz Sachsen, namentlich im Gelände der Saale und be- sonders in der Nähe von Halle a. S. gemacht sind. Einzelne Formen dieser Funde sind seit langer Zeit bekannt und man hat ihnen verschiedene Deutungen beigelegt, bis jetzt aber hat man sie mit der Salz-Gewinnung nicht in Zusammenhang ge- bracht. Hr. Dr. Marcuse, welcher der Versammlung in Metz als Berichterstatter beiwohnte, hat allerdings über die Briquetage-Funde sehr bald nach der Metzer Versammlung im Globus einen Artikel veröffentlicht, in welchem er die Sache so darstellt, als sei es eine allgemein bekannte Thatsache, dass bei Halle und im Saalethal auch Briquetage-Funde vorkämen. Ich muss demgegenüber bemerken, dass ich wohl der Erste und bis dahin auch der Einzige gewesen bin, welcher bei Gelegenheit der Metzer Versammlung auf eine gewisse Aehnlichkeit der Funde von Halle a. S., bezw. Giebichenstein mit den Briquetage-Funden hingewiesen hat. Ich habe dies aber auch nur mit aller Vorsicht gethan und mit dem ausdrücklichen Bemerken, dass es den Anschein habe, als hätten einige der dort gefundenen Thon- Geräthe, insbesondere die prismatischen, jn gleicher Weise, wie die Lothringischen, zur Salz-Gewinnung gedient, und dass man von diesem Gesichtspunkte aus weitere Nachforschungen in der Umgebung unserer Salzquellen anstellen möge. 1) Dieser Ansicht huldigte auch Hr. Ober-Medicinalratli Dr. Götz. S. Corresp.-Blatt der Deutschen Anthropolog. Gesellschaft 1886, S. 140. (54-2) Wie ich schon in Metz hervorhob, hatte man Anfangs nur auf die Funde der leuchterförmigen Gebilde, wie Sie sie hier sehen, seine Aufmerksamkeit gerichtet^). Sie sind von dem Wohnphvtze und Gräberfelde, das zwischen Halle und Giebichen- stein liegt und jetzt ganz mit Häusern besetzt ist, seit langer Zeit bekannt. Sie bestehen aus einem runden, cylindrischen Schaft, welcher unten eine fussartige Verbreiterung hat und an seinem oberen Ende eine dellenartige Erweiterung trägt, die verschiedentlich als Lampen- oder Leuchter-Vorrichtung angesprochen worden sind. Ich lege Ihnen hier einige Exemplare vor, welche zum Theil aus alten Sammlungen stammen, die in den Besitz des Königl. Museums übergegangen sind. Die dellenartigen Vertiefungen des oberen Endes sind zum Theil ge- schwärzt, offenbar mit Kohle imprägnirt, und haben das Aussehen, als hätte auf ihnen eine russende Flamme gebrannt. Ich vermag aber nicht zu sagen, ob sie in diesem Zustande aus der Erde gehoben sind, oder ob die Besitzer nachträglich Versuche, sie als Lampen zu prüfen, angestellt haben und die Iraprägni rangen also aus moderner Zeit herstammen. Diese für Lampen angesehenen Gebilde hatten nun hauptsächlich das Interesse auf sich gezogen und darüber waren die anderen, weniger in die Augen fallenden verschiedenartigen Stücke unbeachtet ge- blieben. Ueber die Funde auf dem oben erwähnten Giebichensteiner Pundplatze haben Prof. Credner, jetzt in Greifswald, damals Privat-Docent in Halle a. S., und ich ausführlicher berichtet (s. Credner- Voss, Bericht über das Gräberfeld von Giebichenstein bei Halle a. S., Verhandl. der Berliner Anthropol. Ges. 1879, S. 47f['., Credner's Bericht, S. 47—52, Voss. S. 52— G42). Ich habe damals auch schon auf die anderen Arten von Funden aus jenen Fundgruben, die zum Theil Wohngruben waren, zum Theil aber auch Begräbnisse enthielten, aufmerksam ge- macht und kann Ihnen hier die Stücke vorlegen, welche ich im Jahre 1876 an Ort und Stelle selbst gesammelt habe. Unter diesen befinden sich ebenfalls hohle Stücke und, was namentlich von Interesse ist, wnr besitzen auch vierkantige pris- matische Stücke von dort (s. Dr. Brunner, Fund-Nachrichten 1901, Heft 6). Hr. Dr. J. Schmidt, der frühere, jetzt verstorbene Director des Provincial-Museums zu Halle, hat später ebenfalls eine mit Abbildungen versehene Zusammenstellung derartiger Funde im Saalethale und in den angrenzenden Gebieten gemacht in den von ihm herausgegebenen „Mittheilungen aus dem Provincial-Museum der Provinz Sachsen zu Halle a. S.", I. Heft, Halle a. S., Druck und Verlag von Otto Hendel, 1894, S. 48fr.; betitelt: Cylinder und andere Thon-Gebilde unbekannten Gebrauchs aus der Umgegend von Halle a. S. Eine Erklärung für den Zweck dieser Gebilde hat er nicht gegeben, auch nicht versucht. Dagegen hat sein Nachfolger im Amte, der jetzige Director des Provinzial-Museums, Hr. Major a. D. Dr. Förtsch, namentlich den prismatischen Stücken seine Aufmerksamkeit zugewendet und ist, 'gestützt auf einen Grabfund, zu der Meinung gekommen, der auch ein zur Begut- achtung hinzugezogener Töpfer-Meister seine Zustimmung gegeben hat, dass die vierkantigen prismatischen Fundstücke zur Töpferei gedient hätten, hauptsächlich, um die zu brennenden Thon-Gefässe beim Brennen zu stützen (s. Förtsch: „Ueber vorgeschichtliche Töpferei-Geräthe aus der Umgebung von Halle." Zeitschrift f. Naturwissenschaften, Bd. 67 [1894], S. 59—72 und Tafel I). Gegen eine solche 1) S. Abbildung bei Dr. K. Brunner, Eigenthünüiche Thon-Geräthe aus der Provinz Sachsen in „Nachrichten über Deutsche Alterthumsfuude" 11)01, Heft 6, Fig. 1. 2) Durch Versehen des Setzers sind die Credner's Bericht abschliessenden Häkchen fortgeblieben. (543) Erklärung hat sich jedoch schon Dr. Schmidt (s. o. S. 58 ff.) j^ewendet. Er beruft sich dabei auf das Zeugniss des Hrn. Prof. Dr. Jentsch in Guben, dass derartige Funde in der an lierami sehen Producten so ungemein reichen Lausitz nicht \orgekommen sind. Lassen wir nun damit vorläufig diese Frage auf sich beruhen. Jedenfalls aber steht das fest, dass besonders zwischen jenen Prismen aus der Briquetage, oder wie man neuerdings, mehr entsprechend dem französischen Sprachgebrauch, sagt, aus dem Briquetage, wobei Briquetage als Neutrum zu denken wäre^), und den hier vorliegenden eine grosse Aehnlichkeit besteht, ebenso aber auch mit den einfach cylindrischen Stücken aus den verschiedenen Localitäten des Saalethaies, ferner dass diese Funde hauptsächlich im Thale der Saale, welches reich an Salz-Quellen ist, ausserdem auch bei Erdeborn am Salzigen See im Kreise Mans- feld gefunden sind, dass die Seille bei den alten fränkischen Schriftstellern den sehr ähnlichen Namen Salia führt, und dass diese Fundstücke an manchen Stellen des Saale-Gebietes ebenfalls in grosser Zahl beisammen gefunden sind, allerdings bei weitem nicht in solchen Massen, wie an den Lothringischen Pundplätzen. Zur Ergänzung meines früheren, im Anschluss an Prof. Credner's verfassten Berichtes und zur Vervollständigung der Zusammenstellung des Hrn. Directors Dr. Schmidt hat Hr. Dr. Brunner die oben erwähnte Zusammenstellung der im Kgl. Museum befindlichen hierher gehörigen Fundstücke verfasst und mit Zeichnungen eigener Hand versehen und ich darf wohl hoffen, dass hierdurch die Anregung zu weiteren Nachforschungen gegeben wird. Hinsichtlich des Alters dieser Funde kann ich hinzufügen, dass das Giebichen- steiner Fund-Gebiet zum Theil bis in die Hallstatt-Zeit hinaufreicht, dass aber auch einige cylindrische Stücke aus dem bekannten steinzeitlichen Gräberfelde von Rossen, welches gleichfalls im Saale-Gebiet liegt, stammen, dass die Briquetagen, soweit man aus den Funden ersehen konnte, ebenfalls bis in die Hallstatt-Zeit hinaufgehen dürften. Dabei will ich aber nicht unerwähnt lassen, dass mir auf dem Fundplatze bei Burthecourt eine frisch gefundene, gelbliche Scherbe, an- scheinend aus feinem Thon, gezeigt wurde, welche mit einem vier- oder fünf- zeiligen Stich-Bandornament verziert war, die ich damals aber leider nicht genauer ansehen konnte und die nachträglich verschwunden ist. Da ja steinzeitliche Funde auf den angrenzenden Höhen des Seillethales zu Tage gefördert sind, so wäre es nicht unmöglich, dass die Briquetagen in ihren Anfängen schon aus der Steinzeit stammen. Jedoch werden wir ja darüber bei dem regen Eifer der Herren von der Gesellschaft für Lothringische Geschichte und Alterthumskunde wohl noch Näheres erfahren und will ich hiermit vorläufig meine Mittheilung schliessen, Hr. Museums- Director Kenne, der Leiter der Ausgrabungen, hat mir in liebenswürdigster Weise für unser Museum eine instructive, nicht so einseitig gesammelte, wie die V. Cohausen'sche, sondern möglichst alle Typen repräsentirende CoUection zu- gesagt, und ich werde nicht verfehlen, sie Ihnen dann ebenfalls vorzulegen. Einst- weilen möchte ich die hiermit angeregte Angelegenheit Ihrer Aufmerksamkeit empfehlen und Sie bitten, nachzuforschen, ob bei den Salz-Quellen Deutschlands nicht ähnliche Industrien geherrscht haben. Natürlich werden Gegenden, wo 1) Ehe das Wort Briquetage allgemeiner bekannt wurde, war es längst im Deutschen üblich, die im Französischen masculiuen Wörter auf -age als feminina zu gebrauchen, wie : die Passage, die Courage, die Bagage usw. Somit würde der Gebrauch des weiblichen Artikels im Deutschen eine gewisse Berechtigung haben. (bU) erratische Geschiebe und GeröUe aus feuerbeständigerem Gestein vorhanden sind, hierbei wohl weniger in Betracht kommen, als jene, in welchen Salz-Quellen aus Kalkboden zu Tage treten; wo feuerbeständigeres Material mangelt, wie z. B. im Kocher- und Jaxt-Thale. Dort ist bis jetzt allerdings Derartiges nicht gefunden worden, aber es dürfte sich wohl verlohnen, genauere Nachsuchungen anzu- stellen. — Hr. Goldstein bemerkt hierzu: Zur der Gleichstellung von Seille mit Saale möchte ich mir die Bemerkung erlauben, dass in Metz, wo bekanntlich die Seille in die Mosel geht, eine obere und untere Saal-Strasse sich befindet, ferner ein Unter-Saa Istaden. — (20) Hr. A. Voss berichtet über Weihnachts-Gebräuche in Böhmen und Nachbarschaft. Im Jahre l.s!i9 kam ich im December nach Pilsen. Bei einem Gange über den Wochenmarkt sah ich dort eigenthümliche puppenartige Figuren zum Verkauf ausgestellt, welche offenbar nur einen Gelegenheits-Zw^eck hatten. Sie stellten zwei sehr verschiedenartige Typen dar. Während die eine Art das Ansehen eines Bischofs in weissem Ornat zeigte, stellte die andere eine dunkele, schwärzliche, teufelsähnliche Figur vor mit Hörnern und lang hervorgestreckter rother Zunge. Wie man mir auf Befragen mitthcilte, sollte die helle Figur den heiligen Nicolaus (Nicolo) vorstellen, die andere dunkele, teufelsähnliche, den „Krampus", seinen Gehülfen. Mir war wohl die Feier des Nicolaus-Tages, des 6. December, aus eigener Erfahrung von Süd-Deutschland und den Rhein-Gegenden her bekannt, aber ich hatte dort nie dergleichen Figuren gesehen. Bei uns hier zu Lande, in Branden- burg und Pommern, wo die "Feier des Nicolaus-Tages nicht üblich ist, ist Der- artiges überhaupt nicht bekannt. Nachdem ich mich inzwischen weiter umgesehen, habe ich ermittelt, dass die beiden Figuren des Nicolaus und des Krampus in ganz Böhmen bekannt sind, ebenso in den angrenzenden Thälern von Bayern und, wie Fräulein Eysn in Salzburg die Güte hatte, mir mitzutheilen, auch im Salz- burgischen. Es liegt nahe, beim Anblick dieser Figuren und in der Erwägung der Zeit ihres Auftretens (der Adventszeit) und der besonderen Gebräuche, welche sich an ihr Auftreten knüpfen, anzunehmen, dass sich hinter ihnen der Gedanke an eine lichte, wohlthätige Gottheit (slav. Bielbog) und an ein dunkeles, böses und strafendes Wesen (slav. Czernebog) verbirgt. Der Nicolaus-Tag wurde in West- und Süd- Deutschland allgemein in ähnlicher Weise gefeiert, wie bei uns das Weihnachts- Fest. Die Herstellung solcher Figuren in allen möglichen Materialien ist zu dieser Zeit noch in Böhmen und Nachbarschaft üblich. Als Beispiele kann ich Ihnen hier die Figur des Krampus in Pfefferkuchen zeigen, sowie auch eine ähnliche dunkele Figur aus getrockneten Pflaumen („Back-Pflaumen", „dürren Zwetschken"), welche eigenartigen Gebilde ich ebenfalls der Güte von Fräulein Eysn verdanke. Letztere hatte ausserdem die Güte, mir einige Ansichts-Postkarten, die diese Ge- bräuche illustriren, zu übersenden, welche ich Ihnen hiermit vorlege und zu denen ich einige ähnliche aus Böhmen hinzugefügt habe. Ob unser Berliner „Rosinenmann" vielleicht ein Ableger oder entfernter Ver- wandter des Salzburgischen oder auch Böhmischen Zwetschken-Mannes ist, ist nicht unmöglich. Das wäre dann aber die einzige Spur der Uebertragung jenes Gebrauchs auf unsere Gegend. — (545) (•21) Neu eingegangene Schriften: 1. Oppenheim, Max, Freiherr v., Bericht über eine im Jahre ISO!» ausgeführte Forschungsreise in der Asiatischen Türkei. Berlin 1901. 8". ;(Aus|: Zeitschr. d. Ges. f. Erdkunde.) Gesch. d. Verf. 2. Martin, Rudolf, Physische Anthropologie der schweizerischen Bevölkerung. Bern: K. J. Wyss 1901. S». Gesch. d. Verf. 3. Lehmann-Nitsche,R., Der Mensch und das Grypotherium in Süd-Patagonien. Aachen 1900. s». (Aus: Verhandlungen Deutscher Naturf. u. Aerzte in Aachen.) 4. Derselbe, Ein seltener Fall von angeborener medianer Spaltung der oberen Gesichtshälfte. Berlin 1901. S". (Aus: Virchovp's Archiv für patho- logische Anatomie und Physiologie und f. klinische Medicin. 1G3. Bd.) Nr. 3 u. 4 Gesch. d. Verf. 5. Dorsey, George A., The Shoshonean game of Nä-wa-tä-pi. Baltimore 1900. 8". (Aus: Journal of American Folk-Lore.) 6. Derselbe, Certain gambling games of the Klamath Indians. New York: G. P. Putnam 1901. 8^ (Aus: American Anthropologist.) Nr. 5 u. 6 Gesch. d. Verf. 7. Makowsky, Alexander, Der Mensch in der Diluvialzeit Mährens. Brunn 1899. 4°. (Aus: Festschrift der k. k. Technischen Hochschule in Brunn ... im October 1899.) Gesch. d. Verf. 8. Rouffaer, G. P., Oost en West. Tentoonstelling van Indische Kunstnijverheid. 's Gravenhage 1901. 8». Gesch. d. Verf. 9. Lissauer, A., Virchow als Anthropologe. Leipzig 1901. 8". (Aus: Deutsche Medicinische Wochenschrift. Nr. 41.) Gesch. d. Verf. 10. Capitan, L., et H. Breuil, Une nouvelle grotte avec figures peintes sur les parois ä l'epoque paleolitheque. Paris 1901. 4°. (Aus: Comptes rendus des seances de l'Academie des Sciences.) Gesch. d. Verf. 11. Grass mann, Robert, Auszüge aus der Moraltheologie des Heiligen Dr. Alphonsus Maria de Liguori . . . . 90. Aufl. Stettin: R. Grassmann 1901. so. Gesch. d. Verf. 12. Ehlers, Edv., und 0. Cahnheim, Die Lepra auf der Insel Greta. Leipzig: J. A. Barth 1901. 4°. Gesch. d. Verf. 13. Wiechel, Hugo, Dorf-Wirthshausnamen im Erzgebirge, o. 0. u. J. 4o. 14. Derselbe, Rennsteige und Rainwege in Sachsen. Leipzig 1898. 4». (Aus: Wissensch, Beilage der Leipziger Zeitung.) 15. Derselbe, Der Rabensteiner Rennsteig. Chemnitz 1898. 4«». (Aus: Beilage zum Chemnitzer Tageblatt und. Anzeiger.) 16. Derselbe, Der Lauf der ältesten Landstrasse durch Chemnitz. Chemnitz 1900. 4°. (Aus: Beilage zur Allgemeinen Zeitung.) 17. Derselbe, Hufeisen als Schutzzeichen, Grenzmarken und Geboteisen. — Alte Steinkreuze in Sachsen. — Dresden: Hansa 1899 u. 1900. 8». (Aus: Mittheil. d. Vereins für Sächsische Volkskunde.) 18. Derselbe, ürnenfunde bei Klotzsche und Laussnitz in Sachsen. Dresden 1885. «o. (Aus: Festschrift der Isis.) 19. Derselbe, Die ältesten Wege in Sachsen. Dresden 1901. 8". (Aus: Abhand- lungen der , . . Isis.) Nr. 13— 19 Gesch. d. Verf. Verhandl. der Berl. Anthropol. Gesellschaft 1901. 35 (546) 20. Schoetensack, Otto, Die Bedeutung Australiens für die Heranbildung des Menschen aus einer niederen Form. Berlin 1901. 8^ (Aus: Zeitschr. f. Ethnologie.) Gesch. d. Verf. • 21. Blasius, Wilhelm, Vorgeschichtliche Denkmäler zwischen Helmstedt, Harbke und Marienborn. Braunschweig: F. Vieweg 1901. S«. (Aus: Festschrift zur Feier des 70. Geburtstages von Richard Dedekind.) Gesch. d. Verf. 22. Seidel, A., Das Bakwiri-Volk in Kamerun. H u. HI. Berlin: W. Süsserott 1901. 8°. (Aus: Beiträge zur Colonial-Politik und Colonial-Wirthschaft. III. 6/7.) Gesch. d. Verf. 23. Bartels, Max, und Dr. H. Bloss, Das Weib. 7. Aufl. 2. bis 5. Liefer. Leipzig: Th. Grieben 1901. 8». Gesch. d. Verf. 24. Lehoczky, Theodor, [Ungarisch] Denkmäler aus der älteren Eisenzeit im Kreise Munkacs. Budapest 1901. 4». (Aus: Archaeol. Ertesitö.) Gesch. d. Verf. 25. Jacobi, Alfred, Die Grössen-Verhältnisse der Schädelhöhle und der Gesichts- höhlen bei den Menschen und den Anthropoiden. Berlin: Rosenthal 1901. 80. (Dissertation.) Gesch. d. Verf. 26. Matiegka, Heinrich, Bericht über die Untersuchung der Gebeine Tycho Brahe's. Prag: Fr. Rivnac 1901. -s». (Aus: Sitzungsber. der Königl. Böhm. Ges. der Wissenschaften.) 27. Derselbe, Bericht über die anthropologische Untersuchung der Gebeine Paul J. Safat-ik's. Wien 1900. 4». (Aus: Mittheil, der Anthropol. Gesellsch. Bd. 30. Sitzungsb. [179].) Nr. 26 u. 27 Gesch. d. Verf. 28. Mielke, Robert, Bauern-Schmuck. I. Berlin 1901. 8«. (Aus: Mittheil, aus dem Museum f. Deutsche Volkstrachten. VII. Heft ) Gesch. d. Verf. 29. Kohlbrugge, J. H. F., Longueur et poids du corps chez les habitants de Java. Paris 1901. 8°. (Aus: L'Anthropologie.) Gesch. d. Verf. 30. Paul-Boncour, Georges, Le femur. Etüde des modifications squelettiques consecutives ä l'hemiplegie infantile. Paris 1900. 8». (Aus: Bull, de la Societe d'Anthropologie de Paris.) Gesch. d. Verf. 31. Westerlund, F. W., Studier i Finlands Antropologi. Helsingfors 1901. 8». (Aus: Pennia. 18. "2.) Gesch. d. Verf. 32. Doudou, Ernest, Les cavernes de Chokier, traces y laissees par Thomme. — Nouvelles explorations dans les cavernes de la vallee de la Mehaigne. Soignies: E. Delattre 1900 und 1901. 8«. (Aus: Jadis. T. IV und V.) 33. Derselbe, Station prehistorique de Chokier. — La Station prehistorique de Ampsin. Bruxelles: Hayez 1899 u. 1900. 8°. (Aus: Bull, de la Societe d'Anthropologie de Bruxelles. T. 18 u. 19.) 34. Derselbe, Preuves indeniables, que la grotte de Spy a ete fouillee sans methode et que les ossements humains qu'on y a decouverts n'ont pas d'äge sur. — Etüde sur un orthoptere changeant de couleur dans tous les milieux. Seraing: G. Lecomte 1901. 8°. (Aus: Bull, de I'Association des disciples d'Ernest Doudou. T. III.) 35. Derselbe, A propos d'un troglodyte moderne, o. 0. 1901. 8". (Aus: Wallonia. T. IX.) 36. Derselbe, Etüde sur les cavernes d'Engis. Paris o. J. 8". (Aus: L'Anthro- pologie. T. X.) Nr. 32—36 Gesch. d. Verf. (547) ■37. Hoffmann-Krayer, E., Die Volkskunde als Wissenschaft. Zürich: F. Am- berger 1902. 80. Gesch. d. Verf. 38. Hoernes, M., Gegenwärtiger Stand der keltischen Archäologie. Braunschweig 1901. 40. (Aus: Globus. Bd. 80.) Gesch. d. Verf. 39. Treptow, E., Die Mineral-Benutzung in vor- und frühgeschichtlicher Zeit. Freiberg i. Sachsen 1901. 8». (Aus: Jahrbuch für d. Berg- und Hütten- wesen im Königr. Sachsen.) Gesch. d. Verf. 40. Buschan, G., Die Entvölkerung Frankreichs. Frankfurt a. M. 1901. 4". (Aus: Die Umschau.) Gesch. d. Verf. 41. Chantre, Ernest, Les Bedouins d'Egypte. Lyon: A. Rey 1901. 8». (Aus: Bullet, de la Societe d'Anthropologie de Lyon 1901.) Gesch. d. Verf. 42. Warschauer, A., Franz Schwartz. Zur Erinnerung an sein Leben und Wirken. Posen 1901. 8". (Aus: Historische MonatsbUitter für die Provinz Posen. 11.) Gesch. d. Verf. 43. [Festschrift zum 80. Geburtstage des] Hrn. Geh. Medicinalraths Prof. Dr. Rudolf Virchow, am 13. October 1901, dargebracht von der Gesellschaft für Pomraersche Geschichte und Alterthuraskunde in Stettin. Aus Pommerns Vorgeschichte. Stettin: Herrke et Lebeling 1901. 40. Gesch. d. Gesellsch. 44. Rygh, 0., Norske gaardnavne. 14. Bind. Bearbeidet af K. Rygh. Kristiania: Cammermeyer 1901. 8^ Gesch. d. Universitäts-Bibliothek i Christiania. 45. Heimann, Ernst, Internationale Sehproben-Tafel für Kinder. Berlin: Fischer 1902. so. Gesch. d. Verlegers. 46. Juraschek, Fr. v., Otto Hübner's Geographisch -statistische Tabellen aller Länder der Erde. Jubiläums-Ausgabe (50.) für das Jahr 1901. Frank- furt a. M.: H. Keller 1901 quer-8". Gesch. d. Verlags -Buchhandlung. 47. Driesmans, Heinrich, Die Wahlverwandtschaften der deutschen Blutmischung. Leipzig: E. Diederichs 1901. 80. (Der Cultur- Geschichte der Rassen- Instincte IL Thcil.) Gesch. d. Verlagshandlung. 48. Geiger, Paul, Beitrag zur Kenntniss der Ipoh-Pfeilgifte. Basel: M. Werner- Riehm 1901. 8°. (Dissertation.) 49. Teumin, Saara, Topographisch-anthropometrische Untersuchungen über die Proportions-Verhältnisse des weiblichen Körpers. Braunschweig: F. Vieweg 1901. 4^ Dissertation. (Aus: Anthropol. Laboratorium der Universität Zürich.) Nr. 48 u. 49 Gesch. d. Hrn. Prof. Martin. -50. Garstang, John, El Arabah with notes by P. E. Newberry and by J. G. Milne. London: B. Quaritch 1901. 4«. Vom Egyptian Research Account. 51. Hirsch, Samuel, Nonnulla de Hippocratis Coi cognitione anthropologica. Berolini 1834. 8°. (Dissertation.) Gesch. d. Hrn. Directors Voss. 52. Romer, Florian, lUustrirter Führer in der Münz- und Alterthums-Abtheilung des ungarischen National-Museums. 2. Ausgabe. Budapest 1873. 8°. 53. Hampel, Joseph, Catalogue de l'exposition prehistorique des musees ... de la Hongrie. Budapest 1876. 8^ Nr. 52 u. 53 Gesch. d. Hrn. Prof. Hampel in Budapest. 54. Keune, Ein gallo-römisches Grabfeld in den Vogesen. Leipzig 1901. 2». (Aus: Illustrirte Zeitung, Nr. 3048.) Gesch. d. Hrn. R. Virchow. 55. Pleyte, C. M., Die Buddha -Legende in den Sculpturen des Tempels von Börö-Budur. Heft 1—4. Amsterdam: J. H. de Bussy 1901. 4o. An- gekauft. 35* (548; 56. Boulanger, C, Le mobilier funeraire Gallo-Romain et Franc eu Picardie et en Artois. Avec 50 planches. Fascicule I. Sant-Quentin: Imprimerie generale 1901. 2*. Angekauft. 57. "Willers, Heinrich, Die römischen Bronze-Eimer von Hemmoor. Nebst einem Anhange über die römischen Silber-Barren aus Dierstorf. Hannover und Leipzig: Haha 1901. 4^ Angekauft. 58. Deininger, Joh. W., Das Bauernhaus in Tirol und Vorarlberg. Abth. HI. H.-7. Wien o. J. Gross -2*'. Angekauft. 59. Selenka, Emil, Menschenaffen. Lieferg. 4: Der Unterkiefer der Anthro- pomorphen und des Menschen in seiner functionellen Entwickelung und Gestalt von Otto Walkhoff. Wiesbaden: C. W. Kreidel 1902. 40. An- gekauft. 60. Morelli, Nicolö, Iconografia della preistoria ligustica. Parte L Etä pro- tostorica e neolitica. Genova 1901. 4". (.\us: Atti della R. Universitä di Genova. Vol. XVL) Angekauft. <)1, Wolfgramm, Albert, Die Einwirkung der Gefangenschaft auf die Gestaltung des Wolfs -Schädels. Jena: G. Fischer 1894. 8". (Dissertation.) An- gekauft. 62, Morse, Eduard S., Catalogue of the Morse coUectiou of Japanese Pottery. Mit 68 Tafeln. Cambridge: Riverside Press 1901. 4». Angekauft. 63. Pestschrift zur Säcular-Feier der Naturhistorischen Gesellschaft in Nürnberg 1801—1901. Nürnberg: E. Sebald 1901. 40. Gesch. d. Naturhistorischen Gesellsch. in Nürnberg. Chronologisches Inhaltsverzeichiiiss der Verhandlungen der Berliner Gesellschaft für Anthropologie, Ethnologie und Urgeschichte 1901. Verzeichniss des Vorstandes, des Ausschusses und der Ehren-Mitglieder S. 3, der correspondirenden Mitglieder S. 4, der ordentlichen Mitglieder (einschliesslich der immerwährenden) S. 7. üebersicht der durch Tausch oder als Geschenk zugehenden periodischen Publi- cationen S. 16. Sitzung vom 19. Januar 1901. Der Brand im Pathologischen Institut hiesiger Universität. Rud. Virchow S. 31. — Gast S. 32. — Luciano Cordeiro f S. 32. — Neue Mitglieder S. 32. — lOjähriges Jubiläum des Vereins für Volkskunde S. 32. — Wahl der Ausschuss-Mitglieder und des Obmanns S. 32. — Ueber- sendung des 28. Jahresberichts des Westfälischen Provincial-Vereins für Wissen- schaft und Kunst durch den Cultus -Minister S. 32. — Schreiben des Hrn. Georg Schweinfurth an den Vorsitzenden aus Biskra, Algerien S. 32. — Ein neolithisches Skelet aus Ober-Aegypten. Frank Calvert S. 33. — Bronze- fuud in Muri bei Bern. Edmund v. Fellenberg S. 34. — Giljaken. V. Weinstein S. 36. — Ein slavisches Gefäss mit Leichenbrand von Lössnig bei Strehla (1 Autotypie und 1 Zinkogr.). Wilke S. 39. — Begräbniss- Plätze und Tumuli in Albanien und Macedonien (58 Zinkogr.). P. Träger S. 43. — Ein prä- historischer Wall im Oberholz von Thräna bei Leipzig (1 Situations-Skizze). Wilke S. 58. — Das Königsgrab bei Seddin, West-Prignitz (2 Situations-Skizzen, 2 Zinkogr. u. 1 Autotypie). E. Friedel S. 64. — Stein-Mörser aus einem Grab- felde von Bad Reichenhall, Ober-Bayern (5 Zinkogr.). Josef Maurer S. 73. — Festfeier der Gesellschaft für nützliche Forschungen in Trier S. 73. — Geschenk des 28. Jahresberichts des Westfälischen Provincial-Vereins für Wissenschaft und Kunst. Unterrichts- Minister S. 74. — Abklatsche mit Hülfe von Fliess- Papier. A. Götze S. 74. — Neu eingegangene Schriften S. 74. Sitzung vom 16. Februar 1901. Gast S. 75. — Dr. Köhler und Dr. Kuthe, Don Maria Jimenes de la Espada, Splieth -f S. 75. — Neue Mitglieder S. 75. — V. internationaler Zoologen -Congress in Berlin S. 75. — Alte schwedische Schädel. G. Retzius S. 75. — Colorirte Abbildungen amerikanischer Indianer Litterary Society in London S. 75. — Afrikanische Gegenstände (Ausgrabungen von Byrsa und phönikische Ruinen in Nord-Africa und Malta, Beil aus Dahome). P. Staudinger S. 75. — Tatarische Teppich -Weberei (4 Zinkogr.). E. Lemke, Baron C. v. Kutschenbach S. 76. — Archäologische Untersuchungen und Ausgrabungen im Gouv. Elisabethpol, Transkaukasien (67 Zinkogr.). E. Rösler S. 78. — Die neuesten archäologischen Entdeckungen in Ost-Turkistän (1 Zinkogr.). Georg Huth S. 150. — Chemische Untersuchung von altbabylonischen Kupfer- und Bronze -Gegenständen und deren Alters- Bestimmung (2 Autotypien). 0. Helm, Prof. Hilprecht S. 157. — Schilde eines Gryphodon aus den Pampas von Argentinien. Rud. Virchow, Lehmann -Nitsche S. 164. — Felsen-Zeichnungen in Schweden. A. Götze S. 165. — Einladung zur Feier der 40jährigen Lehrthätigkeit des Prof. Mantegazza in Florenz und zum 30jährigen Bestehen der italienischen anthropologischen Gesellschaft S. 165. — • 50 jähriges Doctor- Jubiläum des Präsidenten der uralischen Gesell- schaft der Freunde der Naturwissenschaften in Ekatherinenburg. A. A. Mislawsky S. 165. — Akademische Jubiläums-Stiftung der Stadt Berlin zur Zweihundert- jahrfeier der Königl. Preussischen Akademie der Wissenschaften S. 165. — Schlackenwälle auf dem Stromberge bei Weissenberg und auf dem Löbauer (550) Berge. Herrn. Schmidt S. 165. — Menschen -Rassen Ost -Asiens rait specieller Rücksicht auf Japan (Tafel I— V und 6 Zinkogr.). E. Baelz S. 166. — Neu eingegangene Schriften S. 189. Sitzung vom 16. März 1901. Prof. Tolmatscheff, Emil Hübner f §• ^^^- — Correspondirendes Mitglied S. 191. — Neue Mitglieder S. 191. — General- Versammlung der Deutschen Anthropologischen Gesellschaft in Metz S. 191. — 73. Versammlung der Gesellschaft Deutscher Naturforscher und Aerzte, sowie der Deutschen Pathologischen Gesellschaft S. 191. — Jahres-Versamralung des Vereins Deutscher Trren-Aerzte S. 191. — V. internationaler Congress für Physiologie S. 191. — SOjähriges Jubiläum der Anthropologischen Gesellschaft und 40jähriges Jubiläum des Hrn. Paolo Mantegazza zu Florenz S. 19-2. — Aufruf zur Errichtung eines Ehren-Denkmals für Joh. Gottl. Pichte S. 192. — Ausgabe der urartischen Keil -Inschriften in armenischer, lateinischer und französischer Sprache von Joseph Sandalgian S. 192. — Ndalama. Carl Meinhof S. 192. — Der „Hohe Stein" von Döben bei Grimma (1 Situations-Skizze und 1 Autotypie). Wilke S. 194. — Gräber-Funde von Wilhelrasau und einige andere märkische Fundstätten. Herrn. Busse S. 201. — Zwei Gyps-Abgüsse von einem mit Einritzungen versehenen Stein. R. Virchow, Verworn, Voss, Karl von den Steinen S. 202. — Anthropologie der Menschen-Rassen Ost-Asiens: 1. Die japanische Schnürfurche am Brustkorb (1 Autotypie). E. Baelz S. 202; %. Das japanische Sitzknie, E. Baelz S. 20o; 3. Ueber die Einwirkung der Sonnenstrahlen auf ver- schiedene Rassen und über Pigment-Bildung, E. Baelz S. 204; Lissauer, Waldeyer, S. 207; F. V. Luschan, Staudinger S. 208; 4. Ueber Wiederwachsen der fötalen Plaumhaare und über Haar-Wirbel auf der Wirbel -Säule, E. Baelz S. 209; 5. Zur Lehre vom abdominalen und thoracalen Athmungs-Typus, E. Baelz S. 210; 6. Das Wachsthum der Geschlechter zur Pubertätszeit, E. Baelz S. 211; 7. Bis zu welchem Alter wächst der Schädel? E. Baelz S. 211; R. Virchow, Baelz, R. Virchow S. 213; Waldeyer, Pflugmacher, Baelz S. 214; 8. Ueber Serien von ver- schiedenen Kopfumrissen desselben Individuums in verschiedenen Lebensaltern, E. Baelz S. 214; 9. Die Correlation zwischen Schädel- und Beckenform, E. Baelz S. 215; Waldeyer, Baelz S. 216; 10. Die Bedeutung der Röntgoskopie für die Anthropologie (1 Autotypie), E. Baelz S. 216; Staudinger, Baelz S. 217; 11. Ueber die „Supramamma'' und ihre Bedeutung (2 Zinkogr.), E. Baelz &. 217; Waldeyer, Baelz, R. Virchow S. 220. — Eine jährliche Bibliographie der Anthropologie. N. W. Thomas S. 220. — Die im Casseler Museum befindlichen Schalen von Tridacna Gigas. A. Lenz S. 221. — Neu eingegangene oder erworbene Schriften S. 221. Sitzung vom 20. April 1901. Reisen von Rud. Virchow als Delegirten des Unter- richts-Ministers und der Anthropologischen Gesellschaft zu der Festfeier in Florenz, und von Waldeyer als Vertreter der Akademie der Wissenschaften nach Paris S. 223. — Gäste S. 223. - Graf Gundacker Wurmbrand f S. 223. — Einladung zur Aufstellung des Denkmals für Theodor Meynert f (Wien) S. 223. — Neue Mitglieder S. 223. — Denkmal für J. G. Kubary S. 223. — 7(t. Geburtstag von E. v. Martens S. 223. — V. internationaler Zoologen-Congress in Berlin S. 223. — Eine in Russisch-Armenien neu auf- gefundene, wichtige chaldische Inschrift. W. Beick S. 223. — Der Tigris- Tunnel (mit Tafel VI und 4 Autotypien). C. F. Lehmann S. 226. — Menschen- Rassen Ost -Asiens. E. Baelz. Discussion: E. Baelz, Lissauer, Staudinger, F. V. Luschan, Strauch S. 245; Baelz, F. v. Luschan, Baelz, Staudinger, Klaatsch, Baelz S. 246; Strauch, Lissauer S. 247; Baelz, Meitzen, Baelz S. 248; Lissauer S. 249. — Neue Erwerbungen aus Benin. F. v. Luschan, Staudinger S. 249. — Neu eingegangene Schriften S. 249. Sitzung vom LS. Mai 1901. Gast S. 251. — Ludwig Leiner f, Giulio Bizzo- zero t, Angelo Mesredaglia f S. 251. — Neue Mitglieder S. 251. — Be- grüssungs-Telegramm an M. Bartels S. 251. — 70. Geburtstag von Wilh. His S. 251. — Museum des Vereins für sächsische Volkskunde in Dresden S. 251. — 17. Haupt-Versammlung der Niederlausitzer Gesellschaft für Anthropologie und Urgeschichte zu Spremberg in der Lausitz. H. Jentsch S. 251. — 25 jähriges (551) Jubiläum des Historischen Vereins für den Reg.-Bezirk Marienwerder S. 252. — Excursionen der Anthropologischen Gesellschaft zu Wien, nach Linz, Hallstatt, Krems a. d. Donau, Stift Göttvving, Schloss Kroutzenstein, Ober-Gänserndorf, Kronabrunn und Schleirbach S. 252. — äüjähriges Jubiläum des Koninkl. Instituut voor de Taal-, Land- en Volkenkunde van Nederl. Indie im Haag. J. D. E. Schmeltz S. 252. — 84. Jahres-Versammlung der Schweizerischen Natur- forschenden Gesellschaft in Zofmgen S. 252. — Godard- und BertiUon- Preise der Pariser Societe d'Anthropologic Chervin S. 252. — Gehäuse und Abgüsse von Mittelmeer-Konchylion aus einem frühbronzezeitlichen Gräber- funde von Ober-Olm in Rheinhessen. P. Reinecke S. 252. — Reihengräber von Reichenhall. Max v. Chlingensperg S. 253. — Bronze-Stierfigur aus einem Funde bei Löcknitz. H. Schumann S. 254. — P'ingerspitzen-Eindrücke im Boden vorgeschichtlicher Thon-Gefässe. K. Altrichter S. 254. — Die Cedrela-Holz- platten von Tikal im Museum zu Basel. Ed. Seier S. 254. — Neuordnung der Schliemann- Sammlung. Hub. Schmidt S. 255. — Bildtafeln aus ägyptischen Mumien (4 Autotypien). Th. Graf, Rud. Virchow S. 259. ^ Ausgeweideter Kopf eines Jivaro, Süd-America. A. S. Offner, Rud. Virchow S. 265. — Vorstand und Direction des zoologischen Gartens laden zur Besichtigung einer Beduinen- Truppe ein S. 2G5. — Pinturas Jeroglificas, coleccion Chavero. Ed. Seier S. 266. — Schädel-Stativ. Waldeyer S. 267. — Guayaqui- Sammlung, v. Weickhmann, Karl von den Steinen S. 267. — Neu eingegangene oder erworbene Schriften S. 272. Sitzung vom 15. Juni 1901. Gäste S. 273. — Unfall des Hrn. R. Virchow S. 273. Arthur Hazelius, Jacob Hunziker, Gustav Bancalari f S. 273. ■ — Neue Mitglieder S. 274. — General -Versammlung der Deutschen Anthropologischen Gesellschaft in Metz S. 274. — Historischer Verein für den Reg.-Bezirk Marienwerder und Fest-Versammlung der Accademia degli Agiati in Rovereto S. 274. — Neuordnung der Schliemann -Sammlung. Hubert Schmidt S. 274. — Der Nordpol bei Azteken und Maya's (5 Zinkogr.). E. Förstemann S. 274. — Nach- ahmungen von Metall-Gefässen in der prähistorischen Keramik (11 Autotypien). A. Voss S. 277; Olshausen, Kossinna S. 2S4. — Schädel aus Guatemala, Massai- Land und Neu-Britannien. F. v. Luschan, Waldeyer S. 284. — Armenische Streit- fragen. W. Beick S. 284. — Neu eingegangene Schriften S. 328. — Nachtrag über die Bedeutung Australiens für die Heranbildung des Menschen. Schoeten- sack S. 328. Ausserordentliche Sitzung vom 29. Juni 1901. Rückkehr von M. Bartels S. 329. — Gäste S. 329. — Staats-Zuschuss für die Gesellschaft S. 329. — Idol vom thracischen Chersoncs (2 Zinkogr.). Frank Calvert S. 329. — Westafrikanische Figuren aus Talkschiefer (2 Zinkogr.). Georg Schweinfurth S. 330; F. v. Luschan, P. Staudinger S. 331. — Neuordnung der Schliemann-Sammlung (Schluss). Hub. Schmidt S. 331; Karl von den Steinen S. 335. — Skelet-Entwickelung der Idioten (12 Röntgen-Photographien). S. Placzek S. 335; Joachimsthal, R. Virchow S. 344. — Waldmesser aus dem Himalaya. F. Noetling, R. Virchow, F. v. Luschan S. 345. — Neu eingegangene Schriften S. 345. Sitzung vom 2(». Juli 1901. Gäste S. 347. — Hermann Fränkel, v. Tröltsch, Tenne, Johannes Schmidt 7 S. 347. — 75. Geburtstag von A. Bastian S. 347. — Neue Mitglieder S. 347. — XXII. allgemeine Sitzung der Deutschen Anthropologischen Gesellschaft in Metz S. 347. — 73. Versammlung der Gesell- schaft Deutscher Naturforscher und Aerzte in Hamburg S. 347. — 70. Geburtstag von W. His S. 347. — Römisch-germanisches Central-Museum in Mainz S. 347. — Neue Ausgrabungen in Sendschirli durch das (alte) Orient-Comite. F. v. Luschan S. 448. — Ausgrabungen im Schamiramalti bei Van und neue Forschungs- reise in Cappadocien. W. BeIck S. 348. — Die beiden Azteken (2 Autotypien). Rud. Virchow S. 348. — Eisensachen der Wikinger-Zeit bei Mewe, Westpr. Ed. Krause S. 350. — Das Gewohnheitsrecht der Hochländer in Albanien. P. Traeger, Th. Ippen S. 352; 1. Das Recht der Stämme von Dukadschin, P. Traeger, Don Lazar Mjedia S. 353; 2. Das Gewohnheitsrecht der Stämme Mi-Schkodrak (Ober-Scutariner Stämme) in den Gebirgen nördlich von Scutari. P. Traeger, (552) Don Nikola Aschta S. 358. — Photographische Aufnahmen aus Japan und Aegypten. Laschke S. 363. — Modelle von Häusern aus Neu -Guinea. Pöch S. 363; V. Luschan S. 364. — Menschliche Schädel-Stücke und Beigaben aus einem Ralkbruch bei Walbeck in der Nähe von Helmstädt. Hans Virchow S. 364. — Amerikanische Publicationen über Kinder -Erziehung. Franz Boas S. 364. — Neu eingegangene Schriften S. 364. Sitzung vom 26. October 19U1. Begrüssungs- Ansprache an den Vorsitzenden. Karl von den Steinen S. 365. — Antwort des Vorsitzenden. Rud. Virchow S. 366. — Die Anthropologie der Anachoreten und Duke of York -Inseln (Tafel VII und VIII). LIssauer S. 367. — Bernstein-Funde in Italien. Olshausen S. 387. — Anthroporaorphe Todten-Ürne von Maraca (Tafel IX). Karl von den Steinen S. 387. — Neu eingegangene Schriften S. 389. Sitzung vom 16. November 1901. Gäste S. 391. — Freiherr Adolf Erik Nordenskjöld. Karl Weinhold. Alexander Treichol, Johannes Sepp, L. Serrurier 7 S. 391, 392. — Brief von Sepp S. 392. — Neue Mitglieder S. 392, 393. — Radde's 70. Geburtstag S. 393. — Rechnungs-Revisoren S. 393. — General- Register für Band XXI— XXX der Zeitschrift für Ethnologie S. 393. — Bauern- schmuck-Ausstellung des Museums für die Deutschen Volkstrachten usw. S. 393. — Mongolen-Flecke der Kinder. J. G. F. Riedel S. 393. — Zur Frage von der Rassen- Verwandtschaft zwischen Mongolen und Indianern. E^ Baelz S. 393. — Der Mensch in den Tropen. Fedor Schulze S. 394. — Chemische Untersuchung von Bernstein-Perlen aus alten Tempel-Ruinen Babyloniens und aus Gräbern Italiens, sowie Verfahren zur Bestimmung der Bernstein-Säure im Bernstein. 0. Helm S. 400. — Einladung zur Jahres-Versanimlung des Voigtländischen alterthumsforschenden Vereins zu Hohenleuben S. 404. — Die deformirten Köpfe von peruanischen Mumien und die Uta-Krankheit. Max Uhle S. 404; Rud. Virchow S. 408. — Der Wall im Oberholz bei Thräna (mit Situationsplan, Zinkogr.). Wiechel S. 409. — Aufruf über die Verzeichnung der in Sachsen vorkommenden Alterthüme}-. Joh. Deichmüller, A. Voss S. 412. — Antwort auf die Angriffe des Hrn. Reinecke. A. Götze S. 413. — Die chaldische Inschrift auf dem Bingöl-dagh. C. F. Lehmann S. 422. — Aegyptische hausurnenähnliche Thon-Gefässe (5 Zinkogr.). Olshausen S. 424. — Ueber Hypertrichosis lumbo- sacralis und ihre Auffassung als ein Stigma (Merkmal) von Entartung (1 Autotypie). Lucien Mayet S. 426. — Ueberreichung der Photographie einer siciiianischen Wahrsagerin S. 430. — Ueber die Eintheilung der mittelländischen Rasse in Semiten, Hamiten imd Jafetiten. Ferd. Goldstein S. 430; F. v. Luschan, Minden S. 438; Ferd. Goldstein, F. v. Luschan S. 439. — Demonstrationen der Bilder der sogen. Azteken mit dem Projections -Apparat. Rud. Virchow S. 440. — Bericht über die XXXII. allgemeine Versammlung der Deutschen Anthropologischen Gesellschaft in Metz. Rud. Virchow S. 440. — Neu eingegangene Schriften S. 440. Ausserordentliche Sitzung vom 30. November 1901. Prof. König in Berlin 7 S. 441. — Gründung einer Anthropologischen Gesellschaft in Frankfurt a. M. S. 441. — Ueber alt-europäische Gefäss-Ornamentik. Hub. Schmidt S. 441. — Nachrichten von Hrn. W. Belck. Rud. Virchow S. 441. — Neu eingegangene Schriften S. 441. Sitzung vom 21. December 1901. Gast S. 445. — Jahresbericht für das Jahr 1901. Rud. Virchow S. 445. — Bericht über die Bibliothek und anthropologische Sammlung. LIssauer S. 446. — Bericht über die Sammlung der Photographien. M. Bartels S. 446. — Rechnungs-Bericht für das Jahr 1901. W. Ritter S. 446. — Bericht über die Rudolf-Virchow- Stiftung für das Jahr 1901. Rud. Virchow S. 448. — Wahl des Vorstandes S. 448. — 25jähriges Jubiläum Ritter's als Schatzmeister der Gesellschaft S. 448. — Neues Mitglied S. 448. — Hofrath Müller (Pola), Prof. Albrecht Weber (Berlin), de Albertis f S. 448. — 25jähriges Professoren-Jubiläum Studer's (Bern) S. 449. — 70. Geburtstag Radde's (Tiflis), Dankschreiben S. 449. — Alterthüraer in Amasia, Klein- Asien (6 Zinkogr.). W. Belck. Max Zimmer S. 449. — Forschungsreise in Klein- (553) Asien (IG Autotypien und 17 Zinkogr.)- W. Beick, Rud. Virchow S. 452. — Ueber die Bedeutung- der Hocker -Bestattung (1 Autotypie). Schoetensack S. 522. — Untersuchung über den Inhalt eines Mound-Schädels (2Autotypien u. ö Zinkogr.). A. Woodhull, M. G. Miller S. 527. — Ein künstlicher Kopf der EUhois (auch Khois) im nordwestlichen Hinterlande von Kamerun. P. Staudinger S. 533; G. Fritsch S. 534. — Abnorme Behaarung beim Weibe (1 Zinkogr.). C. Strauch S. 534. Trepanirter Schädel von Ponape (Karolinen). Rud. Virchow vS. 538. — Alt- europäische Gefäss-Ornamentik (Schluss). Hub. Schmidt, Rud. Virchow S. 538. — Die Briquetage-Funde im Seillethal in Lothringen und ähnliche Funde in der Umgegend von Halle a. S. und im Saalethal. A. Voss S. 538; Goldstein S. 544. — Weihnachts-Gebräuche in Böhmen und Nachbarschaft. A. Voss S. 544. — Chronologisches Inhalts-Verzeichniss der Sitzungen von 1901 S. 549. Alphabetisches Namen-Register S. 55.'!. Sachregister zu den Verhandlungen S. 554. Autoren -Verzeicliniss. .4ltrichter, K., Berlin 254. .Aschta, Don Nikola, Scntari 358. Baelz, E., Tokio 166, z. Z. in Berlin 202, 203, 204, 209, 210, 211, 214, 215, 216, 217, 245, 246, 248; z. Z. in Vancouver 393. Bartels, Mas, Berlin 446. Belck, Waldemar, Frankfurt a. M., 228, 284, 348, 441, 449, z. Z. iu Constantinopel 452. Biias, Franz, z. Z. Berlin 364. Busse, Herrn., Berlin 201. t'aivert, Frank, Dardanellen 33, 329. Chervin, Paris 252. Chliiigensperg, M. v., Eeichenhall 253. Delciiiuüller, Joh., Dresden 412. Ehrenreich, P., Berlin 430. Fellenberg, Edm. v., Bern 34. Försteiuann, E., 274. Friede), E., Berlin 64. Fritsch, G., Berlin 534. Götze, A., Berlin 74, 165, 414. Goidsteln, Ferdinand, Berlin 430, 439, 544. Graf, Th., Paris 259, 260. Hehu, Otto, Danzig 157, 400. Bilprecht, Philadelphia 157. Buth, Georg, Berlin 150. Ippen, Theodor, Skutari 352. Jentsch, Hugo, Guben 251. Juachimstbal, Berlin 344. Klaatsch, Heidelberg, z. Z. Berlin 246. Rosslnna, G., Berlin 284. Krause, Eduard, Berlin 350. Kutschenbacb, Baron C. v., MalimutlybeiTiflis 76. Laschke, Alexander, Berlin )')G.">. Lehmann, C. F., Charlottenburg 226, 422. Lebuiann-Nilsche, R., La Plata 164. Lemke, Fräul. E., Berlin 7(i. Lenz, A. Cassel 221. Llssauer, A., Berlin 207, 245, 247, 249, 367, 446. Litterary Sucietv in London 75. Luschan, F. v.,' Berlin 208, 245, 246, 249, 284, 331, 345, 348, 364, 438, 439. .Maurer, Josef, Bad Reichenhall 73. .Ilayet, Lucien, Lyon 426. Meinhüf, Carl, Zizow bei Rügenwalde 192. Ileitzen, August, Berlin 248. Miller, M. G.. Philadelphia 527. .llinden, Georg, Berlin 438. .lljedia, Don Lazar, Dukadschin 353. Noetllng, Fr., z. Z. Berlin 345. Oll'ner, A. S., Hamburg 265. Olshausen, 0., Berlin 284, 387, 424. Pfalzer, Neu-Guinea 364. PHugmacber, Potsdam 214. Placzek, S., Berlin 335. IVich, Rudolf, Gross -Lichterfelde 363. Iladde, Gustav v., Tiflis 441 >. Ileiaecke, Paul, Mainz 252. Retzius, G., Stockholm 75. Riedel, J. G. F., Haag 393. (554) Ritler, W., Berlin 446. Rüsler, Emil, Elisabethpol 78. Schmellz, J. D. E., Eeiden 252. Schmidt, Herrn., Löbau 165. — , Hub., Berlin 255, 274, 331, 441, 588. Sclioeteiisack. 0., Heidelberg 328, 522. Schulze, Fedor, Batavia 394. Schiiinaiin, H., Löcknitz 253. Schweiiifiirlh, Georg, Berlin, z. Z. in Aegypten 82, Berlin 330. Seier, Eduard, Berlin-Steglitz 254, 26G. Staudinger, Paul, Berlin 75, 208, 217, 245, 246, 331, 533. Steinen, Karl von den, Berlin 202, 267, 273, 335, 365, 387. Sternberg, L., St. Petersburg 36. Strauch, C, Berlin 534. — , Franz, Friedeuau b. Berlin 245, 247. Strucii, Adolf, Salonilfi 55. Thomas, N. W. 220. Träger, Paul, Zehlendorf b. Berlin 43, 352. Ihle, Max, Philadelphia, z. Z. in Ica 404, Bai'ranco 405. Üntenichts-Minister 32, 74, 329. Verworn 202. Virchüw, Hans, Berlin 864. — , Rudolf, Berlin 31, 75, 164, 202, 213, 220, 259, 344, 345, 348, 366, 391, 408, 440, 441, 445, 447, 448, 452, 538. Voss, A., Berlin 202, 277, 412, 538, 544. Waldejer, W., Berlin 214, 216, 220, 267, 284. V. Weickhmann 267. Weinstein, V. 36. Wiechcl, Hugo, Dresden 409. Wiliie, Grimma 39, 58, 194. Woodhull, Alfred A., Washington 527. Zimmer, Max, Amasia, Klein -Asien 449. Sac]i-Ee2:ister. A. Abalan, Eintritt des Tigris in seineu unter- irdischen Lauf 229. Abbildungen, colorirte, amerikanischer Indianer 75. Aberglaube s. Hund, Spuk. Abklatsche mit Hülfe von Fliess-Papier 74. — , Schwierigkeiten dabei 298. Abnormität weiblicher Behaarung 534. Academia degli Agiati in Rovereto, Fest-Ver- sammlung 274. Acclimatisalions-Fähigkeitderverschiedenen Völker in den Tropen 397. Ackerbau, Mangel bei den alten Felsen-Bewoh- nern Cappadocieus 519. Acker- und Gartenbau im alten Cappadocien 520. Adlernase der Anachoreten-Insulaner 368. Adshikent bei Elisabethpol, Sommerfrische 79. Aegäa, altägäische Cultur und neolithischo Periode Nord-Europas 441. Aegjpten, Alterthümer aus, in der Schliemann- Sammlung 334. — s. Bildtafeln, Gehirne, Haus-Urnen, Hawara, Hu, Kerke, Königs -Mumien, Mumien, Perrüken, Perseus, Photographien, Ptole- mäer, Rubaijat, Skelet, Steinzeit, Thou- Gefässe. Aegjptologie, Lehrstuhl für, -in Algerien 33. Afi'ica s. Aegypten, Algerien, Beduinen, Beil, Benin, Binden, Bulama,Byrsa, Ceremonien- Beil, Dahome, Dolichocephalie, Erwer- bungen, Feld-Fetische, Feuerstein-Messer, Figur, Glücksperlen, Grab-Opfer, Gräber, Hocker, Kabireu-Tempel, Kamerun, Lehm- burg, Malta, Massai-Land, Mendi-Land, Messing-Axt, Metallscheiben, Mumie, Mu- seum, Ndalama, Opfer- Steine, Photo- graphien, Punter, Rabeh, Römer, Ronga, Ruinen, Skelet, Steine, Steinzeit, Talk- stein, Togo. Aino in Japan 171. Friedhöfe 180. Akademie derWissenschaften,Jubiläums-Stirtung 165. Albanien s. Begräbniss-Plätze, Besä, Blutrache, Codex, Diebstahl, Dschoani, Dukadschin, Ehebruch, Eideshalter, Eigenthums- Be- schädigung, Erbschaft, Friedens - Ver- sprechen, Gericht, Gewohnheits- Recht, Gottes -Frieden, Häuptlinge, Kaputzar, Kauf, Kinder, Kiri, Lösegeld, Mirditen, Mord, Nothzucht, Pfänder, Plani, Raub, (555) Eeclit, Schala, Schiedsgericlite, Schoschi, Schutz, Schwangerschaft, Scutari, Stände, j Strafen, Toplana, Tumuli, Verwundungen, Waffen, Wald, Weide, Zeugen. Albertis, de, Italien f 448. ' Algerien s. Schreiben. Alkohol-Verbrauch in Niederl.-Ost-Indien 399. Altenbauna, Hessen, Fund von Tridacna gigas . 221. I Aller s. Zeitstellung. — der Briquetage Funde 539, r)4:5. — von Steinzeit-Funden in Ober-Aegypten 34. Alterthümer in Amasia, Klein-Asien 449. — bei Elisabethpol 78. — aus Ost-Turkistän 150. — Sachsens s. Aufruf, Fragebogen. Amasia, Klein-Asien, Alterthümer 449. Aiiiatovo, Macedonien, Tumulus mit Unterbau 55. America s. Argentinien, Asche, Azteken, Bo- livia, Ceder, Cedrela, Chavero, Chiapas, Uodice, Cnnany, Fälschungen, Fell, Ge- hirne, Gesichts-Urne, Gräber, Grjphodon, Guatemala, Guayaqui, Haare, Harz, Hiero- glypen, Ica, Indianer, Jivaro, Kinder- Erziehung, Kinder-Wiege, Kopf, Kriegs- Trophäe, Kupfer, Mapa, Maraca, Marajo, Mayas, Menschen-Figuren, Mikrocephalen, Mound-Gehirn, Mound-Schädel, Mumifi- cation, Muschel-Perlen, Nordpol, Ohio, Paraguay, Peru, Phosphorsäure, Pinturas, Kassen-Verwandtschaft, Steinzeit, Thier- Fignren, Thierzähne, Tikal, Tlaxeallan, Todten - Hütte , Todten - Urne , Unter- suchung, Zwergstamm. Aiuisus, Ruinen von, Klein-Asien 459. Aiiachoreleii-liiseln s. Adlernase, Anthropologie, Bemalung, Deformation, Durchbohrungen, Haar, Hautfarbe, Kopf-Indices, Nasen- Durchbohrung, Nasenhöhlen, Ohrlöcher, Räucherung, Schädel-Cult, Sprache. — — , Anthropologie der 367. , Blumen-Schmuck an Schädeln 370. Schädel, Beschreibung 376. Ansiedelung, die erste, von Hissarlik 331. — , II. bis V. von Hissarlik 332, VI. bis IX. 332. Anstrich s. Bemalung, Rothfärbung. — , röthlicher, an einer altmacedonischen Mauer bei Surda 50. Anthracit-Perlen aus Babylonien 400, aus einem Kurgan 116. Anthropologie s. Bibliographie. — der Anachoreten- und Duke of York-Inseln 367. Anthro|ioliigie, jährliche Bibliographie der 220. — , zur, der Duke of York-Inseln 382. — der Giljaken 36. — der Menschen-Rassen Ost-Asiens 202. Anlhroiiometrie s. Laboratorium. AnthroiMipbagie in Kamerun 53. Antimon, Arsen und Blei in Bronzen 157. — -Bronzen aus Babylonien 159 ff. Knöpfe aus einem Kurgan 100. Antwort auf die Angriffe des Hrn. Reinecke 414. Araber in Alt-Mesopotamien 498. Arbeit, körperliche, von Europäern in den Tropen 394. AibeKszeit der Europäer in den Tropen 399. Archäologisches aus dem altbabylonischen Reiche 158. — aus Ost-Turkistän 150. Architectur, moderne, in Algerien 33. Archiv, hethitisches, von Boghazkoi, Klein- Asien 480. Argentinien s. Gryphodon. Argislihinis = Nachkomme des Argistis 456. Argislis-Stele 298. Armbrust -Scharnierlibel aus Silber von Laöi, Macedonien 52. Armenien s. Abklatsche, Armenier, Baum-Messer, Bingöl-dagh, Bronze - Funde, Bronze- Pfeilspitzen, Chalder, Doppel - Gräber, Eisen-Messer, Fälschungen, Finger-Ringe, Gemme, Glas-Perlen, Inschriften, Kalah, Kanonen-Kugeln, Keil- Inschriften, Koe- lani-Girlan, Kümmür-Chan, Maasse, Men- schen-Knochen, Ohr -Gehänge, Opfer, Pentagramm, Ruinen, Sardäer, Surda, Steinkisten- Gräber, Streitfragen, Tätto- wirung, Tempel, Thier-Ornament, Thon- Krüge, Tigris, Todten-Haus, Vardjäer, Vogel-Darstellungen, Wein-Krüge, Z'gkeh. — , neu-aufgefundene, wichtige chaldische In- I Schrift 223. Armenier, Herkunft des Namens 293. Armreifen aus Kurganeu Transkaukasiens 90, 110, 113, 130. Armringe aus Kurganeu 102, 148. — von Seddin 69. Armschutz gegen Anprall der Bogeu-Sehne bei den Guayaqui 268. Arsen in Bronzen 157. Arslan-Tepe, Cappadocien,' Hethitische Löwen 502. Artio, Dea, gallische Gottheit 35. Asche in einem Mound-Gral) 528. Asien s. Aino,. Aino-Friedhöfe, Albanien, Alter- thümer, Amasia, Amisus, Archäologisches. (556) Argistihinis, Armenien, Assyrer, Augen- formen, Augen-Krankheit, Ausgrabungen, Babylonien, Behaarung, Beigaben, Be- völkerung, Bilder, Birmit, Bronze-Gürtel, Buddhismus, Burg, Byzantiner, Cabira, Cappadocien, Chotan, Cisternen, Cultur, Cylinder, Dajani, Diauni, Djinowa(i)s- Burg, Eherecht, Felsen -Bauten, Fisch- fang, Forschungsreise, Geographie, Ge- schlechts - Abzeichen, Gesichts - Ausdruck, Gesichts-Schädel, Gesichtszüge, Gewohn- heitsreicht. Giljaken, Grab -Inschriften, Grab -Kammern, Grabstätten, Griechen, Hals, Handschriften, Harz, Hassankala, Hautfarbe, Hautflecken, Hedin, Hethiter- Frage, Himalaya, Hissarlik, Holzdrucke, Hunde-Schlitten, Indien, Indonesien, In- schrift, Islam, Japan, Karasu, Keil-In- schrift, Keilschriften, Kleidung, Klein- Asien, Klima, Königs-Felsengräber,Königs- Gräber, Kurgane, Kurz-Schädel, Kutschjir, Lang-Schädel, Lebens -Verhältnisse, Lö- wenjagd, Lolo, Malacca, Malayen, Man- dschu-Korea-Typus, Marco Polo, Megalith- Gräber, Meilensteine, Menschen-Bilder, Menschen -Rassen, Mcsocephalie, Meso- potamien, Messungen, Miaotse, Mithri- dates, Mittel-Schädel, Mongolen, Mon- golen-Flecke, Muhammedanismus, Mund, Nacktheit, Nase, Ninive, Obst, Opfer, Ornamentik, Ost-Indien, Pasinler, Phallus, Phasiane, Polynesier, Rassen-Merkmale, Rassen -Verwandtschaft, Reise, Römer, Ruinen, Sachalin, Sannen, Sarykamisch, Schamiramalti, Schatzfund, Schild -In- schriften, Schliemann, Schriftarten, Se- lebes, Seudschirli, Siegel-Cylinder, Sitten, Spiegel-Grab, Sprachen-Gewirr, Stein-Axt, Steinzeit-Funde, Syrien, Tempel -Biblio- thek, Thierwelt, Thracien, Tigris, Trans- kaukasien, Treppen-Anlage, Turfau, Tur- kistän, Uiguren, Unterscheidung, Urne, Versandung, VValdmesser, Wodjin, Würfel, Zinn-Erze. Assjrer s. Geographie. Athinungs-T;|)ii«i, abdominaler und thoracaler 210. Atrophie der unteren Extremitäten eines Mikro- cephalcn 349. Attys s. Sonnengott. Auferslehungs-Glaiibe bei Australiern 524. Aufruf zur Errichtung eines Ehren - Denkmals für Job. Gottl. Fichte 192. — über die Verzeichnung der in Sachsen vor- kommenden Alterthümer 412. Auge der Aino 176. Augenformen verschiedener Völker-Rassen 186. Ausgabe der urartischen Keil - Inschriften in armenischer, lateinischer und französischer Spracüe von Joseph Sandalgian 192. Ausgrabungen von Byrsa und phönikische Ruinen in Nord-Africa und Malta, Beil von Da- home 75. — im Schamiramalti bei Van und neue Forschungsreisen in Cappadocien 348. — , neue, in Sendschirli durch das (alte) Orient- Comite 348. — in Transkaukasien 83. — s. Elisabethpol, Helenendorf, Kurgane, Ruinenstadt. Ausschuss 3, 32. Australien s. Anachoreten, Anthropologie, Be- stattungs-Gebräuche, Bismarck- Archipel, Blumenschmuck, Brachycephalie, Capaci- tät, Deformation, Dul^e of York, Grabstöcke, Gyps -Abgüsse, Hermit, Hocker, Hypsi- cephalie, Leichen -Verbrennung, Maasse, Mesocephalie, Nachtrag, Nannocephalie, Neu -Britannien, Neu -Guinea, Os Ince, Rasse, Rothfärbung, Schädel, Sepulcral- Gebräuche, Sutura, Tasmanier, Ver- brennung. Autoren-Verzelchniss .353. Azteken s. Nordpol. — , die beiden 348. — Maximo und Bartolo, Nackt- Aufnahmen 440. B. Babylunlen s. Antimon, Archäologisches, Blei, Gazellen-Kopf, Gräber, Inschriften, Keil- Inschriften, Kossäer, Krumm -Schwert, Kupfer. Metallschale, Münze, Nickel, Schwert, Sichel-Schwert, Stiliis, Succinit, Tempel-Bibliothek, Thonsarg, Zinn. — , Analyse von Kupfer und Bronze aus 157. — , Bernstein-Perlen 400. Backstein-Inschrift, Armenien 321. Ziegel im Ruinen- Hügel von Kara Uyiik, Cappadocien 489. Baden s. Buchheim, Bronze-Pokal. Bär als Totem der alten Gallier 35. Balkendecke auf einem Grab in einem Kur gan 146. Bancalari, Gustav; Linz t 273. Band-Keramik 441. — von Hissarlik 332. Bartiuesser und -Zange von Seddin 69. Bartwuchs der Aino 177. Basel s. Cedrela. . Bauch, behaarter, eines Weibes 534. Bauiu-Grnber in Australien 525. (557) Banin-Messer aus einem altarmenischen Grabe 47. ßauperioden in der 2. Ansiedelung von Hissarlik 259. Bautastelne 197. Bayern s. Büchenbach, Metallgefässe, Keichen- hall, Reihengräber, Vogelkopf, Wiesen- acker. -, Nicolaus-Figureu 544. Becken s. Rassen-Becken. — und Schiidelformeu, Correlationen zwischen 213. Bedeutung der Hocker-Bestattung 522. 553. — der Röntgoskopie für die Anthropologie 216. — der Supramamma 217. Beduinen -Truppe im Zoologischen Garten in Berlin 265. Befestigung, alte, bei Elisabethpol 81. Begräbnlssplalz, alter muhammedanischer, hei Elisabethpol 81. Begräbnissplntze, australische 523. — und Tumuli in Albanien und Macedonien 43. j BegrQssungs-Ausprache an R. Virchow 365. j Telegramm an M. Bartels 251. j Behaarung, abnorme, beim Weibe 534. | — der Aino 177. Beigaben aus Aino-Gräbern 182. , — australischer Todter 524. j — in Kurganen Transkaukasiens 88. [ Beigefässe aus dem Königsgrabe von Seddin 69. Beil in Gestalt eines Löwen, aus Dahome 76. Benialung s. Anstrich, Rotlifärbung. — Kalk-, von Schädeln von den Anachoreten- Inseln .369, 376. — mit Kalk an einem Schädel von den Duke of York-Inseln 383. — , rothe, der Gebeine australischer Todter 525. j — — , von Schädeln im Bismarck- Archipel j 870. — eines Schädels von den Duke of York- Inseln 383. — auf Töpferwaare von Kara Ujuk Cappa- docien 493. — auf Thongefässe in einer alten Befestigung bei Elisabethpol 81. Benin s. Erwerbungen. Bergfeslung s. Niksar. Bericht über die Bibliothek und die Samm- lungen der Gesellschaft 446. — über die Sammlung der Photographien 446. — über die XXXII. allgemeine Versammlung , der Deutschen Anthropologischen Gesell- ! Schaft in Metz 440. Bericht über die Rudolf Virchow- Stiftung für das Jahr 1901 448. Berlin s. Zoologen-Congress. Bern, Schweiz, vorgeschichtliche Funde 34. Bemstein-Artefacte aus alten Grabstätten Italiens 403. — -Funde in Italien 387. Perlen aus Königs- Gräbern von Mykenae 403. — — , Untersuchung von 40() — -Säure. Bestimmung der, im Bernstein 400. , Bestimmung der, auf nassem und trockenem Wege 401. der fossilen Harze 401. Bertiiion-Preis der Pariser Societe d"Anthropo- logie 252. Besä, Friedens-Versprechen in Albanien 355. Beschneidung, Bedeutung, Herkunft und Ver- breitung 434. Bestatlungs-Gebräuche s. Sepulcral-Gebräuche. — und Brandgrab in einem Kurgan Trans- kaukasiens 121. — -Gräber aus der Bronzezeit bei Helenen- dorf, Transkaukasieu 87. Bevölkerung von Elisabethpol 78, SO. — Ost-Turkistäns 151. Bewässerungs-Anlagen in Elisabethpol 80. Bibliograpliic, jährliche, der Anthropologie 220. Bibliothek der Gesellschaft 445. Bietkow, Kr. Prenzlau, Bronze-Eimer etc. 281. Bilder in den Königsgräbern in Amasia 449. Bildhauerkunst, turanische 484. Bildtafeln aus ägyptischen Mumien 259, ver- glichen mit anderweitigen Abbildungen 260. Bildwerke, römische, bei Bern 35. — , vorrömische, bei Bern 34. Binden der Glieder von Todten in Austi-alien 525, in Dahome 526. Bingöl-dagh s. Inschrift. Birinil, fossiles Harz aus Birraa 402. Biskra, Algerien 33. Bisuiarck-Archipel s. Rothfärbuug. Bizzozer», Giulio; Turin f 251. Blase als Haut eines künstlichen Kopfes aus Kamerun 534. Blech-Zierralhen, runde, aus einem Kurgan 113. Blei in Bronzen 157. Blumen - Schmuck an Schädeln Verstorbener, Hermits-Inseln 370. Blutrache in Albanien 359. — , gesetzlich straflos 360. — , Aussöhnung der, Albanien 356. — im Dukadschin, Albanien 353. — unter den Tartaren in Elisabethpol 80. (558) Boden -Verhälliiisse bei Caesarea, Cappadocien 506. Bühiuen, Weihuachts-Gebräiiche 544. BogenschiHze auf einem Thongefäss aus einem Kurgan Transkaukasiens 140. Boghazkoi, Klein -Asien, Fels-Sculpturen imd Hieroglyphen 469, nicht identisch mit Pteria 584. — , — , Stadt- und Burg-Ruinen 476. Uug'tscba, Cappadocien, Felsen - Zimmer und liethitische Inschrift 521. Büli»ia, Deformation von Gräberschädeln 404. Bollwerk am Gandsha-Fluss bei Elisabethpol 81. Bologna s. Bernstein-Artefacte. Bor, Cappadocien s. Stele. — — , Hethitische Stele mit Inschrift r)02. Bosnien, Grabhügel 51. Bracbyce|)balie von Anachoreten- Schädeln 370. Brand im Pathologischen Institut hiesiger Universität 31. Brandenburg s. Armringe, Bartmesser, Beige- fässe, Bietkow, Bronze -Eimer, Bronze- Funde, Bronze-Funde von Seddin, Bronze- Schale, Canneluren, Decken-Construktion, Doppelknöpfe, Eisen-Funde, Finger- Ringe, Führde, Freiwalde, Fundstätten, Grab- kammer, Gräber- Funde, Hallstatt, Hals- ring, Halsschmuck, Hausurnen, Hermelin, Hinzberg, Hohlcelte, Hügelgrab, Hügel- gräber, Hünen -Hacken, Kamm, Kehl- striche, Leichenbrand, Mahltröge, Malerei, Nähnadel, Nationalität, Perlen, Pokal, Reibeplatte, Reibsteine, Riesenkönig, Sarg, goldener, Schalen, Schwelle, Schwert, Seddin, Sitzschwellen, Speerspitze. Spi- ralen, Spremberg, Steinkranz, Thon-Becher, Thon-Gefäss, Thür-Urnen,Tumulus, Urnen, Verschluss, Verstümmelung, Wandmalerei, Wandputz, Wiege, goldene, Wilhelmsau, Zeitstellung. — a. H., BronzG-Schale 282. Braiidgrab s. Hügel, Trichter, Kurgan. — in einem Kurgan Transkaukasiens 121. Braunscbweig s. Hundezähne, Muschelstückchen, Schädel-Stücke, Walbeck. Brenniuateriai, Mangel an, bei den alten Felsen - bewohnern in Cappadocien 519. Briquelage-Funile bei Giebichenstein bei Halle a. S. 542. im Seille-Thal in Lothringen und ähn- liche Funde in der Umgegend von Halle a. S. und im Saale-Thal 538. Britannien s. Zinn-Erze. Bronze s. Armringe, Dolch, Dolchklinge, Doppelspirale, Emailknöpfe, Fingerring, Gewandknö])fe, Halbmond, Halsbefge, Hängeschmuckstück, Kette, Knöpfe, Me- daillon, Nadel, Nagel, Perlen, Pferde- gebiss, Pfriemen, Röhrenperlen, Schild- beschlag, Spii'alring, Stirnroif, Sturmhaube, Vogelfigur. Brunze-Einier von Bietkow, Kr. Prenzlau 280. Fibeln von Laci 52. Fund in Muri bei Bern 34. — -Funde aus Armenien 44. — — aus dem Königsgrabe von Seddin 69. von Seddin 283. — -Gefäss aus dem Königsgrabe bei Seddin 68. — -Griff eines Pfriemes aus einem Kurgan 149. — -Gürlel aus transkaukasischen Gräbern 31. — — -Bescbläge von Laci 52. Lampe von Laci 52. — -Pfeilspitzen aus Arnjenien 47. Pokal von Buchheim, Baden 2S2. — -Röbrchen aus einem Kurgan 149. Schale von Schlieben, Prov. Sachsen 282. Scbalen von Seddin 69. Scbnalle und Thongefässe aus GandschaSl. — -Scböpfkelle und -Messer aus der Bronze- Urne von Seddin 69. — -Speerspitze von Seddin 69. — -Stierligur aus einem Funde bei Löcknitz, Pommern 2.53. — (Messing?) -Tauschirungen auf Wikinger Eisensachen 351. Bronzen und Silberstück aus dem Ringwall bei Thräna, Kgr. Sachsen 59. Brücke über den Euphrat 304. Brunnen (Schacht) in einem Kurgane Trans- kaukasiens 129. Brust, behaarte weibliche 534. Buchbeiin, Baden, Bronze-Pokal 282. Buckal-Kerauiik von Hissarlik 333. Budak Owa s. Hethiter, Kimmerier. Buddha-Darstellungen, Ost-Turkistän 155. Buddhismus in Ost-Turkistän 151. Bücbenbai-b, Ober -Franken, Schale mit Vogel- kopf-Henkel 279. Bulama, West-Africa, Talkstein-Figur von 831. Bulgar Maden, Cappadocien, Felsen-Inschriften 502. Burg von Amassia 462. Burgberg, Königr. Sachsen, Burgwall 195. Burgwall bei Burgberg 195. Bjikalen-su = Tigris oberhalb der Grotte 229. Byrsa, Africa, Ausgrabungen 75. Byzantiner-Gräber bei Samsun, Klein-Asien 460. Byzanz, Epoche von, Topfvvaare in Hissarlik 334. (551)) C. fabira, Mitbridatesbur«? in Kleiii-Asien 459. Caesarea s. Bodenverbältnisse, Gemüsebau, Obstbau, Vieh-Armuth, Wald - Armuth, Wasser-Armuth, Weinbau. fanneluren an Thongefässen des I-ausitzer Typus 283. Capacität von Anacboreten-Scliädeln 871. Capj)a(locieii s. Ackerbau, Alter, Amassia, Araber, Archiv, Arslan-Tepe, Attvs, Backsteine, Bemalung, Bergfestung, Bildhauerkunst, Bodenverhältnisse, Boghazkoi, Bogtscha, Bor, Brenn-Material, Budak Owa, Bulgar Maden, Caesarea, Comana, Cjclopen, DjinoAviss, Egil, Ekrek, Erdgöttin, Ero- sions-Bildungen, Felsburgen, Felsengänge, Felsengräber, Felsen-Inschriften, Felsen- kirchen, Felsenstädte, Felsenwohnungen, Felsenzimmer, Fels-Sculpturen, Festung, Gamir, Gemüsebau, Getreidebau, Götter- bilder, Grabhügel, Grabkammer, Gräber, Gümenek, Gürün, Hadad, Handel, Herrscherbild, Hethiter, Hieroglyphen, Hissardjik, Hügelgräber, Tne-i, Inschrift, Inschriften, Jagd, Kalehissar, Kara Uyuk, Kasarieh, Kaufmanns -Rechnungen, Keil- Inschriften, Kimmerier, Kirchen, Königs- gräber, Königspalast, Korämär, Kurgane, Löwenbank, Löwen-Figur, Ma, Malereien, Marmor, Mauern, Melekob, Moscher,Nefez- koi,Niksaar, Obstbau, Oefen, Opfernischen, Peadirjemez, Pteria, Pythoi, Rechnungeu, Riesentöpfe, Ruinen, Ruinenhügel, Schahr, Schildkröte, Schnitter- Figiu-en, Schrift, Sculptur, Soghanli, Sonnengott, Sphinxe, Stadt- und Burganlagen, Stele, Tempel, Thierköpfe, Thontäfelchen, Thraker, Tisseck, T (562) Gang, unterirdischer, au einem macedonischen Tumulus 57. Gazellen -Kttpf, Kupfer, von Fara, Babylonien 164. Gaziura s. Turchal. Geburtstag. 75, von A. Bastian 347. — , 70., von Wilh. His in Leipzig 251, 347. — , 70., von E. v. Härtens 223. — , 70., von Radde, Tiflis 39.5, Dankschreiben 449. — , 80., von R. Virchow 365. Gcfäss, slavisches, mit Leichenbrand vonLössnig bei Strehla a. E. 39. — -Ornaiueiitik, alt-europäische 441, 538. — -Reichtbum eines Knrgangrabes Trans- j kaukasiens 134. — -Scherben aus dem Ringwall bei Tlu'äna 60. Gefässe der Guayaqui 269. Gehänse und Abgüsse von Mittelmeer - Kou- chylien aus einem frühbronzezeitlichen Gräberfunde von Ober-Olm in Rheiuhessen 252. I Gehirn s. Mound. Gehirne ägyptischer Mumien 532. — peruanischer Mumien 531, 582. j Gemme, gefälschte, aus Armenien .322. Gemüsebau bei Caesarea, Cappadocien 506. ; General -Register des XXL bis XXX. Bandes 393. — -Versammlung der Deutschen Anthropol. Gesellschaft in Metz 191, 274. Genu Talgnni der Japanerinnen 204. Geographie des 11. bis 9. Jahrhunderts vor Chr. und deren Kunde bei den Assyrern 234. Georgien s. Riesentöpfe. Gerätbe der Guayaqui 268. Gericht der Hochländer Albaniens 359. Germanen, Acclimatisations-Fähigkeit 397. Geschenk des 28. Jahresberichts des West- fälischen Pro vincial -Vereins für Wissen- schaft und Kunst 74. Geschenke s. Schriften, neu eingegangene. Geschlechts-.4b2ekhen auf Aino-Gräbem 181. Geschwüre s. Godowik. Gesellschaft, neue anthropologische, in Frank- furt a. M. 441. — s. Versammlung, Congress, Gründung, Bericht. Geslchts-Ausilriick der Aino 175. — -Darstellungen aus der ersten Ansiedelung von Hissarlik 331. — -Deckel-llmen, südamerikanische 387. — -Schädel der Ost-Asiaten 167. — -Urnen in Amerika 387. — -Vasen von Hissarlik 332. Gesichts- und Menschen -Vasen 441. — -Züge, Veränderung durch Lebensvorhält- nisse 167. Getreidebau bei Caesarea, Cappadocien 506. Gewaiidknöpfe aus Kurganen 99. Gewicht der Mädchen und Knaben zur Pubertätszeit 211. Gewichte aus Eisen mit Bronze - Ueberzug, Wikingerzeit 351. Gewichtsmaass der Chalder 295. Gewohnheitsrecht, das, der Hochländer in Al- banien 352, der Stämme Mi - Schkodrek in den Gebirgen nördlich von Skutari, Albanien 358. Gieblchensteln bei Halle a. S. s. Briquetage. Giljaken 36. G'asflüsse aus Babylonien 400. Glasperlen aus alt-armenischen Gräbern 44. Gliederstarre, angeborene 337. Glücksperle in Djonga, Nwalungo und Hlengwe, Africa 193. Godard- und Bertillon-Preise der Paiiser Societe d' Anthropologie 252. Godowlk, Art Aussatz in Elisabethpol 80. Götterbilder, hethitische, in Boghazkoi, Klein Asien 477, in Boghazkoi 478. Gölter-Statiielti'U, römische und gallische, von Muri bei Bern 35. Gold-Fingerring von Laci, Macedonien 52. Gottesfrieden s. Besä. Grabhügel s. Kui-gane, Tumuli. — in Bosnien 51. — in W.-Macedonien .50. — der Troas 334. Grab-Inschrifteii, griechische, bei Samsuu, Klein- Asien 460. Grab-Rammer des Königsgrabes von Seddin 66. — -Kammern der Könige von Amassia 463. — — mit griechischer Inschrift bei Comana Pontica, Klein-Asien 475. unter Niveau in den Tumuli bei Saloniki 54. Gralilaiiipe, römische, von Muri bei Bern 35. Grabopfer, steinzeitliche, aus Ober - Aegypten 34. Grabstätten der Aino 180. Grabstöcke der Australier 522. Gräber s. Felsen -Gräber, Grabhügel, Hocker, Hügelgräber, Kurgane, Tumuli. — , oberirdische, in Australien 525. — , australische, im Flussbett 525. — , punische, bei Byrsa, Africa 75. — , prähistorische, in Cappadocien 487, 488. — in den Grotten von Maraca, Süd-Amerika 387. (563 Gräber von Nipi)uv, Baljylonieii 158. Gräberft'Ider in Pacliacamac, Peru 404. Gräberfunde von Wilhelmsaiio und einige andere märkische Fundstätten 201. fireiizgrübi'ii und -Wälle, vorgeschichtliche 63. (iiriechen, Ruinen der, Samsun, Klein - Asien 460. (iriecheiiiaiid, Altcrthümer aus, in der Schliemann- Sammluug 334. Griissew-Verhältiiissc macedonischer Hügelgräber 55. Griiiiduiig der Anthropologischen Gesellschaft in Frankfurt a. M. 441. ^Grüiie Moschee" bei Elisabethpol 71). Orjphodoii, Schild eines, aus Argentinien 164. Onateiiialii s. Deformirung, Schädel. Giiajaqui s. Armschutz, Honig, Meissel, Mützen, Sammlung, Schaber, Schmuck - Stücke, Sprache, Steinbeile, Thontöpfe, Trag- körbe, Wachs, Waffeu. Sainiiihiiig 267. Güinenek, Klein-Asien, s. Couiana Pontica. Giirüii s. Stele. — , Cappadocien, hethitische Felsen-Iuschriften 502, 504. Gyps-Abgiisse von einem mit Einritzungen ver- sehenen Stein 202. — — des letzten Tasmanier 31. — -Bewurf an einem Königsgrabe von Amassia 465. H. Baare am Schädel einer Mound-Leiche .529. Haarwirbel auf der Wirbel-Säule 209. Hadad, hethitischer Gott in den Fels-Sculp- turen von ßoghazkoi 477. Hniige-Stbniui'kstiick aus einem Kurgau Trans- kaukasiens 89. — -Schmuckstücke aus einem Kurgan 149. Häuptlinge (Paria) der Albanier 358. Häuser in Trier 74. Hagio Elia, grosser Tumulus bei Saloniki 55. Haine, heilige, in Deutschland 199, in Palästina 201. Hakenkreuz, das, und sein Urbild 335. Halbniiind-Zierb'eche aus einem Kurgan 14s. Zieralhc aus einem Kurgan 114. Halle a. S. s. Briquetage. Hallstadt-Funde bei Bern 34. in einem Tumulus bei Seddin 70. Hals der Aino 177. — -Berge-Reste aus einem Kurgan 148. Ring von Seddin 69. — -Schmuck aus Schmelz-Perlen und Bronze- Spiralen von Seddin 69. Hals- und Brust-Schmuck an Thon-Gefässen von Hissarlik 332. Hain als Religions-Stifter 434. — = Chem 435. Hamburg, Naturforscher- Versammlung 347. Haniiten s. Eintheilung. Handel in Vorder-Asieu im Alterthum 498. — und Gewerbe in Helenendorf, Transkaukasien 85. Handschriften in unbekannten Sprachen in Ost- Turkistän 151. — in Ost-Turkistan 152. Handwurzel-Knochen der Neugeborenen 337. Harz, fossiles, von New Jersey, Nord-America 402. Harze, fossile, aus Italien und aus Syrien 401. Hassankala s. Pasinler. Hau, Aegypten s. Hu. Haupt-Versammlung der Niederlausitzer Gesell- schaft für Anthropologie und Alterthums- kunde zu Spremberg 251. Haus-Gernthe aus dem Saar- und Mosel-Gebiet 74. — -Irnen, ägyptische 424. — — aus der Provinz Brandenburg usw. 67. Haut eines künstlichen Kopfes aus Kamerun 533. — -Karbe der Aino 177. — — der Anachoreten-Insulaner 367. — — , Beständigkeit der 375. — — der neugeborenen Neger- und Mon- golen-Kinder 204. — — als Rasseu-Merkmal 375. — -l'leck, der blaue bei Mongolen und Ma- layen, Eskimos 248. Flecken, blaue, der Mongolen-Kinder 188. — -Pigments, Bilduug des 245. Hawara, Aegypten, Grabfeld an der Pyramide von, Mumien mit Bildtafeln 259. Hazelius, Arthur, Stockholm f 273, 445. Hedin, Sven, in Ost-Turkistän 152. Helligthum der Chalder 296. Helenendorf bei Elisabethpol, Ausgrabungen 8 . — , Deutsche Colonie bei Elisabethpol, Som- merfrische 79. — , Kurgan mit Bronze- und Eisen-Funden und Ceder-Balkendecke 146. — , Kurgane und Flachgräber 83. Hellhaarige und Dunkeliiaarige in den Tropen 245. Helm und Waffen aus einem Hügelgrab bei Skutari 51. Henkel an Thon-Gefässen als Stammes-Eigen- thümlichkeit 281. flercules-Säulen 200. 36* (564) Heriuellii-KiMtcheii in einer Bronze -Urne von Seddiu 68, iu einer Leicheubrand-Urne von S eddin 61). Heriiies-Säiileii 200. fleriiiioiieii, Hermunduren 200. Heniiit- Inseln s. Blumen -Schmuck, Schädel, Verbrennung. Heriuiindnren s. Hermionen. Herrscbeibild in den Sculpturen vou Boghazkoi, Klein-Asien 478. Hessen s. Gehäuse, Ober-Olm, Kouchjlien. Heterugunie der Behaarung 536. Hethiter in der Budak Owa, Cappadocien 521. Cnitur in Klein-Asien 476. Frage in Klein-Asien 459. Sculpturen in Uyuk, Klein-Asieu 476. Hienigljphen s. Pinturas. — auf Felswänden bei Boghazkoi, Klein-Asien 46S. Schrift und Keilschrift zui- Hethiter- Zeit 495. Himalaja, Waldmesser aus dem 345. Hinzberg, der, Hügelgrab bei Seddiu, Kreis West-Prignitz 64. Hlssardjik, Cappadocien s. Felsen-Inschrift. — , — , Hethitische Inschriften 503. Hissarlik s. Bau -Perioden, Schichten, Ter- rassen. Hoclver, liegender, in einem Kurgan 95. — , — und sitzender, in einem Kurgan-Grabe 131. — , — , neolithischer, aus Ober-Aegjpteu 34. — , sitzende, in Kurganen 101, 106, 110, 118, 143. — , — , Transkaukasien 97, 98. Bestattung bei den Australiern 5'24. , Bedeutung der 522. Skelet-Grab von Remedello, Italien 523. Höhlen-Anlagen in Ost-Turkistän 155. Gräber in Australien 525. Hohenleuben, Jahres- Versammlung der Voigts ländischen alterthumsforschenden Gesell- schaft 404. „Hohe Stein", der, von Döben bei Grimma 194. Hüliltelte von Seddin 69. Huhlknüpre aus einem Kurgan 139. Holland s. Jubiläum. Hulzdrucke in unbekannten Sprachen in Ost- Turkistän 151, 152. Huuig, bei den Guayaqui 269. Hu (Hau), Acgyj)ten, Thür-, Haus- Urnen 424. Hühner, Emil, Berlin f 191. Bügel - Brandgrab mit Todtenstein iu Trans- kaukasien 127. Grab bei SedcUu, Kr. West-Prignitz 66. Hütel-Gräber s. Kurgane, Tumuli. — — bei Helenendorf. Transkaukasien 87. — — von Seddin 66. — — vou Seddin und Flachgräber von Frei- walde 283. — — bei Skutari 51. — — fehlen im westlichen Macedonien 50 f. Hünen-Hacken vou Seddin 69. Hund mit feurigen Augen, Spuk bei Döben 196. Hunde-Schlitten der Giljaken 39. Zähne, durchbohrte, von Walbeck, Brauu- schweig 364. Huuziker, Jacob, Aarau f 273. Hjgiene von Elisabethpol 79. — im malayischen Archipel 397. Hjperlrichusis eines Weibes auf unveränderter Haut 536. — lumbo-sacralis und ilire Auffassung als Merkmal von Entartung 426. — , Literatur- Verzeichniss 429. Hjpslcepbalie von .'\nachoreten-Schadeln 370. I. Iberer 432. Ica, Süd- America, deformirte Gräberschädel 404. Idiuten s. Gliederstarre, Längenwachsthum, Röntgogramme, Schädelnähte, Skelet-Ent- wickelung, Verknöcherung. Idol vom thracischeu Chersones 329. Incruslation auf Urnen aus Transkaukasien 88, 90, 117. lucrustatiouen auf Kurgan-Thongefässen 139. — auf Thonscheiben in einem Kurgan 143. Indianer, Abbildungen amerikanischer 75. — und Mongolen, Rassen-Verwandtschaft 393. Indices von Anachoreten- und Duke of York- Schädeln 385. Indien s. Megalithgräber. Indonesien, Mongolen-Flecke 393. Industrie in Elisabethpol 80. — in Helenendorf, Transkaukasien 85. Ine-i, Cappadocien, s. Felseuwohnungen. Infeclions- Krankheiten iu der deutscheu Colonie Heleneiidorf, Transkaukasien 86, in Schu- scha 78. Inhalts-Vcrzeichuiss, chronologisches, der Ver- handlungen von 1901 549. Inschrift s. Felsen. — , die chaldische, auf dem Bingöl-dagh, Ar- menien 422. — , griechische, am Burgberg von Amassia 470. — , hethitische, in Cappadocien 500. (565) Inschrift, griecliisclie. in einem Felsenzimmer bei Ekrek, Cappadocien 504. — auf einer Fibel, Macedonien 52. — . altphrygische, von Kaleliissar, Klein-Asicn 476. — Keil-, von Pasinler 452. — auf altarmeniscliem Ring 47. — . neu aufgefundene chaldäische in Russisch- Armenien 22u. — auf einem Thongefäss aus einem Kurgan 104, 141. — an der Felsenbnrg Turcbal, Klein-Asien 470. Inschriften s. Keil-Inschriften. — . arabische, auf alten Thonscherben 82. — . assyrische in Armenien 324. — , Bestimmung der altassyrischen, am Tigris- Tunnel 236. — , griechische, bei Yosgat, Klein-Asien 487, — , — , bei Tyana, Cappadocien 501. — . hetliitische, s. Hissardjik. — , — , von Boghazkoi 481. — . — , bei Bogtscha 521, — . — , in Cappadocien 502. — , persische in Armenien 326. — , neu aufgefundene chaldische 424. — aus Ost-Turkistän 156. — fehlen an den Felsgräbern von Amassia 467, Insdiiitinn und Pigment-Bildung 246. ntercalar-Knochen in den Schädelnähten 213. Iniienstiassen 201. Inninsiil 198. Irrthüiner in der chronologischen Bestimmung der Schliemann-Funde 257. Islam in Ost-Turkistän 151. Italien s. Bernstein-Artefacte, Bernstein-Funde, Bologna, Hocker, Jesi, NaYilara,Palestrina, Photographie, Pnggio. Remedello, Rove- reto, Simetit, Succinit. — , Bernstein aus Gräbern 400. J. Jafet als Religionsstifter und als Titane 433. Jafetiten s. Eintbeilung. Jagd bei den alten Cappadociern 519, 520. Jahresbericht für das .Jahr 1901 445. — des Westfälischen Provinzial -Vereins für Wissenschaft und Kunst 32, Jahres-TersaiMinlung des Vereins deutscher Irren- Aerzte 191. Jahrnial s, Godowik. Japan s. Anthropologie, Athmungs - Tj'pus, Beckenform, Con-elation, Fettpolster, Flaumhaar, Genu, Haar -Wirbel, Kalk- Armuth, Kopf-Umrisse, Menschen-Rassen? Photographien, Pigmentbildung. Puber- tätszeit, Rachitis, Röntgoskopie, Schädel, Schnürfurche, Sitzknie, Sonnen - Strahlen, Supramamma, Wachsthum. Japan. Menschenrasse 166. Jeiissawetpiil s. Elisabethpol. Jesi, Italien, s. Bernstein-Artefacte. Jivarn, ausgeweideter Kopf eines 265. Jochbein, zweigetheiltcs s. os japonicuni. Jiibiläiini Florenz 223. — der Gesellschaft für nützliche Forschungen, Trier 73. — , 50 jähriges, das Koninkl. Istituut voor de Taal-, Land- on Volkenkunde van Nederl. Indie im Haag 252. — . 30 jähriges, der Anthropologischen Gesell- schaft 191. — , 40jähriges, des Herrn Paolo Mantegazza zu Florenz 165, 192. — , 25 jähriges, des Historischen Vereins für den Reg.-Bezirk Marienwerder 252. — , 50 jähriges Doctor-, des Präsidenten der uralischen Gesellschaft der Freunde der Naturwissenschaften in Ekatherinenburg, A. A. Mislawsky 165. — , 25jähriges, Ritter"s als Schatzmeister der Gesellschaft 448. — , 25jähriges Professoren-, Studer Bern 449. — , lOjähri^es, des Vereins für Volkskunde 32, Jiibllännis-Stiflung der Stadt Berlin für die Akademie der Wissenschaften 165. K. Habiren-Tempei, Reste eines phönizischen, an der Süd-Küste von Malta 76. Racht'xie-IIaare bei Japanern 210. Knris = Anlagen, mit unterirdischer Bewässerung in Transkaukasien 138. Kaiaja Daiinaties 49. Kalak bei Mazgert, Armenien, Inschrift 312. Kalehissar, Cappadocien, Tumuli 487. Kalk-Ariiiiith der Reis-Nahrung in Japan 203. huiiieniii s. Anthropophagie, Blase, Ekhois, Fetisch, Haut, Khois. Kopf, Neger-Sculptur, Tätto wirungen. Kauini aus Bronze von Seddin 69. Kanonenkugeln in einer alten Clialderburg 297. Kapazität, sehr grosse, eines Massai-Schädels 284. Kaputzar, Geheimzeuge bei Blutrache, Albanien 358. Kara-Üyiik, Cappadocien, s. Kümmcrier. , Cappadocien, Thon-Täfelchen mit Keil- Inschrift 489. Harnsii, Opfer an den Quellen des, Klein-Asien 458. (566) Kasarieh-Cacsarea, Klein-Asien, Tuinuli, Kurgaue 1 Köhler, Dr., Poseu j 75, 445. 487. 1 Koelaiii Giilaii, Armenien, Keil-Iuschrift 307. Kauf und Verkauf in Albanien 3G3. Röiiig, Berlin f 441. Kaufiiianiis-Rechnungcn in Keilschrift auf Thou- 1 Königs- Bing und Königs - Gräber von Mykeuä Täf eichen von Kara-Uyuk, Cappadocien 492, 499. Keblstriche an Thongefässen des Lausitzer Typus 283. Keil-Iiiscbrift auf dem Bingöl-dagh 422. — — , neue chaldische, im Museum in Cou- stantinopel 452. bei Egil, Klein-Asien 501. Keil-Inscbrifleii s. Thontafeln. — — aus Nippur, Babylonien 158. der Tigris-Quellgrotte 284. Keilschrift in Baghazkoi 481. Keilschriften, ui-artische 192. Keramik s. Nachahmungen. Kerke, Aegypten, Mumien mit Bildtafeln 2.59. Kette, Bronze, aus einem Kurgan 148. Keulenkupr aus Stein aus eineui Kurgan Trans- kaukasiens 137. Khaki, Zweckmässigkeit in den Tropen und Bedeutung des Namens 246\ 247. Khois s. Ekhois. Kininieiier in der Budak Owa, Cappadocien 521. 250. Felsengräber am Burgfelsen von Amassia 463. — -Grab, das, bei Seddin, Westpriegnitz 64. Gräber in Amasia 449. — -Mumien der Ptolemäer 260. — -Palast von Boghazkoi 480. Kühle, glühende, zur Salzgewinnung aus Soole 539, 541. Kulcher, Abstammung der 434. Kuncb^lien des Mittelmeeres in einem Bronze- zeit-Grab Hessens 252. Kopf, ausgeweideter, eines Jivaro, Süd-America 265. — -Bildung von Mikrocephalen 349. — -Form als Stammesmerkmal südamerica- nischer Indianer 40(i. — -Indices der Anachoreten-Insulaner 36|(us lG9ff. — -kiireaucr, die, in Japan 173, 182. Mapa de Tia^ailan 266. Marajo, Insel, Süd -America, Gesichts -Urnen 387. Marc» Polo in Ost-Turkistän 152. Maiienwerder s. Jubiläum. — Festsitzung des historischeu Vereins 274. MariiiDi-Kiagnu'iili- iu Hissarlik 334. Säulen, griechische, in Yosgat, Cappadocien 487. Massal-Schädel von ca. 2000 com Inhalt 284. Matupi, Bismarck - Archipel, Rothfärbung von Schädeln 370. Malier, mittelalterliche, in dem Ringwall bei Thräna 60. Mauern, cyclopische. s. Joghanli. Maja s. Nordpol. Handschrirt, getälschte 266. Mazreka, Macedonien, Gräber 49. Medaillons aus Kurganen 99, 103, 114. Megalith-Gräber in Vordor-Tndien 526. Mfilenstcine, römische, bei Amassia. Klein- Asien 461. Meissel der Guayaqui 268. Mekhitarlsten-Druckerei auf der Insel S. Lazzaro, Venedig, Ausgabe der urartischen Keil- Schriften 192. (568) Melekob, Cappadocien, s. FclsenwolmuTigei]. Mendi-LaiiH, West - Africa, Talkstein - Figuren 330. Menhirs 197, in Palästina 201. Mensch, der, in den Tropen 394. Menschen - BildiT. in einem Grabe von Amasia 450. Figur auf einer Urne in einem Kurgau 101. Figuren auf Kurgan-Thongefässen 117, 118, 119, 140, 142. — — an südamerikanischen Ih-nen 387. Knochen im Toprakkaleh 296. Opfer bei den Clialdern 303. — -Rassen Ost-Asiens mit specieller Rücksicht auf Japan 1G6. Ost-Asiens 202, Dissussion 245. Mesdcephalie der Aino 175. — von Anacboreten-Schädeln 370. Mesopiilaniien s. Araber. Mesredaljtiiij Angelo: Eom f 251. Messer, Bnmze-. aus einem Kurgan 148. Messing- 4x1, symbolische aus Dahome 76. Messungen an lebenden Ost-Asiaten 168. Melall-ttefässe und Nachalimungen 277. -^ -Röllchen aus einem neolithischen Grab bei Langen-Eiclistädt (?) 415. Sehale aus Babylonien 160. — -Scheilien, blanke, runde, als Schmuck der Ronga-Krieger 193. Metz, Anthropologen-Congress 347. — s. General-Versammlung, Versammlung. Mcwe, Westpreussen, Wikinger - Funde mit Tausclürungen 350. — s. Eisensachen. Miaolse in Japan 171. Mikrocephaleii, amerikanische, sogen. Azteken 348. ffliljoti, sagenhafte Stadt in Macedonien 52. Mirdilen-Stnninie, GeTvohnheitsrechtder, Albanien 352. Mitglieder, correspondirende 4, 191. — , Ehren-, correspondirende und ordentliche 445. — , immerwährende 7. — , neue 32, 75, 191, 223, 251, 274, 347, 3!)2, 448. — , ordentliche 7. Album 446. — -V'erzeichnlss 3. Mithridali's-Burg in Amassia 465. — K. Cabira. MlUel-Schädel und Kurz-Sfhädcl in Ost- Asien 167. .Mtidelle von Häusern aus Neu-Guinea 3<)o. Mulinazzii - Arbedo, Schweiz. Bronze -Schnabel- kanue und thönernc Nachbildung 278. Mondsee-Tjpus 420. Mongolen in Japan 178. — und Indianer, Rassen - Verwandtschaft 393. — -Flecke der Kinder 393. Mongolo-llalajen in Japan 185. Monolllh s. Steinsäulc. Moralilät in den Tropen 396. Mord an Stammes- Angehörigen und Fremden in Albanien 354. — und Todtschlag bei den Hochländern Al- baniens 359. Moscher - Georgier als Erbauer von Kara Uyuk 497. — Geschichtliches 497. Moselgebiet s. Häuser, Hausgeräthe, Trachten, Trier. Ilound-Gehirn 527. Müller. Hofrath, Pola f 448. Müllner, Eosina Margaretha, Haarweib .537. Münze aus Babylonien 161. — , Kupfer-, aus einer alten Befestigung bei Elisabethpol 82. Münzen, alt-armenische 49. — , kupferne, aus einem Hügelgrab bei Laßi, Macedonien 52. — aus Ost-TurkistAn 153. Mützen der Guayaqui 269. Muhannnedanismns in Ost-Turkistän 151. Mumie eines neolithischen Aegypters 37. Mumien, ägyptische, mit Bildtafeln 259. — , deformirte Köpfe peruanischer 404. Mumilicatinn eines Mound-Gehirnes 527. — australischer Leichen mittels Feuer 525. Mund der Aino 177. Muri bei Bern, Bronzefund 34. — . Bronze-Statuetten und andere Bronzefunde 35. Muschel aus einem Kurgan 116. l'erlen aus einem Mound 529. — — aus Tempel-Ruinen Babyloniens 400. — -Stückchen, durchbohrtes, von Walbeck, Braun schweig 364. Museum Basel s. Cedrela. — Cassel s. Tridacna. — s. Central-Museum. — in Byrsa, Tunis 75. — für Volkskunde, Dresden 251. — für die deutschen Volkstrachten und Haus Industrie, Ausstellung von Bauernschmuck 393. Mvkenae s. Bernstein-Perlen, Königsburg. Keramik in Hissarlik 333. (569) Kachahiiiiiii^t'ii von Metall-Gefässon in dt^r prä- historischen Keramik 277. Nachricbfm von Hrn. W. Belck 441. Narhlrag übei- die Bedeutnng Australiens für die Heranbildung des Menschen 328. Nacktheit und Sittlichkeit 179. Nadel aus einem Kurgan 90, 93, 100, 130, 145. Nähnadel, eiserne, von Seddin 60. Näpfchen vom Lobauer Berge, Königr. Sachsen 166. Nagel, Bronze-, aus einem Kurgan 139. Nahrung in den Tropen 398. Naiuen-Register, alphabetisches 553. Nannocephalie eines Auachoreten-Schädels 371. Naria. Dea. gallische Gottheit 35. Nase der Aino 176. Nasen -Durchiiohning bei den Anachoreten -In- sulanern 368. Nasenhöhif, Verstopfung der, an Anachoreten- Schädeln 369, 376 ff. Nationalitht des Königs-Grabes von Seddin 70. Natiirforsrlier-ViTsiimmlinig zu Hambiu'g 347. .\dalania = grosse, i'unde, glückbringende Steine bei den Bawenda 192. — = dirhem - darahim = ndarama = Geld, Gold, Silber 192. s- Ndjalania. blanke Metall-Scheiben der Ronga- Krieger 193. — . Perle für abergläubischen Gebrauch in Djonga Nwalunga, Hlengwe, Afiica 193. Nefezktti. Cap])adocien, Ruinen 487. Neger-Sciilpliir von Kamerun ö'oo. Nervosität in den Tropen 396. Neu-Uritannien, Schädel mit sehr grossen Prä- nasal-Gruben 284. Neugeborene s. Diaphysen, Epiphjsen, Hand- wurzel-Knochen. Neu-Guinea, Häuser 363. — -Hebriden, künstliche Langköpfe von den .383. — -Ordnung der Schliemann-Sanmilung 255, 274, 331. Nickel in einem kupfernen Antilopen-Kopf aus Babylonien 163. Nicolans- und Krampus-Figuren, die, in Böhmen als Ueljerlebsel aus heidnischer Zeit 544. Niksar, Klein-Asien. Berg-Festung 475. Ninive s. Siegel-Cylinder. Nippur, Babylonien s. KruBni-Schwert, Kupfer. Nordenskjöld, Freiherr Adolf Erik, Stockholm f 391. Nord - Europa, neolithische Periode und alt- ägäische Cultur 441. Nordpol, der, bei Azteken und Mayas 274. Nonnen eines Duke of York-Schädels 386. Nothzncht, Strafe für, in Albanien 361. Novilara, Italien. Bernstein-Perle 403. 0. Oberbrust 220. Ober-Olni, Mittelmeer - Konchylien in einem Bronzezeit-Grab 252. Obsidian - Pfeilspitzen aus Kurganen Trans- kaukasiens 87, 92, 93, 119. Obstbau bei Caesarea, Cappadocien 506. Obst-Reirhibum von Amassia, Klein-Asien 461. Oceaiiien s. Australien, Ponape, Schädel, Tre- panation. Ochrida-See in Macedonien, vorgeschichtlicht^- Fundstätte 54. Oefen und Feuerstellen in den Felsen-Woh- nungen bei Caesai'ea 511. Ohio s. Mound-Gehirn. Ohr-(iehänge aus Bronze-Blech in Armenien 47. — — aus einem Kurgan 100. — -liöcher der Anachoreten- Weiber 368. Opfer der Chalder 290, 324. — an den Quellen des Karasu 458. — -Nische, Armenien, Inschriften 321. — -Nischen in einer Felsschlucht beiBoghazkoi 478. — -Steine in Tempel-Ruinen auf Malta 76. Orient-Coniite s. Ausgrabungen. Ornamentik s. Gefäss. — auf Bambu-Gefässen von Malacca 538. — der Gefässe der II. bis V. Ansiedelung von Hissarlik 232. Os ainoicum 214. — japonicuni 213, 247. — Incae an einem Anachoreten -Schädel 371, 381. Ost-Indien s. Acclimatisation, Alkohol, Ai'beit. Arbeitszeit, Chinesen, Colonisation. Con- cubinat, Epidemien, Europäer, Fortpflan- zung, Gormanen, Hygiene, Kinder-Krank- heiten, Kinder- Sterblichkeit, Landbau, Malaria, Mensch, ^Moralität, Nahning, Nervosität, Sonnenstich, Sterblichkeit, Tropen, Tropen -Koller, Tropen -Krank- heiten. P. Pachacarnac, Peru, Schädel von Gräberfeldern 404. Palästina s. Haine, Menhirs. Palestrina, Italien s. Bernstein-Artefacte. Papua-Miidchen mit Mongolen-Flecken 393. Paraguay s. Steinzeit-Indianer. (570) Paris s. BertilloD, Godard, Reiseu. Pasiiiler (Hassankala), Inschrift vou 452. Pastrana, Julia, Haarweib 537. Pathologie in der Entwickelung des Menschen- geschlechts "213. Pathologiselifs liistitiil, Brand :>1. Peadirjeniez, Cappadocion. Tumuli 487. Pella s. Saloniki. Peii)agraiuiii in den Tättowierunseii der Alba- nesen 48. — auf altarmeuischen Ringen 47 , auf einem Steinring in Surda 48. Perlen aus Kurganen 96, 99, 103, 132, 139, 148. — von Seddin 69. — aus Tempel-Ruinen Babyloniens 400. — , Röhren-, aus einem Kurgan 90. . Perrückeii, Gebrauch der, in Aegypten 265. Perseiis-BÜdniss aus einer ägyptischen Mumie 260. Peru s. Deformation. Gehirne, Gräber-Felder, Mumien, Pachacamac, Schädel, Uta. — , deformirte Mumien-Köpfe 404. Pfähle in Kurganen Transkaukasiens 128, Pfänder-Recht in Albanien 362. Pfahl-Bauten s. Chronologie. Oäiiser auf Neu-Guinea 363. Reste in einem Kurgau 127, 128. Pfeil-S|iitze s. Bronze, Obsidian. Pferde-fiebiss, Bronze, aus einem Kurgan 146. Pfriemen aus einem Kui-gan 87, 93, 97, 99, 119. Phallus-Darstelliingen auf Aino-Gräbern 181. — -Sieine s. Todten-Steine. Phasiane, Klein-Asien, Keil-Inschriften 452 — = Dajani = Diauni, Reich in Klein-Asien 457. Phosphorsäiire-Salze an einem Mouud-Gehirn 529. Photographie einer sicilianischen Wahrsagerin 430. Photographien, colorirte aus Japan und Aegypten 363. — aus Togo 76. Saniuilung der Gesellschaft 446. Phryger, emopäischen Ursprungs 441. Pigment-Bildung durch chemische Einflüsse 245. PIgment-FIeclie der Kinder 208. PigmenliruuK transplantirter Haut 246. — der menschlichen Haut durch die chemisch wirkenden Strahlen der Sonne und durch andere chemische Einwirkungen und durch Wärme 205. — der verschiedenen Rassen und ihr Wider- stand gegen Sonnenbrand 245. Pilsen, Weihnachts-Gebräuche 544. Plnturas Jerogiilicas, coleccion Ohavero 266. Plaiii, Gewohnheitsrecht der, Albanien 353. Platanaki, Macedonien, grosser Tumulus 55. Platanensladt s. ElisabethpoL Plattirnngeii auf Wikinger-Eisensacheu 351. Plaljlinemie der Tibia 213. Pocken und Sterblichkeit in Elisahethpol 79. Poggii» alia Guardia, Italien, Bernstein-Perle 403. Pokal s. Thon-Becher. Pojjdacljlie au südamerikanischen, antbropo- niorpheu und zoomorphen Urnen 388. Polymastie, ein Fall von, 218. Poljnesier-Biut in Japan 171. Polythelie 220. Pomiiierii s. Bronze, Löcknitz, Stierfigur. Ponape, Karolinen s. Schädel, Trepanation. Portugal s. Zinnerze. Pränasai-tiruben, grosse, an einem Schädel aus Neu-Britannien 284. Projections-Bilder der Azteken 440. von der XXXII. Versammlung der Deutschen Anthropologischen Gesellschaft 440. Pleria s. Boghazkoi. Ptulemäer-Porlräts aus ägyptischen Mumien 260. Pubertät tritt bei Japanerinnen später ehädel 167. Verwandtschaft der Ainos 247. zwischen Mongolen und Indianern 393. Raub und Diebstahl in Dukadschin, Albanien 357. Rechnungen s. Kaufmanns-. Rerhiiungs-Bericht für das Jahr 1901 446. der Rudolf-Vii-chow-Stiftung 448. — -Revisoren 393. Recht der Stämme von Dukadschin, Albanien 353. Reiheplatte von Seddin 69. (571) Reibsteiiie aus dem Tumulus von Seddin 69, 71. i Reichenhall s. ReiheDgräber. Reiheilgräber von Eeichenhall 253. Reise s. Cappadocien. Reisen von Rudolf Virchow als Delegirter des Unterrichts - Ministers und der Anthro- pologischen Gesellschaft zu der Festfeier nach Florenz und von Waldeyer als Ver- treter der Akademie der Wissenschaften nach Paris 223. Relieves de Chiapas 266. Religiuns-Geint'iiischaftcii s. Stammländer. Reinedello, Italien, Hocker-Skelet 523. Rhachilis fehlt in Japan 203. \ Rhein-Provinz s. Häuser, Hausgeräthe, Trachten, ' Trier. I Rhudus-Stilarlen in Hissarlik 334. Riesen-Küiiig in der Prignitz 65. — -Töpfe in Cappadocien 493. — — , Herstellung der, in Georgien 500. — — , Verfertiger der 493. Ringwall s. Thräna. Rübren-Perleii aus Kurganen 90, 100, 116. Römer, die, in Illyrien 49. — , Ruinen, der bei Byrsa, Africa 75. — -Grälier bei Samsun, Klein-Asien 460. Rönlgeii-Phutiigia|ihieii von Idioten-Körpertheilen 336. Rüutgograiiiine von Kinder-Händcm 337. Röiitgoskopie, Bedeutung der, für die Anthro- pologie 216. Rossen, Typus von 415. Runga s. Djadalam Ndjalania, Metall-Scheiben, Kriegerschmuck. Rosineniuann 544. Ruthfärbung s. Anstrich, Benialung. — an Menschen -Knochen in einem Kurgan Ti'anskaukasiens 143. — an einem Schädel von den Duke of York Inseln 383. — von Schädeln in Matupi, Bismarck- Archipel 870. Rulhiualung s. Bemalung, Rothfärbung. Rüverelu, 150j ähriges Jubiläum und Festsitzung der Accademia degli Agiati 274. Rubaijal, Aegygten, Mumien mit Bildtafeln 2.59. Rückblick auf die Gräber am Wege nach Murat, Transkaukasien 137. Rückkehr von M. Bartels 329. Ruinen aus römischer Zeit bei Bern 35. — , römische, bei Byrsa, Africa 75. — eines alten Befestiguugs-Werkes bei Elisa- bethpol 81. — von Muive, Siegel-Cylinder mit Löwen- jagd 460. Ruinen bei Samsun, Klein-Asien 459. — von Surda, Armenien 47, 49. — römische, bei Tabarka, Tunis 76. — eines Castells bei Viga, im Gebiet der Mirditen, Macedonien 51. — von Yosgat und Nefezkoi, Cappadocien 487. — -Hügel Comana Pontica in Klein-Asien 474. von Kara Uyuk, Cappadocien 489. — — von Uyuk, Klein-Asien 476. — -Sladt Gandsha bei Elisabethpol 83. Runen-Steine, 197. Russland s. Armenien, Tataren, Transkaukasien. Saale = Seille 544. Saaletbal s. Briquetage. Saar-Gebiet s. Hausgeräth, Trachten. Sachalin, Klima 38. Sachsen, Königreich s. Bronzen, Flechtwerk, Gefäss - Scherben, Greuzgräben, ..Hohe Stein", Knochen, Langgräben, Langwälle, Löbauer Berg, Mauer, Schlackenwall, Schlossberg, Schlossplatz, Slaveu - Zeit, Stein -Heerd, Stein -Mörser, Stromberg, Thi-äna, Urnen, Volkskunde, Wall, Zeit- stellung. — , Provinz, s. Briquetage, Bronze -Schale, Giebichenstein, Halle, Saale, Saalethal, Schlieben. Sagastar-a, Thontafel des, Armenien 320. Sage s. Hund, Königsgrab, Riesenkönig, Sarg, Spuk, Wiege. Salnianassar II., Inschrift von 237, 240. Saloniki s. Tumulus. Pella, Tumuli 54. Salz-Bereiliiiig im Alterthum 5o9. Salzburg, Nicolaus-Figuren 544. Salz-Pflanzen in Algerien 33. — -Quellen im Seille-Thal 538. — -Sümpfe in Lothringen 538. Samas-Cult 436. Sannen, Volk in Klein-Asien 458. Sardäer in Albanien 48. Sarg, goldener, Sage 65. Sarkophag, thünerner, von Helenendorf bei Elisabethpol 82. Sarjkainiscb, Keil-Inschrift 452. Schaber aus Nagethierzähnen bei den Guayaquf 268. Schädel, alte schwedische 75. — mit grossem Inhalt, Massai 284. — , Aufbewahrung der blumengeschmückten, auf den Hermits-Iuseln 370. — , deformirter, von Guatemala 284. (572) Scbädel von liegenden Hockern besonrlers be- stattet, Transkaukasien 131. — Einflnss auf den Character 407. — aus Neu-Britannien 2S4. — aus Ponape. Karolinen, mit geheilter Trepanation 538. — fremder Stämme im Pathologisclien In- stitut 31. — mit Stimreif in einem Kurgan 102. — und Beckenformen. Coi-relationen zwischen 213. — -tiilt auf den Anachoreten-Inseln etc. 369. , Duke of York-Inseln 3'(0. — -l>eforiiiatioii, künstliche, der altperuanischen Indianer 40.5. — -Grund von Cretinen 344. — 'Maasse s. Maasse. — -\ähte von Idioten 335. — -Saiiiiiiluiije: der Gesellschaft 445. Slaliv 267. Stfickp, menschliche, und Beigaben aus einem Kalkbruch bei Walbeck bei Helm- städt, Braunschweig 364. — - Untersuchung, Sergi'stassonomische Methode der 371. Schah 'Abbäs. der Grosse 79. Schahr s. Comana. Schahi, Recht des Stammes der, Albanien 35;>, 360. Schalen, Bronze, von Seddin 69. Schaniimnialli s. Ausgrabungen. Schanze s. Zetten-Schanzo. Schatzfund in Amasia 451. Schichten, Ansiedelungs-, in Hissarlik 259. Schiedsgerichte der Hochländer Albaniens 359. Schlldheschlajt. Kninze-, aus einem Kurgan 148. Schilde eines Gryphodon aus den Pampas von Argentinien 164. Schild-Insrhriflfn. chaldische 455. Schildkröit'n, Alabaster, aus Uyus, Cappadocien 495. Schlackenwälie auf dem Stromberge bei Weissen- burg und auf dem Löbauer Berge 165. SchlangenbildiT auf einer transkaukasischen üme 91. Schlesien s. Tochhammer-EUguth, Thon-Schale. Schlender-Sleine aus einer alten Befestigung bei Elisabethpol 82. Schlleben, Prov. Sachsen, Bronze Schale 282. Schlieniann-Saniinliing s. Hissarlik, Irrthümer, Neuordnung, Töpferscheibe. Srhloss-Berg, vorgeschichtlicher Wall bei Thräna .58. Platz, der. Wall bei Thräna 409. Schmidt, .Johannes: Berlin f 347. Schnuick-fiehänge aus Kurganen 99. — -Stficke der Guayaqui 269. Schnabel - Rannen aus Bronze und Thon von Molinazzo-Arbedo 278. — -Schuh, hethitischer, aus Thon und neuere in Cappadocien 494. Schnallen, Wikinger-, tauschirte 351. Schnitter - Figuren in den Fels - Sculpturen von Boghazkoi 478. Schniirfnrche der Japaner am Brustkorb 202. Schnnr-Kerauiik s. Chronologie. Schoschi, Gewohnheitsrecht der, Albanien 353. Schreiben des Herrn G. Schweinl'urth aus Biskra, Algerit?n 32. Schriftarten, unbekannte, in Ost-Turkistän 151. Schriften, neu eingegangene 74, 189, 221, 249, 272, 328, 345, 364, 389, 440, 441, 545. Schriften-Austausch 16. Schrift-System der Moscher 497. Schiissenried, Typus von 420. „Schutz und Geleite" in Dukadschin. Albanien 355. Schwaben in Transkaukasien 85. Schwangerschaft, Mord bei, in Albanien 360. Schweden s. Felsen-Zeichnungen, Schädel. Schwefel-Quelle bei Laci, Macedonien 53. Schweiz s. Artio, Bär, Bern, Bilderwerke, Bronzefund, Grablampe. Hallstatt-Funde. Leichenbrand, Molenazzo, Muri, Naria, Ptuinen, Steinzeit- Funde, Tene -Funde, Totemisnius, Versammlung. Schwelle am Eingang zur Grabkammer des Königsgrabes von Seddin und an Haus- urnen 68. Schwert. Bronze-, in dem Königsgrabe von Seddin, seuki-echt stehend 69. — aus Kupfer und Antimon, von Nippur, Babylonien 159. — . tauschirtes, aus der Wikinger-Zeit 351. Schwinnnen als Thorax-Gymnastik 203. Scutari, Gewohnheitsrechte 358. — s. Skutari. Seddin, Prignitz, Bronze-Gefässe, Thür-Urne etc. 283. -, Königs-Grab (Hügel-Grab) 64, 288. — s. Riesenkönig. Sellle = Saale 544. Thal, Briquetage 538. Selbst- Lrdrosseliing 537. Selebes, Mongolen-Flecken 393. Sem als Religionsstifter 435. Semiten s. Eintheilung. Sendschirli. neue Ausgrabungen 348. Sepp, Johannes: München f 392. Sepulcral-Gebräuche der Australier 524. (573) Sergi's tassonomische Methode der Schädel- Untersuchunf? 371. Serien von Kopfumrisseu desselben Individuums in verschiedenen Lebensaltern 214. Serruiler, L.; Batavia f 392, 445. Sicbel-Scbweit von Nippur, Habylonien 159. Slcherheits-Verliältuisse im Gouvernement Elisa- bethpol 80. Siegel aus Ost-Turkistän 153. Cjliiider, hethitischer, von Samsua, Klein- Asien 460. Silber-Fibel von Laci 52. Tauschirimgeii auf Wikinger-Eisensachen 351. SliuelK, Berustein vom Fusse des Aetna 401. Sitten und Gebräuche der Giljaken 36. Situalions-Plan der Grabhügel bei Heleuendorf 144. — der Gräber bei Helenendorf, Trauskaukasien 138. Sitzknie der Japaner 203. Sltxschwellen in der Grabkammer des Königs- grabes bei Seddiu 68. Skelet, ueolithisches, aus Ober-Aegypten 33. Entwicana s. Zinn-Erze. Tuteniisnius der alten Gallier 35. Trachten und Hausgeräthe aus dem Saar- und Moselgebiet 74. Tragknrbe der Guayaqui 268. Transkaiikasien s. Adschikent, Alterthümer, An- thracit, Antimon, Armreifen, Armringe, Ausgrabungen, Befestigung, Begräbniss- platz, Beigaben, Bemalung, Bestattungs- gräber, Bevölkerung, Bewässerung, Blech, Blutrache, Bollwerk, Brandgrab, Bronze, Carneol, Colonie, Deckel, Deutsche, Dolch, Doppelspirale, Dschewat, Erd- boden, Fingerring, Fischreichthum, Gaad- scha, Geschwüre, Gewand, Godowik, Grüne Moschee, Hängeschmuck, Halb- mond, Handel, Helenendorf, Hocker, Hügel, Hügelgräber, Hygiene, Industrie. Infectionskranklieiten, Incrustation, In- schrift, Jahrmal, Klima, Knochen, Knöpfe, Krankheiten, Kura, Kurgane, Mäander, Medaillons, Menschen -Figuren, Münze, Muschel, Kadel. Obsidian, Ohr, Perlen, Pfahlreste, Pfeilspitze, Pfriemen, Phallus, Platanen, Pocken, Röhrenperlen, Ruinen. Ruinenstadt, Sarkophag, Scbädel, Schah 'Abbas, Schlangen - Bilder , Schleuder. Schmuck, Schwaben, Sicherheit, Spiral- ring, Steinbeil, Steinperlen, Steinring, Stirnl)and, Thier-Bilder, Thier- Knochen, Thongefässe, Thonpfähle, Tlionstiofel, Todten- Steine, Topf-Scherben. Trichter, Ufer, Unterkiefer, Unien, Vogelbilder, Vogelfigur, Wall, Wechselfieber, Wein- bau, Wellenlinien. — . Bronze-Gürtel 31. Treichei, Alexander: Hoch-Paleschken, f 391, 445. Trense, Wikinger-, tauschirte 351. Trepanation, geheilte, an einem bolivischcn Mumienschädel 408. — , geheilte, an einem Pouape-Schädel 538. — an Schädeln von Ponape, Karolinen 538. Treppen-Anlagen am Burgberg von Amassia 470. am Burgfels von Kalehissar, Klein Asien 476. — ~ bei einem Felsengrab bei Amassia 451. Trichter- Brandgrab mit Todtenstein in Trans- kaukasien 127. Brandgrübe in einem Kufgan Trans- kaukasiens 129. (i ruhen im Ringwall von Thräna 411. Tridaciia-Gigas-Schalen im Casseler Museum 221. Trier s. Häuser. — , Gesellschaft für nützliche Forschungen 73. V. Tröltscli, Stuttgart f 347. Troer, europäischen Ursprungs 441. Troglodvleii-l,and in Cappadocien 500, 502, 505. Troja des Priamos 259. Tropen, der Mensch in den 394. — -Koller fehlt in Indien 396. Krankheiten in Ost-Indien 396. Tschonwner- Kllguth, Kr. Sti-ehlitz , Schlesien. Thonschale als Nachbildung einer Bronze- I Schale 282. 1 Tuff-Felsen mit Felsen- Wohnungen bei Caesarea» j Cappadocien 505. ! Tuinuli in Albanien und Macedonien 43. — in Cappadocien 487. — mit breitem Unterbau in Macedonien 55. I Tumulus Hagio Elia bei Saloniki 54. — von Seddin, Westprignitz 66. (.576) Tuuiuliis-Feld bei Seddin 71. Tunuel im Burgberg von Ammassia, Burg- felsen von Turclial, Klein-Asien 470. Turauier als Erbauer der Felsgräber von Amassia 469. — als Erbauer der cappadocischen Felsen- wolinungen 520. Turcbai, Klein-Asien, Felseuburg mit griechi- scher Inschrift 470. Turfau, Ost-Turkistän, Alterthümer 152. Turkistäii s. Buddhismus, Figuren, Fresken, Handschriften, Höhlen, Holzdrucke, In- schriften, Münzen, Siegel, Steine, Terra- cotten, Thongefässe, Zwillings-Figuren. Tjana, Cappadocien s. Inschriften. U. IJebersicbt der der Gesellschaft durch Tausch, Kauf oder Geschenk zugegangenen perio- dischen Veröffentlichungen 16. Uergük, Cappadocien s. Felsenkirchen, Felsen- stadt, Felsenzimmer, Malereien, Tempel, Zuckerhut-Fonnation. Üfer-Befesligiingen bei Elisabethpol 81. liguren in Ost-Turkistän 151. Unfall des Herrn R. Virchow 273. Ungeziefer fehlt in den Fels -Wohnungen bei Caesarea 511. Bnlerkieler und Schädel von liegenden Hockern besonders bestattet, Transkaukasien 131. Unterscheidung zwischen Malayen und Mongolen 171. Untersuchung, chemische, von altbabylonischen Kupfer- und Bronze - Gegenständen und deren Alters-Bestimmung 157. — von Bernstein-Perlen aus Tempel - Ruinen Babyloniens und aus Gräbern Italiens, sowie Verfahren zur Bestimmung der Bemsteinsäure im Bernstein 400. — über den Inhalt eines Mound - Schädels 527. Intersuchunien und Ausgrabungen, archäo- logische, im Gouv. Elisabethpol, Trans- kaukasien 78. Ur-€hiiiesen 185. — -Heluialh der Giljaken 36. — -Kaukasier 247. Ural 8. Ekatherinenburg. Urne aus einem Felsengrabe bei Amasia 451. — , incrustirte, aus einem Kurgan 88. — mit seitlichen Ausätzen in Gefässform, aus einem Kurgan 1D4. — mit Knubben (seitlichem Zapfen) aus einem Kurgan 119. l'nien, anthropomo)-phe s. Menscheniiguren. Urnen, zoomorphe s. Thierbilder, Thierflguren. — aus dem Königsgrab bei Seddin 69. — in dem Ringwall bei Thräna 59. Grab bei Surda, Macedonien 49. Uta-Krankheit 404, in Peru 405. Uvuk, Cappadocien, Tumuli 487. — Ruiuenhügel, Klein-Asien 476. V. Van s. Ausgrabungen. Vaidjäer in Albanien 48. Variatiuneo, individuelle, an Thierschädeln 374. Vegetation an Salzquellen 538. Verbesserungen 190. Verbrennen der Haut durch die Sonne 245. Verbrennung der Todten und Aufbewahrung der Schädel auf den Hermit- Inseln 370. Verein, historischer, für den Regierungsbezirk Marienwerder, Festsitzung 274. — für Volkskunde s. Jubiläum. — für sächsische Volkskunde in Dresden 251. Verknöchern ng, vorzeitige, der Schädelnähte bei Idioten 335. Verkürzung des Schädelgrundes bei Cretinen 344. VerülTentlichungen s. Schriften-Austausch. Versammlung s. Allgemeine, General-, Haupt-. — , XXII. allgemeine, der Deutscheu Anthro- pologischen Gesellschaft in Metz 347. — , 73., Deutscher Naturforscher und Aerzte, sowie der Pathologischen Gesellschaft 191, 347. — , 84. Jahres-, der schweizerischen natur- forschenden Gesellschaft in Zofingen 252. — , Jahres-, des Voigtländischen alterthums- forschenden Vereins zu Hoheuleuben 404. Versandung der Städte Ost-Turkistans 151. Verschluss, dreifacher, des Einganges zur Grab- kammer im Königsgrab zu Seddin 67. — -Steine in den cappadocischen vorgeschicht- lichen Felseuwohnungen 514. Verstümmelung, absichtliche, der Bronze - Urne von Seddin 68. Verwundungen, Strafen für, in Albanien 355, 361. Verzeichniss sämmtlicher vorchaldischer und chaldischer Inschriften 285. Via Egiiatia in Macedonien 53. Vieh-.\rmuth bei Caesarea, Cappadocien 506. Ställe in cappadocischen Felsen- Wohnungen 511, 516, 520. — -Zucht, Mangel an, bei den alten Felsen- Bewohnern in Cappadocien 519. VIrchu» -Feier s. Geburtstag. — -Stiftung, Rechnungs-Bericht 448. (:.77) Völker-Tafel der Bibel 431. Vogel-Köpfe an Henkelschalen 279. Bilder auf einem Thongeläss Transkaukasiens 88. — -Darslellunjsen auf altannenischen Finger- ringen 47. — -Figur aus einem Kurgan 99. Voigtland s. Hohenleuben. Volkskunde s. Jubiläum. — , Verein für sächsische 251. Vorstand 3. Vorstands-Wahl 448. W. Waaren-Transporte in Klein-Asien im Alterthum 498. Wachs bei den Guayaqui 2<)9. Wachsthuin zwischen 20 und 40 Jahren 208. — der Geschlechter zur Pubertät in Japan 211. Wacbsthunis- Dauer des Schädels in Japan 211. Zeit des Scbädels 213. Wälle von Boghazkoi, Klein-Asien 480. Wagebalken, Wikingerzeit 351. Wahrsagerin s. Photographie. Waffen, hoher Werth der, in Albanien 353, 3(;2, 363. — und Geräthe der Guayaqui 268. Wahl der Ausschuss- Mitglieder und des Ob- manns 32. — des Vorstandes 448. Walbeck bei Helmstädt, Braunschweig, Schädel- Stücke und Beigaben 364. Wald-Arniulh des südlichen Cappadociens 507. — , Feld- und Gartenrecbt in Albanien 362. Messer aus dein Himalaja 345. Wall, ein prähistorischer, im Oberholz von Thräna bei Leipzig 58, 409. Befestigung bei Elisabethpol 81. Wand-Hlalerei und Wandputz in der Grabkammer eines Turaulus bei Seddin 66. Wasser-Arniuth der Gegend von Caesarea, Cappa- docien 505. Weber, Albrecht; Berlin f 448. Weberei s. Teppich. Webstuhl der Tataren 76. Wechsellieber in Elisabethpol 80. Weide-Recht in Albanien 362. Weihnachts-Gebräuche in Böhmen und Nachbar- schaft 544. Weinbau bei Caesarea, Cappadocien 506. — in Elisabethpol 80. Weinhold, Karl; Berlin f 391, 445. Wein-Kelterei in Felsen-Kellern in Cappadocien 518, 520. Wein -Krüge mit Thicr- Ornamenten, Armenien ;V2;'>. Wellenlinie in Hissarlik 333. Wellenlinlen-Ürnainent auf Kurgan-Thongefässen 92, 94, 100, 111, 125, 136. an einer Urne von Surda, Maeedonien 49. Werkmeister-Zeichen an den Fels -Gräbern von Amassia 467. West-Africa s. Figur, Talkstein. Westfalen s. Jahresbericht. West-Preussen s. Eisensachen, Feuerstahl, Ge- wichte, Knöpfe, Lanzenspitze, Marien- werder, Mewe, Schnallen, Schwert, Steig- bügel, Tauschirungen, Trense, Wikinger. Wiederwachsen der fötalen Flaumhaare 209. Wiege, die georgische 494. — , goldene. Sage (55. Wien s. Excursion. Wiesen -Acker, Bayeni, Bronze -Henkelschale mit Thierkopf und Nachbildung aus Thon 279. Wikinger-Zeit, Eisensachen 350. Wilheliusau, Provinz Brandenburg, Gräberfunde 201. Wirbelsäule s. Haarwirbel. Wirtel aus einem Tumulus, Maeedonien 56. Wodjin = Japaner 179. Wonu'scheKnochen, andenAnachoreteu-Schädeln 379, 381, 382. Würfel aus Elfenbein, aus einem Felsengrabe bei Amasia 451. Wurnibrand, Gundacker Graf t 223. Y. Yapalak, Cappadocien, hethitische Inschrift 502. Yasili kaja, Klein-Asien, Felsen mit Sculpturen 476. Yosgat, Klein-Asien, Felsen - Zimmer, und griechische Inschriften und Bautheile 487. Zahlen - System der Chalder und der Lazen 303. Zeichnungen an Bäumen bei australischen Grä- bern .525. Zeitenlik, Maeedonien, Grabhügel 55. Zeitstellung s. Alter, Chronologie. — der heidnischen Felsen-Tempel bei Uergüb usw. 513. — der Felsen- Wohnungen bei Uergüb 516. — der Felsgräber von Amassia 467. — des Königs-Grabes von Seddin 70. — des Pi-uinen-Hügels von Kara Uyuk, Cappa- docien 491, 495. Verhandl. der Berl. Anthropol. Gesellschaft 1901. 36' (578) Zeilstelluii^ der Schlacken- Wälle auf dorn Löbaucr Berge uud dem Stromberge, Königreich Sachsen 165. — der Sculpturen von Boghazkoi 482. — des Wallos von Thräna 61. Zelä s. Zileh. ZiPiiglbar Kalessi, Cappadocien, alte Festung 503. '/ierslörung von Boghazkoi und Grund des Wüst- bleibens 484. Zellen-Schaiizi' bei Döben b. Grimma 198. Zeugen bei Blutrache im Dukadschiu, Albanien 357. Z'gkeh, Armenien, Tempel 294. Zlegel-Tiffbaiiteii des Seille-Thales 538. '/.lieh (Zela), Klein-Asien, Felsenstadt 475. Zinn -Erze in Britannien, Toscana, Spanien, Portugal, Frankreich, Deutschland 157. Zinn-Erze fehlen in Klein-Asien, Cypern, am Kaukasus 157. Zolingen, Schweiz s. Versammlung. Zonen-Becher s. Chronologie. Zoologen- Congress, V. internationaler, zu Berlin 75, 223. Zoologischer Garten, Beduinen-Truppe 265. Zuckerhul-Fonualion bei Uergüb, Cappadocien 501. , Bildung, der, in Cappadocien 507. Zwanzig als Grundlage des Zahlen-Systems der Chalder und der Lazen 303. Zwerg-Stäiuiue in Paraguay 268. Znetschken-Dlann 544. Zwillings-Figuren aus Ost-Turkistäu 155. Eduard Krause. Druck von Gebr. Uiiger in Berlin. Bernbnrger Str. 30. B1NDING CZZT. JUL 1 1 1967 GN Zeitschrift für ethnologie 1 Z43 Bd. 33 PtEASE DO NOT REMOVE CARDS OR SLIPS FROM THIS POCKET UNIVERSITY OF TORONTO LIBRARY